(Ms) Satt und Desorientiert. Das war der Zustand, bevor Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen am Mittwoch zum Tanz einluden. Satt wegen der Feste. Desorientiert, weil sich mehrere Fragen stellten. Zum Beispiel: Welcher Tag ist heute? Gibt es eine Vorband und wenn ja, wer mag das sein? Wann geht es los? Ist schon wieder zwischen den Jahren, wenn die Liga traditionell in Bremen, Hamburg und Berlin spielt? Einige Antworten gab es dann im Laufe des Abends: Mittwoch, 27. Dezember. Ja, Pete Astor. 20 Uhr. Ja, sie spielt!
Dieser Termin ist eine lieb gewonnene Tradition. Zum einen von der Band, zum Anderen natürlich für mich als Besucher. Eine kleine Recherche genügt, um herauszufinden, dass auch Superpunk schon zwischen den Jahren ein paar Konzerte spielten. Hamburg und Berlin waren stets dabei, die dritte Stadt variierte ein wenig. Mal Kiel, mal Hannover. Bremen kam und blieb für die Liga. Es ist eine Band, die ich schon lange verfolge und deren Lieder ich mir für ein Konzertbesuch nicht zwingend vorher anhören muss, denn die Texte schlummern irgendwo im Hirn. Die Rhythmen und Melodien, wenn es dann live auf die Ohren gibt, lösen sie dann automatisch heraus.
Also ab zum Lagerhaus. Ein kleiner Tapetenwechsel nach der weihnachtlichen Völlerei ist genau das Richtige! Um zwanzig vor acht ist noch gar nicht so viel los, aber das wird sich noch ändern. Doch ausverkauft ist es bei weitem nicht. Egal. Ich hatte den Eindruck, dass alle Anwesenden einen super Abend hatten. Das hoffe ich insbesondere für Pete Astor, der vor der Liga ein paar Lieder spielte. Singer-Songwriter ohne Band als Support… puh… das ist durchaus schwere Kost. Klar, Pete war super sympathisch, aber seine Stücke haben mich nicht vom Hocker gerissen.
Nicht so wild (für mich), denn danach ging es halt richtig rund! Gerade wenn man eine Band schon öfter gesehen hat, dann kann der Blick ja mal ein wenig Schweifen. Da stehen nun also fünf Herren auf der Bühne. Und alle völlig verschieden! Da steht Fabio Papais an der E-Gitarre. Völlig versunken, introvertiert, in sich gekehrt, eins mit seinem Instrument, ab und an singt er was ins Mikro. Links daneben Gunther Buskies. Wie immer stark am Keyboard und Gesang. Ich frage mich, ob ihm sein Instrument jemals schon hingeflogen ist, er wippt es derart stark nach vorn und hinten, dass es in der ersten Reihe fast an den Kopf knallen könnte, würde man direkt davor stehen. Mit E- oder Akustikgitarre und Gesang natürlich Carsten Friedrichs, der Mittelpunkt der Band. Er ist ein toller Entertainer, zweifelsohne. Wie er die eigenen Lieder an- oder abkündigt, zeugt von viel Selbstironie oder gesunder Überzeugung. Stichwort: Genial! Rechts am Bühnenrand Tim Jürgens: Die personalisierte Coolness. Klar, Bassisten sind immer cool, aber Jürgens hat das zu Ende gespielt. Erhaben über den Dingen hämmert er die satten Töne rein, sieht unsagbar zufrieden aus und scheint diesen Abend voll und ganz zu genießen. Und dann dahinter, sitzend: Heiko Franz! Drummer sind oft wilde Tiere, Franz jedoch ein spielfreudiger Held der guten Düfte! Beinahe in Trance treibt er die Band durch den ganzen Abend!
Und was spielen sie? Lieder von Geschäften! Eis Gerd, Matratzenmarkt, Kilo Shop, Getränkeautomaten. Diese ganzen kleinen, großen, wunderbaren Geschichten sind ein Traum! Ein eineinhalbstündiges Konzert der Liga ist eine großartige Pause vom ganzen Drumherum. Insbesondere in dieser diffusen Zwischenzeit Ende Dezember. Lieder, die nicht weh tun, ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, das Tanzbein schwingen lassen, obwohl der Sound ein wenig besser hätte sein können. Egal. Die Liga ist und bleibt ein Garant für großartige Unterhaltung und musikalische Kurzweil, wie es nur wenige andere können! Bis zum nächsten Mal!
(Ms) Das habe ich nicht erwartet. So viel Energie. So viel Atemlosigkeit. So viel Kraft. So viel Dichte. Insbesondere diese letzte Eigenschaft ist der Punkt, der beim neuen Album von Voodoo Beach am meisten heraussticht. Der Sound der gesamten Platte Wonderful Life ist sehr eng, komprimiert, lässt kaum Raum für Zwischentöne oder flache Phasen. Ja, da ist auch viel Lärm dabei, wenn Lieder mal wieder ausbrechen oder noch einen Schritt in ihrer Intensität weiter gehen. Und genau das ist der Punkt, der mich bei dieser Platte so wahnsinnig packt. Zugegebenermaßen kannte ich das Trio bislang überhaupt nicht. Hätte auch nicht vermutet, dass derartige Musik sich hinter diesem Namen verbirgt. Okay, die Sounds hätten schon gepasst. Doch deutsche Texte hätte ich hier nicht vermutet. Da fällt mir auch gar kein Äquivalent ein. Vielleicht noch die Gruppe Sport, die es leider nicht mehr gibt. Aber so wuchtige deutschsprachige Musik… noch nie gehört und gerade das macht dieses Album für mich sehr, sehr spannend!
Vor drei Jahren ist Sängerin und Gitarristin Heike Marie Rädeker eingestiegen und ergänzt Josephine Oleak am Schlagzeug und John-H. Karsten am Bass. Zu dritt beschwören sie einen wahnsinnigen Klang herauf, der sich auf ihrem neuen Album, das Anfang Dezember erschien, breit macht und dort brilliert. Neun Stücke sind ‚nur‘ auf dem Album aber ich würde sagen, dass das reicht. Wozu noch mehr wenn doch alles gesagt ist?!
Zart beginnt diese Platte. Ein paar Gitarrensaiten werden gezupft, Bass kommt dazu, Schlagzeug setzt ein, es ist dunkel, dicht, verzaubert. Fremde Fenster ist der perfekte Start in diese Platte, weil der Track so lange so ruhig ist. Zum Refrain hin bricht der Klang dann aus, es scheppert, wummert! Ein wenig Angst vor Monotonie und Wiederholung lässt lieber bei anderen reinschauen, reinhorchen und es als Geheimnis abspeichern. So textet vielleicht noch Dirk von Lowtzow. Das einseitige Gespräch auf Nein ist eine Ablehnung. Logisch, sagt der Titel ja auch schon. Das Spiel mit der Stimme entfacht viel Kraft, als ob das nicht gehörte Gegenüber nicht ernst genommen wird. Dazu dieser unglaubliche Sound, was für eine irre Energie - wow! Das Gitarrenspiel von Rädeker hat durchaus etwas Psychedelisches. Kein Wunder, dass diese Musik einen schnell in den Bann reißt. Die Hand ist wohl der Song, der die gesamten Stärken dieser Band in drei Minuten und siebenunddreißig Sekunden aufs Beeindruckendste zeigt. Das muss schlicht und einfach erlebt werden! Verschworen geht es auf Freunde zu. Aber unter seinen Freunden muss man auch eingestehen, dass die Vergangenheit passé ist: „Die Nostalgie ein abgetragenes Kleid.“ Das Erlebte ist der Grundstein, aber es müssen auch neue Geschichten erzählt werden. Als ich Immer Noch zum ersten Mal hörte, dachte ich, es sei ein Liebeslied. Doch Zweifel sind angebracht. Denn die Verliebtheit widmet sich nur der „Idee, das alles gut ist.“ Der Schein trügt also. Insbesondere der Bass untermauert das auf diesem Stück, der sich wunderbar und kraftvoll durch die Strophen und Refrains mäandert. Die Pause vor dem letzten Aufbäumen dieses Tracks ist so klug gesetzt. Man denkt, es sei vorbei und dann bäumt sich das ganze Stück in seiner Kraft nochmals auf - einfach, aber super gut arrangiert! Zum Ende hin kommen noch zwei Features. Das eine mit John Moods (Fenster), das andere mit Hendrik Otremba (Messer). Beide können mich tatsächlich gar nicht so sehr überzeugen. Es bleibt der Eindruck, dass die Band am stärksten ist, wenn sie bei sich ist.
Wonderful Life von Voodoo Beach ist seit Langem das beste Neue, was ich an deutschsprachiger Musik gehört habe. Genreunabhängig. Der düstere Charakter spricht mich sehr an, aber noch mehr die kompromisslose Kraft und Dichte, die in jedem einzelnen Stück steckt. Das ist ungeheuer gut gemacht! Punkt.
(Sb/ms) Im Radio kam vorhin ein Quiz und vorher fragte der Moderator den Teilnehmer, was denn sein Lieblingsessen auf Weihnachtsmärkten wäre. Da kam ich parallel dann auch ins Denken. Und abgesehen davon, dass Weihnachtsmärkte schön, aber soo geil nun auch nicht wieder sind, fiel mir erstmal überhaupt nichts ein. Das meiste ist halt das Imbissessen, was es sonst auch überall gibt. Der Teilnehmer meinte, dass so eine Knobi-Pilzpfanne geil ist. Ja, das kann ich auf jeden Fall verstehen. Aber es gibt ein großes Dilemma. Denn all die tollen Weihnachtsmarktessen stehen in Konkurrenz zu einem Imbissklassiker, der halt immer gewinnt. Die guten, alten Pommes. Kann man nichts gegen sagen. Außer, dass es frittierte Sonnenstrahlen sind - da kotz ich ja direkt ab. Aber so eine Fritte, schön kross und am besten mit Remoulade oder Joppiesoße ist einfach unglaublich geil! Dicke Fritten besser als dünne. Kross besser als labbrig. Ist klar. Na dann… ab auf den Markt!
Dino Paris & Der Chor der Finsternis
(Ms) Wenn es nicht offensichtlich übertriebener Trash wäre, hätte ich dieses Stück direkt wieder ausgemacht. Aber es ist halt Dino Paris. Und dieser Typ ist unberechenbar. Dieses Jahr veröffentlicht er sehr viele Singles - ein Album sollte dann ja nicht mehr lange auf sich warten lassen?! - und alle sind sehr, sehr unterschiedlich. Mal die kritische Ballade, mal ein Tanzhit. Und nun hämmern die Synthesizer erneut auf Fleisch Ist Hot. Eigentlich ein saisonaler Song, der im Sommer am besten wirkt, wenn die Grills am laufenden Band heiß glühen. Doch auch die Weihnachtszeit ist ja eine des Fleisches. Braten, Ente, Gans, was weiß ich?! Hauptsache ein großes Stück totes Tier liegt mitten auf dem Tisch, wird mit einem scharfen Messer auseinander geschnitten und garniert mit einer schweren Soße in sich hineingeprügelt. Lecker, lecker. „Salami am Abend gibt mir den Kick!“ Ja, so isses! Kommt am 24. dann direkt nach Last Christmas!
Endless Wellness
(Ms) Österreich, alte Lady. Musik aus deinem Land ist ganz schön gebeutelt. Wer hat eigentlich das Label Austropop erfunden?! Diese Person muss ein bisschen angesoffen gewesen sein. Das war dann da. Und Wanda, Bilderbuch und Voodoo Jürgens wurden darunter genannt. Was haben die denn für Gemeinsamkeiten?! Eben. Was für ein bescheuerter Begriff. Auch Endless Wellness sollten am besten nichts mit Austropop zu tun haben. Denn es lässt sich doch besser beschreiben, oder?! Erstmal ist das guter alte Indiemucke. Zweitens ist sie herrlich schrammelig. Drittens muss sie gar nicht perfekt sein. Viertens besteht sie aus vier Freunden, die seit 2021 zusammen musizieren. Fünftens ist eine Orgel dabei! Sechstens hat Hjörtur (vormals Oehl (s.u.)) eine neue musikalische Heimat gefunden. Ja, sie klingen ein wenig nach Hamburger Schule, aber dann sind wir ja direkt beim nächsten problematischen Begriff. Also: Reset! Endless Wellness aus Wien machen gute Musik. Richtig gute Musik! Sie changieren wahnsinnig zwischen Tragik und Komik und treffen damit einen richtig guten Ton. Das ist ein schmaler Grat und sie tanzen drauf. Und ja, ich mag den Akzent sehr! Ein paar Lieder wie Danke Für Alles sind schon zu hören und am 26. Januar (oder Jänner!) kommt ihre erste Platte namens Was Für Ein Glück auf dem sehr guten Label Ink Music heraus. Das kann als Vorbestellung schon noch auf den Wunschzettel, oder?! Genau!
Fjørt
(Ms) Machen, machen, machen. Weiter, weiter, weiter. Bloß nicht durchatmen. Bloß nicht stehen bleiben. Ballern, ballern, ballern. Kein Schlaf, keine Pause, kein Innehalten. Machen, weiter, ballern. Peng! Aus. Die Arbeit, das Private, all die Dinge, die von uns gefordert werden. Vieles davon so unnütz, schwer nachvollziehbar. Doch wir machen mit, machen weiter, halten irgendwie durch. Irgendwie aber halt nur. Bis der Puls dann so hoch ist, dass man platzt, sprengt, explodiert. Ob Fjørt das mit ihrem neuen Song so sagen wollten, weiß ich nicht, aber ich sehe das darin. Nur drei Minuten geht dieses Stück und es ist verhältnismäßig moderat. Denn die Band kann noch wesentlich lauter, wilder, kräftiger. Und das so richtig gut. Ich selbst habe das Trio aus Aachen so richtig erst seit ihrem aktuellen Album auf dem Schirm und live haben sie mich ziemlich weggehauen! Wie gut, dass sie ab Januar wieder auf Tour gehen. Wer sich eineinhalb oder zwei Stunden inbrünstig anschreien lassen möchte, sollte dringend hingehen - es wird eine massive Erfahrung werden. Versprochen!
(Ms) Der Morgen ist eine fragile Tageszeit. In verhältnismäßig kurzer Zeit steht eine große Aufgabe an: wach werden, sich ordnen und irgendwie bereit sein für den neuen Tag. Frisch machen, anziehen, essen, alles im Rucksack?! Mit dem Rad oder dem Auto? Welche Kleidung ist die richtige?! Viele essentielle Fragen stehen auf dem Plan. Oft möchte ich gar keine Musik zu diesem Zeitpunkt hören. Oder etwas, das mehrere Ebenen bedient. Und da steht Oehl ganz oben auf der Liste. Denn ich mag so vieles, was er in seiner Musik verbindet. Das Poetische packt mich sehr, hinzu kommt eine oft sehr sanfte, toll ausgerichtete Musik, die nicht zu wild ist, nicht zu lahm, sondern genau den richtigen Grad an Sanftheit trifft. Das gefällt mir außerordentlich gut. Es gibt ein neues Lied, was das frühe Tanzbein in Schwung bringen könnte: Die Arbeit Des Frühlings. Ungewohnt schnell ist das Stück. Doch genauso nuschelig ist er am Mikrophon. Ein Lied, das bewusst macht, dass manche Dinge viel Zeit brauchen, mitunter in Vergessenheit geraten und dann - eventuell ungeahnt - aufblühen!
(Sb/ms) Wann stehen eigentlich endlich die Osterhasen wieder im Supermarkt herum und warten auf ihren Kauf und Verzehr?! Drei, vier Monate Weihnachtskram reicht mir ja jetzt schon. Hier vertrocknen auch die Lebkuchen und Pfefferkuchen. Viel zu süß der ganze Kram. Was für ein großes Glück, dass der reichhaltige Silvesterkram endlich die Regale erobert und uns kaufgeilen Konsumenten wieder das Geld aus der Tasche zieht. Richtig Bock. Kann es kaum abwarten, bis kurz vor dem Einunddreißigsten endlich wieder Knallfrösche, Bleigießen und Böller in satten Mengen auf mich warten. Ich werde alles einpacken, alles kaufen, alles anhäufen, alles anzünden. Richtig gut! Und dann wieder Osterhasen. Oder schon wieder Wassereis? Oder ein paar FlipFlops? Ach, egal, Hauptsache kaufenkaufenkaufen!
Marie Curry
(Ms) Zugegebenermaßen waren die Erwartungen und Wünsche ein wenig höher. Aber ganz woanders angefangen: Marie Curry ist das einzige Mitglied von Neonschwarz, das vorher nicht Solo in Erscheinung getreten ist. Ein ganz seltener Werdegang im Rap. Meist sind MCs ja solo unterwegs. Ohnehin gibt es ja auch nur wenige ‚Rap-Bands‘. Neonschwarz ist so eine, die jahrelang extrem stabil abgeliefert hat. Nun gönnt sich das Quartett eine kleine Pause und Marie Curry steht endlich Solo in den Startlöchern. Als ich ganz am Anfang von dieser Nachricht las, war ich direkt Feuer und Flamme, weil ich ihre Stimme so mag. Nun ist mit Nag Champa ihre zweite Single draußen und leider lodert es da eher weniger bei mir. Es klingt ein wenig austauschbar und beliebig. Vielleicht liegt es aber auch nur an diesem Stück, wer weiß?! Zum Glückt kommt ja am 1. März ihr Album Cameo raus und damit noch viel mehr Tracks, die mich hoffentlich mitreißen werden - meine Hoffnung ist groß!
05.04.2024 Wiesbaden, Schlachthof
06.04.2024 Hannover, Faust
12.04.2024 Berlin, Bi Nuu
13.04.2024 Hamburg, Molotow
24.04.2024 Leipzig, Conne Island
25.04.2024 München, Feierwerk
03.05.2024 Bochum, Bahnhof Langendreer
Peter Wolff & Jens Borgaard
(Ms) Rein klanglich packt mich diese Musik gar nicht mal so sehr. Aber sie erzählt eine Geschichte. Und diese Geschichte ist derart hart und bitter, dass die Aufmerksamkeit ganz schnell da ist. Auf Destroyer, dem neuen Album von Peter Wolff und Jens Borgaard, geht es um einen Autounfall. Einen, den Borgaard selbst mit ansehen musste und in den gemeinsamen Liedern darüber singt, wie er aus der Sicht des Verursachers wohl verlaufen ist. Es steht also der große Versuch im Raum, sich in diese Person hineinzuversetzen und das ganze Schicksal musikalisch und textlich einzufangen. Den Moment des Aufpralls, die Festnahme, die Einsicht, dass man einem anderen Menschen das Leben genommen hat. Hui, was für eine wahnsinnige Herausforderung, was für ein tonnenschweres Thema. Kein Aufheller, nein. Auch nicht musikalisch. Denn diese Platte ist ein - logischerweise - kräftig, düsteres Werk, was einen durchaus in die eigenen Einzelbestandteile zerreißen kann. Krasse elektronische Klänge, hart, tief, kalt. Dazu hat Kai Lietzke einen Film erschaffen, der sehr abstrakt arbeitet. Wer sich diesem ganzen Klotz ausliefern lassen will, der wird eine abenteuerliche Reise machen, die bedrückt. Aber irgendwie ist es auch stark, wie hier alles zusammenfließt. Das ist große Kunst, auch wenn sie einem den Atem abschnürt.
Nichtseattle
(Ms) Peng! Da sind sie wieder. Die Lieder, die direkt in den Magen gehen. Oder in die Seele. Auf jeden Fall ganz tief. Die Lieder, die einen dann doch sehr nachdenklich zurücklassen. Auf doppeltem Wege. Denn Frau Sein von Nichtseattle ist große Posie. Zudem ist es ein selbstbewusstes, feministisches Statement. Worüber sie singt, ist bitter und wahr. Den Text kann man unter dem Video hervorragend nachlesen (oder halt geduldig sieben Minuten zuhören). Und dann sitze ich hier als Typ auf dem Sofa und möchte etwas dazu schreiben. Kann ich? Darf ich? Erste Frage: Geht so. Zweite Frage: Tja, das weiß ich gar nicht so genau. Denn ich stecke halt nicht drin in diesem Thema. Natürlich bespreche ich das mit einigen Frauen in meinem Umfeld, aber nachfühlen ist schwer. Ich kann es nur erahnen, welche Ansprüche und Erwartungen von außen an sie getragen werden. Und bin dann doch mittendrin, denn irgendwie - bewusst oder unbewusst - erwarte ich ja auch etwas von den Frauen in meinem Umfeld. Inwiefern das mit ihrem Geschlecht zusammenhängt, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass das nicht so eine große Rolle spielt. Doch das spielt sich manchmal doch unbewusst ab. Und so stammel ich hier was in die Tasten, das diesem Lied wahrscheinlich gar nicht gerecht wird. Also: Zuhören, mitfühlen, gut finden. Am 12. April kommt ein neues Album, es wird Haus heißen und sicher elf weitere großartige Lieder beinhalten.
13.01. St. Peter Ording, Beach Motel van Cleef Festival (solo) 03.05. Brilon, Stadtschenke (solo) 04.05. Stade, Hansesong Festival (solo) 03.06. Hamburg, Aalhaus 04.06. Köln, Bumann & Sohn 05.06. Nürnberg, Soft Spot 06.06. Leipzig, Conne Island 07.06. Karlsruhe, Kohi 08.06. München, Kammerspiele 09.06. Frankfurt, Brotfabrik 13.06. Berlin, Maschinenhaus
Wanda
(Ms) Vor einem Jahr spielte Wanda eine große Tour und sie machten in Bremen halt. Es war der 30. November und die Erwartungen waren recht neutral. Einige Male zuvor sah ich die Band schon, die anfängliche Euphorie und der große Amore-Rausch sind ein wenig abgeflacht. Doch dieser Abend hielt einiges bereit und war ein großes Fest. Am Ende musste/durfte ich feststellen, dass Wanda vielleicht eine der richtig großen Rockbands ist, die auf Deutsch singen. Es hat enorm viel Spaß gemacht und halt auch richtig viel Energie gehabt! AMORE! Immer noch!
Nun steht für kommendes Jahr ein neues Album in den Startlöchern. Ende Nie wird es heißen, ein genaues Datum soll noch folgen. Die Tourplanung steht - logisch, dass da Ausschau gehalten wird. Die ersten Töne dazu gibt es auch schon. Bei Niemand Anders heißt das Stück und ist eine ruhige Nummer zu großen Themen. Liebe und Tod gemeinsam ist direkt super hart, aber auch das können die Wiener Jungs, die sich jetzt nach Christians Tod offiziell zu dritt zeigen. Wanda - Amore, Baby!
09.12.23 Jerzens (AT) - Hochzeiger Open-Air
22.12.23 Wien (AT) - Wiener Stadthalle, Weihnachten mit Wanda
25.04.24 Zürich (CH) - x-tra
26.04.24 Bern (CH) - Bierhübeli
27.04.24 Ulm (DE) – Roxy AUSVERKAUFT
29.04.24 Heidelberg (DE) - Halle 02
30.04.24 Erfurt (DE) - Central
02.05.24 Hannover (DE) - Capitol
03.05.24 Dortmund (DE) - FZW
04.05.24 Münster (DE) - Jovel
06.05.24 Rostock (DE) - MAU Club
07.05.24 Potsdam (DE) – Waschhaus AUSVERKAUFT
31.05.24 Gmunden (AT) - Rathausplatz
08.06.24 Rock im Park (DE)
09.06.24 Rock am Ring (DE)
12.06.24 Coburg (DE) - Kulturfabrik
13.06.24 Fulda (DE) - Museumshof
19.07.24 Graz (AT) - Freiluftarena B
20.07.24 Klam (AT) - Burg Clam
02.08.24 Lustenau (AT) - Szene Open Air
30.08.24 Kufstein (AT) - Festung
31.08.24 Dresden (DE) - Junge Garde
Pascow
(Ms) Ein neues Musikalbum hat oft nur eine extrem kurze Halbwertszeit, oder? Manche Singles kommen schon ein halbes Jahr vorher raus. Manchmal ist schon ein Viertel bekannt, bevor die Platte dann endlich in den Händen zu halten ist. Dann kommt noch die Tour hinterher, die Festivals und das war es irgendwie. Dann wird diese Band wieder ad acta gelegt und zur nächsten neuen Single wieder gehört. Ein bisschen übertrieben beschrieben an dieser Stelle. Aber es ist was dran, oder? Umso besser finde ich, wenn ein Album in seiner künstlerischen Form viel länger zelebriert wird. Da steckt ja auch irre viel Arbeit, Herz, Verzweiflung, Planänderung und Leidenschaft drin. Grüßt Eve ist aus meiner Sicht nicht mal eins der stärkeren Tracks aus dem aktuellen Album Sieben von Pascow. Aber nun ist noch ein Video dazu rausgekommen - geil! Vielleicht dient es auch ein wenig dazu, die Frühjahrestour zu promoten. Obwohl diese Band das nun wirklich nicht nötig hat, aber vorenthalten wollen wir das auch niemandem.
07.02.24 Bochum, Bahnhof Langendreer (ausverkauft) 08.02.24 Heidelberg, Halle 02 09.02.24 AT - Linz, Stadtwerkstatt 10.02.24 AT - Wien, WUK 11.02.24 Nürnberg, Z-Bau 12.02.24 OFF 13.02.24 CH - Aarau, Kiff 14.02.24 Chemnitz, AJZ Talschock 15.02.24 Wolfsburg, Schwimmbad 16.02.24 Rostock, Mau Club 17.02.24 Kiel, Pumpe (ausverkauft)
(Ms) Hui, das war aber ganz schön kalt auf dem Weg zum Schlachthof! Vor dem Gebäude ist ein kleiner Skatepark, es war spiegelglatt. Aber: Angekommen eröffnete sich ein hervorragender Abend!
Fatoni ist auf Tour und wahrscheinlich ist seine aktuelle Konzertreise die erfolgreichste, die er je gespielt hat. In Bremen sollte er ursprünglich im Lagerhaus spielen, das wurde aber schon vor Wochen in den größeren Schlachthof hochverlegt. Eine richtig tolle Location in Nachbarschaft zum Bahnhof, wo nebenan momentan der Circus Roncalli einlädt!
Den Erfolg hat Fatoni sich regelrecht verdient. So lange ist er schon dabei, so lange rappt er schon so gut und so markant, endlich kann er ein paar Lorbeeren davon ernten. Sicherlich scheffelt er nicht die große Kohle, aber so viele ausverkaufte Shows auf der aktuellen Tournee sprechen eine klare Sprache.
Also rein in das schöne Backsteingebäude, wo sich theatermäßig die Ränge nach oben hin erstrecken und darin sogar eine Bar versteckt ist. Eröffnet hat den Abend Shogoon, der die erkrankte futurbae ersetzte. Gegeben hat mir sein Auftritt nur ganz wenig. Er war ein sympathischer Typ, doch seine Texte haben mich nicht gepackt. Einige andere aber schon, so wie es zu vernehmen war, dann passt das doch!
Gegen 21 Uhr betrat Fatoni dann die Bühne, wie immer in gelber Hose und der New-York-Hotdog-Collegejacke und mit Popcornmaschine bei Ready am Pult.
Selbstredend begann der Abend direkt mit einigen Tracks des neuen Albums und das Publikum war sofort elektrisiert. Auch ich hatte direkt richtig viel Bock, hab mich sehr über Du Wartest oder Links Rechts gefreut. Ja, die neue Platte ist schon richtig gut! Früh war aber auch klar, dass Fatoni nicht ganz fit ist. Ein wenig behäbig wirkte er an dem Abend, griff immer wieder zur Teetasse. Vielleicht war der Abend zuvor in Hamburg mit Deichkind und Juse Ju auf der Bühne ein wenig zu krass oder er trägt einfach nur eins der unzähligen Viren aktuell mit sich herum… Doch seiner Laune hat es keinen Abbruch getan, auch nicht der im Publikum. Großer persönliche Freude kam bei Das Alles Ist Kunst auf, was für ein starker Banger! Natürlich darf der Akustikgitarrenpart bei seinen Gigs nicht fehlen mit Klassikern wie Lassen Sie Mich Künstler Ich Bin Durch oder neuen Tracks wie Mein Junges Ich oder dem ersten Fatoni-Weihnachtslied, das gestern Weltpremiere feierte! Natürlich wartet man bei einem Fatoni-Gig auch stets darauf, dass Juse Ju mit auf die Bühne stürmt und sie einige Lieder zusammen performen, doch er war nicht dabei. Zu meiner großen Überraschung und Freude war jedoch Milli Dance von Waving The Guns am Start - das hätte ich gar nicht erwartet und sie haben unter anderem Seven Eleven gemeinsam abgerissen! Die beiden rappen völlig verschieden, ergänzen sich jedoch auch total! Eine starke Kollaboration! Ein Höhepunkt war auch das neue Auseinander, das er ein paar Mal noch einspielte, um die Menge komplett eskalieren zu lassen. Richtig gute Aktion: Beim Moshpit nur die Frauen aufeinander zurennen zu lassen - eine Seltenheit! Am Ende mit Lichtermeer im Publikum spielte er noch Mit Dem Taxi In Die Therapie und ein äußerst kurzweiliger Abend war auch schon wieder vorbei. Das Publikum trug ihn durch den Abend und ich hoffe sehr, dass er die kommenden Auftritte gesundheitlich gut bewerkstelligen kann. Ich habe schon richtig Bock aufs nächste Mal!
(Sb/ms) Dies ganze Black Friday-Geschichte. Das ist ja ganz schön krank. Aber freisprechen davon, dass ich nicht auch zugeschlagen hätte, kann ich mich nicht. Dafür war dies und das doch zu verlockend. Nochmal zurück zum Stichwort „Das ist ganz schön krank“. Vorletzten Sonntag in ganz geselliger Runde zusammen gesessen, Brunch, futtern ohne Ende, richtig gut, liebe Leute, viel Spaß! Und um kurz vor zwölf haben einige Leute ihr Handy gezückt, öffneten den Shop des selben Ladens und dann hieß es: Möglichst viel Dinge in den Warenkorb packen - und dann abwarten. Kurz mal nachgefragt, was denn da eingekauft wird. Dann erschrocken gewesen: Ein Händler von Protein-Pulvern haute ordentlich raus. Aber natürlich schön begrenzt; offenbar mussten die Leute dann hoffen, dass die Wünsche im Korb bleiben und es dann satte Rabatte gibt. Dann mal nachgefragt, was die da so weniger zahlen würden. Vom Hocker gefallen. Für so eine krasse Scheiße kann man offenbar sehr viel Geld ausgeben, Rabatte hin oder her. Hier gibt es alles frei Haus:
Zweilaster
(Ms) Ist Euch neue Musik manchmal auch ein wenig zu glatt? Alles ein bisschen zu steril? Alles ein wenig zu desinfiziert? Die 80er sind musikalisch ja wieder da. Da entsteht durchaus der Eindruck: Je retrohaftiger, desto glatter. Das ist natürlich völlig beweisfrei und subjektiv, aber eine sehr gute Überleitung zur aktuellen Platte von Zweilaster. Denn da schrammelt und schrabbelt es an allen Ecken und Enden. Nein, keine Panik, es stört nicht. Viel mehr ist es durchaus charmant und gehört wohl zum Konzept. Da muss nicht alles perfekt sein. Da kann auch mal ein kleiner Verspieler bleiben, wenn der Rhythmus zufällig holpert oder das Riff nicht ganz sauber ist. Alles egal. Worum es Zweilaster genau geht, weiß ich nicht. Aber das Duo aus Stuttgart hat mit Scheiblettenkäse Und Sehnsucht zum Einen einen großartigen Titel hingeblättert und darauf sammeln sich zum Anderen viele phantastische Lieder! Arno und Marie schreiben Lieder der Alltagstragik. Da bleibt natürlich auch nicht aus, das Komik anheim zieht. Das macht die ganze Platte unsagbar sympathisch - selten so viel Freude dabei gehabt, neue Musik zu entdecken, da es echt viele Überraschungen gibt, das ganze ist sehr unvorhersehbar. Und dadurch genial. Das Schöne ist: Die Platte kam schon letztes Jahr raus, doch ab dem 8. Dezember gibt es sie zum ersten mal auf Vinyl! Der Auftrag ist also klar, oder?!
Björk & Rosalía
(Ms) Einzelne Lieder für einen guten Zweck. Ich weiß nicht so genau… So viele Tracks, die für einen guten Zweck geschrieben und veröffentlicht worden sind, kenne ich gar nicht. Aber die, die so aufploppen, haben den Anschein zu schnell geschrieben worden zu sein. Natürlich steht der Zweck im Vordergrund, aber der musikalische Anspruch sollte ja nicht gänzlich fallen gelassen werden. Zum Glück gibt es aber auch Künstlerinnen wie Björk, die nie einen platten Track ans Tageslicht bringen würden. Seit vergangener Woche ist Oral zu hören. Ein Stück, das schon seit über zwanzig Jahren in ihrer Schublade schlummerte, aber nie den richtigen Rahmen fand. Als sie nun mitbekam, dass sich in riesigen Lachszuchtfarmen vor ihrer Heimat Island ein Parasit ausbreitete und daraufhin eine Million Fische getötet wurden, holte sie dieses Stück raus, um ihrer Fassungslosigkeit Raum zu schaffen. Muss das echt sein? Zum Einen die Reaktion, zum Anderen, dass Tiere so erbärmlich und zusammen gedrängt leben müssen?! Alles, was dieses Lied einspült an Einnahmen, wird einer gemeinnützigen Organisation gespendet, die sich genau gegen solche Fischfarmen einsetzt. Und um noch ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu erreichen - als ob ihr Name nicht genug Gewicht hätte - hat sie sich noch den Megapopstar Rosalía ins Boot geholt und einen richtig tollen Song rausgehauen. Sowohl Björks typische Arrangements sind darauf zu hören, als auch eine etwas massenkompatiblere Aufarbeitung. Das hat sich alles sehr gelohnt - ich wünsche beiden, dass ordentlich Geld damit verdient werden kann.
PS: Vielen Dank für das Gegenbeispiel!
Frame The Moon
(Ms) Was ist jetzt eigentlich nochmal Popmusik? Sven Regener meinte (glaube ich) mal, dass alles Popmusik ist, mit dem ganz gezielt Geld verdient werden will. Also schon alles intendiert. Dem schließe ich mich so nicht an. Ich glaube eher, dass Pop eine gewisse Leichtigkeit, Sorglosigkeit ausmacht, die schnell ins Ohr geht und zu der man auch recht einfach tanzen kann. Vielleicht will Pop gar nicht so viel, aber das muss ja auch gar nicht sein. Vielleicht haut der Pop damit ja seinen größten Trumpf auf den Tisch: Eine Pause vom Alltag erschaffen, einfach mal für ein paar Minuten die Augen schließen und sich mit den eingängigen Melodien mitreißen lassen. Wer das will, sollte recht schnell Frame The Moon einschalten. Das Kölner Duo veröffentlichte vor ein paar Tagen ihre neue Single Cry, den Vorboten zur ersten EP, die kommendes Jahr erscheinen wird. Zu hören sind satte Elektrobeats mit einem ganz bewussten 80er-Jahre-Touch, auf der sich Lena Schüttens Stimme ausbreitet und singt You don‘t make me Cry, you will make me stronger. Ein Liebessong? Ein Powersong? Ein Aufbausong? Zum Glück könnten wir Hörende damit ja machen, was wir wollen. Für mich ist es ein Tanz- und Pausensong und ich bin sehr gespannt, was die beiden noch abliefern werden…
Everything Everything
(Ms) An dieser Stelle muss ich nochmal erwähnen, dass mir englische Texte oft völlig egal sind. Ich höre da nicht immer so richtig drauf. Nur bei einigen Bands sind sie mir wichtig, wie bei Nada Surf zum Beispiel. Bei Everything Everything sind sie mir echt egal. Etwas anderes rückt bei dieser Band in den Fokus. Und das dürfte auch nicht so verwunderlich sein. Seit vielen, vielen Jahren machen sie richtig geile Musik mit einer Menge Know-How. Klar, sie haben das studiert, aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie auch den Drive beherrschen. Diese Briten tun das aber. Mad Stone ist auch so ein Track, bei dem ein paar geniale Sound-Kniffe (für mich) ausreichen, damit ich dabei bin. Dazu gesellt sich die unsagbar starke Stimme von Jonathan Higgs, die hoch, runter, schnell, langsam, alles kann. Sehr hoher Wiedererkennungswert! Richtig viel Bock auf ihr neues Album Mountainhead, das am 1. März erscheinen wird. Dann ist auch endlich dieser schäbige Winter vorbei!