Montag, 28. Juli 2014

Juicy Beats in Dortmund: Fruchtig, warm, genial!

(ms) Samstag, 26. Juli Zweitausendvierzehn. Dortmund. Westfalenpark. 33.000 Menschen. 28° Celsius. 26 Bühnen. 40 Bands. 100 DJs.
Das, meine lieben Damen und Herren, sind die idealen Zutaten für einen abgefahrenen Tag voller Beats, Sounds, Krach, Hitze, schönen Menschen und erstklassigen Acts mitten im Ruhrpott.
Zum 19. Mal fährt das Juicy Beats Festival mit diesem genialen Konzept ein Eintagesfestival nach Maß auf. Dabei zieht das Festival nicht zwingend mit den riesigen Namen die Massen an. Natürlich sind Boys Noise, Alligatoah, Alle Farben, Calexico, Milky Chance, Die Orsons, Frittenbude und einige mehr schon Namen, die insbesondere live einiges versprechen. Doch der Reiz an diesem Event ist das Event an sich.
Sich vor Ort treiben zu lassen, vor irgendeiner Bühne sich in den Klängen zu verlieren, die gerade die Beine zum schwingen bringen. Neues entdecken, was man vorher noch nicht kannte und sitzend oder mit einem Kaltgetränk in der Hand das Spektakel genießen. Wobei man am Samstag gar nicht viel trinken musste, um auf Betriebstemperatur zu kommen, die Sonne hat ihr Aufgabe entsprechend gut gemacht. Und glücklicherweise gab es genug Wasserstellen, um sich kostenlos zu erfrischen und den Flüssigkeitshaushalt aufrecht zu erhalten. Ein großer Pluspunk für ein Festival dieser Größe. Kleine Erinnerung: Bei der Rheinkultur (die es ja leider nicht mehr gibt) waren über hunderttausend Menschen da und es gab gefühlt nur zwei Wasserstellen für alle bei weit über dreißig Grad!

Quelle: festivalhopper.de
Das Gelände. Es ist geschaffen um sich auszuruhen. Sich irgendwo hinzulegen, entspannen. Und extrem weitläufig, sodass man zu keinem Zeitpunkt den Gedanken hat, dass doch so viele Menschen da sind. Na gut, beim Einlass vielleicht, wo man unter Umständen gegen Mittag eine Stunde warten durfte. Und klar, in der einzigen U-Bahn-Verbindung, die zum Westfalenpark führt.
Wie im Namen schon versteckt dominieren beim Juicy Beats elektronische Sounds. Doch die Abwechslung ist hier erneut hervorzuheben. Schon seit Jahren hat der WDR-Sender Funkhaus Europa eine eigene Bühne mit internationalen Acts aus wirklich allen Bereichen, ob Soul, Salsa, Blues oder Corssovermischungen. Als Headliner auf der Himbeer-Bühne durften die großartigen Calexico zeigen, dass sie im Stande sind ein extrem gemischtes Publikum zum tanzen zu bringen. Insbesondere die Konstellation aus Keyboard, Trompeten, Marimbaphon und phasenweisen spanischem Gesang kann wirklich keinen mehr am Boden verwurzeln lassen. Ganz schnell hatten sie die Massen auf ihrer Seite als sie den Joy Division-Klassiker "Love will tear us apart" coverten.
Auf der Mainstage gab es den ganzen Tag über die angesagtesten Acts hintereinander, die eine Riesenparty machten.

Freitag, 25. Juli 2014

Warum SOHN es schaffen werden!

(ms) (Pop)-Musik wird derzeit immer elektronischer. Sowohl die Mainstreamsachen im Radio als auch der noch so letzte Hype im Independent-Bereich. Marcus Wiebusch, der alte Punk-Hase, experimentiert mit elektronischen Beats und HipHop-Kram. Bands wie Alt-J, die nicht nur extrem genial sind, sondern auch mit "An awesome wave" ein grandioses Debut vor zwei Jahren hingelegt haben und im September mit dem Nachfolger bestimmt noch einen draufhauen, und dabei mit Rhythmen und Synthesizer spielen. Das schlechteste Beispiel wären sicherlich Linkin Park, die vor Dekaden mal gut waren und naja, den Rest könnt ihr euch denken. Seit ein paar wenigen Jahren erlebt Dubstep in Form von Pendulum beziehungsweise Knife Party einen riesigen Schwung nach oben. In angesagten Discos ist es den ganzen Abend lang elektronisch. Und dabei geht es wirklich richtig ab! Skrillex wurde wahnsinnig gehypted!


Die beste Brücke zwischen Radiomusik und hohen Lobgesängen in Indie-Musikzeitschriften wie Spex oder Intro schafft derzeit SOHN. SOHN ist Christopher Taylor mit seinen zwei Kumpanen. Laut dem Internetwissenslexikon Wikipedia wird seine Musik schon als Post-Dubstep bezeichnet, was auch immer das jetzt genau sein soll. Wir nehmen es mal so hin. Er war kein unbeschriebenes Blatt, als er die internationale Musikbühne betreten hat. Vorher hat er sich mit Trouble Over Tokyo ausprobiert. Seit zwei Jahren veröffentlicht er unter dem Namen SOHN. Natürlich immer groß geschrieben!
Woher der deutsche Name? Eigentlich ist die Erklärung ganz simpel: Statt in London lebt Taylor seit mehreren Jahren in Wien und irgendeine brilliante Idee brachte ihn wohl schon dazu sich so zu nennen.
Taylors Musik ist komplett elektronisch bis auf den analogen Bass, der aber sicherlich auch noch ein paar Verzerrer und Sythies durchläuft bis der schlussendliche Klang aus den Boxen strömt. Mit Keyboards, iPad und allmöglichem anderen Gerät bis an die Zähne bewaffnet erobert er derzeit die Bühnen der Welt.

theguardian.com
Die Musik ist genauso eingängig wie genial. Seine grandiose Stimme, die wohl für einen Chorknaben geeignet wäre, verfeinert die Beats und Rhythmen. Er erreicht schwindelerregende Höhen und kommt ebenso schnell wieder auf den Boden der elektronischen Tatsachen. Er vereint Sounds, die ins Ohr gehen und gern auch da bleiben mit Beats, die das Tanzbein zu diversen Aktivitäten locken.
Sein Debut "Tremors", das im Frühjahr rauskam, war ein wahnsinniger Erfolg. Wer ihn live sehen konnte, wie beispielsweise beim Melt!-Festival, konnte sich glücklich schätzen im Publikum zu stehen. Na klar, ist das eine umwerfende Atmosphäre vor Ort, und SOHNs Musik fügt sich dort nahtlos ein. Er nimmt das gebannte Publikum mit auf eine Reise und drüber hinaus lässt er sie im besten Fall gar nicht mehr los. "The Wheel" ist ein Hit der begeistert. "Artifice" ist beinahe schon viel, viel besser. Wären wir böse, könnte man es auch von Justin Timberlake singen lassen. Der wüsste aber sicherlich nicht wie man den ganzen Song zusammenbaut.

Derzeit tourt er quer durch Europa, im Herbst durch die Staaten. Wer in Wiesbaden, Düsseldorf, Berlin, Freiburg, Hamburg oder Umgebung wohnt, sollte sich auf den Weg machen und sich schnellstens ein Ticket kaufen.
SOHN hat mit Brillianz die Zeichen der Zeit erkannt, gedeutet und für seinen Vorteil umgesetzt. Daher wird er es schaffen sich oben im Musikbusiness festzusetzen und ganz zweideutig den Ton angeben!

Sonntag, 13. Juli 2014

Deichkind haben eine Fahne - der geheime Anti-WM-Hit

(ms) Heute ist definitiv der Endspurt.
Ein Mal noch den Grill anschmeißen und Fussi gucken.
Ein Mal noch das vielleicht komplett in Schweiß getränkte Trickot anziehen.
Ein Mal noch in kollektive Euphorie verfallen. Oder im anderen Fall eben nicht.
Ein Mal noch Fangesänge mitgrölen.
Ein Mal ist in diesem Jahr noch jeder, aber auch wirklich jeder Fan und natürlich Experte.
Ein Mal noch in diesem Taumel eine Fahne haben und am Montag voll verkatert bei der Arbeit erscheinen. Ein Hoch auf alle Studenten, die eben machen können was sie wollen.

Quelle: procasti-nation.eu
Eine Fahne haben. Oder eben jene in Brand stecken.
Genau das propagieren Deichkind in ihrer WM-Single. Oder eher Anti-WM-Single.
Deichkind kann man lieben oder hassen. Dazwischen gibt es kaum eine Grauzone. Gigantische Liveshows oder eben ein paar Mittdreißiger, die noch neunzehn sind. Oder wirklich sozialkritische Typen, die ihre Gedanken und Parolen mit dicken Beats transportieren und daher eher selten erkannt werden.
Dieses Mal ist es kaum zu überhören. "Ich habe eine Fahne" wurde von Das Bo produziert und kommt mit einem freshen Beat um die Ecke, der vielleicht erst nerven mag und dann doch gefällt. Hier rechnen Deichkind mit dem ganzen Drum und Dran an der WM ab. Ob Grillpartys, Sauforgien, Fahnenschwenken, die unmenschlichen Bedingungen unter der die FIFA arbeiten lässt, ob in Brasilien oder Katar: es trifft bei beiden zu. Hier wird keiner bejubelt, keiner hochgelobt, besungen oder beklatscht. Sondern mal kurz aufmerksam gemacht, was wirklich passiert. Manchmal schwer vorstellbar bei einer Band, die für Partykracher, Wodka-Zitzen, Hüpfburgen, Bunjee-Seile oder Boygrouptänzen auf der Bühne bekannt sind.
Daher fehlen Parolen à la "Power to the Bier", "Ich trinke also bin ich", "Niveau, weshalb, warum" auch nicht im Textinventar.


Das ursprüngliche Video mit animierten Paninibildern und unterschiedlichem Fußball- und Fan-Content aus dem Netz wurde promt von der Gema gelöscht. Daher ist mittlerweile nur noch ein nicht-animiertes Video zu finden. Und nach allerbester Illegaler-Fans-Manier gibt's den Smashhit auch für lau hinterhergeschmissen.
Auf der anderen Seite gibt es diese als offiziell "erste besoffene Single der Welt" bezeichnete auch noch als 7", limitiert auf 500 Stück. Wir haben eine abgegriffen. Ob das wohl eine sinnvolle Investition war, wenn es den Song auch für umsonst gibt?! Immerhin ist die Gestaltung wirklich nicht verkehrt: Der Riesenjesus von Rio mit dem klassischen Deichkind-LED-Hut auf. Doch nicht genug: Auf der B-Seite gibt es die 1-Promille-Version mit einer schwindelig werdenden Maserung auf dem Vinyl, dass die Nadel nur so schwinkt, dazu wurde auf den Beat auch anscheinend wirklich betrunken gesungen. Oder eher ein gezeilt inszenierter Gag?!

Doch nicht genug der Aufmerksamkeit.
Neben Merchandising-Zeug wie T-Shirts gibt es auch lustigerweise eine Fahne mit der Aufschrift des Titels. In Zeiten wo auf Festivals ein Schild mit dem Text "Ich halte ein Schild hoch" ein guter Gag ist, kommt die Fahne fast noch besser.
Als Spitze des Eisbergs gibt es auf E-Bay eine riesen Aktion mit der letzten 7" (die anderen 499 waren in allzu kurzer Zeit vergriffen) und allerhand Kram der Band; anscheinend räumen sie auf. Denn es gibt folgendes dazu (Stand: WM-Finaltag): ein Handy, ein Drucker, ein Deichkind-Kostum, Kram aus dem Tourbus, den keiner mehr haben will, eine super Unterhose, Aufkleber, DVDs von Ferris' Sammlung, eine Tim-Mälzer-Grillzange und als Knaller lebenslangen Eintritt für alle Deichkind-Shows. Die über 3.500€ gehen an einen guten Zweck. Bis Donnerstag kann geboten werden.

Zieht es euch rein.
Habt noch eine schöne Fahne.
Tipp: 3-1 für Deutschland.

Ich hätte nie gedacht, dass man so viel über ein Lied schreiben kann.