(ms) Dieser subjektive Einstieg mag etwas fehl am Platz sein, doch ich versuche so die Faszination gegenüber diesem Klangwerk am besten zu beschreiben. Regelmäßig nehme ich mir raus zu behaupten, Ahnung von Musik zu haben. Das liegt nicht nur am leidenschaftlichen Konsum und dem Schreiben darüber, sondern auch aufgrund musikalischer Praxis. Ich meine (zumindest für eine gewisse Zeit) okay gesungen zu haben, verzweifle regelmäßig an meinen Ukuleleskills, doch Saxophon konnte ich immerhin mal sehr gut spielen. Ich mag Musik also nicht nur endlos gerne hören, sondern zehre auch von langjähriger Erfahrung im Spiel. Alle drei Instrumente mag ich gern, doch andere erwecken allein aufgrund ihres Klangs eine helle Faszination in mir. Zum Beispiel die Trompete mit ihrem königlichen Klang, das Cello mit seiner unendlichen Wärme und Dramatik. Nun geht es hier um das Marimbaphon. Auch ein Klangerzeuger, der eine berauschende Wärme ausstrahlt. Baff blicke ich drein, wenn ich Spielende mit vier Schlägern in zwei Händen, einem Fuß auf dem Pedal und begehrenswerter Versunkenheit im Gesicht sehe. Masayoshi Fujita ist Klangkünstler und veröffentlichte am 28. Mai mit Bird Ambience ein instrumentales Album, auf dem dieses Schlag-Zeug fabelhaft zur Geltung kommt.
12 Tracks sind darauf zu finden mit einer Stunde Spielzeit. Eine Stunde also, in der ich leicht versinke und diesen Prozess genieße. Auf seinen vorherigen Alben hat der Musiker so gut wie nur das Vibraphon gespielt. Nun der Schwenk zum Marimba. Zudem veröffentlichte er vorher unter anderem Namen auch elektronische Musik. Bird Ambience ist das Album, auf dem er beides vereint. Marimba im Vorder-, allerhand Synthieklänge im Hintergrund. Doch die Bühnenbereiche wechseln sich auch mal ab.
Der Einstieg erzeugt radikale Ruhe mit dem Albumtitel gleichnamigen Stück. Tiefe Töne, hohe Echos. Ganz zarter Einsatz von Synthies und das erste Staunen, wenn ich höre, dass er mit einem Bogen über die Töne streicht. Jeder noch so kräftige Schlag auf einen Ton wiederhallt mit sanfter Wärme. Egal, wo dieses Album gehört wird, die ersten Takte reißen einen heraus in eine kleine, leise, fein verschachtelte Welt voller Überraschungen und Staunen. Das hier ist wahre musikalische Kunst an/um ein einziges Instrument. Wobei... Allerhand andere Töne sind ja auch zu vernehmen. Begleiten sie das Marimbaphon? Unterstützen sie es? Lösen sie sich ab? Stehen sie im Kontrast zueinander? Ich würde von einer unterstützenden Koexistenz mit klarer Verteilung der Haupt- und Nebenrollen sprechen.
Hier und da knarzt es auch, doch diese Geräusche stören nicht. Die Gegensätze haben den Effekt das Marimba nur noch schöner erklingen zu lassen. Thunder ist nicht wild oder bedrohlich. Wenn, dann erscheint das Wetterphänomen in einer mystisch schemenhaften Gestalt. Beim Hören stelle ich mir die etwas provokante Frage: Wozu die unterschiedlichen Titel? Logo, Struktur und in sich geschlossene Lieder. Logo: Fujita hat 100pro mit jedem Stück eine Geschichte zu erzählen. Statt vieler kleiner Kapitel würde in meinen Augen auch ein großes Buch Sinn ergeben; fließende Übergänge, in denen sich die verschiedenen Stimmungen und Themata öffnen und schließen.
Einzelne Stücke zu besprechen fällt mir hier eher schwer. Es sind die Atmosphären, die beeindrucken. Erscheint in Comulonimbus Dream Melancholie? Zauber? Ruhe? Allein, dass diese Eindrücke bei mir auftauchen, lassen die Vermutung zu, dass Masayoshi Fujita hier Kunst geschaffen hat, die an vielen, vielen Stellen nur zu erspüren und unmöglich zu beschreiben ist. Dunkel, düster, beinahe apokalyptisch geht es auf Gaia zu. Im Verhältnis zum Gesamtwerk brennt es hier. Unten ist es dunkel, rauchend, vertreibend, oben drüber bersten die Flammen lichterloh! Dann wieder Dissonanzen: Auf Noise Marimba Tape gibt es wenig Solo-Marimba-Spielzeit, doch es bleibt sehr rund, sehr harmonisch; vielleicht genau durch die teils starken Brüche in Ton und Stimmung. Was war wohl zu erst da? Direkt der komplette Track? Die Marimba-Harmonien? Die elektronische Spielerei? Doch dann gibt es noch dieses eine Stück, das hell heraus leuchtet: Morocco! Hypnotisierend, wunderschön, klar. Höre ich da eine Trompete im Hintergrund? Vielleicht ist dies der eingängigste Track, doch seine tolle Dramatik ist ein irres Highlight!
Ja, ungewohnter Klang für die Pop- und Rockohren. Doch es erschließt sich eine Welt, die glänzt und strahlt in einem Labyrinth aus Rhythmen, Harmonien und Melodien! Große Klasse! Große Empfehlung!
(ms/sb) Über Daunenwesten wollte ich schreiben an dieser Stelle. Weil das so ein bescheuertes Kleidungsstück ist. Doch leider muss ich thematisch von 'irrelevant' zu 'ekelerregend' schwenken. Eines muss vorweg kommen und das ist selbstverständlich ganz ernst gemeint: Das war ein furchtbares Ereignis und es wird noch schlimmer, wenn da geschlampt worden ist. Der Riss der Seilbahn ist gruselig, Menschen sind gestorben, verändern auf schlimmst vorstellbare Art das Leben anderer und können ihres nicht weiter genießen. Grausam.
Ähnlich grausam: Die Berichterstattung. Und: Das ist beileibe kein Einzelfall. Ich schaute mir das also in den Nachrichten an und war schockiert. Und dann entsetzt, als dazu gesagt wurde: "Unter den Opfern befanden sich keine Deutschen." Ich wollte direkt auf den Bildschirm kotzen. Was erdreisten sich denn die Berichterstattenden mit dieser Aussage?! Dort sind 14 Menschen gestorben bei einem Freizeitausflug! Deren Leben war von jetzt auf gleich beendet, weil da vielleicht jemand fahrlässig gearbeitet hat und es geht während der Nachricht darum, welche Nationalität die Opfer hatten?! Hallo?! Wenn Deutsche dabei wären, wobei überhaupt nicht klar ist, wer denn dazu gehört und wer nicht, wäre die Nachricht schlimmer? Ich hoffe mal ganz stark, dass das dann nicht der Fall ist. Insbesondere in diesem Land müssen die Menschen vorsichtig sein mit derartigen Worten. Es geht um Menschen. Nicht um Nationen!
Wie Politik und Kultur zusammen hängen: Dazu bald vielleicht mal mehr. Jetzt ist Freitag. Wir haben selektiert. So sieht es aus!
Slut
(sb) Ich fand sie immer sympathisch und ihre Musik meist auch sehr, sehr angenehm. Die große Liebe war es jedoch trotz des überragenden Albums All We Need Is Silence (2004) und fantastischer Tracks wie Easy To Love, Andy oder Favourite Pool dann doch nie. Schade eigentlich, denn Slut sind seit Jahrzehnten (scheiße, sind wir alt!) eine der positivsten Erscheinungen der deutschen Pop- & Rockszene. Zwar waren die Herren um Christian Neuburger und René Arbeithuber nie in vorderster Front in Sachen Fame zu finden, aber immer so auf dem Sprung - und das vollkommen zurecht. Acht Jahre sind seit dem letzten Album der Ingolstädter ins Land gezogen, jetzt gibt es wieder ein Lebenszeichen des Quintetts. Aber: Alles ist anders. Neuer Sound, ungewohnt. Elektronischer. Irgendwie immer noch Indie, aber auf eine raffinierte Art und Weise. Mitunter gar ein bisschen minimalistisch. Ich ertappe mich beim wiederholten Hören von Talks Of Paradise (VÖ: 18.06.), wie ich es mal als öde und irrelevant abstemple, es beim nächsten Mal aber doch ziemlich mutig, aussagekräftig und stark finde. Und so bleibt dann doch alles beim Alten: Positiver Gesamteindruck, der nicht zur großen Liebe reicht. Muss es ja aber auch nicht. Schön, dass Ihr wieder da seid, Slut!
Black Sheriff
(sb) Bereits seit 2007 beackern Black Sheriff die Hard Rock-Landschaft und haben Spuren hinterlassen. Nichtsdestotrotz haben sie sich mir erst jetzt mit ihrem neuen Album Time To Burn (VÖ: 18.06.) vorgestellt. Vermutlich wäre die Scheibe beim Hören auch an mir vorbeigezogen, wäre da nicht Track 3 gewesen. Ihr müsst Euch das so vorstellen: Auto, Landstraße, laut, das Lied beginnt. Mein erster Gedanke: Hm, kenn ich doch. Zweiter Gedanke: Boah, bitte lass es eine Coverversion sein und kein billiger Rip-Off. Dritter Gedanke: Yeah, Diane! Dieser großartige Song von Hüsker Dü, den auch meine Lieblingsband Therapy? in verschiedenen Varianten gecovert (und veredelt) hat. Auch die Kölner legen durchaus ein gelunges Remake hin, ans Original und die Nordiren kommen sie aber nicht ran. Ist aber auch fast ein Ding der Unmöglichkeit... Das Album als Ganzes ist grundsolide und für jede bierschwangere Feier sicher nicht falsch. Dafür sorgen auch die beiden Gastmusiker Lisa Kekaula von den Bellrays und Ross "The Boss" Friedmann von Manowar.
Ida Wendøe
(ms) Ob ich über einen Track, eine Band, ein Album hier schreibe, ist manchmal vollkommen willkürlich. Oft kann ich es selbst nicht erklären, warum genau dieses Lied am Freitag hier gelandet ist. Bei Ida Wendøe kann ich es genau benennen. Es geht um die Atmosphäre, die die Dänen mit relativ wenig Mitteln sehr direkt erzeugt. Dafür spricht der feine, seichte Einstieg mit den dunklen Untertönen der Musik, ihre Stimme strahlt darüber, aber nicht zwingend als Hoffnungsschimmer. Wenn Bass und Schlagzeug zur Gitarre und Orgel dazu kommen, verdichtet sich der Klang, wird temporeicher und verwobener, wie ein mehrspuriger Teppich, der aber nie das gleiche Muster behält, sondern sich dann wandelt, wenn ich nicht hingucke. Es hat was Mystisches, aber es ist nicht unheimlich. So oder so ähnlich geht es mit bei Echoes, dem neuen Lied der Musikerin. Titulierungen wie 'weibliche Nick Cave' wäre vielleicht zu viel, aber jeder Takt zeugt von hoher musikalischer Raffinesse! Ein tolles Stück!
Jeanette Hubert (ms) Hey, leg dich mal zurück. Mach mal alles aus. Nein, nicht ganz, die Ohren müssen auf bleiben. Und der Kanal im Hirn zwischen Ohr und Zentrum für Schönes, Entspanntes sollte auch noch funktionieren. Aber Rest muss mal eben aus. Augen zu, Licht aus, Decke drüber, Kopf aus, Arbeit weg, Stress weg, Einkauf kann auch später erledigt werden. Denn du brauchst diesen Zustand zum formvollendeten Genuss. Es ist ein leiser Genuss, der für sich steht. Ein musikalischer Genuss, der zart aber nicht zerbrechlich ist. Lieder, die nicht das Rad neu erfinden, aber enorm gut tun können. Geschrieben und gesungen hat sie Jeanette Hubert. Heute erscheint ihr neues Album und es heißt Home. Die Frage, was und wo das ist, kann warten. Vielleicht sind auch die Texte aufs erste Hören noch nicht so wichtig. Viel mehr ist es die Atmosphäre, die sie heraufbeschwört. Was für ein Talent! Was für eine irre Ruhe und wundervolle Zärtlichkeit. Diese runde, warme Stille, diese minimale und sehr stimmungsvolle Instrumentalisierung. Das ist ein tolles Gesamtpaket, eine feine Erscheinung. Und wenn du nun magst, kannst du ein Auge auf machen und das schöne Video zu By My Side sehen, die Bilder dazu stammen aus dem Kurzfilm Ricochet von Mala Ghedia, der bald erscheint. Pause - jetzt!
Daniel Freitag
(ms) Wie GIFs so erfolgreich werden konnten, weiß ich nicht. Aber das von John Travolta aus Pulp Fiction gehört - mal gelesen - zu den bekanntesten. Und dieses eine GIF hat jetzt ein Lied bekommen. Nein, so wird Daniel Freitag sicher nicht gedacht haben, als er dieses Stück schrieb. Aber es passt halt so herrlich. Orientierungslos schaut sich Travolta in dem Haus an und denkt vielleicht auch I Don't Know What I'm Doing Here. So sieht es nun mal aus: Keine Ahnung was ich hier mache, aber ich habe mich in dieser Situation wiedergefunden, schaue mich um und zucke die Schultern. Beruflich und privat! In einem extrem lässigen Soundgewandt kommt dieses Stück daher, entspannt und locker, alles easy. Und zum Ende hin, während diese Frage weiter in den Köpfen kreist, wird auch der Klangwirbel dramatischer und peng! alles aus. Dieser herrlich kurzweilige und gute Laune bereitende Track erscheint auf seiner EP It's Friday, Baby (wie geil kann es eigentlich werden) am 2. Juli bei Kreismusik (sehr zu empfehlen!).
(ms) Was für Musik macht sie? Ist das Singer/Songwriter oder ist sie Liedermacherin? Diese Frage ist natürlich total unwichtig, doch der Mensch braucht Kategorien, in denen er denken kann und so ist diese Frage schwer zu beantworten. Sie geht nicht Richtung Funny Van Dannen aber ist halt auch nicht mit Alin Coen vergleichbar. Irgendwo dazwischen ist Dota Kehr zu verorten. Die erste Begegnung mit der studierten Medizinerin hatte ich, als sie den Förderpreis der Stadt Mainz 2011 bekam. Also Kleinkunst macht sie vielleicht auch. Bei ihrem Auftritt damals wusste sie es selbst bis dato noch nicht. Allein das bestätigt ja die schwierige Einschätzung ihres Musikstils. Nein, sie ist nicht belehrend oder durchgängig komödiesk. Ja, durch einige ihrer Stücke schwebt ein moralisch erhobener Zeigefinger, aber er richtet sich dann stets auch gegenüber sie selbst. Und ja: Viele ihrer Lieder zeigen ihr gutes Gespür für Unterhaltung und automatisches Dauergrinsen. Damals bei der Preisverleihung meint sie noch, dass sie keine lustigen Lieder mache. So hat sie sich also verändert. Denn auf Wir Rufen Dich, Galaktika (erscheint am 28. Mai) sind durchaus Strophen oder ganze Lieder zu finden, die leicht und schwebend sind. 13 Stücke sind auf ihrer neuen Platte und alle zeigen ihr ganzes Können: von gesellschaftspolitischer Reflexion bis zur vergnügten Kurzweil.
Dieses sehr gute, in vielerlei Hinsicht feinfühlige und abwechslungsreiche Album startet entspannt mit ein wenig gut gelauntem Selbstbetrug. Auf Als Ob beweist Dota, dass sie eine aufmerksame Chronistin der Zeit ist. Bademeister*in ist der Soundtrack für die Freibadsaison, feine Kurzweil und eine schöne, sich reimende Kurzgeschichte mit einem herrlich egalen Inhalt, aber sehr gelungener Unterhaltung. Liebeslieder kann sie auch. Aber nicht die Leichten, Verliebten. Sondern die Harten. Besser Als Nichts ist so eins, wunderschön und mit gebrochenem Herzen und purer Sehnsucht im Refrain, der unglaublich ehrlich und direkt ist: Das nicht zu Erreichende oder nicht in Erfüllung Gegangene... das schmerzt! Eine gute Freundin meint: Sie sei genervt von Dota. Ab und an kann ich es auch total nachvollziehen. Ich Bin Leider Schuld ist sicher genau der Track, der diesen Eindruck untermalt. Ich bin mir unsicher: Ist es ein kluger, die Perspektive wechselnde Song, der den Einzelnen im großen kapitalistischen System sieht, oder nervt diese Art der Kritik ein bisschen oder zeigt sie uns links-grün versifften Vegetariern, die in den Urlaub fliegen, nur den Spiegel vor?! Hm. Die Probleme der einzelnen Menschen und der ganzen Welt. Die sieht Dota. Und sie hat auch eine Lösung parat: Galaktika rufen! Die Figur aus Hallo Spencer muss es hier einfach richten, wir haben es ja bemerkenswert gut nicht hinbekommen. Und der Wunsch ist so klar: Statt auf CO2-Fußabdruck, Nutri-Score oder das Lieferkettengesetz zu achten, möchte man nur eine kleine Fee, die das alles mal schnell löst. Dass Francesco Wilking auf dem titelgebenden Track mitsingt ist nebenbei gesagt kaum zu hören.
Sommer für Sommer ist ein entspannter Feelgood-Track für die warmen Tage. Und auf Ich Hasse Es bricht sie aus dem entspannten Bandsound aus, dreht die Synthies auf und es bleibt harmonisch: Sehr gut! Bevor mit den letzten drei Stücken Melancholie in die tolle Platte einzieht, ist Fotosynthese das Lied, das wunderbar hängen bleibt. So süß, gaga und wunderschön ist es! Ihre Ideen, der Welt zu entfliehen, sind niedlich, einfallsreich und unglaublich sympathisch.
Ja, ich hatte etwas Angst, dass dies ein sehr ernstes, moralisierendes Album wird. Doch weit gefehlt! Hier zeigt eine Musikerin, wie kreativ sie mit Sprache umgehen kann. Sie schreibt kluge, unterhaltsame, phantasievolle Texte, packt sie in unaufgeregte Musik und lässt somit ein herrliches Album gedeihen!
(ms/sb) Viele Menschen kommen derzeit zu Wort, wenn es um C. geht. Von vielen halte ich viel. Von C.D. und K.L., den finde ich richtig gut. Schade, dass er keine Fliege mehr trägt. Ein kluger Typ. Ist so. Die haben Ahnung und wollen nur das Beste.
Es geben aber auch viele andere ihren Hirnsenf dazu. Nein, ich meine nicht Wolfgang Bosbach, den Talkshow-Abonnenten. Der nervt auch unabhängig von C. mit seinem Gebrabbel.
Komischerweise sind es nur Kerle, die nerven. Entweder kommen die nervigen Frauen nicht so zu Wort oder sie sind - meine Vermutung - klüger. Also: Wer so richtig nervt, und ich kann gar nicht so genau sagen, warum, sind zwei Typen, die überall ihren Kommentar zu lassen. Der eine ist Arzt und Kabarettist. Was für eine schräge Mischung. Er ist auch Moderator. Und Sabbler. Eckard von Hirschhausen. Was für ein nerviger Mikrophonist. Er mag von Allgemeinmedizin oder so sicher Ahnung haben, mag ich ihm nicht absprechen. Aber er ist null unterhaltsam. Das kratzt ihn aber nicht, er macht einfach weiter. Mit seinem Freund im Geiste Richard David Precht. Der nervt vielleicht schon etwas länger. Philosoph. Boah. Das hier ist Kritik auf dem übelsten Niveau, denn von beiden habe ich nie etwas gelesen. Der genervte Zustand war immer schon da. Direkt als sie aufgeploppt sind... Ich habe da so eine Idee für die Kandidaten des nächsten Dschungelcamps (gibt's das noch?!).
Was nicht nervt, ist diese Musik. Selten war sie so gitarrenpopindiemäßig wie heute. Bittesehr:
Bartleby Delicate
(sb) Auch wenn die EP Deadly Sadly Whatever bereits am vergangenen Freitag erschien, so möchte ich es nicht verpassen, Euch dieses Kleinod vorzustellen. Sechs Tracks, die zum Ab- und Eintauchen einladen. Die während des Lockdowns entstanden und doch so hoffnungsvoll sind und die sich anschleichende Depression wegwischen. Da schwappen wunderbare, mutmachende Vibes von Luxemburg in die weite Welt! Nach TUYS bereits der zweite Act aus dem Großherzogtum, der den Weg in die luserlounge gefunden hat und eine der positivsten Überraschungen des bisherigen Jahres. Ganz toll und bitte mehr! Diese angenehme Mischung aus Folk und elektronischen Elementen vermittelt Geborgenheit und ein Gefühl von Zuhause. Wie sagte Matze Rossi einst so schön: Musik ist der wärmste Mantel. Gilt auch für Bartleby Delicate!
Friska Viljor
(sb) "Nach diesem seltsamen und dunklen Jahr haben wir den Punkt erreicht, an dem wir das Bedürfnis haben, neue Musik zu schreiben und zu veröffentlichen. Wir haben so viele Gedanken und Gefühle, die ausbrechen müssen und was gibt es Besseres als sie in neue Songs zu packen? Anstatt ein traditionelles Album aufzunehmen, wollen wir jeden Song veröffentlichen, sobald er fertig ist. Wir denken, dass diese Arbeitsweise uns einen Schub an kreativer Energie geben wird und zusätzlich die Beziehung zu euch allen das ganze Jahr über lebendig hält, anstatt nur während einer kurzen Periode. Glaubt Ihr, dass diese Vorgehensweise Sinn macht?"
Gute Frage, Friska Viljor! Leider können wir sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten, aber wir freuen uns sosososo, endlich mal wieder was von Euch zu hören. Der geschätzte Kollege Juse Ju geht da ja ähnlich vor und veröffentlicht jeden Monat einen neuen Song - da klappts wunderbar. My Band (VÖ: 14.05.) ist sicher nicht der beste Song, den Daniel und Joakim je veröffentlicht haben, klingt aber immerhin deutlich lebensfroher als das letzte Album Broken.Ich bin ja keineswegs abergläubisch oder so, aber es kann nun wirklich kein Zufall sein, dass ich just an dem Tag, als der Track im luserlounge-Postfach landete, ein FJ-Shirt trug. Ich mag die Jungs und ihre Musik. Sehr sogar und schon sehr lange. Ach wisst Ihr was? Bei mir wird das Konzept ziehen...
Tim Neuhaus
(ms) These: Es gibt eine aussterbende Art von MusikerInnen. Vielleicht mag es an C. liegen, doch auch davor sah ich sie sehr selten in den Innenstädten. Und ich meine nicht die Panflöten-Combos, die irgendwie ja doch ganz cool sind. Sondern Bands, die aus einer Person bestehen. An jedem Finger und Körperteil irgendein Instrument, das Töne erzeugt plus eine ganz gute Stimme. Diese Menschen habe ich schon lange nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Doch zum Glück gibt es einen, der das auf freche professionelle Art immer wieder unter Beweis stellt, wie unglaublich talentiert und gut er ist. Wie er es ganz alleine schafft einen satten, kreativen Bandsound zu entwickeln und auszuleben. Tim Neuhaus. Klar, als Blue Man oder Drummer von Clueso wird er sicher sein Geld verdienen, doch solo ist er immer noch mehrere Spuren besser, feiner, innovativer. So schlägt er erneut zu: Dieses Mal mit einer Cover-EP. Echoes Vol. I heißt die EP, die am 10. Juni beim Grand Hotel Van Cleef erscheinen wird, ein wirklich gut gewählter Titel. Die erste Auskopplung ist In Your Honour von den Foo Fighters. Puh, die finde ich ja irre langweilig, aber was Tim Neuhaus aus dem Track macht, ist erstaunlich. Selbstredend vom Sound her, aber das Video, wie er das alles bewerkstelligt, muss geschaut werden:
Sir Simon & Burkini Beach
(ms) Die hätten ja auch echt ein Doppelalbum rausbringen können. Also, sie tun es ja quasi, aber ich meine ein wirkliches Doppelalbum: Zwei CDs/LPs in einer Hülle. Da können dann auch ruhig beide Namen separat drauf stehen. So sehr wie diese beiden Typen miteinander verwoben sind, gibt es fast keine andere Möglichkeit. Ihre Platten erscheinen sogar am selben Tag! Auf dem selben Label! Sie spielen sogar in der selben Band! Geht da überhaupt noch mehr?! Daher kündigen wir sie auch im Doppelpack an, die siamesischen Zwillinge des entspannten Gitarren-Indie-Pop. Sir Simon ist Simon Frontzek und hinter Burkini Beach steckt Rudi Maier. Beide spielen in der Liveband von Thees Uhlmann, beide kommen auf seinem Label Grand Hotel Van Cleef raus. Und es kommt noch besser: beide haben sich gegenseitig produziert und/oder Instrumente auf dem Album des anderen gespielt. Also echt: Warum kein Doppelalbum? Weil es eben doch zwei eigenständige Künstler sind, deren Musik für sich stehen soll. Beides klingt gut und ähnlich sorglos. Beides werden gute Griffe sein, wenn sie am 27. August erscheinen werden! Ist so!
Razz
(sb) Ein klasse Debüt gefolgt von einem eher mauen Sequel und einer schöpferischen Pause - die Frage, ob und wie Razz zurückkehren, war durchaus berechtigt. Doch nun ist das Quartett wieder aufgetaucht und man hört den Emsländern die wiedergewonnene Freude durchgehend an. Die zwei Jahre Neu- und Selbstfindungsphase wurden genutzt, um einen Sound zu entwickeln, der der Band perfekt steht und der die Leichtigkeit tarnsportiert, die mich schon beim ersten Kennenlernen überzeugte. Might Delete Later (VÖ: 18.06.) heißt das neue Werk und ist leider nur eine EP - aber hey, besser als nix, oder? Und ganz ehrlich: Lieber bekomme ich sechs Tracks, die durch die Bank Killer sind als irgendein Album, das nur so von Fillern strotzt. Ihr macht das schon richtig, Razz! Thematisch dreht sich viel um
gesellschaftlichen Druck und Erwartungshaltungen - von innen und außen. Mit ihrer EP dürfte die Band beiden gerecht werden und auch live dürfen wir uns (wenn auch erst 2022) wieder freuen.
16.01.2022, Columbia Theater - Berlin
17.01.2022, Naumanns - Leipzig
18.01.2022, GrooveStation - Dresden
19.01.2022, Chelsea - Wien
20.01.2022, Ampere - München
22.01.2022, Kater - Zürich
23.01.2022, Im Wizemann Studio - Stuttgart
25.01.2022, Knust - Hamburg
26.01.2022, Lagerhalle - Osnabrück
27.01.2022, FZW - Dortmund
28.01.2022, Luxor - Köln
29.01.2022, Zoom - Frankfurt am Main
Alex Mayr
(ms) Musikhören bereitet Freude. Eine Binsenweisheit. Scheinbar. Doch was ist es genau, was dabei so schön und berauschend sein kann? Zum Einen selbstredend die Atmosphäre, die überschwappt. Zum Anderen auch eine Flucht aus der Wirklichkeit und die Gedankenpausen, die so bitternötig sind. Persönlich finde ich es auch unheimlich toll der Entwicklung einzelner KünstlerInnen zuzuschauen, irgendwie - wenn auch nur als Hörender - dabei zu sein. Beispiel: Alex Mayr! Ihr Erstling Wann Fangen Wir An ist eine ungemein reife, runde, reflektierte Platte. Nun legt sie bald mit Park nach und zeigt, wie breit ihr musikalisches Talent gefächert ist. Seit dieser Woche ist mit Margaritas die zweite Auskopplung der Platte zu hören und es ist ein unverschämt leichter, beschwingter, ohrwurmerzeugender Track geworden, der ein bisschen an den lockeren Retro-Pop der 80er erinnert mit seinem fluffigen Synthie-Sound und dem tanzbaren Beat. Genauso im Moment ist der Text: Leicht verkatert durch den Park flanieren, besonnenbrillt dem Treiben zuschauen, das Verliebtsein genießen, keinen Gedanken an alles was kommt verschwenden, absolute Muße im Moment. Wunderbarer Eskapismus eben. Das, was Musik alles schaffen kann!
The Joy Formidable (ms) Da ist sie endlich wieder: Die Musik, die wesentlich lauter aufgedreht viel besser funktioniert. Der Bass massiert ganz sanft die Gehörgänge. Das Schlagzeug unterstützt den Herzschlag. Die Gitarren geben Melodie und Rhythmus vor. Der Gesang von Ritzy Bryan dringt ein und schleicht sich warum durchs Rückenmark. Und es ist nicht nur der beeindruckend kompakte Klang von Into The Blue, der diesen Song von The Joy Formidable so gut macht. Es sind auch die Ausbrüche im Laufe des Liedes, die dann hängen bleiben, faszinieren. Die Platte Back To Nothing erscheint am 20. August und diese erste Auskopplung erzeugt unfassbar viel Vorfreude darauf und ich schraube die Erwartung anhand dieses einen Stückes noch ein wenig weiter nach oben: Dichte, dynamische, stimmungsvolle Gitarrenrockmusik ist noch immer der wirklich heiße Scheiß. Die Waliser, die mittlerweile in London ansässig sind, zeigen es den Großen auf dem Feld, dass sie mit Überzeugung und einer Menge Können mitspielen wollen! Sie sollten sich warm anziehen!
(ms) Neben de ganzen Pöbelei muss festgehalten werden, dass dieses Album ein Beweis einer Freundschaft ist. Diese Freundschaft funktioniert hervorragend in pandemischen Zeiten zwischen Dresden und Rostock. Und: Diese Freundschaft beruht auch gar nicht in erster Linie auf Musik. Woher sich Milli Dance und U.N.O. kennen, ist schlussendlich ja auch egal, doch zusammen an Beats und Zeilen gewerkelt haben sie noch nicht. Dennoch haben sie gemeinsam eine Platte gemacht, die kommenden Freitag (21. Mai) bei Audiolith erscheint. Wo auch sonst, ist es doch Millis Heimatlabel mit seiner Band Waving The Guns. Der freundschaftliche Pathos mag in Rap-Kreisen unüblich sein, doch das dürfte den beiden herzlich egal sein, oder sie finden es sogar angemessen, wer weiß.
U.N.O. begann erst in letzter Zeit, an Beats zu basteln, Samples und Snippets zu suchen, auseinander zu schneiden, um sie wiederum neu zusammen zu setzen. Milli Dance fand an seinen Schnippelergebnissen schnell gefallen. Mit WTG geht momentan nicht so viel - mag es an personellen Umbrüchen, einer kreativen Flaute oder woran auch immer liegen. Genügend Ideen für standesgemäßes Gepöbel sind jedoch ausreichend vorhanden und: Sie müssen raus! Ein Glück, ein Zufall, dass beide sich dann unzählige Ideen, Fragmente, Beats und Texte hin und her schickten. Mit der einzig logischen Frage und deren Antwort: Warum aus all den Puzzlestücken kein Album machen?! Eben! Die Devise war von vorhinein: Kein Druck, nicht zwingend auf Hits hinarbeiten, hier muss nicht geballert werden, es muss noch nicht mal erfolgreich sein. Derart viel Frei- und Gelassenheit muss man sich erstmal gönnen und halt auch bekommen. Festzuhalten ist und bleibt: Die Menschen bei Audiolith sind ganz wundervoll! Machenmachenmachen!
Der Ergebnis: Fünf Vor Fick! Eine Rap-Platte in mittlerem Tempo zwischen Humor, Hass und Haltung.
Normalerweise würde ich mich nun darüber echauffieren, wie sinnlos es sei, dass die Adressaten der Inhalte den Inhalt wohl nicht hören werden: Springer, Nazis, diverse Rapper, deren Namen nicht genannt werden. Derartige Tracks sind meines Erachtens dann total belanglos. Oder ich befinde mich nicht tief genug in der Rapmaterie. Nun ist bei diesem Album tatsächlich ein anderer Maßstab geboten: Es ist völlig egal! Ja, dieses Album ist qualitativ - sowohl textlich als auch musikalisch - kein extrem guter Wurf, es ist okay, mehr nicht. Doch der Kern ist ein Stück wichtiger: Hier hatten zwei Typen Bock auf ein paar Songs und eine Plattenfirma ohne Hemmschwelle, und das haben halt nur die wenigsten Musiker. Vielleicht steht die künstlerische Freiheit ausnahmsweise hier tatsächlich über der eigentlichen Kunst. Wer weiß...
Weird geht es los, mit einem unangenehm arrhythmischen Beat. Ja, die Lieder sind bei mittlerem Tempo angesiedelt, haben daher auch wenig mit WTG zu tun. Dennoch: Milli ist immer für Gewalt zu haben, trifft es die Richtigen. Klar, nur verbal! Der titelgebende Track hat wohl am meisten Flow und zeigt erneut den textlichen Mittelfinger gegen Springerpresse, gegen anonymen Hass im Netz singt der Maskenträger - das Alleinstellungsmerkmal muss schließlich gewahrt werden! Auf einem der eingängigsten Beats samt Bläserhook geht es auf Warum Nicht Mal Von Mir gegen Verschwörungserzählungen und plumpen Müll, der im analogen und digitalen Äther wabert. Auch der Cembalo-Beat auf Was Für Ein Erfolg oder Is Nicht weiß zu überzeugen! Wichtig der deftige textliche Seitenhieb auf Lorenz Caffier in Letzte Stunden. Der ehemalige Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns muss davon gewusst haben, dass aus den Schränken der Bundeswehr und Polizei aus seinem Bundesland Munition entwendet wurde, die nun unter militanten Nazispinnern kreisen. EkelhAFD.
Auf Verlustgospel kulminieren sie die wahre Essenz dieses Albums: Ein Album auf mittlerem Tempo, das gar nichts muss: keinen Erfolg, keine wirklich herausstechende Single, einige gute Lines, doch nichts, was zwingend haften bleibt. Und wenn sie damit Verlust machen? Egal! Es hat Spaß gemacht und musste sein. Nicht mehr, nicht weniger. Eine Platte, die massiv subjektiv ist, textlich und von der Herangehensweise. Allein dafür sollte man beiden Respekt zollen!
Letzte Woche bin ich mit dem Rad an einem Bordell vorbei gefahren. Glaube ich zumindest, dass es eins war. Ich musste den Weg zur Arbeit variieren und kam an einem Haus vorbei, dessen Fensterrahmen nicht mit Scheiben ausgestattet waren. Das war das erste Indiz. Das zweite ließ mich halt bis jetzt verdutzt zurück. Denn: An dem Haus mit der Straßennummer 11 sind an einem Schild mehrere Herzen zu sehen. So, dass sie ins Auge springen, auffällig sind. Doch: Ist das überhaupt das richtige Symbol für die Dienstleistung, die dort wahrscheinlich angeboten wird? Warum werben Bordelle mit Herzen? Meine Verwunderung rührt daher: Bislang habe ich vermutet, dass das Symbol Herz im weitesten Sinne für Liebe steht. Insbesondere dann, wenn es mit roter Farbe ausgefüllt ist. Das war mein Gedanke. Und der nächste: Geht es in einem Bordell um Liebe? Das würde ich prinzipiell erstmal verneinen. Bezahlt man für Sex, kann das mit Liebe nicht sonderlich viel zu tun haben, oder? Warum aber dann der Zusammenhang? Weil Sex in den meisten Fällen in Liebesbeziehungen stattfindet? Puh, ja, okay, auch eine ziemlich eigenwillige Vorstellung. Trotzdem wird es dann ja total aus dem Kontext gerissen und an einem fremden Ort genutzt. Aus dem Gedankengang komme ich nicht raus. Denn: Was wäre denn ein passendes Symbol für ein Bordell? Ein Kondom? Nackte Körper? Geldscheine? Ich weiß es nicht.
Was ich aber weiß, ist, dass wir erneut auf Musikjagd gegangen sind. Hier ist das Ergebnis. Voilà:
Current Joys
(sb) Es gibt so Alben, die begeistern, ohne dass man genauer bestimmen könnte, woran das nun wirklich liegt. Voyager (VÖ: heute!) von Current Joys ist genau so eins. Nick Rattigan, das Gesicht zum Projekt, ist bereits seit rund zehn Jahren im Business und dabei nicht nur als Musiker, sondern auch als Regisseur von Videoclips involviert. Sein aktuelles Werk besticht in erster Linie durch spannendes und ausdrucksstarkes Storytelling, das durch Rattigans Stimme ideal in Szene gesetzt wird. Mal verletzlich, dann wieder stark und rotzig und im nächsten Moment melancholisch bis zur Selbstaufgabe. Diese Wandlungsfähigkeit kommt dem Album extrem zugute, wobei mir Voyager vor allem in den Passagen am besten gefällt, in denen man sich an Bands wie Frightened Rabbit oder gar Friska Viljor erinnert fühlt.
Philip Lassiter
(sb) Er war Arrangeur und Bläser bei der New Power Generation und arbeitete mit namhaften Musikern wie Timbaland, Stevie Wonder und Ariana Grande zusammen. Trotzdem ist der Einfluss des großen Prince unüberhörbar und greifbar. Wenn der Funk durchkommt, sieht man den viel zu früh verstorbenen Künstler quasi vor sich stehen. Und doch handelt es sich bei Live In Love (VÖ: 04.06.) um ein Album von Philip Lassiter, das, wenn man sich ihm hingibt, noch deutlich mehr zu bieten hat und ausgesprochen vielseitig daherkommt. Dies liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Gastmusikern, die er sich eingeladen hat und die beispielsweise auch Reggae- oder R'n'B-Rhythmen einfließen lassen. Besonders seine Kooperationen mit Jesje und LaVance Colley wissen zu gefallen, was bei Letzterem insbesondere an dessen herausragender Stimme liegt. Soul at its best!
Yann Tiersen (ms) Nur wenige musikalisch tätige KünstlerInnen werden derart mit einem Film in Verbindung gebracht wie Yann Tiersen. Möglicherweise trifft das noch auf Glen Hansard zu. Mehr fallen mit ad hoc nicht ein. Dabei tut der Franzose einiges dafür, dass er sich vom Amélie-Universum absetzt und getrennt davon wahrgenommen wird. Beispielsweise unaufhörlich Musik veröffentlichen. Sein neues Album Kerber erscheint am 27. August. Höchste Zeit also, dass es erste Töne daraus zum Hören gibt. Aus dem Stehgreif würde ich Tiersen gar nicht als Neoklassik-Artisten wahrnehmen. Wenn jedoch Ker Al Loch zu hören ist, bleibt mir fast nichts anderes übrig, als ihn die gleiche Ecke zu stellen wie Olafur Arnalds, Hania Rani, Martin Kohlstedt undundund. Denn: Das siebenminütige Stück beginnt mit klassischen Pianoklängen und dreht sich mit jedem Takt weiter hinein in ein elektronisches Paralleluniversum, das knarzt, aneckt und dennoch harmonisch bleibt. Vielleicht ist es sogar genau der richtige Ansatz, um sich von einer Assoziation zu koppeln, wenn man ihr entgegentritt. Klar, diesen Gedanken wird Yann Tiersen sicherlich nicht gehabt haben, während er komponierte. Dafür ist der Film zu alt, sein Schaffenswerk zu groß. Doch es bleibt an ihm haften. Also: Raus aus dieser Ecke!
Distance Dealer (ms) Musik ist Leidenschaft, Passion. Musik ist für viele auch Berufung, Bestimmung. Eine Person, der Töne, Ideen, Melodien, Rhythmen und nimmermüde Kreativität durch die Adern pumpt ist Alexander Donat aus dem Berliner Umland. Es ist kaum zu glauben, wie aktiv er ist. Vlimmer, WHOLE und Fir Cone Children sind drei Bands, die er entweder alleine oder als Teil betreibt. Alle auf dem eigens organisierten Label Blackjack Illuminist Records. Klar, der Tausendsassa hat auch ein Buch geschrieben und musste ganz dringend eine neue Band gründen: Distance Dealer! Das macht er nicht alleine, sondern mit Thiago Desant aus Brasilien zusammen. Gerne würde ich wissen, wie viele Sprachnachrichten, Mails, Videokonferenzen zwischen beiden gelaufen ist, bis die zehn Tracks zusammen gewachsen sind, die auf Mind Dawns im Juni erscheinen werden! Düsterer Postpunk mit eindeutiger Synthie-Handschrift, die sowohl Träumen als auch Tanzen zulässt!
Sarah Klang (ms) Ob das visueller Humor ist, weiß ich nicht. Irgendwie hoffe ich es aber ganz stark. Denn zwischen der Atmosphäre in der Musik und der bislang erschienenen Videos aus Sarah Klangs neuem Album besteht doch erhebliche Diskrepanz. Love So Cruel ist ein wirklich toller, stimmungsreicher Track, der dich im Arrangement ist und ihre Stimme wunderbar zu Geltung kommen lässt. Das Video hingegen explodiert fast vor quietschigen Farben. Ähnliche Brüche sind bei Fever Dream wahrzunehmen. Klar, das ist alles Geschmackssache, aber ich finde das Video gruselig. Es ließ mir beim ersten Hören keine Möglichkeit die warme, klare Musik zu genießen. Was sollen die Pferde in den ersten Sekunden? Was soll die bewusst schlechte Qualität? Nun gut, die Cowboy-Tänzer sind originell. Ergo: Hoffe ich weiter, dass es ihre Art von Humor ist. Dann passt es. Das Album, auf dem diese beiden Tracks zu hören sind, heißt Virgo und ist vergangene Woche erschienen. Die Schwedin spielt lässigen Singer/Songwriter-Pop, der mit Atmosphäre und ihrer Stimme arbeitet. Die Stücke sind nicht zu überladen und können daher sehr direkt genossen werden. Am besten mit geschlossenen Augen.
Superbloom
(sb) Ja sind denn schon wieder 90er? Die ersten Töne auf Pollen (VÖ: 01.06.) dem Debüt der Brooklyner Band Superbloom klingen so unverschämt nach dem Grunge aus Seattle, dem ich damals hoffnungslos verfallen bin. Könnte Alice In Chains sein. Oder auch Soundgarden. Oder gar die Screaming Trees? Der Auftakttrack 1994 würde easy auch auf dem 89er-Album "Bleach" von Nirvana seinen Platz finden, wobei ich Kurt Cobain und Konsorten nie mochte - aber das ist ein anderes Thema...
Wie dem auch sei: Superbloom sprengen die Genregrenzen im Laufe ihres Albums dann doch noch und wissen in den 12 Songs auch mit Hard Rock und akustischen Elementen zu gefallen. Da kommt was Starkes auf uns zu, das nicht nur Nostalgiker überzeugen dürfte. Leider geil.
The Go! Team (ms) Die Flöte ist ein in der Popmusik eher wenig genutztes Instrument. Jethro Tull waren vielleicht die letzte Band, die das mit Überzeugung vertreten haben. The Go! Team nutzen Flötengeräusche jedoch mit so viel Drive und Leichtigkeit, dass sie mit den langhaarigen Rockern überhaupt nichts mehr in der Instrumentierung gemein haben. Warum diese Band zum Pow-Video auf diese gruseligen visuellen Effekte setzt, weiß ich nicht. Seit wann ist es cool mit alten Windows Movie Maker-Optionen zu hantieren? Ach, auch egal, oder? Denn es geht ja um die Musik. Und The Go! Team beweisen mit Pow ein weiteres Mal, dass sie es nicht nur verstanden sondern auch verinnerlicht haben, extrem lockere, wahnsinnig tanzbare Musik zu schreiben, die direkt gute Laune macht. Der Sommer naht. Das wird der Soundtrack! Im Juli erscheint ihre neue Platte Get Up Sequences Part One, was ein geiler Name, was eine unbeschwerte Musik, welch Kunst!
(ms) Jeder kann eine Geschichte zu den Donots erzählen. Bevor es zum neuen Buch und der ausufernden Show geht, ist hier meine: Siebeneinhalb Jahre habe ich in Münster gewohnt und die meiste Zeit davon studiert. Oder so getan. Für das nötige Zubrot kellnerte ich. Sehr gerne! Das Team war irre, es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Jeder noch so stressige und heftige Freitag war mit diesen Menschen eine Wonne. Eines Sommerabends, ich kümmerte mich um den Biergarten, stutzte ich. Da saßen sie: Die Donots. Nicht allein. Die Begleitung hat mich noch ein wenig mehr beeindruckt. Denn: Die Donots sieht man halt schon mal, wenn man in Münster ist. Mit am Tisch saß: Kurt Ebenhäuser. Der Mann ist eine Erscheinung, groß, breit, wallendes Haar, irre freundliche Augen. So saßen sie dort, bestellten große Biere und große Salate. Denn: Alles Vegetarier. Kurt sprach ich an, fragte ihn, was er hier mache, sein Studio sei doch in Koblenz. Allgemeines Staunen, kurz gedacht: War jetzt auch ein blödes Rumgepose. Es müsste um die Karacho-Zeit gewesen sein. In mir wuchs in kurzer Zeit die Erkenntnis, die von allen Wegbegleitern im Buch auch zu lesen ist: Was ist das für eine unglaublich sympathische, nahbare, ehrliche, gut gelaunte, fröhliche Band! Alle! Absolut. Das ist die große Wahrheit: Vielleicht sind die Donots einfach die freundlichste Band, die es gibt. Es ist an ihrer Ausstrahlung zu erkennen, aber auch an ihren Mundwinkeln und glänzenden Augen: Immer froh, immer locker, für wirklich jeden Plausch zu haben. Das sind sie.
Fünf Jungs aus Ibbenbüren. Und auch die Behauptung aus dem Buch kann ich bestätigen: Ibbenbüren, nördlich von Münster, westlich von Osnabrück, ist eine irre langweilige Stadt. Eine durchschnittliche Kleinstadt, die nichts zu bieten hat. Kein Wunder, dass die Pendlerzüge stets gut besucht sind. Wohnen tut es sich in den nahen Großstädten wesentlich besser. Aber so sieht es nun mal aus. Dort kommen Purgen, Alex, Ingo, Guido und Eike her.
Dort begann das, was nun in Heute Pläne, Morgen Konfetti kulminiert ist. Eine Bandbiographie. Über nicht all zu viele Gruppen dieser Kategorie gibt es derart lesenswerte Bücher! Das hat Gründe. Grund Nummer 1: 27 Jahre sind eine verdammt lange Zeit! So lange in unveränderter Besetzung beisammen zu sein, ist ungewöhnlich. Grund Nummer 2: Klar, die Geschichten ergeben sich von allein. Grund Nummer 3: Siehe oben, die Band ist nahbar, erzählt halt auch wahnsinnig gern drauf los. Auf stets unterhaltsame Art. Grund Nummer 4: Ihre Geschichte ist wirklich einzigartig. Sie werden immer erfolgreicher, statt in der Versenkung zu verschwinden und Baumärkte einzuweihen. Grund Nummer 5: Der Autor, Ingo Neumayer, war immer im Dunstkreis der Band zu finden. Grund Nummer 6: Zahlreiche Bilder aus allerlei Momenten der Bandhistorie!
Das Buch, das vor wenigen Wochen erschien, schrieb sich also von allein.
Bei aller Empfehlung muss auch gesagt sein, dass dieses Buch selbstverständlich eine subjektive, sehr anbetungsvolle Art hat über die Band zu schreiben. Entweder gab es kaum Knartsch in der Band und die logischen Zweifel, die in so einer langen Zeit des Bestehens auftauchen, sind das krasseste an Negativem, was es zu erzählen gab, oder es wurde einfach nicht erzählt. Denn ganz frei von objektiver Berichterstattung kann sich Ingo Neumayer auch nicht machen. Will er vielleicht auch gar nicht. Er ist nicht nur Autor, sondern auch Freund der Fünf. Und so ehrlich muss man sein: Das Buch ist schwer und hat ein großartiges Format mit allerhand Bildmaterial, das in jedem Fall. Doch niemand sollte erwarten hier einen literarischen Höhenflug zu lesen. Musikjournalismus im Pop/Rock hat immer etwas Flapsiges, Unterhaltsames, das selten sprachlich in die Tiefe geht. Hier auch nicht. Aber: Schwamm drüber, erwartet ja auch niemand.
Es wäre nun also auch billig, wenn ich hier das Buch wiedergeben würde. Dafür sollte man es sich anschaffen und gemütlich durchschmökern. Was das Buch dennoch auszeichnet: Intensiv habe ich mich nie mit den Donots beschäftigt. Sie waren immer irgendwie da. Nach der Lese weiß ich Bescheid. Nicht nur über die Band. Sondern, und da liegt meines Erachtens der Trumpf des Buches, über die Mechanismen der Branche. Was für ein hartes Brett da oft zu bohren ist, ist kaum zu glauben, wenn wir als Hörende, Sehende dann nur das Video oder die Platte bestaunen. Die ganzen Querelen mit Labels und Produzenten: Das ist höchst lesenswert! Welche Art von Musik wollen die Donots machen? Wie kriegen sie das hin? Was tun, wenn die Bandkasse (mal wieder) leer ist? Was tun, wenn sie kurz davor sind, die Band aufzulösen? Was tun, wenn man nicht mehr weiter weiß? Und was hat das alles mit Stop The Clocks zu tun? Und wie unfassbar massiv (im aller positivsten Sinne) war die Entscheidung seit einigen Jahren auf Deutsch zu singen?! Ja, vorher liefen die Donots für mich auch als spaßige Punkrockband. Punkt. Ihre politische Einstellung wurde auch für mich erst mit den deutschsprachigen Texten sehr viel deutlicher. Was für ein brillanter Schachzug! Klingt nach Kalkül, ist aber pures Herz!
Wer das und allerhand Anekdoten aus Japan, den USA, Polen, dem Münsteraner Südviertel, Gekritzel, Getrommel und beharrlicher Disziplin lesen will, dem sei das Buch sehr ans Herz gelegt!
Klar, die Feier dazu darf nicht fehlen! Und sie war ausufernd. Vergangenen Samstag, am 8. Mai, fand sie im Internet statt. Kein reines Konzert, eher ein Abend mit Freunden und Musik und einer herrlich bescheuerten und total sympathischen Aktion. In Berlin führte Nilz Bokelberg durch den Abend der und mit den Donots. Freunde und Wegbegleiter kamen hinzu. In Geschichten und fröhlicher Nostalgie wurde sich gewälzt. Und das keineswegs vor dem kalten Bildschirm. 444 Accounts durften sich zuschalten, interagieren, ihr Applaus war zu hören, ihr Gepoge zu sehen. Ja, das war ein wirklich sehr gut funktionierender Kompromiss in bühnenfreien Tagen. Selbstredend spielten die Donots auch ihre Songs. Doch immer nur ein paar am Stück, bis sie sich wieder an den Thresen zu Nilz setzten. Leider kam es an dem Abend auch zu einer bitteren Wahrheit: So unterhaltsam und locker Ingo Neumayer auch geschrieben hat, so ein mieser Vorleser ist er auch. Puh!
Zu allerspätester Stunde kam es dann wohl zum bescheuertsten Höhepunkt des Abend. Zugeschaltete durften sich von Guido tätowieren lassen. Eine junge Dame hat das Angebot angenommen, ließ sich mit dem Taxi herkarren und bekam dann vom Gitarristen, der auch schon Bier genossen hat, den sagenumwobenen Kausalvogel auf den Hintern gemalt. Phantastisch! Was für eine herrlich sympathische Schnapsidee! Ich finde es super! Die Geschichte ist bezeichnend! Sie ist irre, sie hat DIY-Charakter, es sprach nichts dagegen und ausnahmsweise war es Konfetti statt Pläne.
(ms/sb) Momentan ist der muslimische Fastenmonat Ramadan und da kann man mal höflich und zuvorkommend zu seinen Mitmenschen sein. Hier ein kleines Serviceangebot aus der Bildungslounge. Trifft man einen Menschen muslimischen Glaubens während des Ramadan, grüßt man mit "Ramadan karim". Dies geschieht normalerweise zu Beginn des Fastenmonats, geht aber auch, wenn man diese Person während des Ramadan zum ersten Mal trifft. Am 12./13. Mai endet der Ramadan mit dem Zuckerfest. Der passende Gruß dazu lautet "Eid Mubarak". Aus meinem eigenen beruflichen Alltag weiß ich, dass es die Menschen freut. Meines Erachtens ist es nicht nur ein Zeichen der Höflichkeit und Angemessenheit. Denn: Wir zwingen diesen Menschen den ganzen Weihnachts- und Osterscheiß auf und sie wissen alle Bescheid. Wir wissen mal wieder nichts. Wer hat sich hier anzupassen?! Eben! Leider höre ich momentan - auch im Arbeitsumfeld - Sätze wie: "Die Zahlen sind weiterhin hoch, die halten sich ja eh nicht dran, bald ist ja auch Zuckerfest." Da habe ich letztens mal recht energisch zwei Kolleginnen drauf hingewiesen, wie pervers die Politik auf Lockerungen zu Weihnachten gepocht hat. Zehn Leute während krasser Zahlen waren ja kein Problem! Wer hat sich hier anzupassen?! Eben!
Hauptsächlich sind wir aber für die musikalische Grundversorgung verantwortlich. Selektiert, gerne!
David Newlyn
(sb) Ich gehe mal davon aus, dass David Newlyn für die meisten von Euch ein unbeschriebenes Blatt ist. Ging mir auch so, bevor ich sein neues Album Tapes and Ghosts (VÖ: 30.04.) gehört habe. Der Brite ist jedoch ein anerkannter Ambient/Elektronik-Künstler mit treuer Fanbase, dem es mit seinem aktuellen Werk einmal mehr gelingt, seinen Sound einfach erscheinen zu lassen und doch komplex aufzubauen. Atmosphärische Töne, schwebende Noten, erstaunliche Kompositionen - begleitet Newlyn auf seiner epischen Klangreise. Für mich persönlich der perfekte Soundtrack, um nebenher konzentriert zu arbeiten.
Altrogge (ms) Programmatische und leicht verschwurbelte Musik zu hören, kann auch immer etwas anstrengend werden. Ich halte es selten durch, länger am Stück PeterLicht oder Die Sterne zu hören, obwohl ich beide verehre. Bei Altrogge beschleicht mich ein ähnliches Gefühl. Was charakteristisch an den Stücken auf seinem heute (!) erscheinenden Album Barfuß Zum Duell ist, ist die Mischung aus eigentümlichem Gesang und eigentümlicher Instrumentierung. Wobei von Gesang wirklich nur partiell die Rede sein kann. Viel mehr trägt er mit rhetorischer Finesse seine Texte vor, die zwischen Kapitalismuskritik, Unterhaltung, Augenzwinkern und Liebe mäandern. Das weiß in jedem Fall zu gefallen, weil schön anspruchsvoll und ungewohnt. Und aus den eigenen, verrosteten Bahnen muss man dringend regelmäßig raus! Die Instrumentierung ist das andere wichtige Element auf dieser Platte: Sie bewegt sich zwischen fetzigem Jazz und Artpop, der aus einem Kellerclub wummert, und sie muss nie mit dem Gesang harmonieren. Atlrogge ist kein Mann im besten Alter, der sich als musikalisches Genie beweisen muss. In diesen Gefilden ist er seit Jahren unterwegs. Zuerst während NDW-Zeiten, dann als Berater der Branche und nun hat er sich nochmal neu erfunden. Sehr hörenswert - man muss sich darauf einlassen.
Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys
(sb) Ci sono canzoni che non mi stanco mai di acoltare. Bisher haben Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys ihre traditionellen Hits für den deutschen Markt ja ins teutonische Gewand gepresst, doch jetzt präsentieren sie sich, wie Liebesgott Eros sie schuf: italienisch und voller Amore. Die Herren vom Gardasee melden sich zurück aus der Corona-Zwangspause und das mit ganz viel Liebe. Amore Sul Mare schickt sich schon am Tag seiner Veröffentlichung an, ein Klassiker des Italopops zu werden. Andiamo subito, amore mio!
Gisbert zu Knyphausen & Kai Schumacher
(ms) Manche Bands und MusikerInnen höre ich eher in zeitlichen Wellenformen. Beispiel 1: Placebo. Läuft nur selten im Jahr, dann aber äußerst intensiv, weil seit Jahren geil. Beispiel 2: Gisbert zu Knyphausen. Ich mag seine Musik auf extreme Art und Weise, doch in die alltägliche heavy Rotation hat sie es seltsamer Weise nie so richtig geschafft. Das Licht Der Welt ist ein umwerfend schönes Album, doch es läuft viel zu selten und ich weiß nicht so richtig wieso. Es gibt wieder einen hörenswerten Anlass genau das zu ändern, denn der Weinadel ist umtriebig. Letztes Jahr bereits trat er mit dem Pianisten Kai Schumacher auf und bot Lieder von Franz Schubert dar. Wundervolle Idee, die nun in Albumformat nachzuhören sein wird! Lass Irre Hunde Heulen wird die Platte heißen - na, wenn das nicht die Vorfreude steigert?! Seit heute ist das erste Lied dazu zu hören. Plus Video! Das wurde im wunderbaren Duisburg gedreht, meines Erachtens nach im besuchenswerten Landschaftspark Nord, wo das Traumzeit Festival beheimatet ist. Der Wegweiser ist nur der erste von vielen tollen Streichen, die demnächst folgen werden!
La Cafetera Roja
(sb) Englisch, Französisch, Spanisch, Hochdeutsch, Österreichisch - bei La Cafetera Roja gehts international zu. Und nicht nur sprachlich variiert die Band ungemein, sondern auch bei den verwendeten Musikstilen. Was auf Mozaik (VÖ: 04.06) zu hören ist, ist die Verweigerung von Etiketten. Das Sextett ist nicht Rock, nicht Trip-Hop, nicht Reggae, nicht Chanson, nicht Jazz, nicht Latino. Klingt anstrengend? Mitnichten! Über weite Strecken kommt das sehr lässig daher und lädt zum Mitwippen ein. Sehr, sehr angenehm und ein guter Soundtrack, um sich schön langsam in Richtung wärmerer Jahreszeit einzugrooven.
Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen
(ms) 2020 - Das Erotische Jahr. Da flackern direkt die Ohren und man stutzt ungläubig über die Maske, die man mal wieder entsorgen sollte, dieser miese Müll überall. Doch, hey! Erstens sind wir keine Schwarzmalenden, zweitens gibt es Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen. Wenn es eine Band auf diesem Planeten gibt, die für adrette Kleidung und Höflichkeit steht, dann das Quintett aus Hamburg! Des Weiteren stehen die Gentlemen für sehr gute Musik. Lieder, die auf jeden Fall bewegen, begeistern, benebeln, belustigen. Denn genau auf diesem schmalen Grad zwischen Ulkigem und bekloppter Begeisterung tanzen Carsten Friedrichs und Co. seit vielen Jahren einen locker leichten Balanceakt! Der nächste Streich kommt also in diesem Sommer, vielleicht wird es ja auch ein Erotischer! Gschichterln aus dem Park Café wird die Platte heißen, die selbstredend bei Tapete Records erscheinen wird und selbstredend sehr gut sein wird. Dafür stehen sie mit ihrem guten Namen. Zwischen lockerer Unterhaltung, Hüftschwinger für jedes Alter und Oden auf die Kurzlebigkeit wird sich bestimmt auch das kommende Meisterwerk bewegen. Am 9. Juli ist es dann soweit! Ich mach' schon mal einen Prosecco auf!
Squid
(ms) Wie kann Neues nur so unverschämt nach einem Sound klingen, der für die 90er oder 00er Jahre steht? Der so typisch für die Hochzeit des Indie-Britpop war? Knarzig, unangepasst und doch irgendwie einprägsam?! Das sind Squid und die bringen heute (!) ihr erstes Album raus. Bright Green Field ist nicht nur aufgrund seines typisch untypischen Sounds ein wahrer Hinhörer! Zum Einen aufgrund des herrlich breiten britischen Englisch, das Anton, Louis und Olli singen. Zum Anderen, weil letzterer den Leadgesang übernimmt und gleichzeitig Schlagzeug spielt! Absolute Seltenheit - geil! Auch herrlich ungewöhnlich: Recht lange Spieldauer der einzelnen Lieder, viele sind um die acht Minuten lang. Hier will niemand in ein Format passen oder sich assimilieren. Auf Streaming-Klicks also direkt gepfiffen, das weiß zu überzeugen. Apropos Spieldauer: Der Erstling hat eine Länge von über 50 Minuten. Auch das für eine Gitarrenrockplatte eher selten, doch dem Quintett aus Brighton herrlich egal. Wie kann man nur mit der reinen Herangehensweise an Musik schon so viele Sympathiepunkte sammeln - unverschämt! Es gibt also viel, was gegen einen Erfolg dieses Album spricht, aber jeder einzelne Punkt spricht auch absolut dafür! Das hier bleibt haften! Die fünf haben sogar für den Herbst Termine gebucht, hoffen wir, dass sie stattfinden können:
(ms) Die beiden Schreiberlinge hier haben keineswegs den gleichen Musikgeschmack, aber eine sehr große Schnittmenge. Das, worauf wir uns wohl oft einigen können: Punkrock, guter Rap, funkelnde Klaviermusik und der gute, alte Indierock. Den bescheren Last Days Of April schon seit einer gefühlten Ewigkeiten. Das gefällt mir immer besonders gut, wenn Bands so lange existieren und sich treu bleiben. Logo, ein kluger Kurswechsel kann auch überzeugen. Das was Karl Larsson und Co. seit 25 Jahren (in Worten: fünfundzwanzig) abliefern, ist einfach gut. Da kann man nicht dran rütteln. Es ist nicht immer überragend, aber sehr, sehr stabil. Indierock halt. Indierock mit gefühlvollen Texten wie bei Death Cab For Cutie oder Nada Surf. Alles Bands, die immer schon da waren und immer gut abliefern. Heute erscheint das nächste Album der Schweden: Even The Good Days Are Bad. Die alten Hoffnungsbringer! Und was soll man sagen? Es ist eine schöne, tolle Platte. Unaufgeregt mit feinen Melodien, die auch mal im Hintergrund laufen können. Dann wippt der Kopf ein bisschen dazu und man fühlt sich eigentümlicher Weise wieder jung. Ja. Das ist gut. Kann man doch mal sagen, oder?
Ernst Molden & Das Frauenorchester
(sb) Ja, er ist schon ein Phänomen, der Ernst Molden! Außerhalb Österreichs oder zumindest nördlich des Weißwurstäquators kennen (und verstehen) den nicht viele, aber er ist ein gottverdammtes Genie. Ich liebe es, wie er singt und ich liebe, was er singt. Große Lyrik, die Welt durch eine Brille betrachtet, die mitunter einen arg morbiden Filter aufträgt. Nicht umsonst wird der Künstler als „Leonard Cohen Wiens“ bezeichnet. Sein Album neiche zeid (VÖ: 28.05.), das er zusammen mit dem Frauenorchester aufgenommen hat, ist atmosphärisch und inhaltlich mal wieder herausragend. Da bekomm sogar ich als Nichtraucher Lust auf eine Zigarette und möchte ins Zwielicht abdriften. Und ganz ehrlich: Ich bemitleide jeden, der des Österreicherischen nicht mächtig ist und so gar nicht in den vollen Genuss der textlichen Feinheiten kommt.
Egotronic
(ms) Woran merke ich, dass ich älter und auch ein Stück weit spießiger werde? Ich merke es daran, dass bestimmte Musik mir nicht mehr so zusagt, so wie es vor acht oder zehn Jahren noch der Fall war. Das beste Beispiel aus meinem Musikhörkosmos ist Egotronic. Gerne und oft live abgefeiert. Irre Energie, kranker Exzess. Aber immer gleichen Parolen und Textkreise, die Torsun zieht, entfachen meist nur ein kleines "Aha" statt ein "Bockstark!". Nadel Verpflichtet ist also der erste Track von Stesz, dem neuen Album, das am 23. Juli bei Audiolith (wo auch sonst?!) erscheinen wird. Ja, der Gitarrenpunkansatz gefällt mir auf den letzten Alben, ansonsten plätschert der Song nur so an mir vorbei. Da zündet nichts, weder musikalisch noch inhaltlich. Kurz höflich aufgelacht, das war es dann auch. Ah, ein Detail gefällt doch: Die Optik des dazugehörigen Videos! Tja, Egotronic. Ich verstehe die Musik, doch bei mir kommt sie nicht (mehr) an. Bin ich nun spießig? Möglich, ist mir aber egal.
GoGo Penguin (ms) Starre Grenzen von Pop, Jazz oder Electronica kennen die drei Herren von GoGo Penguin nicht. Sie lehnen sie sogar ab, würde ich behaupten. Vielleicht ist das eines der Geheimnisse des Trios, warum sie so innovativ und erfolgreich sind. Was Chris Illingworth, Rob Turner und Nick Blacka seit etwa zehn Jahren machen ist schwer in Worte zu packen. Es will erlebt werden! Was dann folgt ist ein wahrer Taumel, elektrisierender Schwindel, tanzbare Freude, die hypnotische Kraft der Musik! Sie dringt hautnah ein und lässt nur schwer wieder los. Nur logisch und nachvollziehbar, dass die drei ihre Musik immer wieder auf ein neues Level heben wollen. Dafür nehmen sie sich die Freiheit und geben ihre Stücke ab. Die Folge: Ein Remix-Album allererster Güte! GGP/RMX, so der Titel, erscheint heute (!) und ist genau so mannigfaltig wie ihr eigenes Werk. Dafür steht allein die Vielzahl an Freunden und MusikerInnen, die deren Tracks in ihr eigenes, zum Teil von Grund auf neues Gewand stecken und somit neu erleuchten lassen. Elf Songs, elf Remixe, elf fremde Hände, die gewerkelt haben. Ein wirklich beeindruckendes Ergebnis!
(ms) Für einen würdigen Rahmen fehlt hier absolut die Kenntnis - wichtige Vorwarnung. Von traditioneller oder moderner japanischer Musik habe ich überhaupt keine Ahnung, kenne nicht eine Band. Es wird also jetzt vollkommen unseriös, wenn ich nun das erste Album von TEKE::TEKE empfehle. Die Tradition und auch das Umfeld der MusikerInnen kann ich nicht einschätzen oder bewerten, so wie es sich normalerweise für eine Rezension gehört. Nun gut... Meine Kenntnis über die japanische Musikkultur besteht aus drei Eckpfeilern. Erster Eckpfeiler: Momentan lese ich Heute Pläne Morgen Konfetti, die tolle Geschichte über die Donots von Ingo Neumayer. Die fünf Ibbenbürener treten regelmäßig in Japan auf, betreiben mit Solitary Man Records ein Label, das dort hiesige Musik veröffentlicht. Wie die Band schildert, ist Japan einfach ein ganz anderer Kosmos. Bei einem Konzert wird aus Höflichkeit nach den Liedern nicht geklatscht, die Fans sind in jeglicher Hinsicht extrem, konnten schon bei den frühen Auftritten der Band alles mitsingen. Zweiter Eckpfeiler: Die Erzählungen vom wunderbaren Juse Ju, der in Japan lebte, Menschen, Gewohnheiten, den Alltag kennt. Er lobpreist das Land und berichtet ebenfalls von gewöhnungsbedürftigen Eigenheiten! Wohlgemerkt: Eigenheiten aus einem eurozentrischen Blick. Also vor Ort: Alles normal. Dritter Eckpfeiler: Das ist der gröbste. Ich meine zu wissen, dass J-Pop ein irres Spektakel ist. Boybands mit immensem Erfolg, viel Glitzer und BlingBling.
So. Mehr weiß ich nicht.
TEKE::TEKE heißt also die Band, die am Freitag (7. Mai) mit Sirushi ihr erstes Album veröffentlichen wird. Das Septett ist in Montreal beheimatet, doch die Anklänge aus dem Japanischen stehen absolut im Vordergrund. Maßgeblich dafür: Flöte und Posaune. Es dauert nur wenige Takte und die inneren Bilder von kämpfenden Mönchen, betenden Mönchen, teetrinkenden Geishas und dampfenden Reispfannen ploppen auf. Wie gruselig klischeebehaftet, aber so sieht es leider nur mal in meinem inneren Auge aus. Die Magie des Albums besteht (zum Glück) daraus, dass dieses Bild recht schnell in seine Einzelteile zerlegt wird. Denn neben den traditionell japanischen Musikelementen, heißt es hier: Volldampf voraus! Rock'n'Roll mit überbordendem psychedelischem Einfluss ziert die DNA dieses Debuts.
Dabei war die Band um Gitarrist Serge Nakauchi-Petellier und Performance-Künstlerin Maya Kuroki lange Zeit eine Cover-Band. Sie spielten die Songs ihres Idols Takeshi Terauchi nach, was eindeutig zu hören ist. Was noch zu vernehmen ist: Hinter jedem Takt, jeder Strophe und jedem Track lauert ein Tarrantino-Spielfilm! Sollte Kill Bill nochmal musikalisch untermalt werden - hier ist die Band!
Gut 40 Minuten ballert die Band auf den Synapsen der Zuhörenden. Denn das ist gewiss: Je lauter Sirushi erklingt, desto besser wirkt die Platte! Verstehen tue ich kein einziges Wort, hier wird japanisch gesungen. Spirituelle Geschichten, herzzerreißende Balladen und verhängnisvolle Romanzen sollen zu hören sein. Dramatik ist in jedem Fall eine Menge vorhanden und genau das ist die Stärke der Platte: Man weiß nie, was als nächstes kommt! Kala Kala ist ein berauschender Ritt mit schnellen Gitarren und mäandernden Flöten! Barbara eine tempo- und energiegeladene Surfrock-Nummer! Meikyu spitzt das hypnotische Level des Albums zu - hypnotisch und wild!
Auch wenn vieles auf's erste Hören ungewohnt klingt, ist dies ein tolles Album. Ein Album, dass mich mal wieder laut daran erinnert, dass die gewohnten Bahnen den eigenen Horizont nur einschränken. Hier werden sie eröffnet, zum Glück! Starkes Ding!
(ms) Die schönen Hardcover-Tickets aus dem letzten Jahr hängen noch am Kühlschrank oder sind sicher in der Schublade verstaut. Sie warten sehnsüchtig darauf, eingelöst zu werden, um mit einer abgerissenen Ecke wieder einen würdigen Platz in der Wohnung zu finden. Die Wochenenden macht man sich irgendwie schön, fährt an Orte und Ecken, die nicht zu weit weg und dennoch unbekannt sind. Sparziergänge sind unter der Woche das Mittel der Wahl, selbst Arbeit wird (zumindest bei mir) immer wieder zur willkommenen Abwechslung. Ja, ich freue mich am Sonntagabend darauf, Montag wieder raus zu können. Und doch, die wahren Highlights sind Mangelware aus bekannten Gründen. Vielleicht machen Clubs im Herbst wieder auf? Die meisten Festivals haben sich erneut ins kommende Jahr verschoben, das Traumzeit Festival in Duisburg beispielsweise aber wurde in den September verlegt. Ja, die Hoffnung ist da. Doch im Hier und Jetzt sind andere Zeitvertreibe die Mittel der Wahl, wenn es um Musikgenuss geht. Das ein oder andere Konzert im digitalen Raum sah ich zuletzt. Hier ein kleiner Rundumschlag und ein satter Ausblick!
Reis Against The Spülmaschine Tatsächlich sagte mir der Bandname vorher nur beiläufig was. Doch was die beiden Jungs von Reis Against The Spülmaschine im Online-Format zusammen gebastelt haben, ist schlicht weg kompletter Wahnsinn! Freunde luden zum gemeinsamen Konzertgenuss ein und nach kurzer Zeit war ich Fan! Aus vielen Gründen: 1. Es fand via Zoom statt (der Eintritt hat sich gelohnt) und laufend hat die Band mit allen anderen interagiert! Es wurden Spiele gespielt, man sollte mit dem Lichtschalter Strobo machen, Nudeln in die Kamera halten und so weiter. Total genial. Hanke, seines Zeichens Lehrer, hielt ein wenig bekloppten Online-Unterricht ab, spitzenmäßig! 2. Hanke und Philipp haben sich schön einen angesoffen während der mitunter dreistündigen Darbietung! 3. Das Duo spielt hauptsächlich klamaukige Cover-Versionen mit Änderungen im Text an genau den richtigen Stellen. Echt, es war ein riesiger Spaß! 4. Sie haben Zoom richtig gut genutzt und nach dem Auftritt sogenannte Breakout-Rooms erstellt und - zack! - fand man sich mit anderen Zusehenden zusammen und man lernte sich kennen. Eine ganz wunderbare Idee. Die nächste "Reisküche" steht noch nicht fest. Hanke und Philipp hoffen stattdessen auf analoge Gigs! Hin da!
Niels Frevert Sehr lange hat Niels Frevert am Auftritt im Dortmunder FZW festgehalten und er wurde auch gar nicht abgesagt. Klar, Zuschauer waren keine da, doch als Trio haben sie dennoch gespielt. Die Idee finde ich wahnsinnig toll. Einfach machen! Auch Niels Frevert hat ewig nicht live gespielt. Übertragen wurde es über YouTube und hat keinen Eintritt gekostet. Was mich freudig gestimmt hat: Ich halte das FZW in Dortmund für einen der besten Clubs. Nein, nicht was die Atmosphäre angeht, dafür ist es zu modern. Der Sound vor Ort ist aber schlichtweg überragend! Die Menschen, die dort an den Reglern sitzen, wissen sehr gut, was sie tun! So war es auch bei der Online-Übertragung! Der Sound: klasse! So kamen die feinen, leisen, gefühlvollen Lieder von Frevert, die er mit Klavier und einer weiteren Gitarre als Begleitung dargeboten hat, sehr gut zur Geltung. Auch auf YouTube kann man ja chatten bei Liveübertragungen und es war wunderbar mitzulesen, wie es den Leuten gefallen hat. Fast eineinhalb Stunden hat er gespielt und enorme Lust auf das nächste reale Konzert gemacht!
The Weather Station Der kunstvollste Auftritt, den ich zuletzt im Internet sah, bestritt Tamara Lindeman, besser bekannt als The Weather Station. Auch dieser Stream hat Geld gekostet. Extrem lohnenswert! Denn meine Neugier, wie sie ihr fantastisches Album Ignorance auf die Bühne bringt, war sehr groß. Ein ganz feines, großes, klug arrangiertes Album hat sie im Frühjahr veröffentlicht. Genauso anspruchsvoll wie ihre Musik war auch das Konzert. Als wiederkehrendes Element und als Pause für die MusikerInnen war sie zwischenzeitlich am Strand zu sehen, wo sie Gedichte vortrug. Schöne Idee. Die Qualität der Übertragung war genauso beeindruckend wie bei Niels Frevert. In einem Studio war Lindeman mit ihren MitstreiterInnen zu sehen. Insgesamt haben zehn Leute an dem kurzweiligen Abend mitgewirkt. Neben dem sehr hörenswerten Auftritt, spielte auch das Auge mit. Denn die Kameraführung und das Licht haben die mäandernde, verstrickte Stimmung der Lieder gut untermalt! Ganz große Vorfreude, wenn die Kanadierin mal hierzulande auftreten sollte!
Thees Uhlmann Gestern Abend ging es direkt in die nächste Runde. Auch der Auftritt von Thees Uhlmann sollte analog stattfinden. Sogar mit begrenzter ZuschauerInnenzahl und Hygienekonzept vor Ort in Bremen, doch... ihr wisst schon! Mehrere Bremer Venues fusionierten zum Club 100 und veranstalten seit dem Frühjahr Online-Konzerte im Pier2. Gestern war also Uhl persönlich dran! Zugegeben: Seit einiger Zeit habe ich ein recht gespaltenes Verhältnis zu Thees Uhlmann. Natürlich ist er ein Textgenie, zweifelsohne! Doch mit der zunehmenden Laberei auf der Bühne, ging er mir auch ein wenig auf den Geist. Der gestrige Abend stand dann zusätzlich unter dem Untertitel "Songs & Storys". Puh! Doch es kam selbstredend alles wieder mal anders. Die Vorfreude hat einfach gesiegt. So simpel ist das. Ich hatte tierisch Bock auf den Abend und seine Musik. Seltsamerweise hat er auch nicht mehr erzählt als sonst. Normale Geschichten vom Uhl. Der Club 100 verlangt auch Eintritt und es ist schnell offensichtlich, wieso: Das läuft das äußerst professionell ab! Da arbeitet ein richtig großes Team im Pier2 am Licht, dem Ton, der Kamera. Als Warm-Up war ein aufgezeichnetes Interview zu belauschen, natürlich mit herrlichen Anekdoten von Danger Dan bis Bremen4. Um kurz nach acht ging es los. Gespielt wurde im Quartett. Das Allerschönste: Die vier haben sich im Kreis aufgestellt, konnten sich anschauen, Blicke austauschen. Es war eindeutig zu spüren, wie gut es dort harmoniert und wie viel Spaß es ihnen machte, endlich wieder live zu spielen. Sehenswert auch die Lichtgestaltung im Raum, die Band spielte nicht auf der Bühne, sondern im Zuschauerraum des Pier2, hatte also viel Platz! Das war echt was fürs Auge. Das Ohr hat das bekommen, was es verlangte: Tomte-Klassiker, das (meines Erachtens ein bisschen zu gevorschusslorbeerte) neue Stück Club 27, neue und alte Solo-Songs! Kurzweilig war es zwischen Toten Hosen-Cover und Haake Beck-Socken! Für das richtige Konzertgefühl wurde das Bier auch extra in Plasikbecher umgefüllt! Der professionelle Rahmen hat sich wirklich bezahlt gemacht: Bild und Ton waren astrein! Ein herrliches Vergnügen in komischen Zeiten!
Ausblick: Donots Schon am kommenden Wochenende wird es weitergehen. Ein weiterer großer Name ist dran: Die Donots geben sich die Ehre. Trotz dass die Bühnen des Landes momentan nicht bespielt wird, haben die Donots momentan viel zu tun. Vor zweieinhalb Wochen ist das Buch Heute Pläne, Morgen Konfetti über die Band von Ingo Neumayer erschienen. Ich lese es derzeit, eine Rezension folgt logischerweise. Auch die Ibbenbürener haben sich dazu entschlossen, ihre Fans am Auftritt teilzuhaben. Er findet auch über Zoom statt, kostet ebenfalls Eintritt und es wird wohl interaktiv. Wer dazu keine Lust hat, kann auch 'einfach nur' zuschauen und mit abgehen. Tatsächlich wird am Samstagabend das erste Online-Konzert der Punkrocker stattfinden. Meine Vorahnung: Es wird extrem geil werden! Denn: Diese Band strotzt seit 27 Jahren so so sehr vor Spielfreude und sie sind einfach nicht kaputt zu kriegen. Wieso auch?! Sie haben Bock, es sind extrem sympathische Menschen, die ihr Handwerk verstehen! Schaltet also auch am Samstag ein! Hier gibt es Tickets!