(Ms) Ein Abend für den Rhythmus! Ein Abend mit Klängen aus dem Orient, Lateinamerika, Südeuropa. Ein Abend, in dem leicht anders gestimmte Gitarren, tanzender Bass und ein abgezocktes Schlagzeugspiel im Mittelpunkt standen.
Letzter Mittwoch, 11. Dezember. Es war richtig ungemütlich und kalt draußen, die Arbeitstage zehrten und zerren. Bald ist Urlaub, aber das Gefühl, mal raus zu wollen, ist sehr dominant. Ein Glück, dass eine richtig gute Band auf Tour ist und in Bremen Halt macht: Oum Shatt! Vor gut sieben oder acht Jahren wurde ich auf die Gruppe aufmerksam - Power To The Women Of The Morning Shift. Super Song, super Titel! Dieses Jahr haben sie ihr neues Album veröffentlicht. Opt Out war im Januar draußen und elf Monate später sind sie an der Weser. Es war eine spontane Entscheidung, hinzugehen. Und sie hat sich enorm gelohnt!
Rein in die Bahn und vom Bahnhof zu Fuß ins Viertel. Ab zum Lagerhaus. Um kurz vor acht war noch nicht viel los, 40 Leute waren vielleicht da. Circa das dreifache sollte es noch werden. Alle MusikerInnen, die noch auf der Bühne stehen würden, hätte ein Vielfaches an Aufmerksamkeit verdient. Von einem Support wusste ich erst vor Ort und der Name Saturno 4000 hat mich direkt angesprochen! Das internationale Quartett aus Berlin trug orientalisch anmutende Kleider, waren trashig geschminkt, versetzten das Publikum dann aber in Ekstase. Sie sangen auf Englisch, Französisch und Spanisch. Der Bass tanzte voller Leidenschaft, die Gitarre verzauberten die Ohren und das Schlagzeug hielt alles zusammen. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus - solche Musik habe ich noch nie gehört. Am ehesten erinnerten sie mich an Los Bitchos. Insgesamt gab es wenig Text, sie ließen ihre Instrumente singen. Wem das nicht direkt in die Hüfte geht, der ist ein waschechter Banause! Enorme Band, toller Auftritt, sollte man unbedingt abspeichern!
Starke Rhythmen und ein ganz hohes musikalisches Niveau sollten auch danach folgen. Man könnte bei leicht orientalisch angehauchter Musik ja durchaus über kulturelle Aneignung diskutieren. Man könnte das auch einfach lassen und die Klänge genießen, das ist ja viel einfacher! Und Genuss wurde groß geschrieben beim Auftritt von Oum Shatt! Insbesondere das Schlagzeugspiel von Chris Imler war ausgesprochen beeindruckend! Ohne solch versierte und versunkene Art des Rhythmus‘ wäre ihre Musik live sicher nicht möglich. Und so entfachten sie eine Menge Energie, das Publikum kam immer ein Stückchen näher und ließ sich wiederum immer mehr gehen. Das hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, wobei den Musikern auch anzusehen war, wie konzentriert sie bei ihren Songs waren. Da kann man sich auch schon mal verspielen… So sehr kenne ich mich mit den beiden Alben von Oum Shatt gar nicht aus, das war aber auch nicht so wichtig, denn das, was sie live abgeliefert haben, war einfach irre. Und schreit in jedem Fall nach einer Wiederholung. Ich freue mich auf die nächste Gelegenheit!
(Ms) Ist er der letzte große Chansonnier? Oder der erste einer gänzlich neuen Generation von Musik und Text? Ist das Pop? Ist das der Rest? Ist das der Wahn?
Das, was Tristan Brusch künstlerisch darbietet, ist in jedem Fall sehr viel. Sehr umfangreich. Enorm intensiv. Mitunter auch verstörend. Aber vor allem ist das sehr, sehr gut. Allzu oft tritt er gar nicht auf. Hier und da ein paar Tourblöcke und der letzte zum aktuellen Album Am Wahn ging am Wochenende in Berlin und Hamburg zu Ende. Die Elbe ist nicht so weit weg, also ein ideales Ziel für ein Wochenendtrip!
Tristan Brusch also. Ohne ihm zu nahe treten zu wollen - er sieht ja schon etwas gruselig aus. Doch das Leopardenhemd stand ihm unglaublich gut. Doch fangen wir vorne an. Oder eher: außen. Am Samstag spielte er im Gruenspan. Ja, schon an der Großen Freiheit gelegen, aber der große Rummel liegt auf der anderen Straßenseite. Vielleicht ist der Gruenspan die schönste Konzertlocation, in der ich in den letzten Jahren war. Der geschichtsträchtige Ort ist hoch, toll gestaltet mit seinen Säulen und dem Oberrang (der an dem Abend aber geschlossen war). Berühmt war der Ort immer schon für seine Akustik. Das sollte sich auch am Samstagabend bemerkbar machen.
Recht früh, um viertel vor acht betrat Tristan Brusch ganz allein die Bühne, nahm die Akustikgitarre und versetzte die gut 500 Leute (amateurhaft geschätzt) ins Staunen. Oder in einen Schockzustand. Je nach dem… Ab diesem Zeitpunkt verströmten zwei Parameter einen ungeheuren Zauber: Seine Texte und seine Stimme. Die Texte sind enorm breit gefächert, kommen ohne viele Worte aus. Die, die da sind, sind aber extrem pointiert, erzeugen sofort eine Situation und verschiedenste Gefühle. Staunen, Schrecken, Glück. Seine Stimme, ein tiefer Bariton, weiß der Künstler genau einzusetzen! Nur wenige Male holte er die ganze Kraft aus ihr hervor. Doch in diesen Sekunden herrschte absolute Stille - das war enorm einnehmend, phantastisch!
Sein Konzert war wirklich sehr kunstvoll. Das machte auch die Instrumentierung des Abends klar. Es fehlte: Ein Schlagzeug. Es gab kein klassisches Rhythmusinstrument, keine Percussion. Dafür zauberten seine drei Mitmusiker aus ihren Instrumenten aber die höchsten Töne. Was hat Tristan Brusch ein Glück, so eine niveauvolle Band zu haben! Sie spielen Kontrabass, Saxophon, Keyboard, Querflöte, Bassklarinette. Zu viert stellten sie ein kleines Kammerorchester dar. Der Clou: Der Rhythmus wurde reihum gegeben. Prädestiniert dazu ist in dieser Auswahl natürlich der Bass. Doch bei einem Stück hat auch das Saxophon den Takt vorgegeben. Das ist musikalisch absolut genial und sehr kenntnisreich arrangiert! Hier ließ sich große Kunst genießen und bestaunen!
Tristan Brusch ist aber auch Entertainer. Nicht alle Lieder sind schauderhaft, traurig oder tragisch. Es steckt mitunter auch Leichtigkeit, Witz und Nahbarkeit darin (Baggersee, Theo, Seifenblasen Platzen Nie). Auch ein Stück, das er zusammen mit Oehl geschrieben hat, sang er an dem Abend. Sie haben sogar ein Album aufgenommen, ich hoffe sehr, dass es irgendwann noch erscheinen wird.
Sehr gut kann ich verstehen, dass Tristan Brusch immer wieder in bestuhlten Hallen auftritt. Im Nachhinein hätte ich mir das auch gewünscht. Ja, das Publikum war schon sehr aufmerksam, aber es wurde schon etwas getuschelt. Sitzend, in einem Theater, wäre das sicher noch weniger geworden. Stille im Publikum, das hätte ich mir gewünscht. Das würde der Musik vorne noch mehr Kraft verleihen. Aber klar, wer mitsingen will, singt mit. Ist ja auch gut so,
So bleibt ein großartiger Konzertabend voller tragischer, schauriger, trauriger, toller, großartig getexteter Lieder und einem enormen musikalischen Niveau auf der Bühne!
PS: Ja, es gab auch einen Support. Das war Siggi. Sehr sympathisch, aber musikalisch wird bei mir nichts haften bleiben.
(Ms) In den letzten Wochen habe ich American Psycho von Bret Easton Ellis gelesen. Und musste alle paar Kapitel fast zwischen die Seiten kotzen. Natürlich ist diese exzessive Art der Gewaltdarstellung ein großes Spiel und auch eine Analyse des American Dream, wenn auch sehr schräg und ekelhaft. Zwischendurch habe ich mich durchaus gefragt, warum ich das eigentlich noch weiterlese, denn so viel Handlung hat das Buch ja gar nicht. Es dreht sich ständig im Kreis: Ausführliche Schilderung von Kleidung und Markennamen, inhaltslose Smalltalkgespräche über die neusten Restaurants und den eigenen Wohlstand, eine völlige Abstumpfung, es geht um gar nichts mehr, weil man ja schon alles hat. Und dann halt als Gegenpol, als ultimative Spitze, das unendliche Massaker an meist jungen Frauen mit allerhand Werkzeugen und in einem irren Blutrausch. Puh, ich bin froh, dass das erstmal hinter mir liegt. Happy Advent!
Tunng
(Ms) Obacht, das hier ist richtig gut! Diese englische Band ist mir mit ihrem letzten Album zum ersten Mal über den Weg gelaufen und hat mich auf zauberhafte Weise mitgenommen. Die Musik von Tunng ist sehr klug. Aber nicht oberlehrerhaft oder unzugänglich. Im Gegenteil. Das Sextett macht zum Teil recht verschachtelte Musik, doch sie ist zugleich sehr eingängig. Das ist klug. Kluges Songwriting, in dem das Level des künstlerischen Schaffens gar nicht so offensichtlich ist, aber es dennoch auf sehr hohem Niveau geschieht. Nun veröffentlichen sie am 24. Januar ihr neues Album Love You All Over Again und es gibt schon diverse Singles. Everything Else kam diese Tage raus und es besteht aus vielen kleinen musikalischen Details, die sich übereinander legen und ein unglaublich wohlig, warmes Ganzes ergeben. Die Musik ist weich und umarmend, obwohl ein paar Geräusche gerne mal knarzen. Toll arrangiert! Dieses Album und diese muss man für das kommende Jahr auf jeden Fall auf dem Schirm haben - versprochen!
The Ocean & SIERRA
(Ms) Als ich Anfang September auf dem Hellseatic-Festival in Bremen war, wusste ich nicht, wie sehr mich dieses Wochenende nachhaltig beeindrucken würde. Natürlich kommt man auch mit ein paar Leuten ins Gespräch und so wurde mir The Ocean empfohlen. Tatsächlich habe ich diese Empfehlung ein klein wenig vergessen, bis mir eine Mail über die Band reinflatterte. Die Berliner Post-Metal (was auch immer das ist) Band arbeitet seit kurzer Zeit mit SIERRA zusammen, gegenseitig remixen sie ihre Songs und die Ergebnisse sind durchaus hörenswert! SIERRA hat sich dem Track Boreal angenommen und ihm eine satte, elektronische Tiefe verpasst! Klar, man könnte schnell an so Künstler wie Skrillex denken, aber das hier ist irgendwie weniger überbordend gemacht, sondern bleibt im Kern des ursprünglichen Liedes. Das ist richtig schlau gemacht, sehr feinfühlig und bedacht trotz (oder gerade wegen) aller Härte, die darin steckt!
Yann Thiersen
(Ms) Mal wieder auf der Suche nach Begriffen. Zahlreiche Male habe ich mich hier an Genre-Bezeichnungen aufgerieben. Zum Einen sind sie völlig wertlos, weil sie kaum eine Information mit sich bringen, zum Anderen helfen sie, Musik einzuordnen. Wenn dann ein Künstler in ein Genre eingeordnet ist, kann man ja einschätzen, ob das zu den eigenen Musikhörpräferenzen passt. Seit einigen Jahren lasse ich mich von allem mitreißen, was unter dem Namen Neo-Klassik erscheint. Die Klangpalette, die sich dahinter verbirgt, ist enorm! Es sind nicht nur einfach etwas modernere Etüden. Es ist ein Spiel. Oft ein Spiel mit dem Klavier und seinen Möglichkeiten. Hauschka zum Beispiel. Wie breit das Genre ist, zeigt Martin Kohlstedt auf beeindruckende Weise. Sind einige seiner Platten sehr ruhig, will ich live dazu tanzen, da es dann in Richtung Electro geht. Beides zusammen bringt jetzt Yann Thiersen. Und das auf ebenso eindrucksvolle Art - auf einem Album! Rathlin From A Distance | The Liquid Hour kommt am 4. April raus und ist ein zweigeteiltes Werk, wie der Titel schon vermuten lässt. Die eine Seite ist ein melodischer Ausflug auf den sanften Saiten (haha) des Klaviers, die Andere geht satt in die elektronische Tiefe und ist zum Teil etwas ungemütlicher. Beide Facetten auf einer Platte. Das bringt zusammen, was der Franzose seit vielen Jahren macht. Wieso nicht auf Platte?! Eben, wird die beeindruckende Antwort sein.
Wir kennen uns nicht persönlich. Doch ich bin dir schon zahlreiche Male begegnet. Sowohl in deinen Liedern als auch live. Seit gut 30 Jahren machst du Musik, ich bin gerade mal 34 Jahre alt. Dennoch begleiten mich deine Texte seit einiger Zeit. Meistens tragen sie mich oder sie intensivieren einen bestimmten Moment. Dafür möchte ich dir hier, anlässlich zu deiner Werkschau, Danke sagen!
Einmal, nach einem Marcus Wiebusch-Konzert im Bürgerhaus Stollwerk, Köln, sprach ich dich an. Einfach nur so. Und du antwortest: „Bevor man sich duzt, muss man sich erstmal siezen.“ Das hat mich an diesem Abend ganz schön verwirrt, aber es ist auch so ein typischer Uhlmann-Satz: Es ist nicht ganz klar, ob das ernst gemeint ist oder ob danach ein keckes genial kommt. In dem Moment wirkte es aber schroff, ich war irgendwie perplex, konnte aber gut damit umgehen und siezte danach ein paar Künstler, mit denen ich sprach, bis ich merkte, dass der Satz völlig bescheuert ist. Das war am 3. Mai 2014, zehn Jahre her.
Am 1. Januar 2024 warst du auch im Knust als Gast bei Kettcars Neujahreskonzert. Wir standen schräg vor dir und ich munkelte, ob ich dich danach ansprechen könnte. Aber ich habe es gelassen. Nicht aus dem oben genannten Verwirr-Grund, sondern… ach, ich weiß es gar nicht so genau. Ich wollte doch nur Danke sagen. Danke für die schöne Musik, Danke für die tollen Texte. Dann hole ich das halt hier nach.
Zum Buchstaben Über Der Stadt-Album gab es schon ein Booklet anbei, das mit wunderbaren Geschichten und Gedanken zugedruckt war. Ich habe es damals in meinem Kinderzimmer gelesen und es hat mich sehr berührt. Jetzt darf ich als Hobby-Schreiber in deine Worte zu deiner Werkschau reinlesen, sitze im Eigenheim und merke, dass in der Zwischenzeit doch eine Menge geschehen ist. Damals habe ich mir alle Maxi-CDs gekauft, heute sind es Vinyl-Werkschauen, zwischendrin auch noch mp3-Downloads.
In all der Zeit war und ist deine Musik da. Recht früh hat mich Die Bastarde, Die Dich Jetzt Nach Hause Bringen gepackt. Fand ich direkt gut. Ein Lied über die Sehnsucht und das Ungewisse. Als Student, und heute auch noch, fuhr ich oft nach Hamburg. So drei, vier Mal pro Jahr. Entweder für Konzerte oder für St. Pauli-Spiele oder beides. Gerne hörte ich Wie Sieht‘s Aus In Hamburg, wenn der Metronom aus Bremen kommend in den Hamburger Hauptbahnhof einfährt. Ein schönes Gefühl.
Die Freundschaft zu Casper habe ich nie ganz verstanden, muss ich ja auch gar nicht. Er spielte mal bei einem Fest Van Cleef im Bielefelder Ringlokschuppen, ein Act der irgendwie nicht ins Line-Up passte, aber ihr passt zusammen und das ist doch genial! Übrigens kommt er nicht aus Bielefeld, sondern aus Bösingfeld, so viel Zeit muss sein!
Das erste Solo-Album habe ich noch sehr intensiv gehört, danach habe ich irgendwie den Anschluss verloren und ich weiß gar nicht warum. Vielleicht haben sich kurzzeitig meine Hörgewohnheiten geändert. Doch letztens, auf einer längeren Autofahrt lief dann dein Live-Album von 2022. Und da kam alles zusammen: Nicht nur deine wunderbaren Zeilen, die so voller Aufrichtigkeit, Liebe, Sehnsucht, Ehrlichkeit und Verletzlichkeit sind. Sondern auch deine Ansagen, deine Entertainer-Qualitäten! Da ist - ganz ohne Pathos und ungelogen - ein familiäres Gefühl. Tomte- und Solo-Lieder haben sich anscheinend so in mein Unterbewusstsein eingebrannt, dass sie ganz tiefliegende Gefühle bewegen. Das muss Musik ja auch erstmal schaffen. Vielen Dank!
29 Lieder aus deinem eigenen musikalischen Schaffen hast du nun zusammengestellt. Es ist eine großartige Zusammenstellung. Von den schief gesungenen, frühen Tomte-Songs bis heute. Und da lege ich mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass ich bei weitem nicht der einzige bin, dem es so geht mit deiner Musik. Lieder als Zuhause. Ich finde, dass kann ein ganz gewaltiges Kompliment sein! Vielen Dank für die Musik, lieber Thees Uhlmann! Ich freue mich auf alles, was da noch kommt!
Die Werkschau Sincerely, Thees Uhlmann - Das Beste Von Tomte Bis Heute erscheint am 6. Dezember 2024.
(Ms) Heute morgen habe ich mich gefreut! Es lag nicht am adventlichen Zauber (ja, doch, auch, aber darum geht es hier nicht) und auch nicht am schönen Frost draußen (ja, doch, auch, aber darum geht es hier nicht). Für ein gemütliches Frühstück wollte ich den Tisch decken, Kaffee kochen, was dazu gehört. Nun bin ich ein großer Freund von Stempelkannen (wer Frenchpress sagt, hat verloren). Daraus schmeckt mein Lieblingskaffee am besten. Stark, rund, wirkmächtig. Leider war aber die Spüle noch von Kram von gestern belegt und ich kam mit dem Wasserkocher nicht an den Hahn. Klar, den Kram wegräumen ginge auch. Wollte ich aber nicht. Und dann habe ich mich gefreut. Ich freut mich doll über diesen herausziehbaren Wasserhahn, damit ich das Wasser direkt in den Wasserkocher füllen konnte. Genial! Ein Moment purer Freude! Der Kaffee hat sehr gut geschmeckt, die Spüle ist aufgeräumt.
The Weather Station
(Ms) Mit ihrem Album Ignorance hat mich Tamara Lindemann recht kraftvoll in ihren Bann gezogen. Das ist nun auch ein paar Jahre her und die nächste Platte steht in den Startlöchern. Ihr musikalische Name ist The Weather Station und ich bewundere ihre Musik für diese sehr kunstvolle Art, ihre Lieder zu schreiben und zu arrangieren. Humanhood erscheint am 17. Januar und Window ist ihre neue Single aus diesem Werk. Es ist ganz ungewöhnlich, denn es ist erstens verhältnismäßig kurz, unter drei Minuten Spielzeit. Außerdem startet es direkt, es gibt keine Anlaufzeit, es wird nichts aufgebaut, es ist sehr unmittelbar. Und schlängelt sich so auch komplett durch das ganze Lied, das furios eingespielt wurde. Sie ließ ihre Band das Lied drei Mal übereinander spielen, nur einzelne Töne variierten, so entsteht viel Dichte. Es geht um Flucht, ums Entkommen und die Musik untermalt diese Gefühle auf grandiose Art! Hach, das kommende Album könnte wieder großartig werden!
26.02. Hamburg, Nochtspeicher 28.02. Berlin, Silent Green
Dope Lemon
(Ms) Das, was Angus Stone solo oder mit seiner Schwester Julia zusammen macht, ist immer etwas besonderes. In meinen Augen beherrschen beide eine sehr gute Technik des Musikschaffens. Oft sind ihre Tracks gar nicht mal so prägnant, stechen gar nicht mal so heraus. Oft entfalten sie über wunderschöne Melodien ihren Zauber. Bei seinem Solo-Projekt Dope Lemon kommt eine gewisser Kiffer-Lässigkeit dazu. Seine neue Single heißt Golden Wolf und ist viel mehr Indie als einige seiner vorherigen Tracks. Klar, auch diese Single besticht durch ihren Sog, durch die wundervolle Eingängigkeit. Und auch durch ihren Text. Denn Angus Stone fragt sich, wie viel von uns in einem möglichen weiteren Leben bleiben wird. Vielleicht gibt es ja doch einen Kern, an dem man sich irgendwie erinnern kann. Es ist ein toller, leichtfüßiger Track, der noch mehr Neues für das kommende Jahr ankündigt.
Herrenmagazin
(Ms) Wie gut, dass sie wieder da sind. Klar, es gibt viele deutschsprachige Indierockbands. Aber Herrenmagazin sind doch etwas Einzigartiges. Zum Einen sind sie wohl mit die sympathischste Band des Landes, zum Anderen liegt den Texten von Deniz Jaspersen doch eine ganz besondere Wucht inne. Er findet Worte für Situationen und Gefühle, die oft ganz klar sind. Oft geht es duster zu in seinen Geschichten, aber er schafft es immer wieder der ganzen Dunkelheit einen Schimmer Hoffnung zu verpassen. Und die brauchen wir doch ganz dringend, oder?! Eben! Auch im Privaten und darum geht es im neuen Track Fragment. Es ist die erste frische Musik nach zehn Jahren. Dass die Menschen hinter der Musik sich geändert haben, ist klar. Über die Veränderung geht es auch im Lied. Es ist besser, sie zu akzeptieren anstatt immer wieder dagegen an zu kämpfen. Das ist erschöpfend und wirklichkeitsverzerrend. Gut, dass diese Band wieder da ist, ihr neues Album Du Hast Hier Nichts Verloren erscheint am 28. März, anschließend sollte man sie hier live bestaunen:
11.04.25 Frankfurt, Nachtleben 12.04.25 Stuttgart, JuHa West 01.05.25 Hamburg, Uebel & Gefährlich 02.05.25 Hannover, Bei Chéz Heinz 03.05.25 Berlin, Bi Nuu 17.10.25 Dresden, GrooveStation 18.10.25 München, Kranhalle 20.10.25 Leipizg, Naumanns 21.10.25 Kassel, Goldgrube 22.10.25 Essen, Zeche Carl 23.10.25 Köln, Gebäude 9 24.10.25 Bremen, Tower
Oehl
(Ms) Die „Tour Der Guten Hoffnung“ sollte schon längst stattfinden. Jetzt, in diesen Wochen. Doch Ariel Oehl hat diese Konzerte ins Frühjahr 2025 verschoben. Das hat gute Gründe und sogar einen richtig Freudvollen! Zum Einen hat er am Theater Linz die Musik für das Stück Tom Auf Dem Lande geschrieben und vor Ort mitgewirkt. Zum Anderen ist in der Zwischenzeit viel neue Musik entstanden. Eine EP erschien, viele andere Lieder haben das Licht der Welt erblickt. Was tun?! Genau - ein neues Album veröffentlichen. Es wird Lieben Wir heißen und am 14. März bei Grönland Records erscheinen. Ich vermute, es wird viel ruhiger und reduzierter sein, dezenter im Klang. So erscheinen zumindest die letzten Stücke, die er veröffentlichte. Passend zur Albumankündigung erschien nun Ein Echtes Lachen über die Suche nach der Sprache, wie man sich denn aus einer Liebe verabschieden könnte. Was für eine große Herausforderung - Ari Oehl meistert sie wie immer sehr poetisch! Auch die anderen Stücke des Albums werden von der Liebe handeln. In all seinen Facetten. Ein spannendes Projekt, was schon oft gut gelungen ist - beispielsweise bei Love von Get Well Soon. Ich bin äußerst gespannt!
(Ms) Die Spatzen pfiffen es von den Dächern - es gibt eine neue Platte von Waving The Guns! Eine große Überraschung war das nun nicht mehr, immerhin wurden vor Wochen schon neue Tourdaten veröffentlicht, dann mit Klebrig eine neue Single und nun ist auch bekannt, wie die Scheibe heißen wird: Zwischen Wand Und Tapete erscheint am 28. Februar natürlich bei Autiolith Records! Passend dazu gibt es auch noch einen neuen Track. Bigotterie ist seit ein paar Tagen draußen und der Beat ist mal wieder überragend. Der Text knallhart, wach, auf den Punkt! Tatsächlich musste ich auch einmal kurz nachschauen, was das überhaupt bedeutet. Hier die Aufklärung: Scheinheiligkeit! Ja, so geht es da draußen zu. Milli Dance hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Liedern den Kapitalismus immer wieder zu sezieren und den Kampf anzusagen. Es ist ein weiteres Mal gelungen! Das ist immer auch ganz schön bitter, aber das muss es auch sein. Für offene Augen braucht es auch den Schmerz - den gibt es hier! Und live dann auf all diesen Bühnen:
13.03.2025 Rostock - M.A.U. Club (Zusatzshow) 15.03.2025 Rostock - M.A.U. Club (Ausverkauft) 20.03.2025 Dresden - Tante Ju 21.03.2025 Wien (AT) - Flex 22.03.2025 Graz (AT) - p.p.c. 23.03.2025 Innsbruck (AT) - P.M.K 25.03.2025 Zürich (CH) - Dynamo 26.03.2025 Stuttgart - Lehmann Club 27.03.2025 München - Strom 28.03.2025 Nürnberg - Z-Bau 29.03.2025 Jena - Kassablanca 03.04.2025 Dortmund - Junkyard 04.04.2025 Frankfurt - Das Bett 05.04.2025 Heidelberg - Karlstorbahnhof 10.04.2025 Hannover - Kulturzentrum Faust 11.04.2025 Köln - Stollwerck 12.04.2025 Bremen - Schlachthof 17.04.2025 Hamburg - Markthalle 25.04.2025 Leipzig - Werk2 26.04.2025 Berlin - Huxleys neue Welt
(Ms) Eineinhalb Stunden Auszeit in einer wuseligen Zeit, deren Nachrichten und Entwicklungen einen oft in die Enge treiben. Eineinhalb Stunden einfach mal rauskommen. Zuhören. Mitgenommen und unterhalten werden. Eineinhalb Stunden träumen und schwelgen in Bildern, die mit ganz wenigen Worten erzeugt werden. Eineinhalb Stunden Niels Frevert und seinen Liedern zuhören.
Das ist derzeit möglich, denn er befindet sich auf kleiner Trio-Tour. Kein Schlagzeug, alles ein wenig heruntergefahren, leiser, direkter, unmittelbarer. Wenn dann noch der Rahmen passt, stehen alle Ampeln auf grün, dass das ein toller Abend wird. So gestern in Oldenburg. Bis auf die Umbaubar hat Oldenburg in meinen Augen kaum eine richtig schöne Konzertlocation für einen kleinen Abend. Also einen Ort, wo es auch gemütlich werden kann, zum Wohlfühlen gewissermaßen. Da muss man schon ein wenig nach links und rechts gucken. Und das tat Niels Frevert wohl schon seit vier, fünf Jahren. So lange wollte er schon im Theater Laboratorium spielen. Eine ausgezeichnete Wahl - ein kleines, privates Theater, das für seine exzellenten (und hier spreche ich aus Erfahrung) Puppenthaterstücke bekannt ist. Ein urgemütliches Gebäude, bestuhlt. Eineinhalb Stunden Auszeit.
Dafür sind seine Texte wie gemacht! Oft braucht er nur ganz wenige Worte, um die Situation einer Geschichte sofort zu eröffnen. Dazu passt auch oft die Harmonie und man befindet sich entweder direkt am Abgrund oder auf den höchsten Höhen. Mit Rachmaninow ging es los, eine Autofahrt mit entsprechender musikalischer Untermalung. Die zarte Instrumentierung des Abends machte sich direkt bezahlt - es klang ganz wunderbar! Weitere Stücke seines aktuellen Albums Pseudopoesie folgten: Weite Landschaft, Waschbeckenrand, Klappern Von Geschirr, später auch das tolle Fremd In Der Welt. Doch auch „Klassiker“ waren dabei wie Wann Kommst Du Vorbei, Du Kannst Mich An Der Ecke Rauslassen oder Ich Würde Dir Helfen Eine Leiche Zu Verscharren. Für den Genuss des Abends hat auch das Publikum gesorgt, das sehr aufmerksam war, sehr still. Ich saß ganz vorne und so hörte man das Anschlagen des Plektrums, das Klackern der Pedale, den Anschlag des Keyboards. Das war schon sehr nah, sehr direkt. Niels Frevert selbst war gut drauf, erzählte ein paar kleine Geschichten, die Stimmung war gut. Eineinhalb Stunden Auszeit. Sie tat richtig gut. Wunderbar sanfte Musik an einem wunderbar gemütlichen Ort. Vielen Dank!
PS: Ich hoffe, dass die Keyboardsoundprobleme an den kommenden Abenden nicht mehr auftreten!
(Ms) Sind Zuhause und Heimat das Gleiche? Das hängt meines Erachtens ganz davon ab, ob man immer noch in dem Ort wohnt, wo man groß geworden ist oder halt nicht. Für mich ist die Heimat der Ort, wo ich als Kind war, wo ich zur Schule gegangen bin, meine Jugend verbracht habe. An unterschiedlichen anderen Orten war ich schon zu Hause. Da bleibt eine ganz sonderbare Verbindung. Zum Einen bin ich sehr froh, nicht mehr dort zu leben. Dort war halt nie so viel los. Zum Anderen ist es halt die Gegend meiner Kindheit. Wie prägend sie ist, wissen wir alle. Also: Seltsames Verhältnis. Meistens lässt sie sich so zusammenfassen: Ich bin gerne da, aber auch gerne wieder weg. Ich unterstelle jetzt einfach mal ganz vielen Menschen, dass es denen ähnlich geht. Da bleibt ein ganz starkes, oft bizarres emotionales Band.
Wie genau es Ben Lukas Boysen in Altrip ging, weiß ich natürlich nicht. Ob er Berlin nun als Heimat oder auch „nur“ als Zuhause sieht, weiß ich auch nicht. Aber es scheint ein wenig ähnlich zu sein. Denn dem Ort, in dem er aufgewachsen ist, widmet er seine neue Platte. Sie trägt den alten, lateinischen Namen Alta Ripa. Altrip liegt südlich von Mannheim, direkt am Rhein und ist von viel Wasser umgeben. Knapp 8000 Menschen wohnen da, also auch nicht besonders viel los. Doch Ben Lukas Boysen erinnert sich an eine Jugend, die elektronisch geprägt war. Sampler- und Synthie-Musik war damals schon ein enormer Bestandteil seiner Jugendkultur. Heute ist es ihm möglich, die Musik zu machen, die er damals gerne gehört hätte. Was für eine unglaubliche Entwicklung. Was für eine tolle Aussage! Die zehn neuen Tracks haben eine Spielzeit von einer Dreiviertelstunde und sind diesem Ort gewidmet.
Um diesen Text zu schreiben, hörte ich Alta Ripa auf einem Spaziergang durch den Ort. Und es ploppten direkt viele Bilder und Assoziationen auf. Klar, was der Künstler selbst damit meint, bleibt im Verborgenen. Aber ich kann mir dieses Album aneignen und meine eigene Geschichte damit weben. Und das hat unglaublich viel Spaß gemacht! Im Gegensatz zu seinen vorherigen Projekten schrieb und spielte Ben Lukas Boysen alle Tracks alleine ein, keine Gäste, ganz pur. Ours, so heißt der erste Track. Könnte eine Musik sein, die im Elternhaus lief, oder? Eine satte Bassfläche, ein paar tänzelnde Töne darüber, es klingt sehr rund, sehr ausgewogen, harmonisch. Was lief wohl damals im Hause Boysen? Kraftwerk? Cluster? Can? Die Stärke dieses Tracks ist, dass die Töne immer intensiver werden, ein sehr kräftiges Crescendo, ein toller Start in diese Platte. Mass ist viel schneller, viel verwobener, antreibender. Sofort ist eine Bewegung da. Altrips Sportverein? Eine Tartanbahn? Ein hektischer Lauf aus Mannheim zurück nach Hause? Zwischendurch wird kurz durchgeatmet und dann geht‘s weiter! Abends rasen die Lichter an einem vorbei. Der Titeltrack ist sehr ausdrucksstark und untermauert eventuell meine Annahmen. Denn Alta Ripa ist sehr ruhig, sehr bedächtig, fast ein bisschen düster. Die Straßen sind leer, ein bisschen Sehnsucht liegt in den Menschen, aber es ist auch alles gut so wie es ist. Wie ein warmer Mantel umhüllt einen dieser Song. Aber nur so lange, bis Nox erklingt. Die Nacht. Sie ist wuchtig, dunkel, aber auch voller Energie. Ein Track, den ich sofort lauter stelle, da die Dynamik ansteckend ist. Hier wird getanzt, vielleicht ist es auch ein bisschen rau. Satter Bass donnert durch die Boxen. Vielleicht geht da doch was in dem kleinen Ort?! Ein tolles Stück! Vineta klingt sehr weltraumig. Es erinnert stark an die elektronischen Spielereien der 70er und 80er Jahre. Ist es ein Blick in die Sterne? Es klingt sehr offen, sehr freundlich, obwohl etwas Unbekanntes in den Melodien liegt. Wer mit solchen Tönen solche Bilder erzeugen kann, ist ein ausdrucksstarker Künstler. Auf der Hälfte des Tracks ist tatsächlich auch ein Summen zu hören. Herrlich mystisch, großartig arrangiert! Fama hingegen arbeitet mit vielen verschiedenen Klangebenen. Es ist viel direkter, griffiger, präsenter, unaufhaltsamer. Nach knapp fünf Minuten ist eine Pause zum Innehalten da. Sie tut gut, doch der Track könnte auch endlos weiter gehen, so viel Schönheit liegt darin.
Wie schön, dass der letzte Track Ours Forever heißt und die Melodie vom Anfang wieder aufnimmt. Das rahmt dieses großartige Album auf ganz phantastische, wenn auch einfache Weise. Alta Ripa ist ein umwerfendes Werk, es spricht mich enorm an. Die Arrangements sind zum großen Teil sehr weich, ja, gefühlvoll. Ben Lukas Boysen kann enorm gut mit Energie und Dynamik umgehen und diese Platte ist ein beeindruckendes Zeugnis davon!
(ms) Jeden Tag eine gute Tat - das Motto der Pfadfinder.
Freitagmorgen, 7.20 Uhr auf der Arbeit. Auf dem Weg mir einen Tee zu kochen, vernahm ich ein ungewöhnliches Geräusch auf den Fluren. Es flatterte und raschelte: Ein Rotkehlchen saß dort. Wie es dahin kam, ist nicht klar, aber nun war es da. Es versuchte wohl schon öfter, raus zu kommen, landete aber immer wieder vor Fenster und Türen, es gab kein Entkommen. Also versuchte ich dem armen, kleinen Ding zu helfen. Doch keins der Fester auf den Fluren ließ sich komplett öffnen, Brandschutz sei dank. Also: Wo kann es raus? Ganz am Ende, da war es! Das einzige Fenster, das sich komplett öffnen ließ. Aber der Vogel muss da ja auch erstmal hin. Also trieb ich ihn ein wenig, ein Kollege hielt das Fenster offen. Das Rotkehlchen folgte unserem Plan und saß dann, schon total erschöpft und mehrmals leidvoll gegen Glasscheiben geknallt, auf der richtigen Fensterbank. Es schaute raus, ganz romantisch stelle ich mir vor, dass es sich kurz bei uns bedankt. Dann flog es in den dunklen Morgen. Hinein in die Freiheit. Gute Reiser, kleiner Federfreund.
KMT
(Ms) Kunst, du große Faszination! Wie unterschiedlich wir doch auf den gleichen Text blicken können. Hier ein kraftvolles Beispiel. Die Welt Ist Weit ist ein Gedicht von Ingeborg Bachmann, das sie 1952 geschrieben hat. Vor über siebzig Jahren. Letztes Jahr war ihr fünfzigster Todestag. Katarina Maria Trenk, die sich einfach nur KMT nennt, hat dieses Gedicht vertont und mit einem tollen Video gestalten lassen. Dabei ist ihre und meine Sicht auf Bachmanns Zeilen ganz unterschiedlich. Ist es nicht schön, welche Gedanken Kunst freisetzen kann, wie viele Blickwinkel sie ermöglicht?! Ich sehe in Ingeborg Bachmanns Zeilen eine Vorbereitung auf den Tod, ein Abschluss des Lebens. Sie blickt zurück und schaut, wo sie war, wie die Welt sie durchaus bereichert hat, aber auch viel Energie gekostet hat, überall ist ein Stück von ihr geblieben. Und nun, als letzter Blick voraus, steht dort ein Baum „hinter der Welt“. Nun ist die Frage, wie man diesen Text anschaut. Als abgeschlossen oder vielleicht ist ja auch ein Schritt in den Text möglich, sodass man den Prozess des Weltentdeckens einnimmt. Darum geht es (so sehe ich das zumindest) Katarina Maria Trenk. Sie sieht den Text als Möglichkeit, die Welt zu erweitern - auch mit den Folgekosten. Das fasziniert mich. Und noch eindrücklicher ist die Vertonung des Ganzen. Viel Synthies-Fläche, tolle Bläser und eine kräftige Stimme. Das hier ist Kunst auf einem ganz neuen Level. Sehr beeindruckend, wunderschön und leicht düster. Film ab:
Squid
(Ms) Bleiben wir beim Thema Musik und Literatur. Und auch dieses Beispiel ist gar nicht mal so erhellend, so hoffnungsbringend. Im Gegenteil. Die britische Band Squid bringt am 7. Februar ihr neues Album raus, es wird Cowards heißen. Neun Geschichten des Bösen sind darauf enthalten. Zum Teil gibt es Adaptionen aus Büchern, manche Lieder erzählen über Sekten. Harter Stoff also. Die erste Single Crispy Skin klingt musikalisch gar nicht mal so gruselig, aber mir ist beim Textlesen und darüber nachdenken fast schlecht geworden. Es geht darum, dass Sänger Ollie Judge ein Buch las, in dem Kannibalismus normal ist. So könne man darin Menschenteile ganz einfach im Supermarkt kaufen. Bah, ist das ekelig! Aber halt auch irgendwie Kunst. Sie darf durchaus verstörend sein. Tanzende Keyboardparts im ersten Teil des Liedes strahlen sogar eine gewisse Fröhlichkeit aus, später ufert der Track aber immer mehr aus. Inhaltlich nur mehr als verständlich. Man darf sehr gespannt sein, wie die anderen acht Songs so drauf sind.
Turbostaat
(Ms) Die Energie bei Turbostaat-Konzerten ist enorm. Dort herrscht eine irre Verbundenheit zwischen Band und Publikum. Jan Windmeier müsste nicht mal singen, das übernehmen die Menschen vor der Bühne. Seit 25 Jahren sind sie enorm textsicher, das ist sehr beeindruckend. Dabei sind die Verse der Flensburger oft gar nicht mal so leicht zu verstehen. Doch genau darin liegt auch ganz viel Reiz. Andere Stücke sind aber viel klarer. Nicht unbedingt beim ersten Hören, aber beim dritten oder vierten. Scheissauge ist die neue Single vom kommenden Album Alter Zorn. Ein Lied, das eine Szenerie der Verbitterung und des Stillstandes malt. Musikalisch ist es ein klassischer Turbostaat-Track, der gut ist aber wenig Überraschungen in sich birgt. Eindrücklicher ist der Text. Ich lese ihn so: Es wird viel gemeckert, an vielen Orten tut sich nichts, einer erzählt eine Geschichte, die die anderen glauben. Was daraus wird, sagt das Lied nicht. Es ist eine Momentaufnahme. Es geht nicht um so etwas wie Wahlverhalten oder Gesellschaftsanalyse. Viel mehr es ist es unglaublich empathisch. Ja, so geht es vielen Menschen. Hören wir lieber hin als uns vorschnell ein Urteil zu erlauben. Die Platte kommt am 17. Januar!
26.02.2025 Münster, Sputnikhalle 27.02.2025 Wolfsburg, Hallenbad 28.02.2025 Marburg, KFZ 01.03.2025 Magdeburg, Factory 02.03.2025 Rostock, Peter Weiss Haus 12.03.2025 Köln, Kantine 13.03.2025 Hannover, Faust 14.03.2025 Leer, Zollhaus 15.03.2025 Wiesbaden, Schlachthof 16.03.2025 Bochum, Bahnhof Langendreer 02.04.2025 Dresden, Tante Ju 03.04.2025 AT-Wien, Das Werk 04.04.2025 Erlangen, E-Werk 05.04.2025 Leipzig, Conne Island 16.04.2025 Jena, Kassablanca 17.04.2025 CH-Winterthur, Salzhaus 18.04.2025 CH-Bern, ISC 19.04.2025 München, Feierwerk 20.04.2025 Karlsruhe, P8 15.05.2025 Berlin, SO36 22.05.2025 Hamburg, Markthalle
Kettcar
(Ms) Kommen wir nochmal zum Thema Literatur zurück. Werk und Autor trennen - diese Diskussion ist mir im Frühjahr erst so richtig bewusst geworden, als Kettcar ihr neues Album veröffentlicht haben. Kanye In Bayreuth war anfangs ein Stück, das ich gar nicht mal so gut verstanden habe. Dann las ich mich durch unterschiedliche Berichte und habe sogar mal einen Podcast gehört (was sonst nie vorkommt). Die Auseinandersetzung ist wichtig und sollte stets im Bewusstsein sein. Kann ich beide trennen? Kann ein Kunstwerk größer sein als der Künstler? Auch wenn er noch so antisemitisch, sexistisch, vorbestraft, rassistisch oder sonst wie große Grenzen überschreitet?! Wenn ich das für mich trenne, muss ich mich auf die Konfrontation einlassen. Wenn ich sie beisammen lasse, muss ich Bücher, Filme, Serien und Alben aussortieren. Was ist glaubwürdig? Was tut weh? Kettcar gehen diesem Prozess im Lied durch und kommen zu dem Schluss: „Werk und Autor bleiben schön zusammen.“ Also, den harten Weg gehen. Dazu gibt es jetzt ein Video. Dunkel ist es, ist ja auch kein fröhliches Thema. Mal wieder arbeitet die Band mit der Hochschule OWL zusammen, wie schon zu Sommer `89. Liebe Grüße in die lippische Heimat, das ist gut geworden! Kettcar gehen im Januar wieder auf Tour. Wir sehen uns, oder?!
(Ms) Druck. Energiefreisetzung. Brodelnde Dynamiken. Einen neuralgischen Punkt erreichen. Explosion. Wucht. Das geplante Chaos.
Das sind Faktoren, die, wenn Musik sie erschafft, richtig viel Wumms haben. Wenn der Krach so gut geplant ist, dass es zwar ungeheuer laut ist, aber den Genuss nicht verdrängt. Da ist auf der einen Seite die Musik, die nach vorne treibt. Das ist völlig genreunabhängig. Der Rausch kann auch beim Techno entstehen. Doch wird sind hier ja seit jeher der Gitarrenmusik verfallen. Und so sind es wieder Schlagzeug, Bass, Stimme und Gitarre, die hier in ungeahntem Maße und in ungeheurer Intensität zuschlagen. Denn neben den sehr gut arrangierten Melodien und Riffs agieren hier auch noch Texte, die den Rausch noch weiter intensivieren. Die dazugehörigen Gruppe heißt Das Format und am Freitag (22. November) veröffentlichen sie ihr selbstbetiteltes Debütalbum! Es sind 34 Minuten und 34 Sekunden, die nur eine Richtung kennen: Im wilden Wirbel nach vorn, vorn, vorn!
Die drei Herren sind dabei keine Neulinge auf diesem Gebiet. Bruno Tenschert ist als Der Herr Polaris bekannt, Maximilian Stephan ist Sänger und Gitarrist von Carpet, Maximilian Wörle ist unter anderem Produzent. Ich mag es sehr, wenn so viel Know-How mit im Spiel ist. Denn die Explosionen, die ihre neun Tracks immer wieder abfeuern, können ja musikalisch geplant werden. Auch wenn es oft schrammelt und zerrt, hier gibt es sicher wenig Zufälle.
Dieses Album hat zwei Kerne. Der eine ist auf jeden Fall der satte Sound. Intensive Rockgitarren, tiefer Bass und hämmerndes Schlagzeug haben hier das Sagen. Der andere Kern sind die Texte. Denn sie sind Kunst. Oft sind sie so unkonkret, dass den doppelten Böden der Interpretation freies Spiel gelassen wird. Dann gibt es wieder Verse, die in dem geordneten Krach die Faust heben lässt und die mitgegrölt werden wollen.
Liegen Lernen ist das erste Stück dieser Platte, startet mit dominantem Bass. In den übersichtlichen Versen - nicht wertend gemeint - ist sofort zu sehen und hören, dass Sprache hier auch ein Spielzeug ist. Wenn Worte verschoben werden, verschiebt sich auch die Bedeutung. Mal nur um wenige Plätze im Satz. „Die Kunst einfach zu sein und einfach einfach zu bleiben.“ Ja, Recht haben sie! Der Satz, der der Seele gut tut, scheppert mit ordentlich Wumms! Deine Mutter ist keine Aneinanderreihung dämlicher Sprüche, sondern eine kleine Geschichte, die davon erzählt, wer denn die Verantwortung haben soll und sie nicht erfüllt. Wir Wären Nicht Wir ist einfach nur ein Brecher, 1:16 Minute Vollgas! Bäm! Lichtmaschine verhandelt mit wiederholenden Versen und aufgedrehten Boxen, wem wir was noch glauben können. Uns oder jemand anderem? Und war das nicht mal alles anders als und versprochen wurde?! Ja, oder?
14:30 ist eine textliche und musikalische Pause in der Mitte. Einmal kurz hinsetzen und den Hut vor Rio Reiser ziehen. Den Kern der Doppeldeutigkeiten bietet Unzufrieden mit einem einfachen, aber so vielfältig einsetzbaren Satz: „Ich bin unzufrieden mit meiner Zufriedenheit.“ Tja, wann sind wir denn endlich satt?! Und wann sollten wir es nicht sein?! Spannende Zeiten! Therapiestunden tut weh und ich denke, dass soll der Song auch! Er ist großartig arrangiert. Ich mag diese mäandernden Teile, die sich langsam aufbauen und ergänzen. Insbesondere der Bass sticht auf dieser Platte immer wieder als ungeheuer gut eingesetzt heraus!
Am Ende knallt dieses Album nochmal in all seiner Stärke. Die Stücke bis hierher waren schon wirklich genial. Musikalisch, textlich, offen und schroff. Das letzte Lied heißt Lösung und zeigt nochmal eine ganz andere Herangehensweise ans Texteschreiben. Auch hier mangelt es nicht an Wiederholungen und ihrer Varianz aber die inhaltliche Ebene wird extrem gut damit zugespitzt! Es geht um die Probleme einer Beziehung (so mein Deutungsansatz) und dass das schnelle Infragestellen eben dieser eine plumpe, feige Strategie ist. Denn wenn das Gegenüber gar nicht erst gefragt wird, ist dieser Satz mehr als gerechtfertigt: „Wenn das deine Lösung ist, will ich mein Problem zurück.“
Ja, auf deutsch zu texten ist eine große Herausforderung, wenn die Sprache kunstvoll sein soll. Das ist hier überaus gut gelungen. Die mächtige, mitunter krachende Musik ist die perfekte Begleitung dafür. Das Format! Was für eine Band, was für ein Album! Wow!
(Sb/ms) Eine Lanze für die Behörden. Was komisch klingt, ist auch komisch, weil man selten davon hört. Aber umso eher muss es raus in die Welt.
Niemand möchte gerne mit dem Finanzamt zu tun haben und das geht mir genauso. Leider muss man ja aber manchmal. Und dann kommt Post. Und dann muss man zahlen. Und das ist manchmal gar nicht mal so cool. Aber so sind die Regeln. Doch dann entdeckte ich einen Fehler im Finanzamtbrief und dachte mir: Och, nöö, jetzt muss ich mich ja beim ollen Amt melden. Doch in einer freien Minute am Montagmorgen ging ein super freundlicher Kerl dort ans Telefon und meinte: Jau, das ist alles gar kein Problem, das können Sie direkt ändern, da reicht eine Mail und dann senden wir Ihnen das korrigiert zu. Wow, dachte ich. Das ging ja schnell und entspannt! Zahlen muss ich denen immer noch. Aber es ist auch schön zu wissen, dass in einem verrufenen Amt wie dem Finanzamt ganz normale, nette Menschen arbeiten!
Friska Viljor
(Ms) Über einige Bands in diesem Jahr zu schreiben, fühlt sich komisch an. Gut und seltsam gleichzeitig. Friska Viljor gehören dazu. In den 00er-Jahren waren die beiden Schweden ganz große Indie-Könige. Mit ihrem Album Broken von 2019 habe ich sie tatsächlich auch nochmal live gesehen und war total angetan, dass die gleiche Energie von früher noch so viel Kraft hat. Doch irgendwie ist es auch eine Band, die schon lange nicht mehr bei mir läuft. Warum eigentlich?! Vielleicht brauche ich keine euphorischen lalala-Gesänge mehr, vielleicht haben sich die Musikhörbedürfnisse ein wenig geändert. Doch ein bisschen Nostalgie ist immer okay. Oder? Ja, auf jeden Fall! Insbesondere wenn die Band ihre alten Stücke in ein leises, schönes, leicht schwerfälliges aber tolles Gewand packen. Inbreeds zum Beispiel. Mit Blaseklavier, gezupften Gitarren, Trompete, ohne Verstärkung. Das hat schon viel Heimeligkeit und eine schöne Intensität. Vielleicht brauche ich ja doch mehr lalala-Gesänge als gedacht Mitte dreißig…
100blumen
(Ms) Es ist ja nicht nur die letzte Woche. Es sind insgesamt völlig verrückte Zeiten, oder?! Zum Einen gab es noch nie so viele progressive, innovative Ideen zur Gesellschaftsgestaltung. Klimarettung, fluide Geschlechterbilder, eine andere Art des Zusammenlebens, die auf den Menschen und nicht auf seine Herkunft oder sein Aussehen oder sein gesellschaftlichen Stand achtet. Gleichzeitig ist die Rechte sehr mächtig, nutzt sicher auch diese Bestrebungen, um sie in ihr Gegenteil zu verkehren und völlig irre Sündenböcke zu erschaffen. Man kann sich ja nur noch an den Kopf fassen! Oder laut sein! Wie intensiv das geht, erfuhr ich vor wenigen Wochen, als 100blumen in Hamburg beim Rookie Fest spielten. Die Düsseldorfer Band kannte ich vorher gar nicht, hat aber energiemäßig aus dem Vollen geschöpft! Was war das bitte für ein unerbittlicher Abriss! Pausenlos peitschten Gitarre, Bass, Schlagzeug und allerhand elektronische Spielereien nach vorn. Insbesondere der Einsatz der Synthies hatte mächtig Wumms! Nun haben sie auch das Herz auf der richtigen Seite, teilen ordentlich aus und analysieren sehr genau. Die Kinder heißt ihre aktuelle Single, die anlässlich des 9. November erschien. Sie stellen die Fragen: Wie wird es denn weitergehen, wenn die AfD so punktet und Merz Positionen aus dem 18. Jahrhundert salonfähig macht und Söder so unglaublich dämlich gegen die Grünen wettert? „Die Kinder auf dem Feld, sie preisen die Faschisten / Für den Dreck in dem sie graben.“ Laut sein, Rückgrat zeigen, dagegen halten, Liebe schenken, wissen, dass Humanismus nicht verhandelbar ist. Wer diese Band demnächst sehen kann - tut es! Wir sehen uns in Bremen!
(Ms) Dieser Moment, wenn ein neues Lied läuft, womöglich von einer bis dato unbekannten Band, und es macht direkt: Yes! Da schwingt etwas, das mich anspricht. Da ist etwas drin, was ich sofort in Gänze hören will. In diesem Fall ist es eine spannende Art der Sanftheit. Verträumte Melodien wechseln sich ab, überlagern sich, weiche Synthie-Töne verbreiten einen tanzbaren Groove. Genauso lässt es sich herrlich auf dem Sofa dahin schwelgen. Das ist schon sehr vielschichtig, was Fazerdaze da macht. Mein Kopf zumindest fängt sofort zu wippen an, die Atmosphäre spricht mich an, ich tauche ab. Amelia Murray aus Neuseeland steckt dahinter und ihr musikalischer Zauber zieht mich schnell in den Bann. Es ist ein wenig 80er-Retro, aber viel klarer abgemischt. Dazu verströmt beispielsweise Cherry Pie eine unglaubliche Größe. Nicht nur musikalisch durch die breit angelegten Synthie-Flächen, sondern auch von der Haltung hinter dem Song. Das ist unglaublich gut arrangiert, das hat richtig viel Kraft, ganz viele Menschen zusammen zu bringen. Pop, Indie, Elektronika. Hier können sich sicherlich viele einigen. Und das, ohne dass die Musik beliebig erscheint. Heute erscheint ihr neues Album Soft Power und selten war ein Albumtitel derart treffend gewählt, um die eigene Musik zu beschreiben! Ja, Fazerdaze, schlag zu mit der sanften Kraft!
(Ms) Was ist Kunst, wenn wir über Musik sprechen? In meinen Augen kann diese Frage in zwei weitere aufgesplittet werden. Zum Einen geht es dabei um das musikalische Arrangement, die Instrumentierung. Wie klingt das Stück wenn der Text weg ist? Wie fein werden die Instrumente gespielt? Wie viel Können steckt darin? Wie werden Dynamiken aufgebaut? Wie entsteht Energie? Was bringt mich dazu, dass ich mitschwinge, den Kopf wippen lasse oder sogar tanzen will?!
Auf der anderen Seite steht für mich die Kunst des Texteschreibens. Immer wenn ich über nicht-deutschsprachige Musik hier schreibe, fällt mir das leider etwas schwerer. Klar, ich verstehe und spreche englisch, aber manchmal kann ich gar nicht so gut durch die Kunst des englischen Dichtens durchsteigen. Auf Deutsch fällt es mir bedeutend leichter.
Einen guten Text schreiben - das ist Kunst. Doch was bedeutet das? Was ist ein guter deutscher Song? Er muss mich packen. Egal, auf welcher Ebene. Er kann lustig, unterhaltend sein wie Carsten Friedrichs es oft macht. Da schwinge ich schnell mit, schmunzle, fühle mich wohl. Wenn Judith Holfernes tief aus dem Leben schöpft, denke ich auch nur: Nein, das ist kein Kitsch, so ist es in echt. Wenn Markus Wiebusch und Reimer Bustorff wieder das Storytelling in Perfektion darbieten und auf Probleme aufmerksam machen, dann packt mich das ebenso. Und dann ist da Katharina Kollmann. Sie nennt sich Nichtseattle und macht seit einigen Jahren Musik.
In diesem Jahr erschien ihr neues Album Haus. Noch nie wurde ich direkt beim ersten Hören vom ersten Stück derart angesprochen. Das klingt ganz weich, ganz sanft und zugleich zum Wohlfühlen dicht. Das ist also musikalisch wirklich gut, fein und geschickt gemacht. Und dann schlägt sie auf der Textebene in noch krasserem Maße zu. Denn sie beherrscht eine große Kunstform, hat sicher auch viel Talent dafür. Sie schreibt ihre Lieder auch aus dem Leben, über das Leben, ist also thematisch sehr breit aufgestellt. Ob sie tatsächlich ihr Innerstes nach außen kehrt, weiß ich nicht. Wenn ihre Texte im weitesten Sinne autobiographisch sind: Hut ab, dass sie das so stabil live darbieten kann. Denn es tut oft auch ganz schön weh.
Am Mittwochabend spielte sie in Bremen ein Konzert. Es wurde vom Radiosender Bremen2 organisiert und aufgenommen. Das heißt, wir haben das große Glück, das demnächst nachhören zu können. Zudem war der Schlachthof bestuhlt. Sicher eine gute Idee, ich fühlte mich so sehr wohl. Ohnehin: Diese Location ist enorm - ich bin richtig gerne da, dieses Arrangement an Orten, wo man stehen oder sitzen kann, ist wunderbar!
Um kurz nach acht kam Katharina Kollmann mit ihrer vierköpfigen Band auf die Bühne und hat gut zwei Stunden inklusive Pause ihre Kunst gezeigt. Oft im guten alten Indie-Gitarrenpop-Arrangement. Doch es wurde oft genug leiser oder lauter. Viel Varianz, viel Können. Doch auch hier: Im Mittelpunkt standen ihre Texte. Und die haben mir direkt ab dem ersten Stück voller Glanz und Klarheit in die Magengrube gehauen. Es war gleichzeitig wunderschön und auch richtig hart. Denn eines schafft Kollmann wie ich es noch nie gehört hat. Für das Schwere und Schöne findet sie gleichsam ganz einfache Worte, Bilder, Situationen, Geschichten. Manchmal sind es nur ganz wenige und sie hallen enorm nach in mir. Wie viel Kraft eine Beziehung erfordert. Was es heißt, zusammen zu leben. Ihr Bild vom Frau sein oder halt genau das, was sie damit nicht erfüllen will. Es ist vielfältig und unglaublich menschlich. Insbesondere habe ich mich auf Unterstand (Schirmpilz) gefreut, es läuft ganz oft bei mir zu Hause. Wow - mir fehlen echt die Worte. War das schön und nah. Es wäre so, so cool gewesen, wenn dabei wer Blockflöte gespielt hätte, aber hey… es gab ja zum Glück eine Trompete!
So sind es, bis auf diese eine Ausnahme, nicht einzelne Lieder, die mich tief beeindruckt haben. Es ist das Gesamterlebnis. Auf der einen Seite habe ich zwei Stunden über die Kunst des Texteschreibens, und was diese in mir bewirkt, gestaunt. Zum Anderen war es auch musikalisch sehr, sehr rund. Mir fällt nichts Vergleichbares ein, was ich je live gesehen habe. An dieser stelle mag ich nicht prahlen, aber ich sah sicher über 500 Konzerte bislang. Vielen Dank, liebe Katharina Kollmann!
Sie ist jetzt auf Tour. Das sollte sich niemand entgehen lassen.
(Ms) Die Bürste unten am Staubsauger ist abgebrochen. Das ist natürlich sehr ärgerlich, da es das staubsaugen an sich verkompliziert. Ständig fliegt das Ding ab, ich stülp es wieder über, es fällt wieder ab, die Nerven liegen blank. Klar, erste Idee: Gaffatape und alles ist wieder gut. Aber das sieht ja oft auch ein bisschen schäbig aus. Also: Rein in den Onlineshop vom Staubsaugerhersteller. Das jedoch ist ein Labyrinth sondergleichen. Denn ständig bietet es sich an, die korrekte Artikelnummer des Geräts vorliegen zu haben. Das ist natürlich nicht die Modellnummer und auch nicht die Seriennummer. Nein, nein. Aber: Gesucht und gefunden mit der Erkenntnis es gibt unzählige Bürsten mit vielen verschiedenen Anstecksystemen. Natürlich gibt es zu allem auch noch einen Adapter! Nach 20 Minuten fand ich das korrekte Modell, ab in den Warenkorb, alles angegeben und dann auf den Zauberbutton Zahlungspflichtig Bestellen geklickt. Und. Es. Passiert. Nichts. Gar nichts. Ich klicke sieben mal darauf in der Hoffnung, durch einen blöden Oberflächenfehler nicht sieben Bürsten gekauft zu haben. Aber: Nichts. Doch immerhin habe ich nun das korrekte Modell. Dann halt zur Konkurrenz!
Rikas
(Ms) Nah Am Wasser. Ausnahmsweise ist damit kein Gemütszustand gemeint sondern ein Festival, das es mal in Münster gab. Der Coconut Beach ist eigentlich kein Ort, an dem Indiemusik läuft. Doch für ein paar Male war das der Fall. Dort stießen schon ein paar Welten aufeinander, aber es war richtig gut. Gut kann ich mich auch daran erinnern, dass die Band Rikas dort gespielt hat. 2018 war das. Nun, sechs Jahre später, sind sie Teil dieser großen Musikfamilie und spielen in gut gefüllten Clubs! Hängen blieb mir auf jeden Fall, dass es die perfekte Musik für den Sommer war - entspannt, locker, leichtfüßig! Nun bringen sie ein neues Album raus: Soundtrack For A Movie That Has Not Been Written Yet. Klingt richtig gut, oder? Mit Opposite Opinions erschien dieser Tage eine neue Single. Das Video im besten Sommersportdress. Doch der Track ist inhaltlich von dieser Lockerheit weit entfernt. Trotz des entspannten musikalischen Korsetts. Das finde ich richtig raffiniert gemacht: Es geht ums Auseinanderleben und Aushalten und es klingt wie ein Tag am See. Solch gestaltete Gegensätze sind in meinen Augen große Kunst! Am 7. Februar kommt dann mehr davon!
Masha Qrella
(Ms) Coverversionen sind ja immer ein heikles Thema, oder?! Einige sind brillant, andere einfach nur platt. Und in meiner Wahrnehmung überwiegen die platten, die einfach nur nachgespielten und kopierten Lieder. Doch dem ist ja gar nicht immer so. Muss man sich auch mal klar machen! Das Lied eines anderen Künstlers zu spielen kann ja viele Gründe haben. Ehrerbietung gegenüber dieser Person. Eine persönliche Verbindung. Oder einfach die tolle Einsicht, dass dieser Beat so genial ist, dass ich ihn auch spielen will. Masha Qrella hat schon viele andere Lieder gespielt und viele andere Texte vertont. In ihrer Solokarriere ist das ein ganz großer Bestandteil. Am 28. März veröffentlicht sie ein neues Album mit dem Titel Songbook. Auch darauf werden sich Lieder aus fremden Federn finden. Doch hier wird nichts einfach nachgespielt. Vieles bekommt ein ganz neues Gewand. Oder es klingt halt viel, viel frischer. Die erste Single ist Cool Breeze von der Jeremy Spencer Band. Spencer gehörte mal zu Fleetwood Mac dazu! Das Stück ist von 1979! 45 Jahre ist das her. Und Masha Qrella macht daraus ein Stück, das schnell den Kopf wackeln lässt, der genialen Basslinie sei Dank! Zwischendurch schleicht sich eine leichte Melancholie ein, doch die Grundstimmung ist nach vorn gerichtet. Passt derzeit richtig gut, oder?! Bald folgen neue Tourdaten, denn das sollte man sich live nicht entgehen lassen!
Tocotronic
(Ms) Denn Sie Wissen, Was Sie Tun. Diese neue Single von Tocotronic ist ein richtig gutes Stück. Musikalisch tatsächlich überhaupt nicht, aber der Text ist so treffend! Er bringt Politik und Liebe zusammen. Etwas, was sonst unvorstellbar ist (und auch ein bisschen schade). Auf der einen Seite steht das unsagbare Kalkül von großen Entscheidungsträgern, Staatsmenschen, Präsidenten, Leuten, die Regierungen zerbrechen lassen. Ja, sie wissen ganz genau, was sie tun. Es ist alles geplant, es gibt kaum Zufälle. Wie gehen wir damit um? Mit Zorn und Wut? Tocotronic sagen: Nein, wir müssen sie auf die Münder küssen. Wachküssen. Überwältigen mit Zärtlichkeit, Sanftheit, Menschlichkeit. Das wäre doch was, oder?! Was für eine schöne Rebellion! Es ist die erste Single ihres neuen Albums, es wird in der tocotronischen Dramatik Golden Years heißen und am 14. Februar 2024 erscheinen. Es ist die vierzehnte Platte dieser Band - Wahnsinn! Logischerweise gehen sie dann auch wieder auf Tour und das seit sehr langer Zeit wieder als Trio! Sind wir dabei? Logisch!
(Ms) Endlich sind sie musikalisch zurück! Das hat jetzt aber auch lange gedauert. Letztes Jahr, als Milli Dance mit Fatoni auf Tour war und ein paar Songs mit ihm zusammen performt hat, habe ich still und heimlich schon gehofft, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis es neue Musik gibt. Jetzt, ein Jahr später, ist es soweit. Gefehlt hat diese Stimme. Gefehlt hat eine klare, angriffslustige Haltung gegenüber der politischen Wirklichkeit. Und diese muss nicht mal auf der ganz großen, globalen Bühne stattfinden. Waving The Guns sind viel näher an den gruseligen Problemen des Alltags interessiert. Die Macht der Konzerne, bezahlbarer Wohnraum, über die Runden kommen, ein klein bisschen Gerechtigkeit in dieser Kapitalismuswelt. Klebrig heißt der neue Track. Und mit wie viel Wucht kommt der denn um die Ecke?! Ab dem ersten Takt schnürt sich durch die textliche Klarheit die Kehle zu, denn er ist so präzise, dass es weh tut. Und das soll er ja auch. Wenn der Bass dann im Refrain ballert, erhebt sich die Gänsehaut. Dass WTG so mächtig zurück kommen, hätte ich nicht gedacht. Und das gerade mal auf zwei Minuten und sieben Sekunden! Kommendes Jahr folgt dann die dazugehörige Tour und ich tippe mal, dass kurz vorher ein Album mit dem Namen Statement erscheint. Endlich wieder WTG!
15.03.2025 Rostock - M.A.U. Club 20.03.2025 Dresden - Tante Ju 21.03.2025 Wien (AT) - Flex 22.03.2025 Graz (AT) - p.p.c. 23.03.2025 Innsbruck (AT) - P.M.K 25.03.2025 Zürich (CH) - Dynamo 26.03.2025 Stuttgart - Lehmann Club 27.03.2025 München - Strom 28.03.2025 Nürnberg - Z-Bau 29.03.2025 Jena - Kassablanca 03.04.2025 Dortmund - Junkyard 04.04.2025 Frankfurt - Das Bett 05.04.2025 Heidelberg - Karlstorbahnhof 10.04.2025 Hannover - Kulturzentrum Faust 11.04.2025 Köln - Stollwerck 12.04.2025 Bremen - Schlachthof 17.04.2025 Hamburg - Markthalle 25.04.2025 Leipzig - Werk2 26.04.2025 Berlin - Huxleys neue Welt
(Ms) Ein Blick in die Nachrichten lässt schon grauen. Dann noch Halloween, so ein riesiger Quatsch. Es lässt sich auch ganz anders gruseln, dafür muss nicht mal ein Kostüm oder ein Schockerfilm her. Manchmal reicht auch einfach ein richtig gutes Buch! Mir wurde von einem lieben Menschen Hundswut von Daniel Alvarenga geschenkt und ich las es schnell durch. Anders ist es auch gar nicht möglich. Dieses Buch beginnt schon auf einem unterdurchschnittlichen Fröhlichkeitslevel und es wird nicht ein Mal die Kurve nach oben nehmen. Doch die Lektüre ist lohnenswert, denn sie zeigt, wie grausam Menschen sein können. Wie wenig sie einlenken und wie stark - im schlimmsten Sinne - eine Dorfgemeinschaft sein kann. Ein bisschen sollte man Bayrisch lesen können. Und dann offenbart sich eine Geschichte, die stark aber auch schrecklich zugleich ist. Lesetipp an dieser Stelle!
Oehl
(Ms) Ach, Ariel Oehl! Ich bin deiner Musik so gern verfallen. Wie schön du textest! Manchmal ein wenig verschachtelt und kryptisch. Doch in ganz vielen Fällen sehr klar und singst doch nuschelig. Die Schönheit deiner gewählten Worte, fasziniert mich. Begeistert mich. Denn die große Schwierigkeit eines guten Textes ist ja, mit einfachen, einprägsamen Worten eine gute Geschichte zu erzählen. Ein starkes Gefühl hervorzurufen. Und das gelingt dir, lieber Ariel, seit vielen Jahren sehr zuverlässig. Manchmal mit tanzbarem Wumms, dann wieder mit leisem Zauber. So auch jetzt. In Diesem Jahr Reden Wir Nur Gut Voneinander. Was für ein schöner Titel, so klar und so positiv. Natürlich ist jedes Ende einer Beziehung schlimm und erschütternd. Man muss danach nicht befreundet bleiben, aber man muss sich auch nicht hassen. Denn es gab ja mal eine große Liebe und Zuneigung. Warum nicht auch im Nachhinein, nach dem Erdbeben, genau davon reden. Es spricht doch nichts dagegen. Vielen Dank für dieses schöne Lied!
Kat Frankie / B O D I E S
(Ms) Oh, Kunst! Oh, Kraft, die von dir aus geht. Ich gebe mich dir so gerne hin, lasse mich verzaubern, hinreißen, ummanteln, einhüllen, mitnehmen, forttragen. Und vor allem eines: faszinieren und staunen! Wenn das Staunen erstmal angefangen hat, wird es schwer, Worte für die Gefühle und Gedanken zu finden, die mich gerade durchströmen. Das geschieht im größten Moment des Staunens. Dieser Moment wird intensiver, je stärker die Kunst ist. Damit sind wir bei Kat Frankie und ihrem Projekt B O D I E S! Zusammen mit Albertine Sarges, Barbara Greshake, Erika Emerson, Fama M'Boup, Liza Wolowicz, Tara Nome Doyle und Trinidad Doherty ist sie dieses Superband! Sie singen a capella und da auf einem irren Niveau! Pure Gänsehaut, pures Staunen! Hier haben sich acht Künstlerinnen zusammen getan, die ohnehin schon solo unterwegs sind. Wissen also, wie sie performen. Wissen, worauf es ankommt. Zusammen heben sie sich auf ein erstaunliches Level an Kunst! Das gleichnamige Album zum Projekt erscheint am 6. Dezember und dann gehen sie nochmal auf Tour! Wer sich mitreißen lassen will in eine andere Welt, sollte da unbedingt hingehen!
(Ms) Verletzlichkeit zugeben ist eventuell eine der größten Rebellionen dieser Tage. Die großen Krakeler in den Medien schimpfen, brüllen, beleidigen, zeigen Härte und Ignoranz. Wer gibt schon einen Fehler zu? Wer sagt schon, dass einem etwas wirklich leid tut? Wer sagt schon: Nein, dafür bin ich zu schwach, das traue ich mich einfach nicht. Diesen Satz, nein, den bringe ich nicht über die Lippen. Verletzlichkeit zugeben. Schwäche. Wunde Punkte. Es ist schwer, doch eines ist klar: Man wird danach immer mit erhobenem Kopf herausgehen. Das in Musik zu transformieren ist daher doppelt zu würdigende Kunst. Wenn es dann noch textlich und musikalisch so geschickt, wunderschön, sanft gemacht wird wie von AB Syndrom, dann kann ich nur noch staunen und sie zum Lied Stabil beglückwünschen! Denn das ist wirklich toll. Ich mag die Klarheit im Text und die Zärtlichkeit der Musik. On top gibt es noch ein Feature von Roger Rekless. Am Ende steht ein großartiger Track, der die Wartezeit auf ihr neues Album noch ein wenig weiter schwinden lässt!
Konstantin Gropper
(Ms) Vor über zwei Jahren erschien mit Amen das aktuelle Album von Get Well Soon, dazu gab es meines Wissens nur eine Tour. Seitdem hat sich Konstantin Gropper noch weiter aus dem Rampenlicht zurückgezogen als zuvor. Denn davor fiel er auch mit anderen Tätigkeiten und Projekten auf. Seit vielen, vielen Jahren schreibt er Musik für Filme und Serien. Und das wohl recht erfolgreich. How To Sell Drugs Online (Fast), Pauline oder Wir Können Nichts Anders. Überall ist er dabei. Oft im Boot: Alex Mayr oder Ziggy Has Ardeur. Letzterer ist auch wieder Groppers Kompagnon für den Titeltrack zu Achtsam Morden (bei Netflix zu sehen). Dazu hat er mit Psycho Killer natürlich einen tollen Titel gewählt und ja, es ist tatsächlich ein Cover von Miley Cyrus! Warum auch nicht?! Natürlich ist seine Handschrift dabei mehr als augenscheinlich. Sein Bariton, dieses ungeheure Gefühl für cineastische Musik… kein Wunder, dass er dafür engagiert wurde!
Herrenmagazin
(Ms) Vergesst die ganzen großen Wiedervereinigungen dieses Jahres. Oder auch das neue The Cure-Album! Das ist doch alles Quatsch! Oasis, Linkin Park… pff! Da hat sich doch etwas zusammen gebraut, was viel größer ist als das! Es begann in Hamburg und wird nun auch dort fortgesetzt! Vor neun Jahren erschien das letzte Herrenmagazin-Album, danach hieß es: Wir machen Pause. Und das haben sie dann auch gemacht. Lange. Zuletzt gab es ein paar vereinzelte Konzerte und ein paar Meldungen auf Social Media-Plattformen. Und ja: Das hatte doch alles schon etwas zu bedeuten, oder?! Ja, auf jeden Fall! Denn mit Pauken und Fanfaren hieß es nun: Herrenmagazin sind wieder da! Deniz Jaspersen, Rasmus Engler, König Wilhelmsburg und Paul Konopacka haben sogar eine neue Platte im Gepäck, die im März kommenden Jahres erscheint: Du Hast Hier Nichts Verloren! Was für ein genialer Titel! Das trifft auf dieses Quartett jedoch gar nicht zu. Denn ihre Lieder strotzen seit jeher von viel Aufrichtigkeit, Menschlichkeit und einer ordentlichen Portion Indierockwumms! Am 3. Oktober 2008 - also vor 16 Jahren! - sah ich sie zum ersten Mal live. In Bielefeld, auf den legendären Visions-Partys! Es war ein großes Fest, viel Rausch, viel Energie! Ich gehe davon aus, dass diese Band nichts davon verloren hat und mit genauso viel Kraft nächstes Jahr wieder spielen wird:
11.04.25 Frankfurt, Nachtleben 12.04.25 Stuttgart, JuHa West 01.05.25 Hamburg, Uebel & Gefährlich 02.05.25 Hannover, Bei Chéz Heinz 03.05.25 Berlin, Bi Nuu 17.10.25 Dresden, GrooveStation 18.10.25 München, Kranhalle 20.10.25 Leipizg, Naumanns 21.10.25 Kassel, Goldgrube 22.10.25 Essen, Zeche Carl 23.10.25 Köln, Gebäude 9 24.10.25 Bremen, Tower
Victor Solf
(Ms) Puh, in der heutigen Selektion ist viel Schwere dabei. So kann ich doch niemanden ins Wochenende entlassen. Zum Glück gibt es auch sehr, sehr beschwingte, ja, extrem sorglose Musik. Sie ist genauso wichtig wie die Zeilen, die weh tun. Denn ich kann auch nicht nur den ganzen Tag grübeln und mir Sorgen machen. Irgendwann muss man auch mal abschalten, tanzen, das Schöne genießen. Den Soundtrack genau dafür liefert Victor Solf. Und wie er es auf Que Le Coeur macht, grenzt fast schon an maßlose Frechheit! Tatsächlich habe ich gar keine Ahnung, worum es in dem Lied geht, dafür ist mein Französisch viel zu mies. Aber ganz ehrlich: Es interessiert mich auch nicht besonders, da die Stimmung des Songs mich viel stärker anfixt! Es ist soulig, poppig, ja gospelig! Und eine Regel gilt seit immer: Bläser machen alles besser! Dieser Track ist ein weiterer Beweis dafür. Victor Solf ist kein Unbekannter, er war eine Hälfte von Her und Teil der Band The Popopopops. Mehr von dieser beschwingten Leichtigkeit gibts am 25. Januar, dann erscheint sein zweites Album Tout Peut Durer. Ganz schön pfiffig, solch Musik im tiefsten Winter zu veröffentlichen!
(Ms) Herzlichen Glückwunsch, liebe Anne und lieber Jürgen! 28 Jahre Rookie Records! Das heißt: 28 Jahre zackiger Punkrock, viel Energie, umso mehr Leidenschaft und kein Ende in Sicht. Und das ist auch gut so. Kleine Labels sind wichtiger denn je und umso schöner sind deren Geschicke zu bestaunen, wenn die Bands, die sie im Portfolio haben, den Labelmachern von Herzen dankbar sind! So geschah es vergangenen Freitag im Knust, denn Rookie Records lud zur Geburtstagssause ein und mit von der Partie waren Wick Bambix, 100blumen und Pascow.
Na klar, der letzte Name ist ein ordentliches Zugpferd und sorgte sicherlich auch mit dafür, dass der Abend recht schnell ausverkauft war. Die gut 550 Leute, die vor Ort waren, haben einen irren Abend erleben dürfen. Natürlich steht Rookie Records für Punk. Doch die lange Schlange beim Einlass sah erstaunlich uniformiert aus: Alle in schwarz! Herrlich. Zudem sind 6 Euro für ein großes Bier auch ein stattlicher Preis!
Gegen 21 Uhr ging der Abend los. Wick Bambix aus den Niederlanden eröffneten den Abend. Punk aber akustisch! Die Band kannte ich gar nicht, doch es war sehr unterhaltsam, das Publikum aber noch damit beschäftigt, sich über die Geschehnisse der Woche zu unterhalten. Die nächste Band, die ich auch nicht kannte, war 100blumen aus Düsseldorf. Und als die Jungs auf der Bühne standen, zitterten die Mauern des Knusts. Wow, was war das denn?! Erstens war die Band unfassbar sympathisch und sie bedankten sich auch bei Anne und Jürgen für die gute Labelzusammenarbeit. Musikalisch drehten sie das Energielevel reichlich hoch! War das Punk? War das Hardcore? War das Industrial? War das phasenweise auch schon Metal? Keine Ahnung und es ist mir auch egal. Denn eines war offensichtlich: Es war genial, sehr wuchtig, sehr dynamisch, die perfekte Musik, um eine anstrengende Woche im Nu zu vergessen!
Kurz durchatmen und die Glieder strecken, denn danach kamen Pascow! Für mich immer noch das Beeindruckendste, was Punkrock aus diesen Landen zu bieten hat. Insbesondere live. Und der Gig der Saarländer war erneut eine reine Offenbarung, was live an Gitarrenwucht möglich ist. Rasant, laut, dicht, dringlich. Dabei noch hochgradig sympathisch. Vor Himmelhunde meinte Alex, dass Ausgrenzung von LGBTIQ+-Menschen das Allerletzte sei. Und das sei nicht mal eine Meinung. Das ist einfach nur menschlich. Ja, Alex, so ist es! Und so bot die Band einen wilden Ritt durch ihre Diskographie. Einer der Höhepunkte war sicherlich Wenn Mila Schläft, wohl das Lied, dass Jürgen und die Band zusammen brachte.
Dieser Abend war wirklich ein großes Fest. Für alle Bands und insbesondere für die beiden Labelköpfe. Und wer ins Publikum blickte und die Tage drauf durchs Internet sah: Es haben sehr viele gute Freunde mitgefeiert. So soll es doch sein, oder?! Also: Auf die nächsten 28 Jahre! Punk on!