Freitag, 29. Juli 2016

Die Welt spielt verrückt? Was Musiker und Bands dazu zu sagen haben - eine Bestandsaufnahme

(ms) Kein Grund zur Hysterie. Oder doch? Ist es berechtigt Angst zu haben dieser Tage?
Tagtäglich reihen sich Meldungen, die uns stutzen lassen. Dürfen sie uns auch ohnmächtig machen oder ist dies genau das Ziel, was unter anderem Daesh verfolgt, in dem sich die Terror-Gruppe Anschläge aneignet.
Sensibilisierung ist wichtig, wie Yassin Musharbash von der ZEIT sagt. Damit liegt er, wie so oft, wohl richtig. Nationalitäten werden in der Berichterstattung sofort genannt, die dann bei einigen Lesern bestimmte Assoziationen wecken. Der junge Mann aus München hatte wohl schwere psychische Probleme. Wir wollen gar nicht von den Belastungen reden, die Geflüchtete auf ihren Schultern tragen, die seit einigen Monaten hier leben. Wer kann das schon nachvollziehen?
Weiterhin marschieren montags Leute in Dresden. Die AfD sonnt sich in ihrem perversen Erfolg der vergangenen Landtagswahlen. Die nächsten stehen diesen Herbst an.
Also: Was tun?
Wir haben eine kleine Bestandsaufnahme gemacht, wie sich Bands und Musiker dazu verhalten.

Quelle: facebook
Rüdiger von den Sportfreunde Stiller reagiert hier auf den Amoklauf in seiner Heimatstadt München und beantwortet uns eine der obrigen Fragen. Die drei Poprocker engagieren sich seit Jahren in unterschiedlichen Formen gegen Rechts oder für Fair Trade. Das ist gut und richtig so. Kunst ist immer politisch und eine Band wie die Sportfreunde Stiller erreichen wirklich viele Leute unterschiedlicher Altersgruppen, um ihre gute Haltung zu verbreiten.


Eine der umfangreichsten Aktionen initiieren Feine Sahne Fischfilet. Über die Band müssen wir eigentlich nicht mehr viel schreiben. Ihr Engagement gegen Nazis ist unvergleichlich, richtig genial! Sie können bei den großen Festivals abends vor tausenden Leuten spielen oder sie fahren halt mitten in die Provinz, wo es ein paar Leute gibt, die ein alternatives Jugendzentrum aufrechterhalten und dort vor 50 Leuten Lärm machen.
Unter dem Motto "Noch nicht komplett im Arsch" finden seit circa einer Woche in Mecklenburg-Vorpommern Veranstaltungen gegen den Rechtsruck im eigenen Land statt. Im September wird gewählt, die NPD und AfD dürfen wohl auf großen Zuspruch hoffen. Monchi und Konsorten haben was dagegen. Neben Lesungen, Grillabenden, Fußballturnieren mündet die Kampagne im großen "Wasted in Jarmen"-Konzert mit Neonschwarz, The Baboon Show und Aktenzeichen.
Großes Lob für diese Jungs. Wie geil ist das denn?




Das dritte Beispiel: Zugezogen Maskulin.
Musiker machen halt Musik. Zugezogen Maskulin machen Rap.
Ein Song mit dem Titel "Ratatat im Bataclan"? Puh, da muss man erstmal staunen. Allerdings muss man auch Testo und Grim104 kennen, um diesen Track zu verstehen. Sie bewegen sich in einer Grauzone zwischen Zynismus, Realitätsanalyse und dem Versuch alles einordnen zu wollen. Eines ist richtig stark, wenn sie darüber texten, wie schnell man von den Meldungen im Liveticker gelangweilt wird. Alles wird normal, der eigene Verstand ist wie gelähmt.

Wir hoffen, dass weitere Rocker, Rapper, Metaller sich äußern, den Mund aufreißen und klare Stellung beziehen.

Love will never die!

Samstag, 23. Juli 2016

Jenny Weisgerber - "Ashes To Stardust"

Jenny Weisgerber, Foto: Arthur Brell.
(ms) Es gibt so viele unglaublich anstrengende Wochen. Man bekommt überhaupt nichts hin, ist im Stress. Dann warten zu Hause noch tausend Sachen, die auch noch erledigt werden wollen, Bad putzen, Wäsche waschen, sich um seine Liebsten kümmern. Aber am Ende des Tages bleibt nichts anderes, als faul in der Gegend rumzuhängen, und einfach nichts zu machen. Am liebsten möchte man auch gar nicht an den nächsten Tag mit all seinen Aufgaben und Erledigungen denken. Ich bin mir sicher, dass es jedem mal so geht. Klar, solche Phasen kommen und gehen. Doch wenn sie da sind, wird es arg.

Als Alternative zu einem faulen Abend möchten wir Euch das neue Album von Jenny Weisgerber ans Herz legen. Denn davon ist ganz viel in diesen vierzehn Stücken, die zusammen den Namen "Ashes To Stardust" tragen.
Es sind einzelne Kapitel, die dem Hörer Welten öffnen, in die man sich ohne großes Zaudern fallen lassen kann. Sie sind mysteriös, manchmal etwas dunkel und schwer zu durchschauen, dann wieder glasklar, hell und voller Freude. Die Intensität der Bilder, die beim Hören aufkommen lässt sich daher begründen, da die Stücke wahnsinnig minimalistisch instrumentalisiert sind. Fragt hier jemand nach einem Genre, eine Antwort wäre wirklich schwer. Weisgerbers Stimme zittert manchmal bewusst, dann ist sie wieder sanft und im nächsten Moment wieder geheimnisvoll.
"Ashes To Stardust" ist ein ruhiges, aber kein langweiliges Album.
Die Settings der einzelnen Lieder sind gut gewählt. Mit pompösen Besetzungen wird gespart. Mal brilliert eine Trompete, mal ein Cello. Doch im Fokus steht ständig die sanft gespielte Akustikgitarre und ihre Stimme. Schlagzeug? Ja, aber sehr sehr selten,

Der Opener "House on the Hill" zeigt schon sofort, wie Weisgerber ihre Art Musik machen zu wollen, umsetzt. Es stimmt perfekt auf das Album ein. Die Texte schaffen Bilder, sie sind weit, man gehen sie etwas bergab, werden aber wieder aufgefangen. Die Grundstimmung ist leicht melancholisch, dennoch locker, erinnert manchmal an Sehnsucht, wird jedoch nie kitschig. Der harmonisch-eingängige Klang wird ab und an gebrochen, hier muss man zuhören, aufmerksam sein, denn da passiert was. Bei "Hummingbird" hört man im Hintergrund spannende Töne und Klanglandschaften, die einen auch in die Lüfte katapultieren können. Der Titeltrack als Herzstück des Albums wartet mit großem Programm auf, Jenny Weisgerber stürzt sich hier in hohe stimmliche Höhen. Auch groß: "Time has no Lover".

Die Texte sind in den letzten Jahren auf dem ganzen Globus entstanden. Nach ihrem Debut und einer EP hat es sich auf Bühnen überall auf der Welt gebracht. So weltenbummlerisch das klingt ist ihre Musik dabei gar nicht. Und das soll hier als Kompliment aufgefasst werden.
Zu ihrer Musik passt ein guter Wein, ein edles Bier, Ruhe, Gelassenheit und schon ist man mittendrin!

Die Tour zum Album folgt im Herbst.
Wir halten Euch auf dem Laufenden.


Sonntag, 3. Juli 2016

Island Part II: Neues von Sigur Rós!

Von: autoimg.clipfish.de
(ms) Island!
Das Land mit der Population von Bielefeld verzaubert gerade den Otto-Normal-Fußballverstand. Ihnen sind sämtliche eigene und auch fremde Daumen zu drücken, dass sie heute Abend gegen Frankreich gewinnen sollen. Stichwort: Sigthorsson!
Unter all anderen Isländern, die dort nicht einen normalen Job, Touristenführer, Fischfänger oder Profisportler sind, gibt es ja noch eine Vielzahl extrem erfolgreicher Musiker. Stichwort: Kaleo! Oder auch Björk, Ásgeir. Heute geht es mal wieder um Sigur Rós!
Seit Jahren bin ich begeisterter Fan. Eines Tages wollte ich meinen Vater überzeugen, was für eine Mystik, Schönheit, Kraft und feine Struktur in deren Musik liegt. Er antwortete kurz: "Mach diese Walfängermusik aus. Dieses Rumgejaule ist ja unerträglich." Merke: Hier können sich die Geister scheiden.
Ihr siebtes Studioalbum "Kveikur" kam vor drei Jahren raus, eine Welttour folge mit großem Gespann: Bläser, Streicher, Percussion.

Vor wenigen Wochen nun haben Jonsi, Goggi und Orri wieder ihre Siebensachen gepackt und bereisen die Welt mit ihren märchenhaften Klängen. Aber nicht mit fulminanter Begleitung. Nein. Dieses Jahr wollen sie es wissen - back to the roots - und ihre Shows komplett zu dritt gestalten. Erste Gigs haben sie gespielt, die Resonanzen wie gewohnt schlicht umwerfend.

Dazu haben die drei von der Insel vor zwei Wochen ein geheimnisvolles Projekt geteasert: Route One. Was sich dahinter verbirgt, wurde erst kurz vorher enthüllt: Es gab via YouTube ein Live-Umrundung der Insel. Sie schnappten sich ein Hightech-Wagen und streamten die Fahrt ins Netz. Eine schöne Idee, waren da nicht auch elf Kicker zu sehen?!
Zum Ende hin kam aber der richtige Knall!
Keine Aktion ohne fulminantes Ende, mögen sie sich gedacht haben.
Und so waren diese Landschaftsimpressionen ein 24-Stunden-Vorspann zu ihrem neuen Video. Wer kann, der kann. "Óvedur" heißt der eigenwillige Track. Es knarscht, es zerrt, es ist anstrengend. Dann wieder die typisch sphärischen Klangteppiche, bevor es richtig übel wird. Dazu ein wahnsinniges Video. Ein bisschen verstörend, ein bisschen eigenartig. Eine sichtlich trinkende Frau flaniert mit ihrem Wolfshund durch die Gegend, bis sich in einem Pub obszöne Szenen abspielen: Oralverkehr, ausfallende Zähne, Blut, Körperflüssigkeiten, Mutation. Hilfe!
Wohin Sigur Rós damit steuern ist noch nicht ganz klar. Wahrscheinlich gibt es bald ein neues Album, es wäre wünschenswert.
Trotz aller gewalt(tätig)er Bilder bietet "Óvedur" schemenhaft das, was wir von den dreien gewohnt sind: mystisch-schön-mitreißende Klänge.

Da das Video auf der deutschen YouTube-Version verbannt ist, hier der Link zu Clipfish.
Es ist wirklich sehenswert!