Freitag, 24. Mai 2024

KW 21, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Ms) Ab und zu muss man sich das Erschreckende einfach vor Augen führen. Derzeit bin ich (wieder) sehr entsetzt. Richtig erschüttert. Darüber, wie wenig die Verkehrswende politischer Wille ist. Es gibt doch keine ernstzunehmende Agenda irgendeiner Partei, die das wirklich will. So will, dass es auch sinnvoll und langfristig ist. So, dass es über eine Legislaturperiode hinaus Bestand haben kann. Dann würde ich doch viel öfter in die Bahn steigen, wenn sie besser bezahlbar wäre. Klar, das Deutschlandticket ist eine super Sache. Für diejenigen - zum Beispiel mich -, die aber nur ab und zu mit der Bahn fahren, sind 15 Minuten für 7€ schon ein satter Preis. Oder zur Urlaubszeit durch Deutschland fahren. Das ist auch sauteuer. Das Auto lohnt sich preislich eher. Hier auf dem Dorf bin ich jedoch gut an die Bahn angeschlossen, das ist ein großer Standortvorteil. Doch wenn ich zur Arbeit fahre, wenn es geht natürlich mit dem Rad, sehe ich nur Autofahrende. Niemandem wird es schmackhaft gemacht, das zu ändern. Auch eine massive Preiserhöhung für Flüge sehe ich nirgends. Autofreie Innenstädte?! Fehlanzeige. Und das sind doch keine Themen, die Fridays For Future uns gelehrt haben. Für mich lässt das nur einen Schluss zu: Nachhaltiger Verkehr ist nicht gewollt, die Autolobby insbesondere ist mächtig und der Mensch zu bequem (und vielleicht auch zu menschlich), um seine Routinen zu ändern.

Metronomy
(Ms) Tausendsassa Jason Mount! Wenn er gerade nicht mit der ganzen Metronomy-Band an neuen Stücken tüftelt oder auf Tour ist, bastelt er halt alleine oder mit Anderen am nächsten genialen Track! Das ist ihm letzten Monat mal wieder richtig gut gelungen. Mit Pan Amsterdam hat er den Song Nice Town veröffentlicht. Wie cool kann Musik eigentlich sein?! Die beiden beantworten das gerade mal in unter drei Minuten und das zündet einfach richtig gut. Was ist dafür von Nöten?! Ein satter Beat, eine richtig geile Stimme und eine Trompete. Fertig ist der Soundtrack für einen sommersatten Tag ohne jegliche Sorgen:


Amyl & The Sniffers
(Ms) Wer macht die Regeln?! Wer bestimmt, wer sich wie zu verhalten hat?! Wer schwingt die großen moralischen Reden, wenn Gesehenes vielleicht ein wenig anstößig ist?! Oder zumindest nicht so, wie man das halt hier macht?! Na klar, es sind in erster Linie immer noch die Zusehenden und -hörenden, die bestimmen wollen. Und dann natürlich die Kerle. Ja, so ist das. Die, die auf der Bühne stehen, hat mal wieder niemand gefragt. Da gilt die knapp bekleidete Frau als Sellout oder noch schlimmeres. Aber vielleicht hat Amyl & The Sniffers ja einfach Bock drauf, sich so zu geben?! Vielleicht mal in diese Richtung gedacht?! Ah, wohl nicht.
Das macht sie in ihrer aktuellen Singe U Should Not Be Doing That mehr als klar. In kompromisslosem Punkgewitter zwischen Turbonegro und The Baboon Show knallt das richtig gut und macht ungeheuer viel Bock auf mehr. Ob da bald eine neue Platte kommt, ist unklar… aber das ist ja ein lautstarkes Zeichen!


Robert Stadlober
(Ms) Singender Schauspieler sind ja immer so eine heikle Sache. Genauso wie schriftstellende Musiker. Aber dann und wann gibt es auch richtig gute Treffer. Zum Beispiel mit Robert Stadlober! Dabei hat er gar nicht selbst geschrieben, sondern das vertont, was er schockierend gut und treffend fand. Fündig wurde er bei Kurt Tucholsky, der vor gut einhundert Jahren ähnlich schlimme Zeiten erlebt hat wie wir momentan: Ein brutales Erstarken der menschenverachtenden Rechten. Damals haben sie ihre Pläne umgesetzt, soweit ist es hier noch nicht. Tucholsky hat das ganze messerscharf festgehalten, nicht ohne das Schelmische zu vergessen. Zusammen mit Wolfgang Lehmann hat Stadlober zwölf Tucholsky-Texte vertont und veröffentlicht sie bei Staatsakt am 30. August. Erstaunlich wie locker und leicht die Musik daher kommt, umso stärker rückt der Text in den Fokus, wie bei der Single Zuckerbrot & Peitsche, die seit ein paar Tagen zu hören ist. Allein der Name der Platte - Wenn Wir Einmal Nicht Grausam Sind, Dann Glauben Wir Gleich, Wir Seien Gut - lässt Großes erhoffen!


The Weather Station
(Ms) Über einige Jahre, während der Studienzeit, pflegte ich einen außerordentlichen Hang zu sehr trashigen Filmen. Da war schon wirklich viel Schrott bei. Interessant, gegen wen brutale Urwesen alles kämpfen können. Planet Terror verehre ich allerdings bis heute. So richtige Gruselfilme mag ich aber gar nicht, dafür bin ich viel zu schreckhaft. I Saw The TV Glow scheint einer der spannendsten Horrorfilme zu sein, die es derzeit gibt, alles scheint zu verschwimmen. Dazu gehört natürlich auch immer ein guter Soundtrack und den liefert niemand anderes als Tamara Lindeman, besser bekannt als The Weather Station. Ihr Album Ignorance hat mich vor drei Jahren in außerordentlicher Weise beflügelt. Was für ein zauberhaftes Songwriting! Das beweist sie nun auch mit der Single Moonlight, die sie für den Film geschrieben hat. Erneut besticht der Sound durch ein dezentes aber treibendes Schlagzeug, mit ihrer wunderbaren, immer wieder beinahe flüsternden Stimme und einem herrlich wabernden Bass. Im Grunde genommen ist das Stück gar nicht mal so aufregend, aber die Mystik der Musik schlägt unumwunden zu und zeigt: Auch das Leise, Unscheinbare kann sehr kraftvoll sein! 


Amanda Bergmann
(Ms) Für diesen Absatz ist der Vorherige unerlässlich. Denn die Musik, die Amanda Bergman macht, gleicht der von Tamara Lindeman sehr. Nicht zwingend vom Sound und dem Aufbau der Musik. Aber es steckt der gleiche Geist darin, die gleiche Haltung. Auch hier schlägt das Sanfte auf wunderbarste Art und Weise zu. My Hands In The Water sind viereinhalb Minuten zarter Traum. Der Bass ist auch hier ein ganz wichtiges Element, startet direkt am Anfang und bildet das Gerüst, auf dem der Rest steht. Mäandernde Sythie-Flächen, hypnotisches Schlagzeug und der herrlich verträumte Gesang oben drauf. Und wenn dann die Klarinetten und weitere Bläser ihren kleinen Gastauftritt haben, kickt mich dieses Stück in seiner Gänze. Genau das finde ich sehr faszinierend. In diesem Klang wohnt so viel Energie, die aber nicht dick aufträgt, sondern heimlich wirkt, nicht brutal im Raum steht, sondern von der Nische auf sich aufmerksam macht. Was einen dort erwartet ist nichts anderes als pure Schönheit! Am 7. Juni erscheint ihr neues Album Your Hand Forever Checking On My Fever und könnte nichts anderes als beeindruckend werden!

16.09. Berlin, Privatclub
24.09. Köln, Jaki
26.09. Hamburg, Nochtwache


Lambert
(Ms) Ohje, was für eine skurrile Geschichte! Da wird Lambert gefragt, ob er nicht nur die Musik eines Film schreiben möchte, sondern auch noch mitspielen möchte. Nach langem Hin und Her sagte er zu, wusste selbstredend nicht, wie katastrophal sich das entwickeln würde. Denn am Set begegnet er wohl einem Regisseur, der sich über alles stellt, es wird schwierig und schließlich wird das ganze Projekt eingestampft. Zum Glück hat Lambert aber vorher die Musik geschrieben. Sicher hatte er dabei rechtlich Glück, dass er sie behalten darf und keinen Knebelvertrag unterschrieb. Actually Good heißt die Platte, die am 30. August erscheinen wird. Nun kann man hörend den eigenen Film dazu drehen. Doch ein wenig Glück hatte der maskierte Pianist auch, denn er darf bereits gedrehtes Material verwenden, zum Beispiel für das Video der ersten Single The Stranger. Ein Masken-Ermittler, irgendwie finde ich die Idee gut. Und den Track noch viel mehr. Was für ein warmer Klang. Im Piano liegt etwas Spannendes, Mysteriöses. Das Glockenspiel glänzt, das Saxophon bringt noch etwas Verwegenes hinzu, Gitarrensaiten spielen sich hindurch, Cello verdichtet alles. Es klingt heimelig, etwas herbstlich, aber durch und durch schön und macht viel Freude auf noch mehr Nichtfilmmusik!

17.11. Bielefeld, Johanniskirche
18.11. Hamburg, Christianskirche Altona
22.11. Kassel, Theaterstübchen
23.11. Jena, Trafo
24.11. Freiburg, Jazzhaus
25.11. Nürnberg, Marthakirche
27.11. Köln, Stadtgarten
28.11. Karlsruhe, Tempel
29.11. Berlin, Fotografiska
30.11. Dresden, Club Tonne
01.12. Frankfurt, Brotfabrik

Freitag, 17. Mai 2024

KW 20, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Ms) Knapp drei Jahre bin ich mit dem Zug gependelt. Am Morgen, wenn alle noch nicht ganz wach sind, gibt es eine strenge Wagen- und Sitzordnung, die unausgesprochen ist, aber gilt. Schlimm, wenn Reisegruppen das zerschießen. Und natürlich Leute, die immer da sind, so wie ich selbst auch. Mit einem richtig netten Typen stand ich immer an der Ausstiegstür, dann sprach ich ihn halt an und über einen langen Zeitraum sind wir morgens so fünf bis sieben Minuten miteinander gegangen, bis sich unsere Wege trennten. Stark, wie gut man sich in der Zeit kennenlernen kann. Nun bin ich umgezogen und fahre mit dem Rad. Auf der Strecke kommt mir immer ein Typ entgegen, der schon vor dem 1. April gern mal auf dem Rad gekifft hat. Und er wirkt so mega sympathisch. Nun ist ja klar, dass sich niemals ein Gespräch entwickeln wird, da wir ja in entgegengesetzten Richtungen fahren. Was wäre dann aber ein passendes Äquivalent?! Die Hand heben? „Hallo“ oder „Guten Morgen“ sagen? So ein freundliches Lächeln ist schon da, was ist der nächste Schritt in der extrem kurzweiligen, alltäglichen Begegnung?!

Nada Surf
(Ms) Achtung: Das wird nicht objektiv in den kommenden Zeilen! Da sind halt diese fünf, sechs Bands, die so nah ans Herz gewachsen sind, dass eine neutrale Berichterstattung nicht möglich wäre. Wie unschwer zu erahnen ist, handelt es sich dabei um Nada Surf, die am 13. September ein neues Album veröffentlichen. Wenn die erste neue Single In Front Of Me Now erklingt, muss man aber doch gestehen, dass die New Yorker Band das Rockrad nicht neu erfinden werden. Das haben sie auch schon auf ihren vorherigen Alben nicht gemacht. Nada Surf ist eine Band, die ausschließlich übers Herz funktioniert, denn da schlagen sie seit gut dreißig Jahren gnadenlos zu. Durch was für Phasen, Hochs und Tiefs mich diese Band schon begleitet hat… Wahnsinn! Zudem entfachen sie live immer noch eine ungeheure Wucht! Natürlich werden sie auch auf Tour gehen, wenn Moon Mirror erscheint und ich empfehle es allen Lesenden, das möglich zu machen! Denn wenn diese vier Typen auf der Bühne stehen, entsteht etwas Magisches: Blickt man in ihre Gesichter ist so viel Güte und Liebe zum Leben und zum Miteinander zu sehen, dass es kaum auszuhalten ist. Das ist logischerweise auch Thema ihrer gesamten Karriere. Sie schrieben die großen Indie-Lovesongs, die Lieder, in denen man sich selbst sieht, die, die das Leben diktieren. Schonungslos und wunderschön zugleich. Zudem können sie die einfachen, klaren Wahrheiten des Lebens so leicht in ihre Tracks packen. Auf der neuen Single singt Matthew Caws davon, wie wichtig es ist, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, dass wir viel zu oft abschweifen, einfach mal das tun, was vor unserer Nase ist. Das kann doch nicht so schwer sein!
Für die neue Platte haben sie das Label zu New West Records gewechselt, ich gehe nicht davon aus, dass das einen Einfluss auf den Klang hat. Ich gehe auch davon aus, dass wir hier mit elf klassischen Nada Surf-Hits versorgt werden, die einfach nur gut tun, genauso wie der Besuch eines Konzerts:

27. November 2024 - Köln - Carlswerk Victoria
01. Dezember 2024 - Hamburg - Markthalle
02. Dezember 2024 - Berlin - Metropol
03. Dezember 2024 - München - Backstage Werk
04. Dezember 2024 - Wien (AT) - Arena
06. Dezember 2024 - Zürich (CH) - Dynamo


Halo
(Ms) Oh, Musik, du ewiger, wunderschöner Zauber! Was bin ich froh, mich in dich vernarrt zu haben. Wie gerne lass ich mich von dir mitreißen und ummanteln! Es tut so gut, es ist so faszinierend, es gibt so viel zu entdecken. Zum Beispiel die Band Halo, die aus Masha Qrella und Julia Kliemann besteht. Vor über zehn Jahren haben die beiden sich zusammen gesetzt, um zu musizieren, Ideen zu formen, Lieder entstehen zu lassen. Die waren dann da, aber haben bislang nicht das Tageslicht gesehen. Jetzt ist soweit und am 28. Juni erscheint In The Company Of No One, neun Stücke, die einen ganz dichten, verwobenen, sehr kunstvollen Klang haben. Dem Sound der ersten Single Cups & Laps haftet etwas Mysteriöses, Verschworenes an. Er weist so viele feine, verspielte, aber sehr wirkungsvolle Details aus, dass es mich staunend da sitzen lässt, langsam mitwippend und voller Vorfreude auf dieses Album!


Orla Gartland
(Ms) Einfach mal einem richtig guten Song Reichweite verleihen. Also nicht, dass ich davon ausgehe, dass das hier die Plattform für großen Erfolg ist, aber, das was hier zu hören ist, soll schon Substanz haben. Im Sound und Text trifft das ganz stark auf Orla Gartland zu, deren Track Little Chaos seit dieser Woche draußen ist. Das hat mich ganz schnell an Wallis Bird erinnert, aber nicht so verspielt, dafür mit ein wenig mehr Wumms im Sound. Eine catchy Gitarre, ein satter Bass und die Erkenntnis, wie schwer es ist, für sein geliebtes Gegenüber die Person zu sein, die man halt für die große Liebe auch sein will. Denn oft kann so ein Beziehung und ein Zusammensein höllisch kompliziert sein, irgendwann kommen die ganzen Macken und Pannen raus, wenn die Verliebtheitsbrille mal kurz abgesetzt ist. Dann braucht es Verständnis, offene Arme und ganz viel Bedingungslosigkeit. Davon singt sie so wunderschön und überzeugend! Es soll ein Album mit noch mehr energiegeladenen Stücken geben, wir bleiben am Ball!


Samstag, 11. Mai 2024

KW 19, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Ms) Pure Vernunft darf niemals siegen. Und wenn die Temperaturen langsam aber sicher höher klettern, setzt die Vernunft noch öfter aus als an anderen Tagen. So hat es zumindest den Anschein in den hiesigen Gärten. Mindestens zwei Gründe sprechen für diese Wetterthese. Zum Einen neigen viele Leute (ja, ich gehöre auch dazu), genau dann draußen ein Feuer zu entfachen, wenn es eh schon wärmer ist. Zum Anderen wird dann genau auf diesem Feuer eine Vielzahl an Speisen zubereitet, die dem Körperbedürfnis bei diesen Temperaturen komplett widerspricht. Je fettiger, desto eher landet es auf dem Rost! Richtig spannend wird es dann aber erst auf dem Teller. Denn dort findet sich ein Produkt wieder, das sich bei hohen Temperaturen besonderer Beliebtheit erfreut: Kräuterbutter! Schön dick überall drauf. Dann zerfließt sie langsam und der Gaumen kann nicht anders, als sich schmachtend zu ergeben, will mehr davon, setzt die Vernunft komplett k.o. Herrlich! 

Florian Paul & Die Kapelle Der Letzten Hoffnung
(Ms) Nicht an Henning Mays Stimme denken. Nicht an Hennings Mays Stimme denken. Nicht an Henning Mays stimme denken. Ich versuche es mir mantraartig einzureden… und hey, es klappt! Denn die Stimme von Florian Paul ist doch viel, viel besser! Zudem hat seine Band den herrlichen Zusatz Die Kapelle Der Letzten Hoffnung. Jawoll, sowas will man doch lesen, das knallt gut! Das macht auch sehr neugierig! Und man darf sich vom ersten Hinhören nicht festlegen lassen. Denn die Musik, die dieser Künstler macht, ist enorm vielseitig. Zum Einen schafft er die herrlich leisen, eindrücklichen Stücke, die ans Herz gehen (Wohin Du Willst). Zum Anderen kann es bei Florian Paul erstaunlich tanzbar zugehen. Was hören meine Ohren auf einmal?! Polka, satte Bläser, tolle Geschichten, ein bisschen Chanson sogar (Der Zirkus)? Wie gut ist das denn bitte?! Und warum kannte ich das vorher nicht?! Danke auf jeden Fall an die gute Seele, die mich darauf aufmerksam gemacht hat, ich tanze dann noch eine Runde durch den Garten…


Desolat
(Ms) Eines dürfte direkt klar sein: das ist ein grandioser Name für eine Band, deren Sound schön auf die Fresse kloppt! Ich könnte mir folgenden Satz nach einem Konzert dieser Gruppe vorstellen: „Dieser Abend war desolat für meine Ohren - aber geil.“ Desolat. Wenn ihre Musik erklingt, wundert es schon, dass nur drei Leute an den Instrumenten stehen, viel mehr müssten es mindestens hundert sein, um diese Wucht auf Platte zu bringen. Ja, dieses Wiener Trio hat wenig gemeinsam mit all der Musik, die sonst in den letzten Jahren aus Österreich hervorschwappte. Hier werden keine Kompromisse gemacht, hier ist der Sound sehr schwer, sehr düster, ohne Pause, mit vollem Drang nach vorn. Hat man sich erstmal darauf eingelassen, macht das sehr, sehr viel Spaß. Denn manchmal braucht das Gemüt genau das, diese Kraft, diese Wut, diese geballte Wucht! Was mich besonders dabei anmacht, ist ein relativ simpler musikalischer Trick: Ein wirklich kraftvolles Muster schön in die Länge ziehen. Viel gesungen wird hier gar nicht, viel mehr sind es die instrumentalen Phasen, die der Band ihre Energie verleihen. Je länger sie dauern, desto mehr Wirkung erzielen sie. Wow! Ihre neue Platte hat den hoffnungsvollen Titel Get Sick And Let Me Whatch You Die. Sie erscheint am 14. Juni auf dem Ami-Label Reptilian Records, das für seinen Krach bekannt ist. Jawoll, das ballert richtig gut! 


Crow Baby
(Ms) Wie schön ist es eigentlich, KünstlerInnen über einen langen Zeitraum zu beobachten?! Ich mag das sehr! Entwicklungen, Änderungen, Fortschritt hören und vor allem den Weg zu der Musik, die dem Menschen immer mehr entspricht. Manchmal ist dieser Weg kurz, manchmal lang. Der von Cherilyn MacNeil ist vor allem sehr aufregend. Aus Johannesburg kommend, landete sie schon vor Jahren in Berlin, spielte in der Band von Konstantin Gropper, war zusammen mit Sam Vance-Law Traded Pilots, dann die große und wundervolle Zeit als Dear Reader und nun wird das nächste Kapitel aufgeschlagen! Crow Baby heißt ihr neues Projekt und ist durch Corona-Spaziergänge entstanden. Da war sie regelmäßig mit Jean-Louise Parker unterwegs, die ursprünglich aus der gleichen Stadt kommt. Bless The Idea ist ihre erste EP, die diesen Freitag erschien und 5 Tracks dabei hat. Wie ist ihre Musik am besten zu beschreiben?! Vor allem als sehr experimentell, ohne schräg zu werden. Hier und da werden Stücke immer wieder gebrochen, ändert sich die Instrumentierung, der Drive, die Energie, die Harmonie. Das macht sehr viel Spaß, denn es ist nie ganz klar, was der nächste Song so zu bieten hat. Vor allem ist diese EP sehr verspielt, unterwirft sich keinen Regeln und blüht genau dadurch total auf. Das ist Kunst, Baby - Crow Baby!

11.05.2024 - Noch Besser Leben, Leipzig
22.05.2024 - Ms Stubnitz, Hamburg


Efterklang
(Ms) Ach, Melancholie! Ach, Schwermut! Was wäre die Kunst ohne dich? Wie würden sich all die tollen Lieder anfühlen, wenn ihnen nicht ein gewisser Weltschmerz inneliegen würde? Was kann dieses Bedrücktsein nicht auch für ein irrer Quell der Kreativität und Schönheit sein?
Den Namen der Band Efterklang habe ich schon so, so oft gesehen, aber nie in ihre Musik reingehört. Manchmal ist das alles ein großes Rätsel. Jetzt ist es aber soweit. Plant heißt ihre neue Single und sie haben sich Mabe Fratti am Gesang und Cello (!) dazu geholt. Ein Stück, das sich in knapp vier Minuten zu purer Ästhetik entwickelt und auch das Gemüt packt. Diese breiten Klangflächen sind doch genau das, was einen kurz still und ruhig macht, um genau hinzuhören und sich für diese Zeit der Realität entreißen zu lassen. Musik ist doch das größte Vehikel für Eskapismus, auch wenn sich mal schwermütig und melancholisch ist. Am 27. September gibt es noch mehr davon, dann erscheint ihr neues Album Things We Have In Common


Blush Always & Brockhoff
(Ms) Weg zur ersten Band: Brockhoff sah ich vor zwei Jahren beim Appletree und war neugierig, da ihr Name ja etwas nach einer EDEKA-Filiale erklingt, oder? Hat sich zumindest bei uns im Camp schnell etabliert, mal eben zu Brockhoff gehen. Hat mich leider aber live gar nicht so sehr abgeholt. Weg zur zweiten Band: Blush Always sah ich vor Kurzem als Support von My Ugly Clementine und hat mich ganz schnell in den Bann gerissen, trotz oder wegen Band aus dem Off. Aber die Energie hat mich schnell überzeugt. Jetzt haben sich beide zusammen getan und mit Bigger Picture einen Song rausgebracht, der auf bestechende Weise ein Musikgefühl erzeugt, das lange im Winterschlaf lag. Satte Gitarren, ordentlich Wumms, ein wenig Nostalgie der 90er und 00er Jahre. Ohne es genau zu wissen, vermute ich mal, dass beide Musikerinnen in dieser Zeit groß geworden sind - ich auch - und so kommt das doch herrlich zusammen! Dieser Track macht musikalisch sehr viel Spaß und geht inhaltlich sogar erstaunlich nah! Eine äußerst gelungene Kollaboration!

Freitag, 3. Mai 2024

KW 18, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Sb/ms) Die traurigen Nachrichten aus dem gesellschaftlichen Leben kommen ja in der Tagesschau-App immer weit hinten. In dieser Woche hat mich eine Todesnachricht dort tatsächlich innehalten lassen. Die meisten Menschen aus dem Kulturleben, die dort auftauchen, kenne ich gar nicht. Aber bei Paul Auster musste ich mal eben den Kaffee wieder hinstellen. Denn seine Bücher habe ich wirklich gerne gelesen. Ich kann gar nicht mal genau sagen, worin der Zauber seines Schaffens liegt. Die Art, wie er seine Geschichten schreibt und seine Protagonisten mit Leben füllt wahrscheinlich. Und so denke ich bei Paul Auster gar nicht als erstes an die New York-Triologie, sondern an 4 3 2 1. Das ist wirklich ein beeindruckendes Werk, nicht nur wegen seines Umfangs. Sondern vor allem, weil es aufzeigt, von welch äußeren Umständen unser Leben beeinflusst wird, gegen die wir nichts tun können. Manche treiben uns auf die größten Wogen, die anderen begraben uns unter sich. Und wir treiben irgendwie mittendrin und sind dem ausgeliefert. Genauso wie Auster einer Krebserkrankung. Leb wohl, wo immer du auch gerade bist und schreib uns doch von da aus noch ein paar Geschichten…

MOHN
(Ms) Einfach mal sagen, wie es ist: Mit guter deutschsprachiger Musik sich ein wenig Boden in der Musiklandschaft zu ergattern, ist sicherlich eine irre Herausforderung. Im Rap oder Pop weniger ein Problem, da dort (ja, alles Vorurteil) wesentlich weniger genau hingehört wird. Aber es geht ja auch um Substanz und Geschichten, die erzählt werden. Da meldet sich nun die Band MOHN an. Guter Name, oder? Das Wort klingt einfach so schön weich, ich möchte mich da rein legen. Genauso möchte ich auch Platz nehmen in dem tollen Klang ihrer EP Pergola, die am Mittwoch erschienen ist. Vier Stücke, die gut zwanzig Minuten Spielzeit haben und mich ganz sanft mitnehmen. Das liegt zum Einen an dem tollen Gesang, zum Anderen an der mäandernden Musik, die mich in einen Sog führt und dann mit Texten, die haften bleiben können. Mal gesprochen, mal gesungen. In meinen Ohren gar nicht bedeutungsschwanger und melancholisch, sondern ganz rein und präzise. Ich glaube, das kann noch richtig gut werden…


Andreas Liebert
(Ms) Wie viele Lieder gibt es wohl über das Ende einer Liebe? Wie viele gute Wünsche wurden wohl schon in Versform dem ehemaligen Partner hinterhergesungen? Wie viel Wut, Enttäuschung, Leere, Hoffnungslosigkeit steckt wohl schon in Musik? Müßig, da anfangen wollen zu zählen. Aber warum ist es immer wieder so bedrückend schön auch das Nächste zu hören? Ich glaube, der Grund ist ganz leicht gefunden: Weil wir es alle kennen. Das Ende einer Liebe ist ein so großes Thema, das nie aufhört, spannend und traurig zu bleiben. So geht es auch zu auf den Liedern von Andreas Liebert. Stücke wie Duburg oder das griffige Hotel Scheisse zeigen genau das auf. Ja, es ist alles bitter und übel. Und das braucht ganz dringend einen Kanal, weil es ja sonst kaum auszuhalten ist. Mit dieser sehr direkten Art des Songwritings schafft der Norddeutsche es, wenig Anlaufzeit zu generieren, wenn seine Musik erklingt:


Mädness & Yassin
(Ms) Mal dominiert ja ein Genre oder Künstler für eine Phase des Musikhörens. Anderes gerät dann logischerweise in den Hintergrund. Eine Phase dehnt sich momentan bei mir immer weiter aus. Rap findet derzeit so gut wie gar nicht statt. Weder Fatoni noch Juse Ju noch WTG noch Pöbel MC noch Neonschwarz. Auch Mädness und Yassin tauchen da nicht auf. Dabei gibt es heute so einen unendlich guten Grund dafür: Sie machen ein Album zusammen! Insbesondere auf neue Musik von Mädness freue ich mich richtig, weil Mäd Love einfach überragend ist!!! Doch Oke Oke, die erste Single von ISSO lässt zwar aufgrund des netten Beats den Kopf nicken, aber mehr halt auch nicht. Textlich absolut lahm und nichtssagend, richtig schade, weil es ja zwei so starke Rapper sind. Da lässt sich nur hoffen, dass das Album kein Flop ist und es noch ein paar Hoffnungsschimmer darauf gibt.


Justice
(Ms) Vor ein paar Wochen habe ich gelernt, dass es das Genre French House gibt, das die ganze geile Elektromukke umfasst, die aus Frankreich kommt. Aber House ist in meinen Ohren eher sowas gemütliches mit weniger Wumms. Warum also Justice auch darunter fallen, weiß ich nicht. Jedenfalls hat das Duo nach einigen Jahren Stille ein neues Album veröffentlicht, Hyperdrama kam letzte Woche raus und ist durchaus überraschend. Denn auch nach mehrmaligem Anhören finde ich die Platte erstaunlich lahm. Für mich ist Justice die Definition von basslastiger Ekstase aber mit Melodie. Insbesondere die Stücke mit Tame Impala sind unfassbar öde. Hier und da klingt ein wenig fetziger Disco-Sound durch, doch die meisten Stücke plätschern so vor sich hin. Natürlich gibt es auch ein paar ordentliche Justice-Kracher. Beispielsweise ballern Explorer, Ingocnito und insbesondere Generator nach ganz alter Manier. Ja, vielleicht ist genau das das Problem, das ich mit diesem Album habe. Ich erwarte einen Klang, den es von der Band schon gibt und kann einfach mit dem nächsten Schritt, den sie auf diesem Album gegangen sind, nichts anfangen.


König Boris
(Ms) Ja? Nein? Jein?! Diese drei magischen Brote-Worte rattern mir beim Hören des neuen König Boris-Albums ständig durchs Gehirn. Nicht aus Nostalgie. Sondern vor einer ständigen Abwägung, ob der aktuelle Track denn gerade genial oder Schrott ist. Disneyland After Dark heißt die Platte, die seit einer Woche draußen ist und ist eine Hommage an Hamburg, alte Lady! Lieder wie Auf dem Balkon, Lieferservice oder Alle Wach ist echt derber Oberschrott. Da lasse ich auch keine Verhandlungen zu. Und dann sind dann wieder so, so starke Tracks drauf. Bunker ist bitter und vielleicht ist genau das die größte Stärke, die König Boris textlich abliefern kann. Die Abhäng-Songs sind irgendwie nichts. Aber wenn es an die Grundfesten des menschlichen Miteinander geht, wird es spannend. Elefantenhaus ist auch eine super Geschichte, insbesondere durch das Feature von Heinz Strunk! Die gesamte Platte wird aber überschattet von der ersten Single Zuhause Angekommen! Noch nie habe ich deutschsprachige Musik gehört, die derart nah an The Streets ist, ohne auch nur annähernd Mike Skinner imitieren zu wollen, das ist ganz, ganz stark! Hier ist also ein Album draußen, das ein großes Auf und Ab ist. Im Endeffekt also Jein.


Einerbande vs Peter Muffin
(Ms) Alles ist im Kasten. Die Lieder sind abgemischt, der Sound stimmt, alle Stimmen und Instrumente sitzen und man verlässt den Proberaum. Aber zwei bleiben dort. Denn sie haben noch ein paar Ideen und umso mehr Bock noch ein wenig zu spielen. Die beiden sind Thomas Götz von den Beatsteaks und Julian Knoth von Die Nerven. Also nochmal ran ans Schlagzeug, an den Bass, die Gitarre, die Sythies und Mikrophone und nochmal zwei Lieder aufnehmen. Götz nennt sich kurzerhand Einerbande und Knoth Peter Muffin, fertig ist die Band. Die beiden Tracks heißen Ereignis und Es Ist Einfacher und kommen in einem richtig geilen, packenden NDW-Krautrock-Punk-Sound daher. Insbesondere der Bass knallt auf den beiden Stücken richtig gut, der Klang ist sogar ein bisschen wichtiger als der Text, der knapp aber prägnant ausfällt. Zu beiden Tracks gibt‘s obendrauf noch Mixe von Andi Thoma (Mouse On Mars) und Schleifi/Braue also known as Jan Brauer und DJ Schleifstein.
Hier kommt heute also eine richtig satte Maxi-Platte, die viel Wucht aber noch viel mehr Bock am Musizieren in sich trägt!