(ms) Was nun schreiben über einen Bernd Begemann-Abend? Über diesen Mann ist so viel zu lesen, sehen und hören, dass eine weitere Besprechung eines Auftritts von ihm eigentlich obsolet ist.
Und doch muss es geschehen.
Die Gründe liegen dabei auf der Hand: Nicht nur dass er mit der Befreiung gut drei Stunden (180 Minuten) Programm in Bielefeld gemacht hat, die wilde Meute erstklassig unterhalten und immer wieder zum Mitsingen animiert hat, nein, es war auch quasi ein Heimspiel für Begemann, der im gut 20 Kilometer entfernten Bad Salzuflen groß wurde, bevor es ihn nach Hamburg zog. Im schönen, ehrenamtlich geführten Club Nr. z.P. (Nummer zu Platz) sammelten sich gut 200 Menschen und als Student hat man das Durchschnittsalter schon leicht nach unten gezogen.
Pünktlich um halb neun ging es dann los. Da der Backstagebereich nicht direkt hinter der Bühne ist, mogelten sich die Musiker durchs Publikum, Begemann selbst stimmte zunächst seine Gitarre, bevor der Zauber des Abends zu wirken begann. Denn, worum geht es in seinen Liedern und Geschichten? Viele handeln vom Scheitern, vom Nicht-Erreichen, von (un)glücklichen Zufällen, aber auch von Herz, Wärme, Norden, Ankommen, Dasein, Genießen. Die tragischen und feinen Momente packt er dann stets in seine eigene humorvolle und charmante Erzählweise, die natürlich witzig ist, in denen das Echte und Wahre jedoch stets durchschimmert.
Es gab Hits und Klassiker zu hören: Sie fuhr einen lila Twingo, Ich hab nichts erreicht außer dir, Ich kann dich nicht kriegen Katrin, St. Pauli hat uns ausgespuckt und natürlich auch Verhaftet wegen Sexy. Eins der Mitsinghöhepunkte war natürlich Unten am Hafen, aber auch der herrliche Rausschmeißer Unsere Liebe ist ein Aufstand.
Zwischendurch wurden via Quiz - Wer hat die Serie Braking Bad erfunden? - Poster verschenkt, Jacket und Krawatte abgelegt. Letzteres sogar zwei Mal, da es zwischendurch eine kurze Pause gab. Und spätestens hier muss das Wort Stil in Verbindung mit Bernd Begemann fallen: Der unbändige Hüftschwung, die starke Mimik, der in die Luft fliegende Zeigefinger für die wichtigen Stellen und natürlich auch der Kamm in der Gesäßtasche, um die Frisur zu richten.
Das alles wäre nichts ohne Die Befreiung.
Achim Erz am Schlagzeug, Kai Dorenkamp am Keyboard und Ben Schadow am Bass.
Warum Erz und Schadow den Mantel (okay, zwischendurch schon) beziehungsweise Jeansjacke den Abend über anbehalten haben, bleibt wohl ihr Geheimnis. Kalt war es auf jeden Fall nicht.
Für ihre enorme musikalische Qualität stehen zwei Situationen:
1.) Begemann erzählt vor und nach Liedern. Das gehört zur Show. Dabei startet er manchmal nicht mit der Tonart, die zum anschließenden Song gehört. Daher starren Dorenkamp und Schadow ab und an auf die Griffe von ihrem Sänger, um zu erschließen, auf welchen Tönen und Tonleitern sie nun improvisieren können. Hut ab!
2.) In der Zugabe ist Begemann eine Saite gerissen. Weltmännisch zog er sich für die Reparatur zurück. In den darauf folgenden zehn Minuten ging es rund: Bass-Solo, Keyboard-Solo, Schlagzeug-Solo, alle durften zeigen, was sie können und wie gut sie miteinander harmonieren. Sehr schön.
Im Januar gibt es eine neue Platte von Bernd Begemann. Es wird ein Liederzyklus mit dem Namen Die Stadt und das Mädchen. Das wird im mehr oder weniger klassischen Ambiente geschehen - nur Klavier, Gitarre und Gesang. Dann ist er mit Kai Dorenkamp hier auf Tour. Geht da bitte hin!
(sb) Metal ist jetzt nicht gerade das Genre, das in unserem
kleinen Blog die erste Geige spielt, mein heimisches CD-Regal enthält aber doch
rund drei Dutzend Alben verschiedener Bands (z.B. Sepultura, Pantera,
Hatebreed, Schweisser, Drescher,…) und es gibt immer wieder Phasen, in denen
ich gerne darauf zurückgreife. Wirklich eingetaucht in die Welt der Metalheads
bin ich dabei nie, eine gewisse Faszination übt sie aber durchaus auf mich aus.
Während Metal in all seinen Spielarten hierzulande längst im Mainstream
angekommen ist, haben es Metal-Fans und -Musiker in anderen Regionen dieser
Welt nicht ganz so leicht und müssen gar um ihr Leben fürchten.
Noch hinter den höchsten Bergen, in den trockensten Wüsten und auf
den kleinsten Inseln finden sich ein paar wackere Metalheads, die sich zu Bands
zusammengeschlossen haben, Konzerte geben und gemeinsam Metal-Kultur leben. Doch
wie fühlt sich ein Black Metaller im sonnigen Kuba und was für Risiken birgt
es, in Saudi-Arabien in einer Metal-Band zu spielen? Wie denkt ein Metalhead im
von Bürgerkriegen zermürbten Libyen über die Glorifizierung von Gewalt in
martialischen Songtexten und was geht eigentlich in der Metal-Szene von
Madagaskar? Und ganz allgemein: wie steht es in all diesen Ländern um die
gesellschaftliche und politische Akzeptanz dem Metal gegenüber? Ist das
Internet eher Fluch oder Segen für die Metal-Community?
Interessante und mitunter auch sehr überraschende Antworten auf
diese und noch viele Fragen mehr bietet das Buch Metallisierte Welt von Moritz
Grütz, seines Zeichens Chefredakteur der Homepage metal1.info. Ich kann mir gut
vorstellen, wie schwer es überhaupt erstmal gewesen sein muss, relevante Bands
in Bahrain, Saudi-Arabien oder Botswana ausfindig zu machen, doch was die
Protagonisten zu erzählen haben, ist allemal lesenswert und weckt im Leser
durchaus Bewunderung für den Idealismus, die Musik und die Lebensweise, die die
Künstler trotz widriger Umstände an den Tag legen.
Bei uns ist es ja beispielsweise ziemlich easy, an Instrumente,
Proberäume oder geeignete Tonstudios zu gelangen – aber mach das mal auf den
Malediven, in Syrien oder in Nepal! Es bedarf sehr viel Phantasie, Kreativität
und guter Kontakte, um seine Ideen tatsächlich in Musik umzumünzen und genau
diese
Leidenschaft ist, die sich wie ein roter Faden durch die mehr als 30
Interviews auf 180 Seiten zieht. Während es in Grönland in erster Linie an der
fehlenden Infrastruktur fehlt, plagen die Bands in anderen Ländern ganz andere
Sorgen: Auftrittsverbote, Verfolgung, Haftstrafen, körperliche Gewalt – all das
gehörte und gehört zum Alltag von Metalheads in anderen Teilen dieser Welt.
Schon die Kommunikation mit dem Autor über die Musik stellt in manchen Ländern
einen Verstoß gegen bestehende Gesetze dar, in manchen Regionen hält sich
hartnäckig die Meinung, Metal sei prinzipiell mit Satanismus gleichzusetzen.
Dass das gerade in religiös geprägten Staaten nicht allzu gut ankommt, liegt
auf der Hand.
Besonders interessant finde ich die Betrachtung auf die iranische
Metal-Szene, da sich aus diesem Land gleich drei Bands zu Wort gemeldet haben
und doch recht unterschiedliche Bilder hinsichtlich Freiheiten, Restriktionen
und Verboten zeichnen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
Metallisierte Welt erscheint am 02.01.2018 im Hirnkost Verlag und
sollte Pflichtlektüre für alle sein, die dem Genre nicht so ganz abgeneigt
sind. Einziger Kritikpunkt (wenn man das überhaupt so nennen möchte) ist, dass
man sich die vorgestellten Bands nicht direkt auch noch anhören kann. Ich habe
mir beim Lesen sehnlichst eine beigelegte CD gewünscht, um einen akustischen Eindruck
von den Bands gewinnen zu können. Aber insofern kann direkt mal eine Frage vom
Beginn des Artikels beantwortet werden: das Internet ist ein Segen, denn wer
suchet, der findet.
(mb) Meines Erachtens war
dieses Jahr musikalisch überragend. So viele gestandene Bands mit neuer LP,
sensationelle Newcomer und diejenigen irgendwo dazwischen, die den
Quantensprung von Debüt zum Nachfolger Album gemeistert haben. Nuancen machen
den Unterschied, dennoch hier die Top 3:
Alben des Jahres
Platz 3:
Dan Auerbach – Waiting on a Song
Was macht der Mann nicht
alles. So viele Nebenprojekte, auch gern mal hinter den Reglern am Mischer. In
diesem Jahr kam dann die erste Soloplatte raus. Und die Songs sind allesamt
ganz einfach, kein großer Schnickschnack. Easy Listening Pleasure at it´s best. Hatte ich
immer und immer wieder auf Repeat.
Platz 2: The War on Drugs – A Deeper Understanding
Die Band hat mit der neuen
LP definitiv ihren Durchbruch geschafft. Die Feuilletons des Landes und
Musikliebhaber überschlagen sich mit Lob. Zurecht, das Album ist die
vielseitigste und vor allem musikalisch versierteste Platte. Man driftet beim
Hörer so schön weg…
Platz 1:
The Menzingers – After the Party
Es hat sich abgezeichnet.
Als bereits 2016 mit „Lookers“ die Vorabsingle rauskam war klar, dass das Album
für mich ein mittleres Erdbeben bedeuten wird. Meines Erachtens ist es eine der
besten und relevantesten klassischen Punkroch Alben der letzten Jahre. Für mich
persönlich ist es gerade deswegen so wichtig, weil die Bandmitglieder auch
ihren „30ger“ geknackt haben und sich wunderschön mit der Vergänglichkeit der
Jugend, den Parties und alles was danach bleibt und noch ist auseinandersetzen.
Songs des Jahres
Platz 3: Bilderbuch –
Bungalow
Was für ein bitterer Hit!
Sensationelle Nummer. Man muss einfach tanzen und mitsingen. „Ich brauch mehr
Strooooooom“
Platz 2: The Menzingers –
Tellin Lies
Na klar, vom Album des
Jahres muss auch eine Single vertreten sein. Erwachsen werden, alles ändert sich. Oder? Der Song thematisiert das Erwachsenwerden genau so, wie
ich es empfinde:
„Where
are we gonna go now that our twenties are over?
Everyone´s asking me over and over
The decade taken hostage by my own guilty
conscience
When
you gonna quit this nonsense?
I don´t mind telling lies.”
Platz 1 – Benjamin
Bookier – Right on You
Eine dermaßen breitbeinige, hier bin
ich Attitüde in einem Song, gepaart mit einem irren Uptempo Beat. Mehr geil
sein geht nicht. Mein absoluter Favorit, der Song hooked mich auch nach dem
200ten Mal hören noch!
(ms) Im Januar wusste ich noch überhaupt nicht, was vom Musikjahr zweitausendundsiebzehn zu erwarten ist. Dass die Wahl zu den Songs und Alben nun doch so unglaublich schwierig wurde, ist umso schöner, denn das verlangt eine intensivere Auseinandersetzung mit den Künstlern und ihren Werken an sich. Dabei ist eine Sache famos: Auf die neue Platte von Portugal. The Man habe ich mich tierisch gefreut und wurde bitter enttäuscht. Mit dem Release von Feel It Still wurde es schon spannend: sehr eingängig aber halt auch sehr geil. Als die Vinyl dann verfügbar war und sich auf dem heimischen Plattenteller drehte, war es schon bitter. Denn die Kings of Portland waren bis dato eine der interessantesten, ausgefeiltesten und unberechenbarste Gruppen, die ich kannte. Nun - spät aber immerhin - erfolgreich, aber das wilde Element ist nicht mehr zu finden. Umso mehr Tiefe, Verspieltheit, Genialität bei der folgenden Auswahl, die ein privat sehr energiegeladenes Jahr begleitet hat:
Alben 2017 Platz 3: Adna - Closure
Begründung: Hier war ich von mir selbst am meisten überrascht. Denn erst spät habe ich wahrgenommen, dass dieses Album mich in voller Länge (gute halbe Stunde) häufig morgens begleitet hat mit seinem feinen Klang, den schönen Melodien und dem herrlichen Gesang von Adna. Es funktioniert als Gesamtkunstwerk und tut sehr gut.
Platz 2: Mine & Fatoni - Alle Liebe Nachträglich
Begründung: Das Album wurde uns etwa zwei, drei Monate vor Veröffentlichung angekündigt. Seitdem kribbelte es in den Fingern, wann es denn endlich zu hören sei. Denn: Fatoni. Begründet sich selbst; und dann halt noch Mine dabei. Dieses Album ist so ausgefeilt, so ungemein klug getextet und breit produziert, dass ich meine Begeisterung darüber auf nervig-euphorische Weise allen Nahestehenden mitgeteilt habe. Großes Ding!
Platz 1: Tall Ships - Impressions
Begründung: Die Band aus Bristol versank bei mir persönlich etwas aus dem Radar, bis das Album angekündigt wurde. Es hat nur neun Songs. Doch diese sind vollgepackt mit Energie, Leidenschaft, musikalischem Können und bedienen in mir eine Sehnsucht, von der ich lange nichts wusste. Der Track Meditations On Loss ist das Herzstück, er sammelt das alles in 3 Minuten und 41 Sekunden. Selten in den letzten Jahren habe ich ein derart mitreißendes Lied gehört. Da die anderen acht Stücke auf dem gleichen Niveau verweilen, ist dieser Platz absolut verdient.
Fader Beigeschmack: Leider haben sie in den letzten Tagen ihre allerletzten Konzerte in Bristol, Leeds und London gespielt. Doch das Erbe ist enorm!
Songs 2017 Platz 3: Sookee - Queere Tiere
Begründung: Sookee war mir persönlich nie so präsent. Ab und an lief mal ein Track von ihr beim ziellosen Verweilen auf YouTube, dann hat mich ihr aktuelles Album Mortem & MakeUp total fasziniert, allen voran dieser Track, von Danger Dan produziert.
Tipp: Die Frau mal live sehen. Es war hochgradig intensiv!
Platz 2: Kettcar - Sommer '89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)
Begründung: Diese Nachwuchsband aus Hamburg sind für mich das non-plus-ultra. Drei Mal habe ich sie dieses Jahr gesehen, geht im Frühjahr nahtlos weiter. Insgesamt hat es Ich vs. Wir nicht in die Auswahl des Jahres geschafft, dafür dieser kluge und gefühlvolle Song. Das erste Mal gehört, stieß er mir Tränen in die Augen, das erste Mal live, nahm er mir den Atem. Diese Berührpunkte müssen als Begründung reichen. Danke, Kettcar.
Platz 1: Fatoni & Dexter - Das alles ist Kunst
Begründung: Das ist der zweite Moment, in dem ich mich selbst überrasche. Ich höre dieses Lied jedes Mal, wenn ich mich aufs Arbeiten vorbereite (studentischer Nebenjob in der Gastronomie). Die Arbeit mag ich sehr gern, das Team ist top und dieser Song entfacht in mir ein irres Maß an guter Laune. Das war mir lange gar nicht so bewusst, bis ich mir Gedanken machen musste, was ich hier zu schreiben habe. Dieses Ritual zu überdenken und mir zu vergewissern, was ich da mehrmals pro Woche mache, war ausschlaggebender Punkt für diese Wahl. Verdient.
Wünsche für 2018
Es sind zwei kurze: Ich wünsche mir ein neues Album von Kante. Das schwebt seit Jahren in der Luft, ab und an mischen die Hamburger die Gerüchteküche an, um darauf zu hoffen. Außerdem wird Homotopia von Sam Vance-Law eine enorm heiße Platte, die im März erscheint. Ist so.
(sb) Wieder ein Jahr näher an der Rente! Aber was für eins. Wie schnell die letzten zwölf Monate doch verflogen sind: erst die Schwangerschaft meiner Frau, dann die Geburt unseres wundervollen Sohnes, die ersten Wochen mit ihm, meine Löwen kehrten nach einer gefühlten Ewigkeit endlich zurück nach Giesing, dazu noch haufenweise Arbeit, viel zu wenig Schlaf, Hobbies, die naturgemäß zurückgestellt werden mussten, völlig neue Aufgaben zuhause und im Job und zu keiner Zeit Langeweile. Trotzdem habe ich dieses Jahr so viel Musik gehört wie selten zuvor in meinem Leben, denn 40 Minuten einfacher Arbeitsweg, zahlreiche Releases, die die luserlounge von Labels und Agenturen zur Verfügung gestellt bekam, sowie Spotify im Büro boten jede Menge Möglichkeiten, Neues kennenzulernen. Aus meiner Sicht gab es - rein musikalisch - schon deutlich bessere Jahre, aber ich bin nicht unzufrieden. Dennoch habe ich immer wieder gerne zu den Klassikern in meiner Sammlung gegriffen und verstehe immer besser, wieso unsere Elterngeneration so an den Künstlern ihrer eigenen Jugend hängt.
Wie dem auch sei - hier sind meine Highlights des Jahres 2017 und ein Ausblick aufs kommende Jahr:
Alben des
Jahres:
Platz 3:Olympique - Chron
Soooooooooo lange musste ich warten, hunderte Mal habe ich
Olympiques Debüt „Crystal Palace“ angehört, um die Zeit zu überbrücken und am
Ende klang „Chron“ ganz anders als erwartet und doch unverkennbar nach den
Salzburgern. Es fehlen die ganz großen Einzelhits, als großes Ganzes hingegenfunktioniert „Chron“ bestens und entschädigt für die lange Wartezeit.
Platz 2:Fatoni & Mine – Alle Liebe
Nachträglich
Fatoni mag ich ja eh sehr gerne, Mine hingegen sagt mir als
Solokünstlerin nicht so zu. Was die beiden da allerdings zusammen abgeliefert
haben, ist unfassbar heißer Shice. Wie treffend kann man Beziehungen (ob
aktuell, vergangen oder in der Auflösung
begriffen) denn bitte beschreiben? Textlich ganz groß und dass der Spaß bei den
Aufnahmen nicht zu kurz gekommen ist, hört man zwischendurch auch immer mal
wieder im O-Ton. Ein rundherum gelungenes Experiment, bei dem man sich
einerseits eine Fortsetzung wünscht, andererseits aber auch weiß, dass es nicht
mehr besser werden kann. Aufgewärmte Beziehungen sind halt nix…
Platz 1:Faber – Sei Ein Faber Im Wind
Noch vor einem Jahr habe ich Faber nicht mal gekannt, jetzt küre
ich „Sei Ein Faber Im Wind“ zum Album des Jahres. Keine andere Scheibe habe ich
2017 öfter gehört, nichts hat mich in seiner Gesamtheit so überzeugt wie das
Debütalbum des Schweizers. Die Art und Weise, wie der 24-jährige Julian Pollina
(übrigens der Sohn von Pippo Pollina, falls Euch der was sagt) seine
Geschichten vorträgt, ist frisch, modern und spielt doch mit bekannten Genres
wie Chanson und Balkan Beat. Faber gelingt es, Missstände auch ohne erhobenen
Zeigefimger anzuprangern, setzt stattdessen auf Sarkasmus, Zynismus und
exquisite Metaphern. Um es auf den Punkt zu bringen: Scheiße, das ist das
Album, das ich in dem Alter auch gerne geschrieben hätte, es aber mangels
Talent nicht mal probiert habe!
Songs des
Jahres:
Platz 3:Wanda
– Lascia Mi Fare
„0043“, die erste Single-Auskopplung aus Wandas neuem Album „Niente“,
fand ich eher enttäuschend, „Columbo“ dann schon ziemlich fett und mit „Lascia
Mi Fare“ wurde der beste Track als dritte Single veröffentlicht. Kommt für mich
nahe dran an „Bologna“ und klingt so lässig, dass man umgehend den nächsten
Italienisch-Kurs buchen möchte. Erstaunlich, wie die Wiener innerhalb von so
kurzer Zeit drei so starke Alben und top-Songs en masse veröffentlichen
konnten, ohne sich merklich abzunutzen. Mal schauen, wie das weitergeht und
wohin das noch führt.
Platz 2:Granada – Eh OK Bereits 2016 veröffentlichten Granada ihr selbstbetiteltes Album,
in diesem Jahr wurde die Single „Eh OK“ ausgekoppelt. Die Leichtigkeit des
Songs und die transportierte Nonchalance bohrten sich Tief in meinen Gehörgang,
der Ohrwurm war perfekt. Ein Lied, das einfach immer geht, zu jeder Tages- und
Nachtzeit, in jeder Stimmung und in jedem Zustand. Das Video wurde übrigens von
HFA Studio illustriert, hinter dem u.a. Leo Scheichenost, ehemals Bandmitglied
von Olympique, steckt.
Platz 1:LaBrassBanda - Nacht
Ich wurde dieses Jahr Vater und „Nacht“ begleitete unseren Sohn,
meine Frau und mich an so manchem Abend. Das Lied treibt mir regelmäßig Tränen
der Rührung und Freude in die Augen. Man könnte meinen, Stefan Dettl und seine
Kollegen hätten diese Perle speziell für alle Eltern geschrieben. Ganz nebenbei
freue ich mich ganz besonders, dass meinem Sohn im schwäbischen Exil damit von klein
auf die bairische Sprache nähergebracht wird.
Geheimtipp
für 2018:
Mit einem Tipp komme ich nicht aus, deswegen nenne ich direkt mal ein
paar mehr:
Attic Giant, bei denen
ich mir nach der wunderbaren Flush EP nun einen ebenso spannenden Longplayer wünsche.
Da erwarte ich mir wirklich sehr viel.
Phela ist gerade
auf Teneriffa, um dort ihr zweites Album aufzunehmen. Ihr Debüt „Seite 24“
veröffentlichte sie noch auf einem Major Label, diesmal macht sie alles auf
eigene Faust. So praktisch die Kontakte der Plattenfirma auch waren, so sehr
wurde sie auch in ihrer künstlerischen Freiheit eingeschränkt. Ich freue mich sehr
darauf, bald eine fröhlichere Phela zu hören.
Dicht &
Ergreifend lassen 2018 ihrem überragenden Erstlingswerk „Dampf der Giganten“
das Album „Ghetto Mi Nix O“ folgen. Die erste Single fand ich nicht so geil,
erwarte mir aber einen starken Longplayer.
Und zu guter Letzt veröffentlicht meine Lieblingsband Therapy? im kommenden Jahr ihr nunmehr
15. Studioalbum und die ersten Live-Eindrücke lassen wieder ein großartiges
Werk erahnen.
(ms/tt) Tine ist nicht nur Musikfan, Konzertgängerin und Hörerin mit gutem Geschmack. Nein. Sie hat das gemacht, was wir eigentlich alle mal machen wollten: Das Hobby zum Beruf. So ist sie als PR-Beraterin und Komplizin, wenn es um Vermarktung und Kommunikation von Bands und Brands geht, eine Anlaufstelle in Berlin. Zusammen mit Norman Fleischer (Head of Nothing But Hope And Passion) ist sie die Agentur Superunknown. Wir sind sehr froh darüber, dass Sie uns an ihrem Musikjahr 2017 teilhaben lässt. Hier geht's lang:
Alben des Jahres 2017 Platz 3: The Franklin Electric – Blue Ceilings
Begründung: Meine liebste (unbekannte) kanadische Band. Fantastisches Songwriting. Die Platte
musste allerdings ein paar Runden drehen, bis sie mein Herz erobert hat. Live geht’s schneller.
Versprochen!
Platz 2: Lorde - Melodrama
Begründung: Ich weiß nicht, wie das passieren konnte... Aber diese Lady lässt einem keine andere
Wahl... Großartige, spannende Popsongs. All over the place!
Platz 1: The War On Drugs – A Deeper Understanding
Begründung: Weil die Platte einfach perfekt ist!
Songs des Jahres 2017 Platz 3: All I can Think About is You – Coldplay
Begründung: Coldplay veröffentlichen 2017 einen ziemlich hervorragenden Song. Schockierend! Lief deshalb in
Dauerschleife. Wer weiß, wie lange man wieder warten muss ;-)
Platz 2: Father John Misty - Pure Comedy
Begründung: Passt hervorragend zu Rotwein und Weltschmerz!
Platz 1: The National - Nobody Else Will Be There
Begründung: Nochmal Weltschmerz, Trotzdem löst diese großartige Band in mir die Hoffnung aus, dass Musik
möglicherweise die Welt retten kann ;-)
Geheimtipp für 2018: Wy
Ein sympathisches schwedisches Duo. Mit ihrem Debüt „Okay“ bei mir einfach ins schwarze
getroffen!
(sb) Es war einer dieser magischen Abende, als die luserlounge den Münchner Singer/Songwriter (und noch so vieles mehr…) Liann kennenlernte, damals auf dem Poolbar Festival in Feldkirch im Sommer 2017, der so ewig weit weg zu sein scheint, wenn man auf das winterliche Treiben außerhalb der wärmenden Stube blickt. Liann supportete an diesem Tagdie bezaubernde Fiva und die Jazzrausch Bigband (JRBB), seine Goldjunge-EP ist seitdem ein treuer Begleiter in allen Lebenslagen. 2018 darf kommen – und mit ihm hoffentlich ein neues Album des Münchners.
Alben des Jahres
Platz 3: Wrap Your Troubles in Dreams - Angela Aux Nicht viele Alben haben es 2017 geschafft, in voller Länge meine Aufmerksamkeit zu erregen. Dieses aber schon. Die unaufdringlichen Melodien streifen einen beim ersten Hören nur, aber bleiben unerwartet stark hängen. Der Detailreichtum und die Tiefe der Produktion tun ihr übriges dazu, das man „Wrap Your Troubles In Dreams“ unglaublich gut anhören kann. All das allein von der Folkmit-Geräuschen-Ein-Mann-Armee Angela Aux. Für den verregneten Frühling und den goldenen Herbst, für Spaziergänge und Vormittage im Bett.
Platz 2: Alle Liebe nachträglich - Mine & Fatoni
Erst nach vehementer Empfehlung eines guten Freundes, mir die Platte noch ein zweites Mal durchzuhören, bin ich so richtig darauf hängen geblieben. Einerseits liebe ich einige Tracks einfach: „Schminke“ ist für mich ein Beispiel, wie man 2017 immer noch gute naive Liebeslieder auf deutsch schreiben kann und „Fundament“ ist sowohl vom Beat her als auch lyrisch extrem gut.Andererseits finde ich es auch sehr nice und beachtlich, in dieser zunehmend schnelllebigen Musikwelt ein Kollabo-Album zu machen, das noch dazu eine Art Konzeptalbum ist und vom Hörer viel Zeit und Aufmerksamkeit fordert. Ein mutiger Move, der hoffentlich die Beachtung finden wird, die er verdient.
Platz 1: Exit Inside - theAngelcy Eine Freundin hat mir das Album aus Tel Aviv mitgebracht. Es lief ein paar Mal abends in der Küche, wenn Freunde da waren, dann kamen theAngelcy in die Milla, einen Club direkt um die Ecke bei mir. Das Konzert war eines der besten, die ich je erleben durfte. „Exit Inside“ steht der Live-Performance von theAngelcy in nichts nach. Deren Musik bewegt sich irgendwo zwischen Indie, Folk und Klezmer. Die Arrangements sind extrem ausgecheckt, aber nie zu abgehoben, immer bodenständig und fresh. Drüber singt Rotem Bar-Or mit seiner eigenwilligen und sehr facettenreichen Stimme von Liebe und Tod, hintergründig und reflektiert. Und immer mit einem gewissen Witz. Hat mich direkt ins Herz getroffen und rettet mir manchmal den Arsch.
Songs des Jahres
Platz 3: Feuermelder - Hadern im Sternenhagel Hätten Hadern im Sternenhagel ein Album gemacht, wäre es wahrscheinlich das vierte unter den TOP 3 geworden. Haben sie aber nicht, dafür die Feuermelder EP, die vier Tracks fasst. Die läuft bei meinem Bruder und mir in Heavy Rotation. Und Feuermelder ist der sonderbarste gute Song seit langem für mich gewesen. Ein stampfender Synthie-Bass und weirde Vocoder Lyrics, abgehoben, aber trotzdem irgendwie organisch und berührend.
Platz 2: Don’t Kill My Vibe - Sigrid
Der Song weckt meine Pop Allüren. Ich hab die Klavier-Akustik-Version gehört und musste ihn sofort lernen. Man will dazu mit der Haarbürste vor dem Spiegel performen und ärgert sich dann ein bisschen, dass man mittlerweile zu verklemmt für sowas ist. Top Song, fette Produktion und Vocals, die irgendwie unschuldig und frech zugleich sind. I’m hooked.
Platz 1: The Call - theAngelcy Ich könnte das ganze Album als Song des Jahres nominieren. The Call ist es geworden, weil der Track so etwas leichtes, beruhigendes, aber auch fast Tanzbares hat. Freude, Melancholie, Weltschmerz, er fängt alles auf.
Geheimtipp für 2018
Lakedaimon
Irgendwas mit See, irgendwas mit Diamant oder Dämonen. Ein mysteriöser Name für das neue Projekt von Dobré und Occupanther. Beide aus München, aber musikalisch aus ziemlich verschiedenen Ecken. Dobrés folkige Attitüde, sein lyrisches Talent und seine unverwechselbare Stimme treffen auf Occupanthers untrügliches Gespür für Beats und detailreiche, ausgecheckte Produktion. Gibt bisher nur einen Song, „Inhale/Exhale“ auf Spotify, also wirklich ein Geheimtipp, ich bin sehr gespannt, was da noch kommt.
Und ganz zum Schluss wollen wir natürlich auch noch was von Liann hören: "Goldjunge" aus seiner Werkstatt Session - viel Spaß!
(ms/kla) Ach, Hamburg, du wunderschöne Stadt, deine Magie hat kein Ende. Nicht nur für die Menschen, die in dir groß werden, sondern auch für die, die zu dir pilgern und dort ein neues Zuhause finden. Dazu gehören auch Deniz und Robert, die nicht nur ein Paar sind, sondern auch zusammen Musik machen - wer als erstes Sea & Air sagt, muss einen ausgeben. Zusammen sind sie Krakow Loves Adana, womit sie herrlich auf die eigenen Wurzeln verweisen. Mit dem eigenen Label Better Call Rob unterstützen sie nicht nur kleinere Künstler, sondern spielen diese uns auch zu. Klassische win-win-win-Situation! Wie Deniz auf dieses Jahr zurückblickt, könnt ihr hier lesen:
Alben des Jahres 2017: Platz 3: Johnny Jewel - Windswept
Begründung: Johnny Jewel ist wohl einer meiner größten Einflüsse aller Zeiten, umso mehr hat es mich dieses Jahr gefreut, dass er mit Windswept nicht nur ein neues Stück Musik veröffentlicht hat, sondern auch, dass dieses als Soundtrack für die dritte Twin Peaks Staffel diente.
Platz 2: Alex Cameron - Forced Witness
Begründung: Cameron schafft es immer wieder aufs Neue, sich intelligent zwischen Humor und Gesellschaftskritik zu bewegen. Eine der Ikonen unserer Zeit, unbedingt live sehen!
Platz 1: Wy - Okay
Begründung: Man kann nur begeistert sein von diesen jungen Schweden, die es schon mit Anfang zwanzig schaffen großartige Musik mit Tiefgang zu schreiben.
Songs des Jahres 2017:
Platz 3: Alex Cameron - Candy May
Begründung: Ich habe diesen Song inflationär gehört in 2017. Ein eingängiger Popsong im besten Sinne.
Platz 2: Wy - Bathrooms
Begründung: ‘Believe me, I’ve done it all’... Unbedingt auch das Video anschauen, Ebba tanzt mit Anmut durch das Foyer eines Theaters. Spätestens jetzt sollte man Fan sein.
Platz 1: Johnny Jewel - Windswept
Begründung: Windswept kommt ganz ohne Gesang aus, das Saxophon mäandert durch die Synthwelt und lässt einen für knapp drei Minuten die Zeit vergessen.
Geheimtipp für 2018: Echo Ladies aus Schweden machen ungewöhnlichen Shoegaze mit intelligent genutzten Synth Elementen. Von diesen drei Schweden werden wir nächstes Jahr sicher noch viel hören.
(sb)
Matze Rossi ist ein Künstler, dessen Werdegang die luserlounge bereits seit
Jahren begeistert verfolgt und dessen Videos immer wieder bei uns auftauchen,
weil der sympathische Schweinfurter vom Leben mit all seinen Tücken, Freuden,
Enttäuschungen und Hoffnungen singt. Umso sehr freuen wir uns, dass Matze
dieses Jahr ein Türchen unseres Adventskalenders füllt. Und nie vergessen:
Musik ist der wärmste Mantel!
Alben des Jahres:
Platz
3:SHARON JONES
& THE DAP KINGS – SOUL OF A WOMAN Soul
aus den 60ern, für mich eine der besten Soulsängerinnen, leider 2016 verstorben
(scheiß Krebs)! So kraftvolle und lebendige Songs. Ich bin einfach Fan und froh,
dass diese letzten Lieder einer tollen Frau und großartigen Band veröffentlicht
werden.
Platz 2:RYAN ADAMS - PRISONER
Bin
schon immer ein großer Fan und er zieht alle Register, die mich musikalisch und
textlich in dem Jahr auf die ein oder andere Weise gepackt haben. Auch weil auf
dem Album die Nähe zu Bruce Springsteen und dem leider verstorbenen Tom Petty
ganz deutlich werden. Ganz großes Kino.
Platz
1:THE NATIONAL - SLEEP
WELL BEAST
Weil
ich sie in der Elbphilharmonie zusammen mit meiner Liebsten gesehen habe.
Vorher war das Album schon gut. Nach dem Abend aber definitiv eines der
Highlights des Jahres.
Songs des Jahres:
Platz 3:CONOR OBERST -
TACHYCARDIA
Weil
Conor wie kaum ein anderer nah und ehrlich von sich selber singt und ich gerne
dabei zuhöre.
Platz
2:THE NATIONAL –
DAY I DIE Ich
liebe den Drummer, die Gitarrenarbeit, die Stimme, die Stimmung des Liedes... Begründung
genug?!
Platz 1:CHUCK RAGAN - GATHERING WOOD Weil
ich ihn auf seiner Tour supporten durfte und wir diesen „Buddy-Song“ gemeinsam
auf meiner Gitarre fertig gespielt haben, als seine Saite gerissen ist (siehe Foto). Wie
geil ist das denn bitte!
Geheimtipp für 2018:
Kümmer
mich da nicht so drum, was kommt und was nicht. Freue mich aber zum Beispiel
auf ein neues Editors-Album.
Zum Abschluss noch einer unserer absoluten Favoriten von Matze Rossi, diesmal in einer Version mit oben angesprochenem Chuck Ragan. Best Friends. Vergesst sie nie, seid immer füreinander da.
(ms/cm) Geschlagene sieben Jahre haben sich unserer heutiger Gastautor Christian und luserlounge-Mitglied Malte nicht gesehen, bevor es vor einigen Wochen zu einem erinnerungswürdigen Comeback kam. Seitdem erzählt man natürlich viel von der Zeit, die man nicht geteilt hat und auch von der gemeinsamen davor. Und die war höchstgradig intensiv. Viele laute, wilde, tanzwütige Konzerterlebnisse haben ein Band geformt, dass von einer eigenen Kraft lebt. Da Christian aber viel Gutes zu sagen hat, wollen wir hier nicht in Nostalgie verfallen, sondern euch zum lesen einladen:
Top 3 Alben 2017: Benjamin Clementine – I Tell A Fly
Das Album, das mich dieses Jahr wohl am meisten wachgerüttelt hat, war I Tell A Fly von Benjamin Clementine. Hier wird der Hörer herausgefordert, es werden Songstrukturen durchbrochen, neue Wege beschritten, Elemente miteinander verbunden, die einen nach dem Hören nichtsahnend zurücklassen. Man möchte verstehen, was dort passiert ist, hört sich das Album nochmals an und man tut es immer wieder. I Tell A Fly ist ein Album zum Hinhören, es mag beim ersten Durchlaufen abschreckend wirken. Wie das Eintauchen in eine neue Welt, in der man sich erst einmal zurecht finden muss. Aber es ist eine Welt voller musikalischer Finessen, eine Welt, in der Klassik auf neuartige Klänge trifft und die den Zuhörer über seine gewohnten Muster wachsen lässt. Es lohnt sich, sich einen Abend Zeit zu nehmen, zusammen mit einem Erfrischungsgetränk eurer Wahl und sich auf die Reise zu begeben, auf die Benjamin Clementine einlädt.
Alt-J – Relaxer
Alt-J ist wohl jedem Leser des geschätzten Musikblogs luserlounge ein Begriff. Die drei Musiknerds haben es mit den letzten Alben geschafft eine neue Seite der Indie-Szene in das Bewusstsein des Mainstreams zu bringen, die vorher lediglich Kennern vergönnt war. Mit ihrem diesjährig erschienenen Album haben sie ihre musikalische Reise nun fortgeführt und eine neue Facette der Band hervorgeholt. Hatte man bei ihrem Debüt noch das Gefühl, dass dort eine Band nur darauf wartet sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, voller Ideen im Kopf, ist dieses Gefühl bei Relaxer nun nicht mehr in solch einem Maße zu spüren. Es scheint als wäre die Band in einer Phase der Selbstfindung angekommen, die sich in experimentellen Klängen äußert. Alt-J wissen, was sie ausmacht und genau diesen Ansatz nutzen sie, um Experimente mit dem zu wagen. Das Album hat für mich in diesem Jahr einen besonders großen Stellenwert, weil es genau im richtigen Moment erschienen ist. Inmitten einer Phase der Neuorientierung hat das Trio diese musikalisch untermalt und Musik dazu geliefert, die dazu einlädt sich auf das Wesentliche zu berufen, Schritte zu überdenken und voller Elan voranzuschreiten. Insbesondere In Cold Blood weiß mit seiner Inszenierung zu überzeugen, Blasinstrumente heben den Chorus auf eine neue Ebene, nur um das Lied daraufhin wieder zusammenfallen zu lassen und das ganze zu einem Ende zu führen, das es in sich hat.
Royal Blood – How did we get so dark?
Wenn sich die Rhythmussektion einer konventionellen Band zusammentut, um Lieder zu schreiben, könnte der Eindruck entstehen, die von uns allseits geliebte E-Gitarre würde eine schmerzliche Lücke hinterlassen . Dass diese Formation doch sehr gut funktioniert wissen wir spätestens seit Death From Above 1979, die den Bass derartig prägnant in Szene setzen, dass man gar nicht merkt, dass sich da eine Person zu wenig auf Bühne und Album befindet. Dieses Prinzip haben Royal Blood fortgeführt und mit ihrem Debüt gezeigt, dass Rock-Musik auch ohne Gitarren auskommt. Mit dem Nachfolger How did we get so dark? hat das Duo nicht nur bewiesen, dass sie an alten Schemas anknüpfen können, sondern direkt einen energiegeladenen Soundtrack für Nächte hingelegt, die durchzecht werden wollen, vollgepackt mit Basshooks, die man in die Dunkelheit hinaussingt.
Top 3 Songs 2017: Portugal. The Man – Feel It Still
Gerne hätte ich Portugal. The Mans Album Woodstock in die Liste der Top-Alben aufgenommen, ist diese Band doch seit Jahren mein musikalisches Mekka, das es mit jedem Album gekonnt schaffte eine Phase meines Lebens musikalisch zu untermalen. Im neuesten Werk der Lords of Portland (den Namen haben sie sich übrigens selbst gegeben), fehlt irgendwie dieser Anknüpfungspunkt. Zwar haben es Portugal. The Man geschafft im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit anzukommen, sogar jüngst auf den American Music Awards vor einem Publikum Musikschaffender zu spielen, die den Sound des Mainstreams bedeutend prägen, doch hat die Band auf diesem Weg ein wenig ihrer Individualität für mich verloren. Die Songs des Albums sind nicht schlecht, stehen aber im Schatten der extrem großen und reichhaltigen Discographie der Band, die in ihrer Anfangszeit so produktiv war, dass sie jedes Jahr ein Album herausbrachten. Feel it still ist dennoch ein Song, bei dem man schwerlich die Füße still halten kann, der prägnante Bass, John Gourleys einzigartige Stimme und die Eingängigkeit des Songs reißen mit und werden sicher auf der ein oder anderen Indie-Party für exzessive Tänze sorgen.
Queens of the Stone Age – The Way You Used To Do
Ähnlich geht es mir mit Queens of the Stone Age, die mit ihrem Vorgänger …Like Clockwork ein derartiges Epos hervorbrachten, dass diese Platte wahrscheinlich in 40 Jahren noch Gänsehautmomente bereiten wird. Ihr neuestes Album kann da nicht ganz mithalten, aber The Way You Used To Do wird in einer Lässigkeit präsentiert, die dazu verkeutet am liebsten sofort die eigene Lederjacke und Sonnenbrille herauszuholen und sich lässig im Takt der Musik auf der Tanzfläche zu bewegen (selbst wenn man wie ich keine Lederjacke besitzt).
Father John Misty – Total Entertainment Forever
In Zeiten, in denen fast jedes Bedürfnis quasi mit einem Klick befriedigt werden kann, liegt die Frage nah, wie es dazu kam und wohin das ganze noch führen mag. Diese Absurditäten des Lebens hat Father John Misty, ehemals Folk-Barde bei den Fleet Foxes und nun Solokünstler mit dem Hang zum Zynismus, mit seinem neuen Album vertont und festgestellt, dass es sich beim Leben um eine große Pure Comedy handelt. Total Entertainment Forever zeigt auf humorvolle Weise auf, was die mediale Veränderung und der ständige Drang nach Unterhaltung mit uns macht und paart das ganze mit einer ohrwurmverdächtigen Melodie, die von einer orchestralen Instrumentalisierung getragen wird. Ein Lied, das einem lange im Kopf bleibt, auch aufgrund der Thematik.
Bestes Konzerterlebnis 2017: Alt-J auf dem Southside Festival
Ich habe Alt-J vor einigen Jahren bereits auf dem Southside Festival gesehen und war von ihrer Performance zu diesem Zeitpunkt ein wenig enttäuscht. Man erwartet von dem Trio jetzt zwar keine fuluminante Show mit Pyroeffekten und ellenlangen Ansagen, aber irgendwie war der Eindruck trotz sehr guter Alben getrübt. Alt-J konnte diesen Eindruck dieses Jahr jedoch wieder wettmachen und mich davon überzeugen, dass sie live genauso mitreißend sind wie auf ihren Alben. Drei Musiknerds aus der ersten Reihe dabei zu beobachten, mit welchem Können sie ihre Fach beherrschen war eine wahre Freude. Zwar beschränkten sich die Ansagen auf ein einfaches Dankeschön, aber der Funke ist übergesprungen. Ich hatte mindestens genauso viel Spaß beim Zuschauen wie die Band beim Spielen der Lieder. Dank Live-Mitschnitt kann ich das ganze nun auch immer wieder Revue passieren lassen und Zuhause vorm PC so laut mitsingen wie auf dem Southside Festival :)
(sb)
Quasi aus dem Nichts flatterte vor einigen Monaten eine Nachricht ins
luserlounge-Postfach, in der Johnny Katharsis anbot, uns sein neues Album „Elefanten“
zukommen zu lassen. Gesagt, getan: wir nahmen natürlich sehr gerne an, das gute Stück
entpuppte sich als Perle - den Review dürft Ihr Euch zur Einstimmung sehr gerne nochmal durchlesen. Heute befüllt der Leipziger Wahl-Wiener sein
Türchen des Adventskalenders und macht das im Katharsis-Style! Euch erwartet eine ziemliche Bandbreite der Musiklandschaft und geht sogar darüber hinaus. Es darf gelacht werden, denn wer einmal mit Heiko
anfängt, der hört nicht mehr auf…
Alben des Jahres:
Platz 3:‚Nichts ist neu‘ von Love A
Hat Hartmann neulich nach einem Gossenboss-Gig in Dresden im Auto auf
dem Weg in den Proberaum reingehaun. War schockiert, wie geil ich das finde. Habe
mich Tage später erinnert, schon mal das Vorgänger Album ‚Jagd und Hund‘ nicht
so gut gefunden zu haben. Jetzt finde ich es fast noch besser. Vielleicht war
ich einfach nicht bereit.
Platz 2:‚Transilvanian Hunger‘ von
Darkthrone.
Darkthrone haben 2017 kein Album rausgebracht. Deswegen höre ich einfach wieder
‚Transilvanian Hunger‘. So einfach ist das.
Platz 1: Irgendjemand im Zimmer
murmelt mir was von Kendrick zu. Boah Kendrick jaja, aber, alter, nein,
Kendrick hier, Kendrick da. Deswegen sag ich mal ShackeOne mit ‚Bossen & Bumsen‘.
Ich habe es noch nicht gehört – aber: Das Vorgänger-Ding war der Hammer. Als
ich mein Zweit-Domizil in Wien bezogen habe letzten Sommer, habe ich ‚Stecks,
Schmiers & Suffs‘ rauf und runter gehört beim Cruisen durch die neue Stadt.
Der Nachfolger kann also nur gut sein, und alter: Heiko!
Songs des Jahres:
Platz 3:‚Katie Perry‘ von Milliarden.
Ist zwar von 2016, aber ich kann damit noch immer Leute im Suff nerven. Kommt
mir meist sehr gelegen.
Platz 2:‚Slowmotion‘ von Fler & Jalil
Naja, ich sag nur ‚Laufe rein in Slomo-mo-mo-mo, Laufe rein in Slomo!‘ Phahaha.
So King. Im Video gibt es dann auch Fleischbeschau und ältere Männer auf
Balkan-Jet-Skis. Super.
Platz 1:Eine beliebige Folge von Heikos Welt. Bin da wirklich Fan. In den Pilzen zum Beispiel.
Für mich ist das Musik. Zitat: ‚Da brauchtan Öffna für, um den zu verspeisn.“
Geheimtipp für 2018:
Pawcut wird mehrere Solo-Alben
rausknallen. Ich glaube, Gossenboss
sitzt auch an neuen Songs, kann nur sehr gut werden. Außerdem warte ich noch
immer auf ein Maulheld-Album.
Natürlich
soll auch Johnny Katharsis selbst hier nicht zu kurz kommen, weswegen ihr zum
Abschluss seines Jahresrückblicks auch noch ein Video von ihm serviert bekommt.