Freitag, 28. Februar 2020

KW 9, 2020: Die luserlounge selektiert!

Bild: https://www.xda-developers.com
(ms/sb) Der Postillion schrieb dieser Tage, dass Norddeutschland den Asylgrund 'Karneval' akzeptieren würde und allen Betroffenen gerne Zuflucht gewährt. Nun ist das Problem im Norden, dass dort in einigen Ortschaften zwanghaft versucht wird, eine irgendwie geartete Kopie von Karneval/Fastnacht/Fasching umzusetzen. Das kann nur zum Scheitern verurteilt sein. Ich persönlich brauche kein Kostüm und keine schlechte Musik, um mich maßlos zu betrinken. Das geht auch so. Ganz ohne Anlass. Aber okay: Wenn man da reingeboren ist, kommt man sicher nicht drumherum. Das ist ja wie, als ob man Fan von Bayern München oder Hertha BSC sei: Traurig und Mitleid auslösend. Daher haben wir uns dagegen entschieden. Die erste Liga liegt für uns beide in weiter Ferne (trotz Derby-Sieg) und wir haben einen Eid auf die geschmackssichere Musikauswahl geschworen. Wir nennen es Selektion. Wir picken die Perlen heraus. Wir zeigen sie euch. Gerne. Und wer dazu ein Bier öffnen mag, den halten wir davon beileibe nicht ab!

Johnossi
(sb) Bier ist ein gutes Stichwort, denn wenn ich knapp 15 Jahre zurückdenke, lief auf den Studentenparties in Heidelberg, zu denen meine jetzige Frau mich mitgeschleppt hat, eigentlich immer früher oder später mal Johnossi. Keine Ahnung, ob das noch immer so ist, aber wundern würde es mich nicht. Die beiden Schweden kratzen seit jeher am Durchbruch, außer ein paar kolossalen Ausreißern (z.B. Man Must Dance) hat's dann aber doch nie ganz gereicht; ein Schicksal, das sie mit ihren Landsleuten Friska Viljor teilen. Auch das neue Album Torch // Flame (VÖ: heute!) weiß über weite Strecken zu gefallen, kommt alles in allem aber fast ein wenig zu mainstreamig daher, um sich aus der Masse abzuheben. Klingt negativer als es ist, denn man kann sich das gute Stück bestens in einem Rutsch anhören. Herausragend: Ccccowboys!

20.03. Leipzig, Felsenkeller
22.03. München, Muffathalle
25.03. Frankfurt, Batschkapp
27.03. Berlin, Columbiahalle
28.03. Köln, Carlswerk
29.03. Münster, Skater Palace
31.03. Hamburg, Große Freiheit



Das Ding ausm Sumpf
(sb) Stichwort Hip Hop aus München: klar, da fallen einem zunächst Blumentopf ein, aber auch Fatoni, Fiva, Main Concept, Roger Rekless oder - für die Älteren und etwas Lockereren - die nicht ganz so jugendfreien Feinkost Paranoia. Und nun also Das Ding ausm Sumpf! Und zefix, ich tu mir echt sauschwer, mich zu entscheiden, ob ich kränk (VÖ: 06.03.) mag oder nicht. Auf der einen Seite sind die Beats halt schon sehr nice und die Texte wohl durchdacht, auf der anderen Seite zerstört Autotune mal wieder die ganze Atmosphäre und nervt so gewaltig, dass die positiven Aspekte oft ausgeblendet werden. Hört es Euch an und entscheidet selbst - denn das hat Das Ding ausm Sumpf definitiv verdient.

28.02.20 Augsburg - GrandHotel
29.02.20 Passau - Zeughaus
05.03.20 M'Gladbach - Kulturküche
07.03.20 Mainz - RheinmainStehtAuf"
12.03.20 AT- Graz - Scherbe 
13.03.20 AT- Feldbach - Glam



Metronomy
(ms) Die größte Herausforderung, wenn man über Musik schreibt, ist, passende Worte für das zu finden, was man beim Hören fühlt, spürt, empfindet. Oft tun sich ja von ganz allein Bilder auf im Kopf, die es dann zu versprachlichen gilt. Metronomy haben das Problem ein wenig vereinfacht. Denn zu ihrer neuen Single Whitsand Bay, die Teil des aktuellen Albums Metronomy Forever (bescheidener Release im letzten September) ist, liefern sie ein leises, aber sehr eindrückliches Video. Was ist der Zauber der Musik? Sie ist uns immer wieder ein helles Licht, wenn wir es dringend brauchen. Und immer wieder Anlass uns zu bewegen; sowohl im Geiste als auch ganz wörtlich mit dem Körper. All das bringt dieses feine Video zusammen: Bewegung und Hoffnung. Ich tanze daheim zu den unterschiedlichen Liedern; meine Nachbarn von gegenüber hören dazu natürlich die Musik nicht (ist eine Straße zwischen) und sehen mich sicher oft seltsam verbogen hinter meinem Fenster. Ich sollte versuchen das Metronomy-Video groß an die Häuserwand zu projizieren!
Die Band ist demnächst noch hierzulande unterwegs! Hingehen, Freunde!

23.03. Lausanne, Les Docks
24.03. Zürich, Komplex 457
28.03. Wien, Gasometer
03.04. Dresden, Alter Schlachthof
04.04. Mannheim, Alte Feuerwache



Lawine
(ms) Ihr kennt sie alle und nerven tut sie nicht nur mich. Die ewige Frage: "Haben sie eine Payback-Karte?" Ich könnte die Verkaufenden jedes mal lynchen, wenn ich das höre. Ein Abzocksystem mit perfidem Anreiz. Und die sind ja nicht die einzigen, die unsere Portemonnaies mit Kundenkarten, Sammelangeboten undundund zum Platzen bringen. Nervt.
Was hilft dagegen? Das ganze umdrehen. Und den grenzenlosem Konsum abfeiern. Denn Grönemeyer hat schon gesagt: "Ich kauf' mir was, kaufen macht so viel Spaß, ich könnt' ständig Kaufen gehen, Kaufen ist wunderschön, ich kauf', egal was." Recht hat er. Geld verprassen macht Spaß, Money left to burn. Ob digital oder analog: Wurscht! Das hat sich auch das Wiener Duo Lawine auf die Fahnen geschrieben und ihrem Erstling (Release: heute!) dieses Motto gegeben. Logischerweise heißt die Platte Kaufhaus und zur Single Bonuscard gibt's ein fein animiertes Video. Der subversive, selbstironische Track pendelt textlich und klanglich in einem seltsamen Zwischenraum von HGich.T, Deichkind und Kraftwerk. Gebt euch diese Mischung, es knallt!



Electric Litany
(ms) Zauber der Musik heißt ja auch: Irgendetwas berührt uns bei einem Lied, einer Strophe, einer Melodie so sehr, aber wir können überhaupt nicht verorten, woher es kommt. So geschehen beim Track Sealight des Londoner Quartetts Electric Litany. Vor vielen Jahren haben ich melancholische Musik in einem zu dem Zeitpunkt sicher ungesundem Maße konsumiert und dieses Selbstmitleid auf gewisse Art und Weise auch genossen. So eine Traurigkeit im jungen Erwachsenensein. Das waren meist die Phasen nach dem Bier oder im Liebeskummer. Klar, die gibt's immer noch, aber sie werden anders (selbst-)therapiert. Doch dieser melancholische Track hat irgendwas in mir berührt. Etwas Vergangenes, das überhaupt nicht wehtut, wenn es kurz wieder aufscheint. Das Album Under A Common Sky ist ab heute als Rerelease wieder zu hören. Klingt so:



Yves Tumor
(ms) Manchmal fragt man sich ja, wie wohl eine Kreuzung zweier Musiker oder Bands klingen würde. So eine mögliche Antwort bietet Yves Tumor. Als ich den Track Gospel For A New Century gehört habe, kam direkt folgender Gedanke: Möglicherweise wurden hier MGMT und Damon Albarn länger in ein Studio eingepfercht mit dem Auftrag, eine Musik mit Wumms, Beat, Ohrwurmgarantie und Tanzbarkeit zu entwickeln. Klar, tun beide so auch ohnehin. Doch hier ist die Dancefloor-Fähigkeit von (zumindest den frühen) MGMT und der abgefuckten Coolness Albarns zu hören. Ein nicht näher zu beleuchtender Mix aus Soul, Pop, R'n'B und ein bisschen Irrsinn. Der wird in jedem Fall deutlich, wenn man sich das Video dazu gibt. Was müssen die zahlreichen Protagonisten für einen Spaß gehabt haben, als sie dafür in der Maske saßen?! Das hier wurde direkt für gut empfunden!
Die Platte Heaven To A Tortured Mind (VÖ:03. April) beweist, dass diese schräge Mischung auch auf Albumlänge sehr gut funktioniert!



The Coronas
(ms) Oh man. Der falsche Name zur richtigen Zeit. Als ich die Ankündigung über die Band aus Irland las, dachte ich erst an einen kleinen Karnevalsscherz. Ist es aber nicht. Doch vor siebzehn (in Zahlen: 17!) Jahren, als die Band sich gegründet hat, war jegliche Infektionskrankheit logischerweise unbekannt. Nun gut...
Die nun mehr als Trio agierende Band The Coronas kommt auf Tour nach Deutschland. So ein unerwarteter Weggang eines wichtigen Bandmitgliedes, stellt dir übrig Gebliebenen natürlich vor fundamentale Fragen. Weitermachen: Ja oder Nein?! Sie haben sich dafür entschlossen und so können sie ihren gefühl- und druckvollen Indiepop weiterhin auf die Bühne bringen. Im Juni erscheint ihr neues Album True Love Waits (wie wahr!) und in den folgenden Städten könnt ihr den brandneuen Songs im Herbst lauschen! Übrigens: Jedes ihrer Alben stiegt in Irland zuverlässig hoch in die Charts ein. So klingen sie, das ist das einzige, was ansteckend ist...

20.09.2020 Berlin, Frannz Club
21.09.2020 Hamburg, Nochtspeicher
23.09.2020 Dortmund, Piano
26.09.2020 Freiburg, Jazzhaus
27.09.2020 München, Strom
28.09.2020 CH-Zürich, Papiersaal

Montag, 24. Februar 2020

Agnes Obel - Myopia, Teil 2

...Es gab in der Welt kein Ding, das ich hätte haben wollen.
facebook.com/agnesobelofficial
Ich kannte niemanden, den ich beneiden müsste.
Was Böses geschehen war, hatte ich vergessen.
Ich schämte mich nicht zu denken, ich sei, wer ich bin.
Ich spürte keinerlei Schmerz im Leibe...

- Czesław Miłosz

Camera’s Rolling – Broken Sleep – Island Of Doom

Vollkommene Dunkelheit.
In meinen Kopf rauscht der Kosmos.
Ich stehe aufrecht und still auf festem Grund.
Ohne Angst öffne ich die Augen. Nacht empfängt mich. Über mir wölbt sich der Sternenhimmel. Ich blicke hinauf und verliere mich für einen Moment in der Unendlichkeit. Der Klang der Sterne ist schön.
Dann senkt sich mein Blick und ich nehme im Sternenlicht diffus eine weite Brachfläche wahr. Kein Baum, kein Strauch. Leichter Schwindel erfasst mich. Ich sehe, dass meine Füße auf einer Betonplatte stehen.
Langsam setze ich mich in Bewegung, den Blick in die Ferne gerichtet. Betonplatte reiht sich an Betonplatte. Immer wieder berührt ein Fuß kleine hubbelige Polster: Gras wächst in den Abgrenzungen der Betonplatten. Auch rechts und links des breiten Weges wächst niedriges Gras. Ich gehe auf einem unbeleuchteten, maroden Rollfeld.
Seitlich rechts nehme ich bald ein großes, fensterloses Gebäude wahr. Seine Wände leuchten metallisch hell. Gemächlich aber zielstrebig bewege ich mich darauf zu. Ab und an berührt ein warmer, angenehmer Windhauch mein Gesicht. Schon bald habe ich eine Halle erreicht. Mächtig türmt sie sich vor mir auf.
Plötzlich Stille im Kopf.
Meine Fingerspitzen berühren die Wand aus geprägtem Metall. Sie fühlt sich rau und warm an. An der Begrenzung zum Boden schimmert bläuliches Licht. Ich entdecke einen Griff in der Wand, umfasse ihn mit beiden Händen und schiebe überraschend leicht ein Tor so weit auf, dass ich gerade hindurchpasse. Leise ächzt und quietscht es, als ich es von innen wieder schließe. Gespannt wende ich mich dem Raum zu. Ein angenehm samtenes Blau geht in Schwarz über. Darin, überall, tanzen sacht Lichtpunkte. Flugzeugteile hängen von der Decke. An der linken Wand steht ein kleines Flugzeug ohne Tragflächen.

Roscian – Myopia – Drosera – Can’t Be

Zarte Klänge wie von einer Windharfe füllen den Raum aus.
Ich gehe vor bis in die Mitte der Halle. Nun bin auch ich bedeckt mit leuchtenden Punkten und verschmelze mit der Umgebung. Langsam breite ich meine Arme aus und tanze. Dabei verändert sich die Bewegtheit der Lichtpunkte. Ich passe meinen Rhythmus an.
Ganz allmählich werden die Lichtpunkte schwächer, bis sie schließlich ganz erloschen sind. Es bleibt ein blaues Licht, das den Raum aber nicht ganz ausleuchtet. In den Ecken, am Rand Schwärze.
An der dem Eingangstor gegenüberliegenden Wand entdecke ich eine Tür, auf die das blaue Licht gerichtet zu sein scheint. Ich bewege mich auf sie zu. Meine Schritte fühlen sich ein wenig schwer an. Nach dem Erreichen der Tür wende ich mich noch einmal dem Raum zu.
Jetzt Dunkelheit und Stille.

Promise Keeper – Parliament Of Owls – Won’t You Call Me

Ich öffne die Tür und trete hinaus. Gras unter meinen Füßen. In der Ferne leuchten die Lichter einer Stadt. Angelehnt an die warme Wand in meinem Rücken schaue ich den Lichtern entgegen. Schon bald zieht Dämmerung auf. Ich beobachte, wie die Sterne allmählich verschwinden und einem warmen Schimmer weichen. Erste Sonnenstrahlen bahnen sich den Weg in Richtung Himmel, bis sie die Stadtsilhouette umkränzen. Ich trete hinein ins Licht des beginnendes Tages und gehe der Stadt entgegen.
In meinem Kopf singt leise das Lied der erwachenden Stadt, das mit jedem Schritt lauter wird.


(ms) Diesen wunderbaren Text haben wir als Antwort auf unsere etwas experimentelle Rezension bekommen und veröffentlichen ihn mit der Erlaubnis unserer anonymen Autorin. Vielen, vielen Dank!

Samstag, 22. Februar 2020

Live in Bremen: Oehl

In Weiß mit Mond: Oehl. Foto: luserlounge
(ms) Jammern will ich nicht, aber: Konzerte unter der Woche sind so eine Sache. Seit viertel nach fünf wach und einen anstrengenden Tag hinter mich gebracht, lauerte zum Glück in jeder Minute eine unheimliche Vorfreude auf das, was abends anstand. Diese war gekoppelt mit ganz viel Neugier und der Frage, wie Oehl ihre erste Platte Über Nacht live auf die Bühne bringen?!
Ort der Erkenntnis war das Lagerhaus in Bremens Viertel, der sehr guten Ausgehgegend nah an der Weser. Das Lagerhaus ist ein kultureller Veranstaltungsort für Konzerte, Tanz, Diskussionen inklusive Café und sehr, sehr freundlichen Menschen an Tür, Garderobe und Bar. Klar, der Laden war für Oehl ein klein wenig zu groß, was jedoch eine sehr direkte, ja, familiäre Atmosphäre spürbar machte. Schon bei näherer Betrachtung des Merch-Tisches wurde klar, dass Oehl ganz wunderbar, aber auch ein bisschen schräg sind: Man konnte bandeigenes Parfum kaufen.

Der Blick auf die leere Bühne versprach viel. Alles wurde mehr als erfüllt. Der schöne Mond als Bühnendeko, das reduzierte Schlagzeug mit E-Drumbass und die mannigfaltige Ausstattung des stillen Stars des Abends: Patricia Ziegler. Sie stand hinten links, bediente Samplinggerät, spielte Bassblockflöte (!), Harfe (!!) und sang wunderschön!
Pünktlich um halb neun kam die fünfköpfige Band auf die Bühne, Ariel und Hjörtur im Vordergrund. Alle trugen Weiß und eine beige Jacke; eine Mischung aus bieder und stilvoll. Und die optische Darbietung blieb immer wieder im Fokus. Oehls Musik ist fein, elegant und ruhig. Doch auf der Bühne herrschte wirklich immer sehr viel Bewegung. Glücklicherweise übertrug sie sich auf das aufmerksame Publikum. Hjörtur machte sicher mehrere Kilometer wett im bestimmten Bassspiel, Ariel tanzte so viel er konnte, drehte Pirouetten oder schmiss einen Ein-Mann-Walzer hin. Was seltsam klingt, war stets harmonisch; kein Anflug von Attitüde.

Zur Musik: Oehl arbeiten auf ihrem Album mit zahlreichen Effekten. Logischerweise müssen diese auch auf die Bühne mittels des erwähnten Samplers und der Steuerung am Schlagzeug hörbar werden. Was mich über die gut neunzig Minuten so begeistert hat, war die Exzellenz im musikalischen Können aller Beteiligten. Es war wirklich, wirklich ganz herausragend. Ich konnte viel staunen und habe es sehr genossen. Erleichtert wurde der Genuss durch die beiden unglaublich sympathischen Bandköpfe. Ihre Ansagen waren lustig und einfach nett - das beweis sich insbesondere beim Rumalbern in der Zugabe. Pfiffig auch, dass sie mehr oder weniger kurz vor der Tour noch neue Songs geschrieben haben, sonst wäre der Abend schnell vorbei. Und die neuen Tracks kamen extrem gut an bei den Bremern.
In den Gesichtern der Protagonisten war während des Konzerts viel Dankbarkeit zu sehen. Sie wussten halt auch, dass ihren Liedern viel Zauber innewohnt. Ein Zauber, der sich in mir festgesetzt hat und lange anhält. Der auch eine Erkenntnis heraufbeschworen hat: Nur bei ganz wenigen Bands war ich direkt so stark begeistert. Das wird unter keinen Umständen das letzte Mal gewesen sein, dass ich diese Band live sah. Und es ist ihnen aufrichtig zu wünschen und das ist gar nicht unwahrscheinlich, dass sie beim nächsten Gastspiel im Norden den Laden locker voll machen. Denn: So etwas spricht sich rum!

Hier sind sie als Nächstes zu sehen. Nehmt die Gelegenheit wahr!

05.03. - Innsbruck, Die Bäckerei
06.03. - Dornbirn, Spielboden
12.03. - Graz, Orpheum
13.03. - Wien, Grillx
14.03. - Wien, Grillx
20.03. - Vöcklabruck, OKH
16.04. - Dresden, Polimagie Festival
30.07. - Diepholz, Appletree Garden
29.10. - Wien, WUK





Freitag, 21. Februar 2020

KW 8, 2020: Die luserlounge selektiert!

Bild: patentlyapple.com
(ms/sb) Neben Steuererklärung, Wohnung in Schuss halten, den Kühlschrank anständig gefüllt haben und natürlich den täglichen Wahnsinn auf der Arbeit erledigt zu bekommen, ist meines Erachtens eines der wichtigsten Dinge im Erwachsenenleben, dass man seine sanfte Leichtigkeit nicht verliert.
Doch als ich gestern morgen aufgewacht bin und mein Handy schon durch Push-Nachrichten auseinander flog, weil ein rassistischer Idiot in Hanau Menschen erschossen hat - so viel, wie man weiß, aus blankem Hass -, dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Sicherlich wird sich herausstellen, dass gewisse Institutionen davon wussten, aber nichts unternommen haben. Es muss klar werden, dass die AfD daran nicht unbeteiligt ist! Sondern durch ihre Agitation Menschen sich genau zu solchen Taten ermutigt fühlen. Der ganze Laden muss vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Und nicht nur drei Personen. Dagegen muss gedacht, gehandelt, gewählt werden! Jeder das, was er kann. Aber nicht hinnehmen. Sonst geht das halt so weiter.

Einen gewissen Teil der Leichtigkeit wird natürlich durch die Musik garantiert. Das haben wir uns auch in unserer Freizeit auf die Fahre geschrieben und präsentieren euch, was uns aufgefallen ist. Voilà. Luserlounge. Freitag. Selektiert.

Tim Freitag
(sb) Unsere Lieblings-Bite It-Promoterin Änne liegt uns ja bereits seit Monaten in den Ohren, wie toll Tim Freitag sind und auch wir haben uns bereits sehr wohlwollend zu den Schweizern geäußert. Und tadaaa: Endlich erscheint nun auch das Debütalbum der Zürcher und man mag kaum glauben, dass die Band nicht schon lange auf den großen Bühnen dieser Welt spielt. Das Selbstverständnis, mit dem Tim Freitag da einen Burner nach dem anderen raushauen, ist erstaunlich und legt den Schluss nahe, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Durchbruch gelingt.
Bleiben zwei "Probleme": Zum Einen der irreführende Name, der auch mich bei den ersten Promo-Mails abschreckte, weil er unwillkürlich an solche Flachpfeifen wie Tim Bendzko, Wincent Weiss oder Andreas Bourani erinnert und so gar nicht darauf hinweist, dass einen da richtig gute Musik erwartet. Und zum Anderen, dass die Schweiz in Sachen Musikpresse jetzt nicht unbedingt ein international anerkanntes Aushängeschild hat, das aufstrebende Bands pushen kann. Wären Tim Freitag aus dem Vereinten Königreich, hätten NME, BBC Radio 6 etc. schon längst einen Hype um die Band gestartet. Garantiert! So aber muss die liebe Änne ran und macht das ganz wunderbar. Das Indie-Quintett leistet aber auch wirklich tolle Vorarbeit und Ihr solltet Euch Monsters Forever (VÖ: 13.03.) unbedingt anhören und Euch die Band auch live nicht entgehen lassen, sollte es Euch mal in die Schweiz verschlagen.

12.03. parterre – Basel (CH)
15.03. Kaufleuten – Zürich *Plattentaufe* (CH)
21.03. KuFa – Lyss (CH)
26.03. Gaswerk – Seewen (CH)
27.03. Gare de Lion – Wil (CH)
28.03. Festival unter dem Dach Horw (CH)
03.04. Mokka – Thun (CH)
11.04. Kofmehl – Solothurn (CH)
23.05. Kulturfabrik – Wetzikon (CH)
06.06. TBA – Arbon (CH)
19.06. Quellrock Open Air – Bad Ragaz (CH)
04.09. Kiff – Aarau (CH)
05.09. Kulturhaus Caserne – Friedrichshafen (DE)
01.10. Schüür – Luzern (CH)
23.10. Marabu – Gelterkinden (CH)




Jan Bang & Eivind Aarset
(ms) Lieber Alltag, gibt uns doch mal mehr Pausen zwischendurch. Halt ab und zu mal alles an. Biete uns mal eine Leertaste des Livestreams, der alles einfriert. Dann bette uns auf eine gemütliche Unterlage und lass uns ruhig werden und die Ohren öffnen. Und dann legst du, lieber Alltag, die neue Platte von Jan Bang & Eivind Aaset auf, die am 13. März erscheint. Denn sie wird dein Soundtrack sein; sein müssen. Auf den zehn Tracks entstehen nämlich solch zarte, aber durchaus bestimmte Klanglandschaften, die es bei aller Aufmerksamkeit zu entdecken und genießen lohnt. Genuss der ruhigen Phasen, Entdeckung der bewussten Brüche. Und Bewusstsein. Bewusstsein dessen, was auf der Platte Snow Catches On her Eyelashes passiert und wie das entstanden ist. Die beiden Norweger kennen sich schon lang und veröffentlichten bereits gemeinsam Platten, doch dies ist die erste, auf der beide Namen stehen. Im Vordergrund - und das ist wahrlich nicht immer zu hören - ist Aarsets Gitarre. Deren Sounds sind durch Bangs elektronische Spielereien ins Unerkenntliche, aber Entdeckenswerte gesamplet. Wer sagt, dass das langweilig ist, hat hier nichts verstanden. Daher: Ohren auf. Und: Pausetaste!
PS: Dieser Soundeindruck ist schon etwas älter, geht vom Prinzip aber in die Richtung des neuen Albums.



Akne Kid Joe
(sb) So ein Antifa-Trafivertrag, das wärs doch, oder? Das dachten sich auch Akne Kid Joe und reagierten mit What AfD thinks we do auf den irrsinnigen Vorwurf des unsäglichen stellvertretenden Sprechers der EkelhAfDen, linke Demonstranten würden aus "verschiedenen Quellen" Zahlungen erhalten, um gegen Rechts auf die Straße zu gehen. Aber weißt Du was, Brandner: Wir machen das aus Überzeugung! Jetzt mehr denn je!
Auch das Quartett aus Nürnberg ist Überzeugungstäter und macht ganz offensichtlich genau das, wonach es ihm ist und balanciert auf Die große Palmöllüge (VÖ: 03.04.) gekonnt zwischen Verschwörungstheorien, Gender Equality, Funpunk und politischen Statements. Die Franken werden dabei u.a. von Alex Pascow unterstützt - und das ist ja per se schon mal super.


Matze Rossi
(sb) Wir haben Euch Milliarden, die neue Single des großartigen Matze Rossi ja bereits am Releasetag (13.02.) auf unserem Facebook-Account vorgestellt, aber in Zeiten wie diesen kann man lebensbejahende Songs wie diesen gar nicht oft genug zu Gemüte führen. Und wenn man selber Kinder hat, ist es quasi unmöglich, sich das Lied anzuhören, ohne sich angesprochen zu fühlen...


Rong Kong Koma
(sb) Wenn es bei den Musikpreisen dieser Welt eine Kategorie à la "Bestes Liebeslied, das nicht wie ein Liebeslied klingt" gäbe, dann wären Rong Kong Koma da wohl mehrmals nominiert. Ich ging mit relativ geringer Erwartungshaltung an Lebe Dein Traum (VÖ: 13.03.), das Debütalbum der Berliner ran, bin nach mehrmaligem Anhören der Scheibe aber total angefixt, geplättet und begeistert. Es sind die Widersprüchlichkeiten innerhalb des Albums, die mich extrem ansprechen, die Imperfektion, die sich durch die 12 Songs wie ein roter Faden zieht und das Werk stimmig werden lässt. Texte aus dem Leben, die kein bisschen gekünstelt sind und doch aussagekräftige Bilder malen, eine Stimme, die jeden Gesangslehrer verzweifeln ließe, aber genau deswegen im Ohr bleibt und Punk, der eigentlich gar nicht punkig ist.
Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster, aber was Sebastian Kiefer und Konsorten da geschaffen haben, klingt wie die Ton Steine Scherben der Neuzeit und Rio Reiser wäre verdammt stolz drauf. Selten wurde ich so positiv von einer Band überrascht, die ich vorher nicht kannte. Großartig!


The Thank Yous
(sb) Endlich haben wir mal wieder was Neues aus Norwegen für Euch: The Thank Yous werden am 27.03. ihr Debütalbum Good Times Killing Us veröffentlichen und schon heute erscheint der Vorbote Fucking Up Is Easy To Do. Wir sind echt dankbar, dass Apollon Records aus Bergen uns regelmäßig mit Bands versorgt, die wir sonst vermutlich nie kennengelernt hätten - und wenn dann noch so was Tolles bei uns eintrudelt wie in diesem Fall, dann freuen wir uns umso mehr. Natürlich werden wir dann auch über Album berichten - hoffentlich fucken wir es nicht up...


Greg Dulli
(sb) Schon komisch: Greg Dulli ist seit über 30 Jahren im Business, war/ist Mitglied von namhaften Bands und Projekten wie The Afghan Whigs, The Gutter Twins (mit dem ebenso genialen wie unberechenbaren Mark Lanegan) und The Twilight Singers, doch es dauerte bis heute, ehe der  Musiker sein Solo-Debüt-Album veröffentlichte. Der Amerikaner war in den letzten 30 Jahren der Poet Laureate der bizarren Launen und grausamen Tangenten des Begehrens, ist sich aber auch bewusst, dass ohne Verlangen die meisten Probleme der Welt gelöst wären, sie jedoch ein jämmerlicher Ort zum Leben wäre. Aus dieser Erkenntnis entstand Random Desire, deren Titel sich wiederum aus einer gängigen Praxis ("random selection") bei der Auswahl von Probanden durch Forscher ableitet. In den 37 Minuten Spielzeit gelingt es dem Künstler phasenweise äußerst eindrucksvoll, die Theorie zu bekräftigen, dass Weisheit aus Rückschlägen und Siegen gleichwohl erwächst. Der Feuilleton wirds lieben - und mir taugts auch.



Woods of Birnam
(ms) Wie groß können die Kreise der Kunst gezogen werden? Des kreativen Gesamtprozesses? Gibt es überhaupt Grenzen? Ehrlich gesagt: Ich kenne mich mit dem Gesamtwerk der Band Woods of Birnam nicht sonderlich gut aus; stolpere aber zunehmend über ihre Musik. Vor allem über ihre immense Bandbreite an Genren, die sie bedienen; bedienen können. Balladen, Indie-Tracks, Hymnen und beeindruckend aufgedrehte Gitarren. Alles aus den gleichen Musikern (an dieser Stelle eine große Empfehlung, sich in ihren Tracks einfach mal treiben zu lassen, vielleicht seid ihr dann auch erstaunt, dass ihr immer noch die selbe Gruppe hört).
Nun gibt es ein neues Album. Das heißt How To Hear A Painting. Und es erscheint am 13. März. Der Titel des Albums ist Programm! Die Dresdener Band hat den Versuch umgesetzt, wie malerische Kunst klingen kann. Musikalische Interpretation einer anderen Form von kreativer Kunst. Was für ein irrer Vorgang. Man muss das einfach hören, ja, erleben, um das verstehen zu wollen/können. Und das legen wir Euch mit dem Video zu The Machine sehr ans Herz. Wir halten Euch in puncto Release auf dem Laufenden. Versprochen!

Mittwoch, 19. Februar 2020

Agnes Obel - Myopia

Agnes Obel. Quelle: facebook.com/agnesobelofficial
(ms) In meinem Rucksack ist eine edle Fracht verpackt. Diese muss ich dringend, aber auch sehr behutsam noch durch den Wald transportieren. Doch ich weiß nicht so genau, ob ich es wagen soll, tatsächlich einen Schritt vor die Haustür zu setzen. Tagelang hat es unaufhörlich geregnet, gedonnert, geblitzt und auch jetzt ist der Himmel wieder wolkenverhangen. Ich sehe das Ende dieser erdrückenden Schwere am Himmelszelt, doch es scheint überhaupt keine Bewegung drin zu sein. Weiterhin Dämmerlicht und fiese, nasse Kälte, die schnell durch die Knochen zieht. Doch ich muss hinaus, das Etwas in meinem Rucksack muss an sein Ziel. Und: Es darf unter keinen Umständen kaputt gehen. Leicht kann genau das passieren: Es ist filigran, edel, einmalige handwerkliche Arbeit. Und ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden, wenn ich derjenige bin, der schuld daran ist, dass es nur noch in seinen Einzelteilen ankommt. Also schnell den Entschluss gefasst, es in eine zusätzliche, schützende Hülle zu verpacken, damit ja nichts passiert, ab in den Rucksack zurück, Schuhe an, Jacke an und raus. Und erneut völliger Stromausfall; Dunkelheit. Glücklicherweise habe ich vorgesorgt und mir altmodisch eine Fackel besorgt, damit sollte ich den Pfad durch den Wald finden, ich bin ihn schon häufig gegangen.
Direkt vor der Tür weggerutscht und Angst bekommen. Aber ich bin sicher, dass nichts passiert ist. Weiter. Fuß fassen. Sicher stehen. Licht entfachen. Aufrecht stehen. Mit den ersten Metern im Geäst steigt die Sorge: Bleibt es ganz? Kann ich es bewahren? Ja, ich muss. Ich weiß um den immensen Wert meiner Fracht. Die knackenden und biegenden Äste machen mich zuerst unruhig, doch dann wird jeder weitere Tritt sicherer. Ja, ich fühle mich ab und an, wenn der Regen zu pausieren scheint und tatsächlich so etwas wie ein Lichtschein meinen Weg berührt, froh darüber, genau dies machen zu dürfen. Doch Achtung! Nicht zu früh freuen und fahrlässig werden, eine gewisse Distanz ist noch zu meistern. Ganz behutsam bleibe ich auf der mir am sichersten erscheinenden Stelle stehen und kontrolliere mein Päckchen. Reinschauen, das sanfte Leuchten wahrnehmen und es wieder einpacken. Ja, alles ist gut. Es ist da. Ich bin da. Ich packe es aus.



Natürlich kann ich vollkommen daneben liegen. Doch so fühlt sich das neue Album von Agnes Obel für mich an: elegant, zerbrechlich, leicht melancholisch, herausragend arrangiert, wertvoll, geheimnisvoll, spannend, teilweise herausfordernd. Myopia ist eine Reise ins Ungewisse und es lohnt sich von der Dänin mitnehmen zu lassen. Leise, sachte Töne werden einen umhüllen und umhertragen. Meine Reise ist die oben Nachzulesende. Die zehn Lieder auf dem am Freitag (21. Februar) erscheinenden Album sind mit Fingerspitzengefühl komponiert und noch feinfühliger eingespielt. Mehr gilt es selbst herauszufinden. Nur eines noch: Selten hat sich Musik hören so gelohnt!

29.02. Köln, Carlswerk Victoria
01.03. Mannheim, Capitol
02.03. Hamburg, Laeiszhalle
04.03. Wien, Arena
05.03. Zürich, Samsung Hall
16.03. Berlin, Admiralspalast
17.04. München, St Matthäus Kirche


Freitag, 14. Februar 2020

KW 7, 2020: Die luserlounge selektiert!

Bild: effectivebusinessideas.com
(ms/sb) Vier Ks sind in dieser Woche zurückgetreten oder haben dies zumindest angekündigt, doch darüber ich schon alles gesagt. Eine Woche später darf man immer noch nicht vergessen, was in Thüringen passiert ist. Dass die Nazis die Liberalen und Konservativen vorgeführt haben. Dass Letztere das aber auch mit sich haben machen lassen; das ist meines Erachtens der entscheidende Punkt. Dieses abgekartete Spiel war klar ersichtlich. Und was besonders bitter aufstößt, ist, dass die CDU die Linke und die Nazis gleichstellt. Mit beiden dürfe man nicht regieren. Was für eine kurzsichtige und von Grund auf falsche Gleichsetzung. Die Einen sind schon lange nicht mehr die Nachfolgepartei der SED, die Anderen jedoch waschechte Faschisten, die die Bevölkerung aufwiegeln. Hier muss differenziert werden!

Das als kleines (tages-)politisches Input. Wir sind jedoch keine Journalisten. Wir sind Musiksüchtige. Wir sind die luserlounge. Und zu jedem Freitag bemühen wir uns um einen Rundumschlag. Wir nennen es Selektion. Bitte sehr:

A Choir Of Ghosts
(sb) Oh Mann, der lässt sich aber Zeit! Seit rund einem Jahr veröffentlicht James Auger aka A Choir Of Ghosts immer mal wieder einen Track, um sein bevorstehendes Debütalbum zu teasern, am 03.04. soll es nun aber tatsächlich endlich so weit sein. An Ounce Of Gold wird das gute Stück heißen und die bisher vorgestellten Songs des in Schweden lebenden Briten lassen auf ein erdiges, bodenständiges und doch nie fades Werk schließen. In diese Kerbe schlägt auch die neue Single Sinner in Rapture, die heute erscheint. Der Künstler selber beschreibt die Intention des Songs wie folgt: „Sinner In Rapture is about the way all young people are set up to fail with the way society is built and how I didn’t want to be part of that capitalist machine. (…) This song is the end of the world, the end of everything we know.”
Hier könnt Ihr in den Track reinhören und Euch selbst ein Urteil bilden:



Green Day
(sb) Ich bin irritiert. What the holy fuck ist das denn bitte? 26 Minuten? Wollt Ihr uns eigentlich verarschen? Mit Dookie und Nimrod haben Green Day zwei maßgebliche Alben der 90er veröffentlicht und ja: ich war Fan! American Idiot ebnete dem Trio aus Kalifornien 2004 dank Boulevard Of Broken Dreams und vor allem Wake Me Up When September Ends den Weg in den Mainstream, doch seitdem war es trotz einiger Releases eher ruhig um Billie Joe Armstrong und Konsorten. Ich hatte 2012 das zweifelhafte Vergnügen, Green Day auf dem Rock am See-Festival in Konstanz zu erleben und es war wirklich desaströs. Ein schiefer Ton jagte den nächsten, Textsicherheit inexistent und auch die Versuche, das Publikum durch coole Sprüche zu überzeugen, ging mächtig in die Hose. Nach diesem Reinfall war meine Erwartungshaltung hinsichtlich des neuen Album Father Of All Motherfuckers, das vergangenen Freitag erschien, ohnehin bereits gedämpft, wurde aber auch kein bisschen positiv übertroffen. 26 Minuten (man kann es gar nicht oft genug schreiben!) lang bedeutungsloses Rumgedudel, das wohl sowas wie Punk sein soll. Green Day wollen wohl jung klingen, mehr als ein billiger Abklatsch ihrer selbst kam dabei aber nicht raus. Leider.


Roedelius
(ms) Kurz vorm Tippen und den folgenden Worten fiel mir ein, wie häufig ich an dieser Stelle über verschiedene Genres schreibe. Meist dann, wenn ich die Gruppe oder den Künstler nicht kenne. So auch hier. Roedelius komponiert, schreibt, arrangiert, erzeugt seit Jahrzehnten elektronische Musik, die im Bereich Ambient zu verorten ist. Seichte, sanfte, leicht hypnotisierende Klänge, die man genüsslich nebenbei und auch offenen Ohres hören kann. Ambient. Irgendwie kann man eher erfühlen, als formulieren, was das bedeutet. Man wird von den Tönen ein wenig in Watte gepackt und durch die Schwerelosigkeit getragen. Das zeigt er auch auf seinem neusten Werk, das den wunderbaren Titel Selbstportrait Wahre Liebe trägt. 12 leise, aber auch prägnante Lieder zieren diese bemerkenswerte Platte. Denn sie bildet die aktuelle Spitze des Eisbergs in Roedelius' Schaffen. Obacht: Der gute Mann wird in diesem Jahr 86 Jahre jung! Sechsundachtzig! Manch einer ist froh, überhaupt noch da zu sein, oder hören zu können. Hans-Joachim Roedelius komponiert, als wäre nichts gewesen. Nerdwissen: Roedelius ist nicht irgendwer. Er ist maßgeblicher Protagonist der elektronischen Musik Berlins, Initiator des kurzlebigen, aber einflussreichen Zodiak-Clubs und Mitbegründer von Kluster.
Am 10. April erscheint dieses Album beim schönen, geschmackvollen Spartenlabel Bureau B.
Dieses Hörbeispiel geht grob in die aktuelle Richtung, Prelistening des neuen Albums über Soundcloud hier!



Giver
(sb) Wir haben es ja bereits mehrfach betont: wir sind musikalisch für sehr Vieles offen und ja, gelegentlich lassen wir uns auch gerne mal anschreien. Im Falle von Giver ist das definitiv der Fall, denn deren Album Sculpture Of Violence (VÖ: 07.02.) ist nicht nur extrem energetisch, sondern bietet zudem textlich eine Ebene, die sich im Hardcore-Bereich nur selten finden lässt. Die Bildung eines sozialen Bewusstseins, das Erkennen struktureller Ungerechtigkeiten sowie eine kritische Auseinandersetzung mit patriarchalischen Konstrukten und gesellschaftlichen Gewohnheiten lassen auf eine durchaus intellektuelle Herangehensweise schließen, was das Geknüppel sehr spannend und vielschichtig veredelt. Ich habe das Album am Montag angehört, während ums Auto herum der Orkan "Sabine" tobte - Giver waren lauter. Dürfte auch live für ordentlich Betrieb sorgen, also hin da:

06.03. Paderborn, Wohlsein
07.03. Köln, AZ
17.03. Hamburg, Goldener Salon
19.03. Bochum, Trompete
20.03. Berlin, Maze
21.03. München, Milla




Klangstof
(ms) So richtig gute elektronische Musik ist schwer zu finden. Klar, liegt auch daran, was man sucht. Ich suche nach guten Beats, leichten Dissonanzen, viel Drive und einer nicht zu unterschätzenden Portion Innovation. Das schätze ich an Rangleklods oder SOHN. In diese Reihe (oder daneben, je nach dem, wie man das Bild zeichnen möchte), reihen sich Klangstof ein: Nicht zu laut, nicht zu wummerig, nicht zu viel Plastik, wenig Effekte auf der Stimme (Stichwort: Autotune) und nicht zu viel Spielerei. Straight, klar, etwas verschnörkelt, schön poppig und mit genau der richtigen Portion Eingängigkeit plus gut gestreutes Hitpotential. Klangstof, dahinter verbirgt sich der niederländisch-norwegische Musiker Koen van de Wardt und beweist einmal mehr, dass aus ungeahnten Ecken sehr bemerkenswerte Musik kommen kann (siehe Referenzen oben). Anspieltipps für das am 21. Februar erscheinenden Albums Mind Of A Genius: They Could Have Saved The Universe, Blank Page oder die Kollabo mit The Flaming Lips We Never Liked The Outcome.

11.03.20 - Bi Nuu, Berlin
12.03.20 - Artheater, Köln
13.03.20 - Kranhalle, München



Mush
(sb) Hui, da hat aber jemand beim Workshop "Art Brut für Anfänger und Fortgeschrittene" ganz besonders gut aufgepasst! Die luserlounge ist den Briten um Eddie Argos gegenüber ja bekanntlich sehr positiv eingestellt und insofern haben Mush erstmal gute Karten. Deren Debütalbum 3D Routine (VÖ: heute!) kommt überraschend politisch daher, wobei man sich mitunter schon etwas in die Texte reinfuchsen muss, um die Intentionen zu erkennen. Das Album ist eine Ode an das Zeitalter der Fake News, die Tracks ergeben als Ganzes eine uniformierte, raue aber emotionale, hemmungslose und verführerische Melange von Sound und Meinung - ein schnelllebiger Schnappschuss der Gegenwart, in dem sich politische und persönliche Überzeugungen verflechten.



2Raumwohnung
(ms) Gibt es neben den Humpe-Schwestern vergleichbar einflussreiche Geschwisterpaare, die die deutsche Popmusik derart gestaltet haben?! In deutscher Popmusikgeschichte bin ich nicht besonders gut, aber ad hoc fällt mir niemand ein. Anette mit Ideal, Inga mit Neonbabies. Später Anette mit Ich + Ich, Inga mit 2raumwohnung. Letztere gehören viele Jahre nach Roedelius (s.o.) zu wichtigen Akteuren der Berliner Popmusikszene, bis ihr Erfolg durch die Charts brach. Ich und Elaine oder 36 Grad sind nur zwei der prägnanten, ohrwurmversursachenden Singles, die sie in 20 Jahren veröffentlicht haben. Höchste Zeit also für ein Best Of, das den einfachen Titel 20 Jahre 2raumwohnung und in zwei Wochen (28. Februar) erscheint. Selbstredend sind es auch 20 Lieder, die darauf vereint sind; ein paar, zum Glück nur wenige Remixe, ansonsten eben das, was auf ein Best Of gehört samt zwei neuer Tracks. Ich habe das Glück, die Platte schon hören zu dürfen und attestiere ihr enormes Tanzpotential! Man schreibt schnell, dass man eine Platte haben müsste; oft stimmt das natürlich nicht. Wenn man sich für deutschsprachigen Pop interessiert, dann ist das hier Pflicht. Und unheimlich gut!



ÄTNA
(ms) An den letzten Freitagen haben wir versucht, ein paar Jazz-Acts anzuwerben, ohne wirklich viel über dieses Genre sagen zu können außer Allgemeinplätze. Wir bleiben da am Ball und geloben Besserung. Wie die Wege des Jazz' sich jedoch entwickeln können, ist höchst erstaunlich! Inéz und Demian bilden das Duo ÄTNA und kommen ursprünglich aus dem Jazz, den vermeintlich ruhigen, sanften Tönen. Was jedoch essentiell wichtig für Jazz ist, ist Improvisation. Jeder darf sich insbesondere live mal an seinem Instrument austoben. Dass das auch mit elektronischem Inventat funktioniert, zeigen die beiden auf ihrem Erstling Made By Desire. Das Album erscheint heute (!) und ist ein Lehrstück, dass man seine Wurzeln gerne mal verlassen darf; man sie aber nie ganz aufgeben kann. ÄTNA präsentieren darauf catchy tanzbare, mitunter auch aneckende, aber auch melodiöse elektronische Musik. Die Platte wirkt aufgrund ihres Facettenreichtums wie ein Mixtape, wandelt zwischen Glitzerpop (Won't Stop) und ruhigen, ja, atmosphärischen Tönen (Touch My Fantasy). Doch es gibt noch mehr zu entdecken, als die ersten beiden Tracks. Daher: Zeit nehmen und sich überraschen lassen.
Und heute hagelt es noch mehr nerdige Fakten: Aufgenommen wurde das Werk von Moses Schneider. Ja, richtig gelesen: Der Haus- und Hofproduzent von Turbostaat oder Beatsteaks, der nur live aufnimmt. Das hat er hier tatsächlich auch getan. Wichtige Info beim Hören. Also: Los!

26.02.2020 Ludwigshafen, dasHaus
27.02.2020 CH-Baden, Royal
28.02.2020 CH-St.Gallen, OYA Bar
29.02.2020 CH-Biel, Le Singe
01.03.2020 Esslingen, Cosmic Playgrounds
06.03.2020 Dresden, Objekt klein a (ausverkauft)
07.03.2020 Wuppertal, Loch
08.03.2020 Köln, Jaki
11.03.2020 Berlin, Lido (ausverkauft)
12.03.2020 Hamburg, Uebel & Gefährlich
13.03.2020 Nürnberg, Club Stereo
14.03.2020 Jena, Kassablanca
18.03.2020 AT-Wien, Fluc
19.03.2020 AT-Salzburg, Rockhouse Bar
20.03.2020 München, Milla
03.04.2020 Lörrach, Between The Beats
16.04.2020 Osnabrück, Popsalon
01.10.2020 Berlin, Gretchen
03.10.2020 Dresden, Beatpol

Freitag, 7. Februar 2020

KW 6, 2020: Die luserlounge selektiert!

Bild: phase-6.de
(ms/sb) An diesem Mittwoch war es in Norddeutschland richtig schön: kalt und blauer Himmel. Das rief natürlich nach einem Spaziergang an der knackigen, frischen Luft. Dem bin ich nachgegangen (haha...). Nach Häusern und Siedlungen folgte schönes Grün; beim Eintritt in die Zivilisation ein Bolzplatz. Dort kickten zwei Jugendliche, schätzungsweise zwischen 15 und 17. In kurzen Hosen. Okay. Und es ballerte ordentlich Musik. Bluetooth-Boxen sind ja Fluch und Segen zugleich. Fluch in Händen musikverirrter Menschen. Das war auch meine Befürchtung; doch statt fiesem Autotune-Billo-Rap schallte etwas anderes über die Wiese. Und ich musste laut loslachen, denn "Das ist Wahnsinn..." Tatsächlich pumpten die beiden ordentlich Wolfgang Petry. Wie kam es dazu?! Vielleicht so:
"Ey, lass bolzen geh'n." - "Gute Sache das." - "Pumpe noch schnell den Ball auf." - "Super, hab Bock." - "Aber is' ja so ruhig dahinten, haste noch deine Box?" - "Sicher. Bring ich mit." - "Perfekt, ich hab gute Mukke aufm Handy." - "Aber bitte nich' wieder Finch Asozial oder Apache 207, das lief schon den ganzen Tag auf'm Schulklo." - "Neee... ich hab da was bei meinen Eltern gehört am Wochenende. Richtig gutes Zeug." - "Na dann, dreh mal auf!"

Zum Glück bist Du bei der Luserlounge gelandet. Hier ist guter Geschmack garantiert. Und zwar immer. Heute auch. Denn es ist Freitag. Wir haben selektiert.

Florian Ostertag
(sb) Kein Indie, kein Rock, kein Alternative - einfach nur Pop, der aber wunderschön! Florian Ostertag beweist mit seinem neuen Album Flo And The Machine (VÖ: 28.02.), dass man nicht zwingend was besonders Abgedrehtes machen muss, um herauszustechen. Manchmal sind es die kleinen, eigentlich ganz gewöhnlichen Parts, die einen Künstler aus der Masse abheben und ihre Songs hörenswert machen: die Liebe zur Musik, die Liebe zu den Tönen und Texte, die man selber gerne geschrieben hätte, weil sie aus dem Leben heraus entstanden und in vielen Fällen nur allzu gut nachvollziehbar sind. Zehn Jahre ließ sich Ostertag Zeit für sein zweites Album und das hat sich mal so richtig gelohnt; er ist zumeist ein Mann der leisen Töne und so verwundert es nicht, dass er in der Vergangenheit auch als Support für William Fitzsimmons, Alin Coen oder Philipp Poisel unterwegs war, wobei er Letzteren aber mal ganz easy in die Tasche steckt. Mein Favorit auf dem neuen Album ist ja Can't Say What You Want, wobei das bei dem an den Tag gelegten hohen Niveau fast schon ungerecht gegenüber den anderen Tracks ist. Große Gefühle, die Ihr Euch (auch live!) nicht entgehen lassen solltet.

05.03. Ulm, Roxy
06.03. Schwäbisch Hall, Anlagencafé
07.03. Reutlingen, franz.K
08.03. Chemnitz, Atomino
09.03. Berlin, Schokoladen
10.03. Dresden, Societaetstheater
11.03. Erfurt, Museumskeller
12.03. Göttingen, Apex
13.03. Bayreuth, Zentrum
14.03. Darmstadt, Künstlerkeller
15.03. Offenbach, Hafen 2
17.03. Haldern, Haldern Pop Bar
18.03. Köln, Die Wohngemeinschaft
19.03. Düsseldorf, Hotel Friends
20.03. Bielefeld, Bunker Ulmenwall
21.03. Dortmund, subrosa
22.03. Wuppertal, Utopiastadt
23.04. München, Milla Club
24.04. Leipzig, Horns Erben
25.04. Magdeburg, Moritzhof


TVIVLER
(sb) Die luserlounge beinhaltet mittlerweile über 800 Blogbeiträge, aber eine Band, die auf Dänisch singt, hatten wir bislang - zumindest glaube ich das - noch nicht. Zeit wirds und mindestens ebenso laut, denn TVIVLER aus Kopenhagen versorgen uns mit reichlich dezibelbehaftetem Punkrock und Hardcore. EGO (VÖ: 03.04.) ist ein mutiges und trotziges Album über Beziehungen zu sich selbst und anderen, über Unentschlossenheit und innere Ungeheuerlichkeiten. Die Tracks handeln u.a. vom Überleben in Zeiten des Turbokapitalismus, davon durchzuhalten ohne sich festzuhalten und sich dazu zu bekennen, was richtig und wichtig ist. Wers gerne dirty hat, der ist hier genau richtig!



Sundays
(sb) So, wenn wir schon mal in Kopenhagen sind, dann machen wir doch direkt mit der nächsten Band von dort weiter: Die Sundays bevorzugen eher ruhigere Töne und verzaubern mit ihrer neuen Maxi Colourblind samt famoser B-Seite High Or Low. Die Dänen verfolgen bei ihren Releases übrigens ein recht interessantes Konzept: Bei den bevorstehenden Single-Veröffentlichungen dürfen sich diverse Produzenten und Mitmusiker am Sound des Quartetts versuchen, um das ideale Setting für das nächste Album zu erarbeiten. Klingt spannend, oder?



Lucien & The Kimono Orchestra
(ms) Neo Klassik ist ja irgendwie das falsche Wort für ein ganz tolles, bezauberndes Genre. Das Neo impliziert ja, dass es etwas jüngst Erschaffenes ist. Das Klassik die grobe musikalische Richtung. Heißt im Umkehrschluss ja auch, dass es solch Musik längere Zeit nicht gegeben hat. Und das ist schlichtweg falsch. Schaut man in die klassischen Konzertsäle, Musikschulen, Kirchen, dann wird klar, dass natürlich die alten Meister oft gespielt werden, jedoch immer in einem Mix mit Neuem. Was sich geändert hat, ist dass ein Hype dazu kam. Wo er seinen Ursprung hat: Keine Ahnung. Genauso ließe sich Lucien & The Kimono Orchestra sicher als Neo Klassik beschreiben; doch das greift viel zu kurz. Am vergangenen Freitag (31. Januar) erschien auf dem französischen Label Cracki Records sein Album Piano Martinée. Es ist minimalistisch und dunkel. Beschwingt und jazzig. Andächtig und leicht. Zum Hören lohnt es sich, alles andere auszublenden und die durch den Klang entstehenden Bilder vor dem inneren Auge zur Geltung kommen zu lassen. Und dann wird klar, welche Kraft und Magie dieser Musik innewohnt.
Sicher wird auch Lucien auf der aktuellen Hype-Welle surfen können. Es sei ihm gegönnt. Und wir Yuppies müssen in diese Konzerte gehen (auch wenn er bald nur in Frankreich auftritt); um uns zu öffnen und den Altersschnitt zu senken. Auf geht's!



Laikka
(sb) Es gibt ja ganz verschiedene Arten, wie wir mit Bands in Kontakt kommen und uns Neuigkeiten zu bevorstehenden Releases erreichen. In der Regel erhalten wir Promo-Mails diverser Agenturen, in denen in blumigen Worten die anstehenden Veröffentlichungen angepriesen werden, des Öfteren informieren wir uns selber über unsere Lieblingsacts oder werden von Dritten auf tolle Bands aufmerksam gemacht. Diesmal war es etwas anders: Laikka aus Wien hatten von unserem Blog gehört und haben uns einfach mal ne Email geschrieben, um uns ihre neue Single Currents (VÖ: 31.01.) vorzustellen. Und da der Track trotz eher ruhiger Töne sehr überzeugend und kraftvoll vom Loslassen erzählt und von A bis Z zu gefallen weiß, kommen wir der Bitte natürlich gerne nach und hoffen auf weitere solche Nachrichten.


Nicholas Müller
(ms) Was für eine Bürde. Da ist man mit Band Nummer zwei und unter dem eigenen Namen unterwegs und wird immer wieder mit der ersten Band promotet und angepriesen. Diese Geschichte verfolgt auch Nicholas Müller. Erst sehr erfolgreich gewesen mit Jupiter Jones, dann kam die Angststörung und die entsprechende, zum Glück erfolgreiche Therapie, dann von Brücken und das eigene Buch Ich bin mal eben wieder tot. Es ist immer wieder äußerst bemerkenswert, wie leidende Menschen ihre Gefühlswelt kreativ verarbeiten können. Da kann man nur den Hut ziehen. Insbesondere, wenn man gerne und oft auf der Bühne steht und immer wieder mit diesem Thema konfrontiert wird. Gerade für solche Krankheitsbilder wie einer Angststörung ist es wichtig, darüber zu sprechen, ja, auch zu lachen (siehe Nico Semsrott). Und so lädt Nicholas Müller zu einem Abend ein, auf dem er Geschichten erzählt/liest und Lieder singt.
Zum Sterben Zuviel heißt sein Programm; er wird vom Neonorchester musikalisch begleitet und man darf auf unterschiedliche Gesprächsgäste gespannt sein. Ein Abend zwischen Humor, Ernst, Musik und Kabarett. Das gibt es im April und Mai hier:

04.04.2020 Dresden, Beatclub
05.04.2020 Berlin, Quasimodo
26.04.2020 Ludwigsburg, Scala
15.05.2020 Hannover, Pavillon
18.05.2020 Hamburg, Imperial Theater
19.05.2020 Hamburg, Imperial Theater
20.05.2020 Neumünster, Altes Stahlwerk
22.05.2020 Worpswede, Music Hall




Olli Schulz
(ms) Oft habe ich mich gefragt, ob Olli Schulz sich einen Gefallen getan hat, bei Circus HalliGalli mitzuwirken. Doch ich habe mich dagegen entschieden, das zu bewerten. Denn: Olli Schulz hat immer schon das getan, worauf er gerade Bock hatte. Dazu gehören halt auch FickiFicki, Schulz & Böhmermann, der jüngste NDR-Beitrag oder die tolle arte-Story mit Tom Schilling.
Doch im Herzen ist und bleibt er Musiker, Entertainer, Geschichtenerzähler, Bühnenmensch. Und er muss halt auch damit leben, dass die FickiFicki-Fraktion zu seinen Konzerten kommt. Ob sie seine wunderbaren, tragischen, erwärmenden Lieder wie Koks & Nutten, Schon lange was defekt, So muss es beginnen oder Verliebt in 2 Mädchen verstehen... ich wünsche es allen. Denn: Olli Schulz geht wieder auf Tour und das lange und vielen, tollen Städten. Doch wartet mal... nicht aus seiner Sicht. Denn die Tour heißt Eigentlich will ich da nicht mehr hin. Zu viel Rumgeeiere?! Quatsch, sicher steckt dahinter eine der vielen wunderbaren Geschichten, die ihn halt auszeichnen.


Great News
(ms) Vor ziemlich genau zwei Jahren ging es los. Am 16. Februar 2018 gab es sehr gute Neuigkeiten aus Norwegen. Denn in Bergen hat sich ein Trio gebildet, das an diesem Tag ihr erstes Album auf den Markt schmiss. Ihr Name: Great News. Die Platte: Wonderfault. Ihre Musik: Angenehm psychedelischer Gitarrenrock, der wunderbar ins Ohr, ja, auch in die Beine geht. Gut, dass aus dem hohen, derzeit dunklen Norden nicht nur die Metalschiene bedient wird. Nun gibt es Nachschlag! Am 17. April kommt der Nachfolger: Now And Them. Und der erste Vorbote Greedy Little Thing ist zwar nicht mehr ganz so psychedelisch, dafür enorm eingängig. Und das tut irre gut. Nicht verkopft, nicht so wahnsinnig kompliziert, sondern staight. Der Track erinnert saustark an die große Indiepoprockzeit aus den 00er Jahren und hat veritables Hitpotential. Seien wir ehrlich: Es wird unwahrscheinlich sein, dass das Trio hier richtig durchstarten wird. Zu wünschen ist es ihnen allemale. Denn dieser Song, diese Band kann, soll, darf, muss auf den guten Indie-Partys zwischen The Killers, Franz Ferdinand und The Kooks laufen. Über die Platte werden wir selbstredend auch berichten. Bleibt dran!



Hamilton Leithauser
(ms) Vor vier Jahren wurde ich von einem Album überrascht, deren Protagonisten ich bis dahin nicht kannte. Das waren Rostam Batmanglij und Hamilton Leithauser. Ersteren kann man von Vampire Weekend kennen, den zweiten - um den es hier geht - von seiner vorherigen Band The Walkmen; immerhin hat er sieben Alben unter diesem Namen veröffentlicht. Vor vier Jahren dann das Konzeptalbum I Had A Dream That You Were Mine und es ist ein irrer Wurf, der heute noch regelmäßig bei mir läuft.
Jetzt geht der Amerikaner Solopfade und der Sound ist vergleichbar mit dem erwähnten Kollabo-Album: Rauer, sehr prägnanter Gesang mit Gitarre, Bass, Klavier, ein wenig Banjo und unglaublich viel Groove, das packt sofort. Außerdem: Musik und der Faktor Mensch waren noch nie zu trennen. Leithauser bringt ihn auf ganz neuer Ebene noch dichter zusammen. Denn es gibt ein neues Werk. Auf jedem Stück ist die Geschichte einer echten Person zu hören, deren Werdegang, Prägnanz, Fokus er beleuchtet. Ein tolles, bemerkenswertes Projekt, das in der Entstehung viel Empathie, Einfühlungsvermögen, Zeit, Fingerspitzengefühl und Kreativität benötigt. Zu hören gibt es jetzt schon Here They Come, unter dem Video (wenn man bei YouTube guckt), ist auch der Text nachzulesen, mitzusingen. Hier wichtiger denn je!


Montag, 3. Februar 2020

Live in Bremen und Lübeck: Kettcar!

So ging das in Bremen. Foto: luserlounge
(ms) Die Frage wurde mir häufiger gestellt: "Warum gehst du an zwei aufeinander folgenden Tagen zu Konzerten der gleichen Band? Ist das nicht zwei Mal genau das Gleiche?"
Ja, war es. Dennoch versuche ich nun, diese Frage zu beantworten.

Wie schon im letzten Beitrag auf dieser Seite erwähnt, befand sich die Hamburger Gruppe Kettcar in den letzten Tagen auf Tour. Die letzten Konzerte vor einer längeren Pause. Um es gleich vorweg zu nehmen: Nein, Marcus, Reimer, Lars, Erik und Christian lösen diese Institution nicht auf! Haben in den letzten Jahren auch immer wieder betont, dass sie ihre Songs so lange weiter spielen, wie es geht. Die große Zwischen Den Runden-Krise ist bekanntlich sehr gut überwunden worden. Der Hintergedanke: Wenn die Band sich jetzt direkt wieder ins Studio beginnt, können sie unmöglich ein Album produzieren, das annährend an Ich vs. Wir herankommt. Und das ist ein kluger Gedanke, hier muss nichts verwertet werden bis zum endgültigen Ausverkauf.

Kettcar ist und bleibt die Band, die mich am stärksten persönlich anspricht, mit der Haltung, die sie vermittelt, mit den Liebesliedern, den Politischen, den aus dem Leben Gegriffenen. Und mit der irren Sympathie, die die fünf Herren auf der Bühne versprühen. 2007, also vor dreizehn Jahren (ich war gerade noch 16) sah ich sie in Münster zum ersten Mal. Es war ein Türöffner. Relativ schnell hat mich diese Band aus der oberflächlichen in die tiefgehende Musikkultur katapultiert (dem Alter zu schulden). Es hat nicht nachgelassen, im Gegenteil. Es wurde eine große, stabile Verbindung. Logisch, sie ist einseitig, aber das ist mir egal. Ja, ein Kettcar-Konzert wirkt auf mich wie eine Droge (Abhängigkeit) und wie das regelmäßige Aufeinandertreffen mit alten Bekannten. Nun folgten am vergangenen Wochenende Konzerte Nummer 28 und 29. Für das endgültige Jubiläum muss auch ich mich ein wenig gedulden.

Kapitel 1, Bremen, 31.01.2020:
Arm, aber sexy. Das ist Bremen. Eine wirklich schöne Stadt, wenn man im Inneren bleibt. Die Wohnbezirke drum herum - gelinde gesagt - eher praktisch veranlagt. Egal. Freitagabend, dunkel, durstig. Und Haake-Beck ist immer noch die bessere Variante. Ab zum Pier 2 weit außerhalb Richtung Industriehafen. Nebenan ein riesiger Shoppingklotz, doch das Venue ist sympathisch, vielleicht ein Tick zu sehr auf modern getrimmt.
Enorme Vorfreude auf die Vorband, denn Niels Frevert habe ich tatsächlich noch nie live gesehen und verehre das aktuelle Album Putzlicht ganz stark. Großartiges Songwriting! Ein bisschen schüchtern, ein bisschen unsicher betrat die Band die Bühne und legte dann ein tolles Set hin gespickt mit den neuen Hits (Leguane, Wind in deinem Haar) und alten Perlen (Ich würde dir helfen eine Leiche zu verscharren...). Als Support ist Niels Frevert viele Jahre nicht aufgetreten. Ausgerechnet Kettcar war die Band, die ihn zuletzt eingeladen hat; long time ago...
Kurze Umbaupause, neues Erfrischungsgetränk in der Hand und dann überrascht empfangen worden. In all meinen Kettcar-Jahren kann ich mich nicht daran erinnern, dass sie mal mit Volle Distanz begonnen haben. Schöne Abwechslung! Und dann: Abfahrt. Es war das Best Of, das auch auf der aktuellen Live-Platte zu hören ist! Die richtige, dem Anlass würdige Unterstützung lieferten die drei Bläser, die einigen Songs (u.a. auch Deiche zum Ende hin) noch mehr Drive hinzugefügt haben. Klares Highlight natürlich Sommer '89 aber auch schön, dass sie Nur einmal rächen vom Wiebusch-Soloalbum gespielt haben (Stichwort: Bläser). Als Rausschmeißer nach gut zwei Stunden Konzert natürlich Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt, alles andere wäre Wahnsinn. Doch was war komisch an diesem Abend? Das Publikum war sehr verhalten. Es wurde zwar kräftig mitgesungen, doch Bewegung oder frenetische Hinwendung... keine Spur. Lag es am Wochentag (Stichwort: Erschöpfung nach der Woche) oder am Bier? Keine Ahnung. Nichtsdestotrotz gingen wir glücklich nach Hause. Denn es folgte Streich Nummer 2: ...

Kapitel 2: Lübeck, 01.02.2020:
Funktionale Halle, super Stimmung. Foto: luserlounge
... und die Stimmung in Lübeck am Tag danach in der Musik- und Kongresshalle war um Einiges besser. Und es lag definitiv nicht am Bier, gab nur schäbiges Jever. Woran lag es sonst? Am Set wohl kaum, Kettcar und Niels Frevert haben die gleichen Songs in so gut wie der selben Reihenfolge gespielt. Selbst die Ansagen waren gleich (kein Vorwurf, hätte ich als Band sicher genauso gemacht).
Waren es die angeheiterten Hamburger, die mit dem GHvC-Bus und Grillmaster Flash angereist kamen? Wetter scheint kein Grund gewesen zu sein: fieser Nieselregen. Auch der Ort nicht; die MuK eine üble Funktionshalle ohne Charme. Doch die Menschen vor Ort gingen viel mehr ab, ließen ihre Emotionen viel freier heraus: Leute auf Schultern, tanzende Mitsinger; es war viel runder, es harmonierte viel besser. Man steckt da auch nicht drin, was dann schlussendlich der Auslöser ist, dass es in HB anders läuft als in HL. Vielleicht war es auch die Band, denen dann möglicherweise erst bewusst wurde, dass das nun wirklich auf längere Sicht der letzte Gig war. Sie haben sich in jedem Fall nicht lumpen lassen und am Ende ordentlich Konfetti in die Luft gejagt (so etwas wäre sonst höchstgradig untypisch für Kettcar).
Auch Reimer stand am Ende länger auf der Bühne als der Rest, bedankte sich aus tiefstem Herzen für den spitzenmäßigen Abend und betonte zurecht, dass es ja nicht der Ort sei, der so einen Auftritt speziell mache, sondern zu 99% die Menschen. Recht hat er.

Kettcar. Habt eine wunderbare Pause, nehmt Abstand von den drei irren Ich vs. Wir-Jahren und kommt stärker zurück als je zuvor! Ich bin in jedem Fall dabei. Vielen, vielen Dank!