Freitag, 22. Januar 2016

F.O.X - "Hypoxia - Part II"

Foto: Jason Arber
(ms) Im Rausch möchte ich mich gern im Sound verlieren. Da muss nicht mal viel Alkohol im Spiel sein - klar, oft hilft es auch. Wenn der Bass so tief, die Hooks einfach stark sind, gibt es kein Halten. Meistens muss ich noch nicht mal die Musik kennen, wenn ich abends unterwegs bin, um zeitverloren tanzen zu gehen. Mitgrölen geht auch zu Hause oder auf Konzerten. Da nervt es vielleicht auch nicht so sehr, kommt drauf an. Es muss dunkel sein im Club, er darf nicht zu groß sein, der DJ geht auf Musikwünsche ein, man hat ausreichend Platz zum Tanzen und lange Anstehen an der Bar muss auch nicht sein. We Are The Younger People.
Natürlich ist es immer bequem, Klassiker zu spielen. Hits, zu den alle abgehen und die Stimmung so richtig hochkocht. Es gibt auch viele DJs, die ab und an was wirklich Unbekanntes reinstreuen. Sie salzen die Suppe so, dass sie extrem genießbar wird! Nebenbei eine richtig gute Neuinterpretation vom Northern Soul Hit "I Want To Know". Tanzen, Tanzen, Trinken, sich weiter verlieren.

Das britische Electro-Trio F.O.X kennt hier mit hoher Wahrscheinlichkeit niemand. Schade drum, denn mit der neuen EP "Hypoxia - Part II" würden sie genau den Soundtrack liefern, den ein richtig guter, bis 7 oder 8 Uhr morgens andauernder Samstag so bräuchte. Es ist Pop, es ist Electro, es sind Synthies, es ist Augen zu und weiter tanzen. Hedonismus hat noch niemandem geschadet.
Erschienen ist die 5-Track-EP letztes Jahr auf 25 Hour Convenience. Inhaber: Libertines-Drummer Gary Powell. Selbst Dave Gahan hat geäußert Fan zu sein. Warum dann nicht mehr?!
Die fünf Songs sind nichts für den Kaffeklatsch. Wer Wye Oak oder die Briten Elephant mag, wird bei F.O.X voll dabei sein. Nicht zuletzt die etwas soulige, kräftige, präzise Stimme von Sängerin Mitzi Fox durchdringt.
Tipp für dieses Wochenende: Ausprobieren. Und danach die kommenden Wochenende auch, weil es schlicht und einfach gut ist!


Dienstag, 19. Januar 2016

Sivert Høyem – „Lioness“

Quelle: paalaudestad.com
(ms) Erstens.
Norwegen hat sich aus dem fossilen Zeitalter verabschiedet und versorgt ab nun das eigene Land mit der Energie aus Thorium. Dies missfällt den russischen Nachbarn und der Europäischen Union. Ein Spiel aus Macht, Einfluss, Selbstbestimmung und Wahrheit beginnt. Das offene und vielfältige Norwegen wird mit russischen Sicherheitskräften und Verwaltern besetzt, um die Energiegelüste der Nachbarn und Verbündeten wieder zu befriedigen. Drama und politisch-gesellschaftlicher Thriller. Das ist grob der inhaltliche Einstieg in die brillante Serie „Occupied“, die letztes Jahr auf arte lief und über bekannte Portale angesehen werden kann. Der Titeltrack „Black & Gold“ wurde von Sivert Høyem geschrieben und einspielt. Er gibt die Dramatik der Handlung musikalisch wieder. Große Klasse!
Zweitens.
Die Gruppe Madrugada gibt es nicht mehr. Sänger und Texter Sivert Høyem macht seitdem unter seinem eigenen Namen Musik. Ende Januar kommt via Hektor Grammophon sein fünftes Album „Lioness“ raus. Pünktlich zu seinem 40. Geburtstag. Das hat mit der Serie nix zu tun. Der Sound ist aber ähnlich und eine tolle Kreuzung aus Nick Cave und Get Well Soon. Es geht viel ums Schlafen, Schlaf an sich und Schlafwandeln. Nachts begegnen uns oft fremde Welten wenn wir träumen. Dunkle Abgründe und seltsame Begegnungen. Oft fragt man sich was das mit der angeblichen Verarbeitung des Tages zu tun haben soll. Gerne würde man wissen was Høyem so träumt. Es muss eine düstere, nebulöse Welt sein, die sich ihm öffnet. Er taucht komplett ein und bezieht Kreativität und Klänge daraus. Diese finden sich so warm und am Nacken hauchend wieder. Wie ein unangenehmer Fremder, der ganz nah hinter einem steht. Seine Stimme ist so angenehm wie bedrückend. So furchterregend tief. Feine Arrangements aus Streichern untermalen diese komplexe Stimmung, die er kreiert.

An Tagen wo es jetzt tatsächlich mal geschneit hat ist es der Soundtrack wenn die Sonne untergeht und man sich verkriechen will. Doch keine angst: Sivert Høyem ist bei euch.


Drittens.
Diese Stimme. Ist einfach unglaublich stark.

Anspieltipps: "Sleepwalking Man", "It Belongs To Me", "V-O-I-D", "Oh, Spider".

"Lioness" erscheint am 29.01 auf Hektor Grammophon via Rough Trade.

Hier ist Høyem demnächst live zu sehen:

10.03.2016 Dresden, Beatpol
11.03.2016 Berlin, Heimathafen Neukölln
12.03.2016 Hamburg, Uebel & Gefährlich
14.03.2016 Köln, Stadtgarten
18.03.2016 Frankfurt, Brotfabrik
19.03.2016 Zürich, Plaza



Freitag, 15. Januar 2016

Rezension: MINT Magazin Ausgabe 1

Quelle: deutschlandradiokultur.de


(ms) Ich höre Musik auf CD, Vinyl und für unterwegs selbstverständlich als mp3-Format. Alle haben Vor- und Nachteile bezüglich Format, Qualität, Praktikabilität. Die CD ist tot, Downloads funktionieren auch nicht so wie erhofft, Streaming boomt enorm und die gute, alte Schallplatte erlebt wieder einen ungeahnten Höhenflug.
Und jetzt habe ich eine Frage: Wie nennt man das, wenn man etwas gelesen hat und dies dann sein eigenes Handeln beeinflusst? Beispiel: Vor gut zwei Wochen habe ich mir die erste Ausgabe der MINT Zeitschrift für Vinylkultur zugelegt, sie aufmerksam und interessiert in wenigen Tagen durchgelesen und anschließend ausschließlich Vinyl gehört. Viele Alben oder Songs habe ich gar nicht auf Platte, sondern nur auf dem Silberling oder auf dem Rechner. Egal. Irgendwie hat es das Lesen präsenter gemacht. Weiß jemand, wie man das nennt?!

Die Dialog GmbH aus Dortmund hat es sich mit Gunnar Schulz als Chefredakteur und Michael Lohrmann als Herausgeber zur Aufgabe gemacht, jährlich acht Ausgaben für eine Zeitschrift über Vinyl herauszugeben.
"Ach", wird man da denken, "Da sind einfach ein paar hippe Vögel auf den Vinyl-Hype-Zug aufgestiegen, haben sich ein paar frische Gedanken für Layout, Berichterstattung und Reportagen gemacht. Alles Bärteträger mit zugeknüpftem Karohemd und Röhrenjeans."
Tja. Komplett falsch gedacht.
Das Team hinter MINT ist im Durchschnitt 40-50 Jahre jung und positive Nerds. Freaks. Platten-Sammler. Messis mit Geschmack und System. Hier ist keiner auf irgendeinen Zug gesprungen, nicht mal davor. Denn die - meistens - Herren dahinter hören nicht seit ein paar wenigen Jahren Vinyl, sondern Jahrzehnte, besitzen Sammlerstücke, sind Musikverrückte. Dass der Zeitraum dennoch passend ist, lässt sich nicht leugnen.
Was bekommen wir also zu lesen?
Interviews, Reportagen, Rezensionen, Ausblicke. Das, was man auch irgendwie erwartet.
Die Auswahl dessen macht diese Zeitschrift aber lesenswert und besonders. Den Wahn auf der Vinyl-Börse in Utrecht, ein erstaunliches Portrait über John Cremer, der sicherlich nur Insidern bekannt ist, aber viel zu erzählen hat von Pink Floyd bis Herbert Grönemeyer. Bücher über Schallplatten werden toll kritisiert und das Herzstück der ersten Ausgabe ist sicherlich die Diskussion "Ist Vinyl auf dem Peak". Damit macht das Magazin keinen Hehl daraus, in welcher Zeit es selbst erscheint. Wir wollen hier keine Inhalte vorwegnehmen. Kauft euch dieses Magazin, das ist es definitiv wert und mit 4,90€ auch wirklich erschwinglich. Ich habe mit mehr gerechnet.
Nur eines muss einfach vorweg gesagt werden: Man liest hier nichts über Alt-J, Wanda, Momfort and Sons, Annenmaykantereit. Nein, kein Wort. Es ist ein Magazin, das sich mit der Schallplatte als Musikmedium beschäftigt und nicht mit den neusten Hypes, oder das, was bald der nächste heiße Scheiß sein könnte. Zum Glück. Dazu kann man was anderes lesen.
Ein Einwand wird erhoben gegen die MINT und ihr Konzept: Dass die Macher und Autoren allesamt eingesessene Rock- und Indie-Hörer sind, wo hingegen DJs und Electro die Schallplatte über die 90er und 00er Jahre am Leben gehalten haben. Den Einwand finde ich okay, aber wiegt nicht schwer.
Für Vinyl-Liebhaber und die, die es noch werden, hat das MINT-Team eine wirklich lesenswerte, großartige Zeitschrift ins Leben gerufen. Es besticht mit Spartenwissen, mit dem man Leuten auf die Nerven gehen kann und Nerdwissen, das Nerdwissen bleibt. Und wenn ihr Sammler seid: Keine Sorge, hier werden richtig schräge Vögel vorgestellt.
Wir sind sehr gespannt, mit welchen Inhalten sie in den kommenden Ausgaben überzeugen wollen.

Dienstag, 12. Januar 2016

Ausblick 2016: Wer könnte es schaffen, was steht an?

Quelle: pixabay.com
(mb/sf/ms) Lasst uns bitte nicht über Vorsätze reden. Das hat doch alles keinen Sinn. Wenn ich meine Ernährung umstellen, mehr Sport treiben, mehr trinken, mehr Konzerte sehen will, dann brauche ich da kein neues Jahr für. Das kann man auch so machen. Trotzdem hat sich die letzte Zahl der Datumsnennung geändert und wir freuen uns mal wieder in die gitarrenlastige Glaskugel zu gucken. Was geht, was passiert, wer schafft es, auf welche Alben können wir uns freuen usw. usf. Wir haben mal wieder den Wirsing angeschmissen und das ist dabei herausgekommen:

Künstler 2016

In uns allen wohnt doch ein kleiner Rap-Fan. Ab und an wird wird unsere Rap-Sucht durch neue, spannende Künstler befriedigt. Die Suche danach ist manchmal wie die gute alte Nadel im Haufen. Fatoni ist nicht neu, doch seine Art und Weise auf seinem zweiten Soloalbum "Yo, Picasso" zu texten, stilistisch und inhaltlich, lässt aufmerken. Oder: Vielleicht das beste, seitdem EinsZwo neu waren?! Jünger und hipper kommen Isolation Berlin daher. Uns Indie-Kids bescheren sie mit einem Sound der an 90er-Jahre Deutschgitarrenpop erinnert. Klingt nach dem klischeehaften Soundtrack der In-Viertel in Hamburg, Köln oder Berlin, kann aber wesentlich mehr. Schaffen sie einen ähnlich krassen Sprung wie Wanda oder AnnenMayKantereit?! Wir werden sehen. Hören tun wir noch von Rat Boy. Es darf wieder geschrammelt werden und so klingen wie The Libertines. Warum nicht. Eine legitime Nachfolge von Jamie T von der Insel. Wenn das nicht funktioniert, was dann?!


Alben 2016

Man kauft ja ohne Ende. Auch Platten und CDs. Einige davon drehen sich nur ein paar Mal und fristen dann ihr Dasein neben einer alten Kuschelrock-CD oder einem Bravo Best-Of von 1994. Dennoch werden wir dieses Jahr wieder voll Freude in den Plattenladen gehen und Schätze mit nach Hause bringen. Marathonmann bringen bald schon eine neue Scheibe auf den Markt und touren anschließend laut durch die Lande. Auch Turbostaat liefern mit "Abalonia" wieder einen kryptischen Titel mit Songs, die mindestens zehn Durchläufe brauchen, bis man ansatzweise den Kern entdeckt hat. Auch unsere Lieblingsaltrocker Nada Surf hauen neues Material auf den Markt. Wir sind gespannt, wie der Sound nun als Quartett klingt und ob es wieder mehr Gitarren zu hören gibt. Auch AnnenMayKantereit präsentieren mit "Alles nix Konkretes" ihr zweites Album über Universal. Wahrscheinlich wird es weggehen wie geschnitten Brot. Hoffen darf man noch, ob Kettcar bereits dieses Jahr nach ihrer Pause ein neues Album präsentieren werden, oder sich noch Zeit dafür nehmen. Immerhin wurde angekündigt, dass Reimer und Marcus für das Kieler Theater und ihre Inszenierung von "Die Räuber" die Musik geschrieben haben. Anna Ternheim darf auch nicht fehlen. Unsere Lieblingsschwedin legt wieder nach, wir warten drauf! Und Ende des Monats liefern Get Well Soon mit "Love" (mal wieder) ein Konzeptalbum. Es soll poppig sein, aber irgendwie auch nicht. Wir werden berichten!

Freitag, 8. Januar 2016

And The Golden Choir - "Another Half Life"

Quelle: zeit.de
(ms) Eine Rezension über ein Album, das vor einem Jahr erschienen ist? Wieso das denn?
Aus vielen guten Gründen. Der naheliegendste ist, dass "Another Half Life" von And The Golden Choir am 18. Januar in den BeNeLux-Staaten erscheinen wird. Außerdem ist schlicht und einfach erwähnenswert, dass diese Scheibe ein außergewöhnliches Hörerlebnis ist. Weiterhin war die Produktion kurios und die Live-Darbietungen von Tobias Siebert und seinem eigenen durch ihn verkörperten Chor ist ein Hinhörer und -gucker.
Sachte, peu à peu.
Wer ist Tobias Seibert? Zum einen derjenige, der uns seinen Jahresrückblick im letzten Dezember geschrieben hat. Zum anderen Sänger, Musiker, Produzent, nimmersatter Experimentierkünstler, zufriedener Melancholiker. Für das letzte Jahr hat er unter anderem die neuen Werke für Herrenmagazin und Enno Bunger produziert. Wir haben es also mit einem Großen zu tun, der es in seinem Auftreten so gar nicht sein will. Er versteckt sich hinter seiner wuscheligen Frisur, langen Mänteln und musikalisch hinter sich selbst. Wie soll das funktionieren? "Another Half Life" wurde komplett im Alleingang aufgenommen mit einer Vielzahl an Instrumenten, wie der Santur, einem Instrument aus der persischen Klassik. Klar. Dabei kommen an die 25 Tonspuren zusammen, er singt mit sich selbst im Chor, mehrstimmig, daher auch der Name.
Dabei kommt eine kleine Märchenwelt heraus. Ein Fest auf einer ritterlichen Burg. Eine mittelalterliche Stadt im Nebeldunst. Eine Seenlandschaft im Sonnenuntergang. Nein, keineswegs kitschig, sondern so stimmungsvoll, dass man es nur hören kann. Am besten mit geschlossenen Augen. Auch live. Da spricht Siebert sowieso nicht so viel mit dem Publikum. Um den mannigfaltigen Klang auf die Bühne zu bekommen ist seine Methode so einfach wie genial. Pro Lied eine Schallplatte ohne Gesang und dem jeweiligen Instrument, welches er dazu vor Publikum spielt.
Es geht hier gar nicht um jedes einzelne Lied. Der Klang ist kein Pop, kein Rock, keine ballernden Gitarren, kein tanzbeinschwingendes Schlagzeug, keine Sythies. Die ganze Platte ist ein Erlebnis. Kauftipp pur!

Schaut ihn euch hier live an:

14.01 Eurosonic Festival - Groningen (NL)
03.02 Lady Bar - Basel (CH)
04.02 Café Kairo - Bern (CH)
05.02 Ooam Festival - Baden (CH)
06.02 Treppenhaus - Rorschach (CH)
07.02 Schafferhof - Neuhaus
09.04 Husum Harbour Festival