(ms) Na, satt? Vor einigen Wochen schrieb ich an dieser Stelle, dass Weihnachten dann so richtig stattfindet, wenn man auch Kitsch zulässt. Es ist dann aber auch Weihnachten wenn man einfach die Zeit mit der Familie verbringt. Das hat nichts mit Kitsch, sondern mit Ehrlichkeit zu tun. Ja, einige ächtzen beim Anblick von Schwiegervater oder der ungeliebten Schwägerin; manchmal dann auch so richtig, wenn sie den Mund aufmachen. Doch sie gehören alle dazu. So ist das nun mal.
Da im Musikgeschäft zwischen den Jahren auch nicht viel passiert, selektieren wir hier mal ganz gemütlich, was wir dennoch Feines gefunden haben:
Turbostaat
Ja, Heidewitzka. Das Jahr ist offensichtlich noch nicht vorbei und hat dann noch ein wahnsinniges Ass im Ärmel. Wir verraten nicht zu viel, aber die Flensburger Jungs von Turbostaat werden im Januar eine beinahe perfekte Version eines Live-Albums herausbringen. Nachtbrot heißt das ganze und es wird euch die Ohren vom Kopf wegfliegen lassen Denn: Wir dürfen schon reinhören und sind hellauf begeistert. Da ist Wumms, Leidenschaft und ein extrem textsicheren Publikum zu hören. Der Grund für die Veröffentlichung: Die Band wird 20! Holt euch das oder geht zumindest auf die kommende Tour:
11.01. - Husum, Speicher (Ausverkauft)
12.01. - Flensburg, Volksbad (Ausverkauft)
14.02. - Hamburg, Markthalle
16.02. - Jena, Kassablanca
19.02. - Köln, Gloria
21.02. - Stuttgart, Universum
23.02. - Göttingen, Musa
13.03. - Münster, Sputnikhalle
16.03. - Hannover, Faust
19.03. - Berlin, SO36 (Ausverkauft)
21.03. - Dresden, Beatpol
22.03. - Erlangen, E-Werk
Tim Hecker
Wenn es weihnachtet, ist endlich mal wieder Zeit zum lesen. Ja, Bücher sind immer noch das Nummer 1-Geschenk hierzulande und auch ich durfte mich über zwei ganz doll freuen. Doch auch fürs Zeitunglesen ist wieder Zeit vorhanden. Apropos: In der letzten Ausgabe der ZEIT findet sich ein langer Artikel zum Thema Stille. Leider ist er nicht so lesenswert, wie erhofft. Nun gut. Das Gegenteil von Stille ist nunmal Lärm oder Krach. Der kanadischer Musiker Tim Hecker soll genau das zum Leitfaden seiner Musik auserkoren haben und einfach laut sein. Klingt spannend. Das ging mir im Sommer so, als ich Mogwai sah. Auch total irre. So hört sich Tim Heckers aktuelles Album an und es ist von Krach doch weit entfernt. Seltsam.
Maximo Park
Es gibt im kommenden Jahr noch eine weitere live eingespielte Platte. Die Protagonisten sind niemand geringeres als Maximo Park. From Books To Boxes ist und bleibt eine irre Indie-Hymne, die auf keiner geschmackssicheren Party fehlen darf. As Long As We Keep Moving heißt die Veröffentlichung und ist nicht nur eine Musikplatte, sondern diese ist Teil eines Studio-Films der Band. Ein Konzertmitschnitt wie oben ist es nämlich nicht, sondern eher eine Revue aus der eigenen, 14-jährigen Schaffenszeit. Dazu, wie das ganze in voller Länge aussehen mag, gibt es mit I Want You To Stay nun einen Einblick, der sich sehen und hören lassen kann:
Yassin
Ja, wir haben ihn hier mit seinem bald erscheinenden Album Ypsilon schon vorgestellt und bestens empfohlen. Nun gibt bereits einen dritten Track aus der Platte von Yassin. Und diese drei Lieder sind so dermaßen unterschiedlich, dass das Album ein wirklich großer Wurf werden kann. Abendland ist hochpolitisch und musikalisch top, Haare Grau ist ein bisschen gaga und mit viel Autotune umgesetzt. 1985 ist nun endlich mit reinem Gesang und ein Track, den man genau so von Yassin erwartet hat. Da es ein Kindheits-und-Jugend-Erinnerungs-Song ist und natürlich mit dem Jahrgang spielt, lässt sich nach mehrmaligem Durchhören schon sagen, dass das deutlich besser passt als bei den Kollegen Marteria und Casper (obwohl der auch als Gast auf Yassins Album zu hören sein wird).
Da man das Video hier nicht einbetten kann, macht bitte KLICK!
(ms) Seit Jahren sage ich mir, dass das kommende Jahr besser wird als das aktuelle. In diesem lag jedoch eine ungeheure Spannung und viel Wirbel. Ich bin mir daher noch nicht so sicher, ob mein Wunsch aus dem letzten Jahr vollends eingetroffen ist. Doch immerhin ist das lästige Studium erfolgreich abgeschlossen und Neues folgt recht fix. Doch hier geht es immer noch um Musik, nicht nur weil sie der wärmende Mantel ist, sondern auch ein antreibender, mitunter heiß laufender Motor ist, der motiviert und auch zur Ruhe kommen lassen kann.
Es gab einiges an großartigen Konzerten in den vergangenen Monaten. Allein vier Mal habe ich Kettcar gesehen, im Hamburg ist dann immer was Spezielles, Sommer '89 jedoch in Rostock gehört zu haben, verleiht diesem Stück noch mehr Kraft, als ihm eh schon inne wohnt. Denkwürdig war natürlich auch der Ausflug nach London zu The Streets, absoluter Wahnsinn. Die Editors wussten auch erneut zu überzeugen, doch am meisten haben mich im letzten Monat Nada Surf in Hannover mitgerissen. Es sind und bleiben dann doch die Bands, die einen seit Jahren begleiten, verfolgen, prägen.
Kommen wir zu den Top 3 Songs des Jahres - ohne Staffelung. Da muss ich vorher immer gucken, was denn dieses Jahr raus gekommen ist und was schon längst Teil von einem selbst geworden ist. Voilà:
Sam Vance Law - Prettyboy
Ihn verfolge ich schon seit langer Zeit und er ist nicht nur ein phantastischer Musiker, sondern auch noch ein hervorragender Entertainer: Sam Vance-Law. Auf das Solo-Album habe ich mich entsprechend stark gefreut und Prettyboy ist die Perle. Insbesondere der Schluss mit dem wiederholenden "I'm a boy, I'm a boy, I'm a boy". Habe in der Indie-Musik selten eine so umfangreiche, ehrliche, unterhaltsame Behandlung über Homosexualität gehört:
Adam Angst - Blase aus Beton
Punkrock war noch nie mein Genre. Oft ist es mir zu platt und es wird halt irre schnell super langweilig, weil das Wesen des Genres doch wenig kreativ ist. Anders Adam Angst. Leider hieß ihr neues Album Neintology. Was für ein irre dämlicher Titel. Dass dahinter jedoch ein Haufen energiegeladener Bretter zu finden sind, war nicht abzusehen. Blase auf Beton ist nicht nur musikalisch, sondern halt auch inhaltlich überragend. In diesem Falle unbedingt auch das Video anschauen:
Yassin - Abendland
Gehört ein Lied, das zwar dieses Jahr raus gekommen ist, dessen tragendes Album aber erst im Kommenden erscheint zu dieser Kategorie?! Dumme Frage, na klar. Seit längerer Zeit höre ich vermehrt Rap - okay, das ist insbesondere in diesem Rückblick nicht zu erkennen - aber Audio88 & Yassin sind einfach erstklassig. Inhaltlich böse, musikalisch top. Nun bringt Yassin endlich sein erstes Solo-Album raus und es könnte super werden. Er ist der einzige Rapper, dem ich Autotune verzeihe. Warum?! Siehe und höre hier:
Zum Schluss dann die krönende Kategorie: Top 3 Alben des Jahres. Das Kunstwerk, das mitgerissen, begeistert und überzeugt hat. Die Wahl ist wie immer mehr als schwer, sehr dennoch:
Hannes Wittmer - Das große Spektakel
Das Album kam erst vor ein paar Wochen raus. Und das umsonst zum Download, im Frühjahr erscheint eine Vinyl-Version. Zudem bestreitet Hannes Wittmer - vorher Spaceman Spiff - seine Konzerte auf zahl-was-du-willst-Basis. Ein radikaler Umschwung; ehrlich und menschlich stark. Darauf enthalten sind mal wieder die Lieder, die mehr als unter die Haut und ganz nah gehen. Wenn ein Musiker es schafft, mit seinen Texten die eigene Gefühlswelt besser zu beschreiben, als man es selbst kann, ist was großes passiert.
Get Well Soon - The Horror
Kurz nach Veröffentlichung und mehrmaligem Durchhören fehlte mir der Zugang zu diesem Album. Dabei bewirkt Konstantin Gropper seit Jahren Enormes: Mit jedem seiner Lieder und Platten weiß er mich endlos zu begeistern. Doch manchmal hilft ein Konzert. Bei mir waren es sogar zwei: Der Auftritt auf dem diesjährigen Reeperbahn Festival und einem Solo-Konzert in der Kölner Philharmonie haben mich mit runtergeklappter Kinnlade zurück gelassen. Es ist und bleibt ein umfassendes, geniales Kunstwerk.
Olafur Arnalds - re:member
Zugegebenermaßen ist Neoklassik - oder wie man dieses Genre auch immer nennen mag - nicht das Genre, was tagaus, tagein bei mir zu Hause läuft. Doch es gibt diese ruhigen Momente, die Genuss und Innehalten verdienen. Dann ist es genau das Richtige. Und der Isländer Olafur Arnalds hat mit re:member ein großartiges Album auf den Markt geschmissen. Da ist so viel Rafinesse, Können und Kreativität zu hören... Wahnsinn! Vielleicht auch zu Weihnachten nochmal genau das Richtige.
(sb) Wow, das ging schnell! Wo ist denn bitte dieses Jahr hin? Arbeit, Familie, Arbeit, Familie, hin und wieder mal Fußball (nur nochmal zur Erinnerung: 1860 ist im Grünwalder Stadion aufgestiegen!), leider fast keine Konzerte, aber dafür umso mehr Promo-Downloads und -CDs und sogar die ein oder andere Vinyl-Schönheit, die den Weg an den Bodensee fanden. Die Prioritäten verschieben sich schon beträchtlich, wenn man Kinder hat und das habe ich 2018 extrem gespürt. Freizeit wird zunehmend zum Fremdwort, umso mehr weiß man jedoch Ausbrüche aus dem Alltag zu schätzen und zu genießen. Das Jahr begann mit einem Fußball-Kurztrip nach Sheffield und Edinburgh, der luserlounge-Betriebsausflug zu The Streets nach London (inkl. Treffen mit Fatoni) war mit Sicherheit ein Highlight, der Familienurlaub in Italien sehr gelungen und nun geht's zum Boxing Day noch einmal auf die Insel - König Fußball lässt grüßen.
Aber dies hier ist ja ein Musikblog, also möchte ich gar nicht weiter abschweifen und meine persönlichen Favoriten des abgelaufenen Jahres vorstellen. Angesichts der Flut an Releases ist das gar nicht so einfach, manche tollen Scheiben fallen da einfach hinten runter oder werden schlichtweg vergessen. Auch sind es nicht zwingend die musikalisch besten Alben oder Songs des Jahres, die mir nun spontan einfallen (anders ist es nicht zu erklären, dass beispielsweise re:member von Ólafur Arnalds fehlt...), sondern die, mit denen ich besondere Erlebnisse verbinde, die mich über einen längeren Zeitraum begleitet haben und die für mich in den vergangenen zwölf Monaten eine spezielle Bedeutung hatten. Also, los geht's:
Songs des Jahres
3. Bayuk - Haaappiiiiiiiiiiiiinneeeeezz
Ich hatte noch nie was von Bayuk gehört und dann haut der Kollege ms eines Tages diesen Track in unsere Facebook-Timeline und ich war nur noch geflashed. Einfach großartig! Zugegebenermaßen gibt mir das komplette Album nicht so arg viel, aber Haaappiiiiiiiiiiiiinneeeeezz höre ich immer wieder sehr gerne an.
2. Milliarden - Stich für Stich
Ein Liebeslied der etwas anderen Art. Der Refrain hat mich vom ersten Moment an gepackt und im Auto bei voller Lautstärke im Pfändertunnel auf dem Weg zur Arbeit entfaltet das Ganze erst seine volle Wirkung. Mitgröhl-Alarm!
1. Calman feat. Fatoni - Manchmal lüg ich meinen Arzt an
Ich kann Euch noch nicht mal sagen, warum mich der Song so anspricht, aber vielleicht ist es diese Selbstverleugnung, die mich jahrelang verfolgte und die mir Calman hier vor Augen führt, die den Track zu was Besonderem macht. Es ist nur ein kleines "d" zwischen "sorglos und glücklich" und "sorglos unglücklich" - danke für die Line des Jahres, Fatoni!
Alben des Jahres
3. William Fitzsimmons - Mission Bell
Die Entstehungsgeschichte dieses Albums ist sehr bemerkenswert (hier nachzulesen) und jeder einzelne Song auf Mission Bell ist einfach nur wunderschön. Unverkennbar William Fitzsimmons und doch einen Schritt weiter als auf den vorherigen Alben. Gänsehaut.
2. Matze Rossi - Musik ist der wärmste Mantel
Ein Live-Best Of in den Jahrescharts, das auch noch kurz vor dem Jahresende erst veröffentlicht wurde? Muss das sein? Ja, das muss! Musik ist der wärmste Mantelvon Matze Rossi ist einfach zu gut, um es außen vor zu lassen und berührt mein Herz bei jedem einzelnen Hören. Der Schweinfurter schafft es einfach immer wieder, genau die Worte zu wählen, die mich ansprechen. Vielen Dank!
1. Juse Ju - Shibuya Crossing
Ich gebe es zu: Shibuya Crossing ist nicht das beste Album des Jahres, aber es ist definitiv das, das ich am häufigsten angehört habe, das mich über Monate hinweg begleitet hat, dessen Zitate in meinen täglichen Sprachgebrauch übergegangen sind und das gleich drei Songs beinhaltet, die es problemlos in meine Top 10-Tracks des Jahres geschafft hätten - zwei davon findet ihr unten. Dazu ist Juse Ju auch noch sausympathisch und wenn ich wirklich gar nix mehr weiß, was ich hören möchte: Shibuya Crossing geht immer!
(ms/sb) Liebe Leserinnen und Leser. Klar, wir sind ein kleiner Blog, der über Musik berichtet. Ein paar Literaturtipps waren mitunter auch schon dabei. Doch ich möchte Euch noch ein anderes Unterhaltungsgenre ans Herz legen: das Kabarett. In den letzten Tagen war ich sowohl bei Jochen Malmsheimer als auch bei Andreas Rebers und konnte mich an beiden Abenden vor Lachen kaum halten. Und der schöne Unterschied zur Comedy ist ja, dass es nicht nur plumpes Abgelache um jeden Preis ist. Es werden Rollen und Charaktere erfunden, es wird mit Sprache gespielt, es geht auch musikalisch zu. Es darf gerne ernst werden und der Finger ganz ganz übel in die Wunde gelegt werden. All das soll sein. Bei Malmsheimer ist es das unendlich reiche Talent, fein, dicht und sehr elegant mit Wörtern zu hantieren. Rebers ist oft halt unglaublich schräg und holt gerne mal aus, aber alles mit einem erkennbaren Augenzwinkern. Beide waren auch vorweihnachtliche Programme, etwas das Musik nicht zwingend leisten kann, vielleicht auch gar nicht leisten muss. Deshalb gibt es ja die unterschiedlichen Formen der Kunst. Hier findet ihr wieder handverlesene Musik von uns für euch:
Friska Viljor
Yes, sie sind wieder da. Das erstaunliche ist, dass sie halt wirklich so gut wie weg waren. Die beiden Superschweden Joakim Sveningsson und Daniel Johansson sind seit vielen Jahren der Kern von Friska Viljor. Joakim durchlitt in den letzten Jahren jedoch eine Lawine aus Abgründen und Niederschlägen, dass die Band so gut wie keine Zukunft hatte. Sein kongenialer Mitmusiker und Freund Daniel hat jedoch nicht aufgehört ihn zu ermutigen und ermuntern weiter zu musizieren. Zum Glück haben sie es geschafft und im Januar soll es die neue Platte geben. Wer ein eigenes Label hat, hat alle Freiheit. So sind Termin und Titel noch unbekannt, doch es ist bereits möglich reinzuhören. Unless You Love Me ist ein hartes Stück, das toll umgesetzt wurde. Das Video hat Joakim selbst gemacht und es ist herrlich geworden. Ganz bald gehen sie mit Band auf Tour. Lasst Euch das nicht entgehen:
Kettcar
Apropos Tour und Ende einer Band. Nach Zwischen den Runden war auch die Zukunft von Kettcar mehr als ungewiss. Das Album war unausgeglichen und teilweise textlich nicht auf dem Niveau, das die Hamburger sonst mühelos zu beweisen wussten. Das ist mit Ich vs Wir bekanntermaßen alles Geschichte und seit einem Jahr ist das Quintett wirklich viel auf Tour und viele der Konzerte waren ausverkauft. Ein wahnsinniger Erfolg und eine verdiente Aufmerksamkeit sind das Ergebnis von Können, Kunst und Kreativität. Zum Glück machen sie vorerst keine Pause, nein, sie arbeiten sogar an neuem Material. Doch zunächst muss es wieder auf die Bühnen gehen, im Frühjahr ist es soweit. Und ihre musikalischen Unterstützer sind niemand geringeres als Love A und Schrottgrenze. Na, wenn sich das mal nicht lohnt?!
Quelle: facebook.com/kettcar
Phela
Es geht weiter mit Touren: Kaum ist die erfolgreiche Album-Ankündigungstour beendet, stehen auch schon die neuen Live-Termine von Phela fest. Wegweiser erscheint am 15.03. und nur eine Woche später macht sich die junge Mutter (siehe Video!) erneut auf die Reise, um ihre Fans (und alle, die es unbedingt werden sollten) live zu beehren.
Quelle: facebook.com/Phela.Offiziell
Millencolin
Auch die schwedischen Skatepunks von Millencolin gehen demnächst mit neuem Album (SOS, VÖ: 15.02.) auf Tour und wer die Herren schon mal live erleben durfte, der weiß, dass da meist große Unterhaltung geboten wird. Also gemma!
Lindemann
Es tut uns wirklich leid. Also echt. Von tiefstem Herzen. Aber wir kommen nicht drum herum dieses Video zu verbreiten. Rammsteins Till Lindemann weiß seit vielen Jahren zu schocken und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Nicht nur mit seinen Texten sondern auch mit der Live-Inszenierung der Band. Häufig brennt es ohne Ende oder irgendeiner wird erniedrigt, meistens muss Flake leiden. Doch wie kommt man allen Ernstes darauf mit 55 ein Lied über Mathe zu schreiben. Und das mit Hafti zusammen?! Und dann noch so unglaublich schlecht. Intern heißt das bei uns: Turboscheißdreck3000. Es kann nur Ironie sein, sonst mache ich mir ernsthaft Gedanken um das neue Rammstein-Album. Bei diesem Armutszeugnis ist es kein Wunder, dass die Kommentarfunktion bei YouTube abgestellt wurde. Den Shitstorm möchte niemand nachlesen. Film ab:
2016 noch ganz wild. Foto: facebook.com/parcelsmusic
(ms) Sie sind der (!) krasse Hype aus den letzten zwölf Monaten. Und das vollkommen zurecht - und das liegt nicht an der Verbindung zu Daft Punk. Bei einigen waren die Parcels ein Geheimtipp, bei anderen vollkommen unbekannt. Zu letzter Gruppe zähle ich mich dazu und habe sie eher zufällig dieses Jahr beim Traumzeit Festival in Duisburg gesehen. Ursprünglich wollte ich die Zeit bis Gisbert zu Knyphausen überbrücken und sah dann unvorhergesehener Weise das beste Konzert am ganzen Festivalwochenende.
Im Nu haben die fünf jungen Australier die aufmerksamen Zuhörer in einen tanzenden, pulsierenden Pulk verwandelt. Denn sie spielen nichts anderes als poppigen Funk. Man wundert sich zwar, was der dünne, junge Paul McCartney mit Schnäuzer am Mikrophon macht, das spielt jedoch überhaupt keine Rolle. Die Stimmung glich purer Ekstase und der kurzweilige Auftritt hat einfach irre Spaß gemacht. Das ist das beruhigende Zeichen: Popmusik darf auch inhaltlich mal belanglos sein. So hat es zumindest den Anschein gemacht. Popmusik darf auch einfach für gute Laune gemacht sein.
Das erstaunliche bei dem Quintett: Sie hatten im Sommer noch kein Album veröffentlicht. Das kam erst im Herbst. Vor Veröffentlichung haben sie sogar die Columbiahalle in Berlin ausverkauft. Hut ab! Da passen über 3.000 Leute rein. Das ist beachtlich aber aus zwei Gründen auch kein Wunder: Erstens wohnen die mode(un)bewussten Typen dort und zweitens ist Berlin bekanntlich für alles zu haben und die Hauptstadt der Hispter.
Im Herbst kam nun das selbstbetitelte Album via Kitsuné/Because Music raus. Und die große und logische Frage lautete natürlich: Können sie auf Platte das halten, was sie live versprachen?
Beim ersten Hören schleicht sich schon eine gewisse Ernüchterung ein. Wenn man sich jedoch einige Male durchgehört hat, gibt es gute Gründe, dass der erste Eindruck fehlgeleitet war.
Denn die saustarken Singles sind ja eh total genial. Dazu zählen Lightenup und Tightuprightnow. In jeder einzelnen Note sind Leichtigkeit und eine ungeheure Lust zu hören, die die fünf zusammenbringt. Dass das ein wenig Potential zur Abnutzung hat und beliebig werden kann, ist nicht zu leugnen.
Doch es gibt es paar Bonmots, die sich auszahlen. Withorwithoutyou nimmt beispielsweise ein bisschen das Tempo raus und spielt stärker mit den Synthies. Als kleiner Gag zählt natürlich auch, dass die Titel alle zusammen geschrieben sind und zwischen den einzelnen Liedern teils keine Pausen zu hören sind. Everyroad ist die große Überraschung des Albums. Nicht nur die Spielzeit von achteinhalb Minuten ist ungewöhnlich, sondern, dass es zum Ende hin einer kleinen Techno-Nummer gleicht. Daft Punk grüßen also ganz gewaltig! Closetowhy ist ein Exempel an Easy-listening-Music, ein Genre, das mir generell sehr zusagt. Kleinere Schwächen wie Exotica seien verziehen. Schließlich verspricht das Ende einen irren Clou. Denn das letzte Stück heißt Credits. Und genau das steckt auch drin. Es ist ein musikgewordener Abspann mit allen Beteiligten und das vorgetragen in Stand-up-Manier. Herrlich!
Es bleibt spannend, wie sich diese Band entwickeln wird. Für das kommende Jahr sind schon haufenweise Termine gesichert, sie spielen zum Beispiel beim Maifeld und Kosmonaut Festival. Doch wie wird sich der Sound ausbauen? Für das zweite Album müssen sie sich etwas einfallen lassen, sonst ist der Hype eben nur ein Hype. Wir bleiben gespannt, wie es mit den Parcels weitergeht.
Bis dahin kann das Debutalbum guten Gewissens genossen werden!
(ms) Dies wird ein persönlicher Text. Denn ab und an bin ich durchaus erstaunt, wie ich an neue Musik gelange. Mal trudeln Mails rein, mal sind es Empfehlungen oder andere Rezensionen, hin und wieder Vorgruppen bei Konzerten oder frische, spontane Entdeckungen auf einem Festival.
Bei Bayuk hat der Faktor Social Media durchgeschlagen. Ein Bekannter, der in der Nähe Konzerte bucht und veranstaltet, pushte den jungen Musiker durch meine Timeline, dass ich mich kaum davor hüten konnte. Zudem beweist dieser Bekannte auch stets ein gutes Händchen und einen feinen Musikgeschmack. Also angeklickt und sofort mitgerissen worden. Fünf Klicks weiter brachte ich in Erfahrung, dass hinter Bayuk ein junger Typ steckt, der mittelmäßig musikverrückt ist. Angeblich wollte er mit zarten zwölf Jahren schon eine eigene Oper schreiben. Bei solchen Geschichten werde ich hellhörig. Nicht nur der Songtitel Haaappiiiiiiiiiiiiinneeeeezz gefiel mir, sondern auch die Musik, die sich dahinter verbirgt. Die Anlehnung an Nehmt Abschied Brüder scheint mir mehr als gewollt und weiß zu überzeugen. Schnell beim großen Videoportal Old June und The Beasts Arrived angesehen und dann war das Urteil klar: Hier steckt große Kunst und viel Köpfchen hinter!
Das Glück verfolgte mich und ich sah Bayuk für ein paar Lieder live beim diesjährigen Reeperbahn Festival im Mojo Café. Die drei Tracks haben mich im Nu so dermaßen in den Bann gezogen, dass der anschließende Albumkauf Pflicht war. Er entwickelte mit seiner Band eine ungeheure Dynamik, einen feinen Druck, gut inszenierte Dramatik. Es wurde halt auch richtig laut, was bei den drei vorher gehörten Songs nicht zwingend zu erwarten war. Verzerrte Stimmen und die Macht des Synthesizers sind nicht zu unterschätzen.
Dass Tobias Siebert auch auf der Bühne stand und diverse Percussions bediente, hat mich später nicht erstaunt. Denn der Kopf hinter And The Golden Choir hat Bayuks Album Rage Tapes produziert. Sieberts eigene Musik ist ja schon sehr vielschichtig und kunstvoll und genauso geht es auch auf den neun Liedern von Bayuk zu.
Zuerst hat mich eine Sache stark irritiert. So etwas wie einen Radio Edit, also eine massenkompatible Version eines Songs, gibt es ja ab und an auch in der Videoversion. Bei Bayuk ist die Abweichung jedoch immens. Die zweite Hälfte von Old June und Haaappiiiiiiiiiiiiinneeeeezz auf Platte weichen stark von der YouTube-Version ab. Das ist anfangs gewöhnungsbedürftig, entpuppte sich aber als genialer Schachzug, denn das gesamte Album ist nicht ganz leicht zugänglich, Songs brechen immer wieder aus, der Opener Phantom Track ist locker achteinhalb Minuten lang. Die Videos sind ein geschickter Köder zu seinem anspruchsvollen Werk. Jedes Lied ist ein kleines Kunstwerk, der rote Faden ist das nicht zu Erwartende. Daher sollte man sich genügend Zeit und Ruhe nehmen, um die Platte auf sich wirken zu lassen. Es lohnt wirklich und lässt dann logisch das Lob zu, wie stark er es auf die Bühne bringt.
Hoffent- und sicherlich wird Bayuk auch im kommenden Jahr auf Tour sein und diverse Festivals bespielen. Schaut euch das mal an!
(sb/ms) Weihnachten ist, wenn man auch guten Gewissens Kitsch zulässt. Beispiel: Unter der Woche war ich Geschenke einkaufen; einiges davon fand ich auch richtig gut. Derzeit habe ich die Zeit, das Studium ist abgeschlossen. Klar, dadurch hebe ich mich von anderen ab, die nicht so viel Freiraum haben. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass man nur so gestresst ist, inwiefern man Stress auch zulässt. Ja, hohe Töne, ich weiß. Da helfen Pausen mal ganz gut. Die gab es mitten in der Stadt. Dazu muss erwähnt werden, dass ich eine gewisse Abneigung gegen Straßenmusiker habe, insbesondere Akkordeonspieler. Ganz, ganz schlimm und nervig. Doch es gibt auch schöne Abwechslung. Zum Beispiel ein junger Pianist, der seelenruhig in der hektischen, trubeligen Stadt stand und lässig ein paar Lieder runterspielte. Ich habe mir etwas zu Essen auf die Hand geholt, mich dahinter platziert und ganz ruhig und angenehm gelauscht. Klar, das war kitschig. Aber halt auch richtig schön. Und eine tolle Alternative. So wie unsere Selektion:
Go By Ocean
Was verbindet Ihr mit San Francisco, Kalifornien? Klar, da gibt's die 49ers, die Stadt gilt als Hochburg der amerikanischen Homo-Szene (schaut Euch unbedingt mal den Film "Milk" mit Sean Penn an!) und auch die ein oder andere coole Band kommt da her, z.B. Faith No More, Black Rebel Motorcycle Club, Two Gallants oder die Dead Kennedys. Mit Go By Ocean schickt sich nun eine weitere Band von der Westküste an, die Indie-Musikwelt zu erobern und veröffentlich heute ihre sehr hörenswerte Faded Photographs EP. Auch wenns darauf gelegentlich laut und treibend zugeht, so vermittelt einem die enspannte Stimme von Sänger Ryan McCaffrey stets das heimelige Gefühl des Zuhauseseins. Sehr angenehm. Bitte gerne bald mehr davon in Albumlänge.
Tiny Ruins
Ganze Drei Wochen benötigten Tiny Ruins, um ihr 2014er-Album Brightly Painted One aufzunehmen, diesmal nahmen sich die Neuseeländer ein ganzes Jahr Zeit und das Ergebnis spricht für sich: Folk und Pop reichen sich freundschaftlich die Hände, Spontaneität und Experimentierfreude sind deutlich erkennbar. Merkt Euch den 01.02.2019 schon mal vor, denn dann wird Olympic Girls auf Marathon Artists / Milk veröffentlicht und Euch bezaubern.
Und auf Tour gehen Sängerin Hollie Fullbrook und ihre Band im Zuge dessen auch noch:
06.04.2019 CH Luzern - Neubad
08.04.2019 München - Villa
09.04.2019 Heidelberg - Karlstorbahnhof
10.04.2019 Berlin - Privatclub
11.04.2019 Hannover - Feinkost Lampe
Justine Electra
Okay, klingt halt wie ein billiger Name für Schmuddelfilmchen. Doch das wollte ich gar nicht schreiben. Sondern Folgendes: Manchmal laufen einem Künstlerinnen und Künstler wieder über den Weg, die man irgendwie aus dem Auge verloren hat. Justine Electra gehört dazu. Vor ein paar Jahren fand ich den Song Killalady richtig stark, habe mir das passende Album geholt und dann verstaubte es irgendwann. Der Lauf der Dinge. Sie ist in Berlin beheimatet und verzaubert die kommenden Tage mit einem weihnachtlichen Lied. Die leichte Zerbrechlichkeit, die sie früher schon ausgezeichnet hat, ist auch auf Christmas in Berlin zu hören. Zum Glück spart sie an Glockenspiel und adventlicher Instrumentierung. Ein toller Song, der auf der gleichnamigen EP zu hören ist. Absoluter Herzenstipp von der luserlounge:
Amanda Palmer
Bleiben wir bei beeindruckenden weiblichen Musikerinnen. In der allerersten Reihe steht da schon seit vielen Jahren niemand anders als Amanda Palmer. Als ich sie letztes Jahr beim Traumzeit Festival gesehen habe, wusste ich, warum sie so einen ausgezeichneten Ruf hat. Eine kluge, umsichtige, mutige Frau, die alle ihre zehn Finger derbe in die Wunden drückt. Das tat sie schon letzten mit Mr. Weinstein Will See You Now. Ein kaum auszuhaltender Song, große Kunst. Nun kommt ein neues Album raus und die Vorfreude ist natürlich groß. There Will Be No Intermission erscheint erst im März, doch man kann schon reinhören. Sie singt über die eigenen Abgründe, Krisen, über die ganz schweren Momente. Das nennt man dann wohl tatsächlich authentisch. Drowning In The Sound ist ein grandioser, breit und stark produzierter Vorbote. Bitte sehr:
Greta van Fleet
Wir müssen uns nochmal über Hypes unterhalten. Dazu schaut euch bitte erst das hier zugehörige Video an.
Okay. Fertig? Gut. Was ist also davon zu halten, dass die Band Greta van Fleet so stark nach oben gepusht wird? Sie sind beim Grammy nominiert und als die große Classic Rock-Hoffnung tituliert. Nun müssen wir festhalten, dass Classic Rock als Genre doch schon mittelmäßig langweilig ist, oder? Klar, alles Geschmackssache, aber wenn hier eine Band, deren Mitglieder alle um die zwanzig Jahre jung sind, zwanghaft versucht wie AC/DC oder Led Zeppelin zu klingen, ist mir das zu billig. Durch ein großes Label im Rücken und der jetzt schon überschwenglichen Berichterstattung darf man diesem Quartett aus drei Brüdern und dem Drummer jedoch eine große Karriere vorhersagen. Sollten sie mal zufällig auf einem Festival spielen, wo ich auch bin, gehe ich Bier holen und was anderes anschauen.
Perkele
Satte 25 Jahre haben Perkele aus Göteborg mittlerweile auf dem Buckel und werden nicht müde, ihre Botschaften in die Welt zu tragen. Die Schweden (mit dem finnischen Namen) sind bzw. waren dem Genre Oi!-Punk zuzuordnen, inzwischen sind die Konturen zu anderen Spielarten des Punk jedoch verwischt und auf ihrem neuen Album Leaders Of Tomorrow (VÖ: 18.01.2019) klingen sie in manchen Tracks fast wie ihre kongenialen Landsleute No Fun At All. Machen wir es kurz: mit Perkele kann man sowieso nie etwas falsch machen, die Riffs sitzen, die Melodien lassen sogar bei Hüftsteifen die Gliedmaßen zucken und der Spaß kommt (v.a. live) eh nie zu kurz.
No King. No Crown.
Boah, ist das stark! Bevor mir die PR-Agentur die Promo von No King. No Crown. zukommen ließ, hatte ich noch nie etwas von der Band aus Dresden gehört und jetzt sitze sich hier, zieh mir das Album Smoke Signals (VÖ: 01.02.2019 auf Kick The Flame) in Heavy Rotation rein und weiß gar nicht, wie ich meine Begeisterung in Worte fassen soll. Indie-Folk, Pop, a bisserl Ambient und dezente Hip Hop-Einflüsse verschmelzen zum Geheimtipp der Woche, wirklich jeder einzelne Track (Favorit: Beneath Our Feet) ist wunderschön und etwas Besonderes. Bestellt das Album am besten sofort vor, zählt die Tage bis zum Release und freut Euch auf eine unfassbar gute Scheibe. Wenn die Musikwelt auch nur ein bisschen gerecht ist, dann geht das Ding steil!
Live gibt es No King. No Crown. bald hier zu bestaunen:
15.02.19 - Dresden - Scheune
16.02.19 - Zittau - Emil
17.02.19 - Berlin - Privatclub
18.02.19 - Chemnitz - Inspire
19.02.19 - Bayreuth - Wohnzimmermucke
21.02.19 - Hamburg - Astra Stube
22.02.19 - Köln - Wohngemeinschaft
24.02.19 - Pforzheim - Horch
25.02.19 - Mainz - Klein Aber Schick
26.02.19 - Wuppertal - Viertelbar
27.02.19 - Münster - Teilchen & Beschleuniger
28.02.19 - Leipzig - Noch Besser Leben
08.03.19 - Görlitz - Rabryka
09.03.19 - Reichenbach - City-HAPPENING
Sportelli
Als Support für Aloe Blacc, Foreigner und Birdy durfte sich Sportelli bereits einem größeren Publikum vorstellen und auch der Gewinn des renommierten Prix du Public auf dem Montreux Jazz Festival zeugt davon, dass der Schweizer dabei ist, sich einen Namen zu machen. Auf seinem am 25.01. erscheinenden Album Fear & Courage lässt Sportelli die vergangenen drei Jahre musikalisch Revue passieren, erweckt im Hörer Fernweh, gibt ihm aber auch die Möglichkeit, Wurzeln zu schlagen und zu sich selbst finden. Man sollte den Sänger aus Biel jedenfalls auf dem Schirm haben! Mein Favorit auf dem Album ist ja das einzige auf Schweizerdeutsch vorgetragene Stück namens Bühni Für Ds Läbe, aber da habe ich hier am Bodensee in Sachen Sprachkenntnisse zugegebenermaßen auch einen Standortvorteil.
Rantanplan
Ska-Punk-Urgesteine - so muss man Rantanplan wohl bezeichnen, denn die Hamburger sind bereits seit 1995 am Start, wobei von den Gründungsmitgliedern nur noch Sänger Torben Meissner an Bord ist, während Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff mittlerweile in der aufstrebenden Nachwuchskapelle Kettcar erste, zarte Erfolge feiern. Genug gescherzt, kommen wir zurück zu Rantanplan: Stay Rudel - Stay Rebel (VÖ: 25.01.2019) ist das mittlerweile zehnte Album der Band und bietet wenig Überraschendes. Und das, sehr geehrte Damen und Herren, ist alles andere als negativ gemeint, denn kaum einer anderen Band gelingt es über so einen langen Zeitraum, sozialkritische und politische Texte in so tanzbare Melodien zu packen. Nach einem Durchhänger zu Beginn des Jahrzehnts haben Rantanplan zu alter Stärke zurückgefunden und werden Anfang 2019 auch den ein oder anderen Konzertsaal zum Kochen bringen.
(ms) Am Ende des Jahres gibt es bei uns immer ein paar Alben, die wir aus den unterschiedlichsten Gründen nicht besprochen haben, obwohl wir große Bewunderer sind. Das holen wir unter dem extrem kreativen Slogan "Un(re)zensiert 2018" nach! Dies soll auch ein kleines Adventskalender-Trostpflaster sein.
Fangen wir an mit Sam Vance-Law und seiner wundervollen Platte Homotopia. Am 2. März erschien sie beim Indie-Riesen Caroline. Natürlich war er bis dahin kein Unbekannter. Einige Jahre hat er Cherilyn MacNeil, besser bekannt als die kreative Energie hinter Dear Reader, begleitet, mit ihr zusammen auf der Bühne gestanden und bei ihren Alben mitgewirkt. Zudem war er für kürzere Zeit mit Emma Greenfield das Duo Traded Pliots, die eine tolle EP herausgebracht haben.
Aus Kanada hat es ihn also dauerhaft in unsere Breitengrade gezogen und konnte Konstantin Gropper und Marcus Wüst für die Albumproduktion gewinnen. Diese stand also unter einem guten Stern. Zehn Lieder finden sich auf Homotopia und es ist ein exzellentes Konzeptalbum geworden, dessen roter Faden im Titel mehr als prominent durchscheint.
Wie lebt es sich also als junger, schwuler Mann in einer scheinbar toleranten Gesellschaft? Wie waren die Schritte zum Coming-Out, was wünscht man sich, wie schön kann man sich einfach mal treiben lassen?
All das kann man nachhören. Dabei ist nicht nur eine starke Ernsthaftigkeit zu ertasten, sondern auch stets ein Augenzwinkern, eine spielerische Leichtigkeit. Der Opener Wanted To legt direkt damit los. Ja, er hat mal Mädchen gedated. Doch Anfeindungen und Schwierigkeiten hielten ihn nicht davon ab, lieben zu wollen. So einfach ist das. So schwierig ist das. Am eindrücklichsten wird dies wohl bei Faggot. Im englischen ein übles Schimpfwort für homosexuelle Männer. Die Vereinnahmung dessen ist immer eine gute Methode, um den Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Augenzwinkermomente finden sich dann auf Narcissus 2.0: "Yes, I would sleep with myself if I were you." Auch gegen einen One Night Stand hat er nichts, I Think We Should Take It Fast erzählt mit erhobenem Haupte davon. Ebenso Prettyboy und Gayby, die beiden absoluten Höhepunkte des Albums, thematisieren die Schönheit des Lebens.
Es lohnt sich also nicht nur aufmerksam auf den Text zu hören. Das schön gestaltete Booklet macht das Nachlesen umso einfacher. Doch es ist auch musikalisch beachtlich. Geschickt spielt Sam Vance-Law die Grenzen zwischen ernsthafter und unterhaltender Musik gegeneinander aus. Immer wieder gibt es klassische Arrangements, Chorgesänge und Streicher. Das wird dann bewusst, wenn er auf der Bühne steht und gleichzeitig singt und Geige spielt. Das sieht nicht nur gut aus, sondern klingt auch phantastisch. Apropos Bühne: Im neuen Jahr ist er wieder mit seiner Band auf Tour und dann dürft ihr euch davon überzeugen lassen, was Sam Vance-Law für ein erstklassiger Entertainer ist. Das kann man jetzt schon verraten. Also besorgt euch diese Platte. Zum Fest, nach dem Fest, auf Tour, egal. Hauptsache ihr habt sie.
(ms) Huch! In nicht mal zwei Wochen ist schon fast wieder alles vorbei und - ungelogen - ich habe bislang kaum was an Geschenken. Daher werde ich mich dieser Tage mal in die überfüllte, mittelgroße Innenstadt begeben und versuchen ruhig zu bleiben. Von der immensen Kommerzialisierung des Weihnachtsgeschäfts bleibt das Musikbusiness natürlich auch nicht aus. In ein paar losen Teilen widmen wir uns dem Wert von Musik. Es soll um das Materielle, Immaterielle, Ideelle und natürlich um Geld gehen. Fangen wir also mit dem Irrsinn an, der sich alljährlich ereignet. Vor einigen Jahren habe schon mal den analogen und digitalen Handel mit Musik in der Adventszeit sondiert. Das war schon einigermaßen grauenhaft und billig. Auch in diesen Tagen bleibt es nicht aus, dass eine Flut an Best-Ofs, Live-Mitschnitten, Weihnachtsalben und anderem aus-dem-Ärmel-Geschüttelten zu haben ist.
Schauen wir uns das mal an:
Das gesamte Geschäft lässt sich in eben jene Kategorien gut aufteilen. Fangen wir an mit Live-Mitschnitten. Diese gibt es ganz normal auf CD, das bessere Format ist jedoch der Film dazu; auf DVD, Blu Ray oder ähnlichem Format. Dieses Jahr sind Coldplay ganz vorne dabei und bringen einen Zusammenschnitt aus Buenos Aires und São Paulo raus. Das ist halt ganz übel. Ist das Live-Album doch dann umso intensiver, wenn es eines am Stück ist und nicht das zusammenstellt, was am Besten passt. Gelbe Karte dafür. Auch Volbeat machen da mit und bieten ab dem 14.12. Let's Boogie! raus. Klar, Musik ist und bleibt Geschmackssache; vor einigen Jahren habe ich mal Volbeat live gesehen und mich tierisch gelangweilt; das will ich nicht sehen. Da die Fanschar aber sehr groß ist, gibt's dafür nur die Weihnachts-Backpfeife.
Auch die kompletten Dumpfbacken, die sich Böhse Onkelz nennen, mischen hier fleißig mit. Und das auf besonders dreiste Art und Weise. Eine Blu Ray ist natürlich eine qualitativ feine Angelegenheit, doch die wir-sind-ja-gar-nicht-rechts-Deppen trauen sich tatsächlich einen Auftritt von 2015 zu verkaufen, drei Jahre später! Die Herren schütteln gewaltig am Ohrfeigenbaum!
Die nächste Kategorie ist: Reguläre Veröffentlichung aus Versehen gut im Weihnachtsgeschäft platziert. Die Pop-Superfrau Robyn macht da mit und veröffentlicht am 14.12. ihr neues Werk Honey. Auch der Oldie-Gitarrenvirtuose Santana lungert in dieser Gesellschaft rum und bringt sein elftes Studioalbum Zebop! am selben Tag auf den Markt. Diesen Freitag veröffentlicht zudem niemand geringeres als CJ Ramone ein Album, das auf den Titel Christmas Lullaby hört. Das ist halt die Masche, die stumpf aber noch einigermaßen okay ist. Denn wenn sich darauf wirklich schöne, weihnachtliche Wiegenlieder finden sollte, schwillt nur die Hauptschlagader an.
In der hier dritten und letzten Kategorie finden sich die Künstler, die eiskalt und ganz offensichtlich das Weihnachtsgeschäft prominent besetzen und unterschiedlichste Jubiläen- oder Best-of-Ausgaben auf den Markt bringen. Dabei sind zum Beispiel Slipknot, die zum zehnjährigen Erscheinen von All Hope Is Gone eine Neuauflage in die Läden bringen. Das ist noch relativ harmlos im Gegensatz zu Depeche Mode. Die haben die Chuzpe, auch am 14. Dezember, zwei Vinyl-Single-Boxen unters Volk zu jubeln. Sie erhalten jeweils sechs 12"-Platten für je 90€. Kann man halt machen, falls Dave Gahan noch einen goldenen Weihnachtsbaum braucht. Das ist reines Geschäft, pure Bereicherung. Zu guter Letzt sind auch Die Ärzte mit von der Partie in diesem irren Karussell. Die spielen nächstes Jahr wieder allerhand Konzerte, headlinen Rock am Ring und im Park und sind zudem in diversen europäischen Großstädten zu Gast. Das wird ihre immense Fanschar schon magnetisch anziehen. Wahrscheinlich auch die gesamte Diskographie, die auf den Namen Seitenhirsch hört und ganze 33 CDs beinhaltet. Kostet auch nur 340€. Runter gerechnet auf eine CD oder eine Platte bei Depeche Mode sind das okaye Preise, doch eigentlich hat keiner dieser Künstler das nötig.
Wir lassen natürlich unsere Finger von dem ganzen Quatsch und halten es hochromantisch mit Olli Schulz:
(ms/sb) Ihr und wir waren es in den letzten Jahren gewohnt zu dieser Jahreszeit, also schon seit sieben Tagen einen Adventskalender auf diesem Blog zu gestalten und zu lesen. Dieses Jahr haben wir es schlicht und einfach nicht geschafft. Dazu fehlen die freizeitlichen Ressourcen, denn die luserlounge ist und bleibt eine Herzensangelegenheit. Wir sind verrückte Fans, die Platten und CDs sammeln, auf Konzerte gehen, so viel es geht und soweit es möglich ist, doch Priorität haben natürlich ganz andere Sachen. So versorgen wir Euch bis zum Feste natürlich wie gewohnt mit neuer Musik, Live-Berichten, der freitäglichen Selektion und allerhand mehr. Das geht zum Beispiel so:
Wire Love
Einst nannten sie sich Orbit the Earth, nun firmieren sie mit verändertem Line-Up als Wire Love - laut ist es damals wie heute und das ist auch gut so! Als Post-Hardcore dürfte man das Ganze wohl bezeichnen und mit Leave The Bones erschien am vergangenen Freitag das Debüt der Band aus Recklinghausen und Münster. Interessanterweise fühlt man sich instrumental gelegentlich an die guten, alten Blackmail erinnert, gesanglich (oder vielmehr: geschreilich) gehen Wire Love jedoch in eine andere, deutlich härtere Richtung; das angezeigte Video ist für Album nicht repräsentativ, sondern untermalt den massentauglichsten Track der Scheibe. Möchte ich mir jetzt nicht zwingend jeden Tag anhören, aber so neben der Arbeit, wenn ich nichts von außen mitbekommen möchte, kommt das schon sehr gut an.
Bilderbuch
Was für ein genialer Coup! Aus dem Nichts warfen Bilderbuch am 04.12. ein Album namens Mea Culpa ins Digitaluniversum. Physisch erscheint die Scheibe dann am 22.02. und kommt dann auch nicht alleine, denn mit Vernissage My Heart steht das nächste Album der Österreicher bereits in den Startlöchern. Marketingtechnisch ein Traum! Musikalisch würde ich mir wünschen, dass Bilderbuch es endlich mal hinkriegen, neben den meist genialen Singles (z.B. Baba, Maschin und Bungalow) nicht nur Füllstoff auf ihre Longplayer zu packen, denn die Ernüchterung war bislang meist recht groß, wenn man mit sehr großen Erwartungen ans Album heranging. Da macht Mea Culpa leider keine Ausnahme... Für mich bleiben Bilderbuch eine der überschätztesten deutschsprachigen Bands der Gegenwart.
AnnenMayKantereit
Ja, die Stimme ist immer noch phänomenal und klingt einfach geil, aber wenn das das Einzige ist, was man als Band so zu bieten hat, dann wird's schon eng. Die Texte haben mitunter mittlerweile Fremdschäm-Niveau erreicht und man möchte regelmäßig die Skip-Taste drücken, um sich den Rest des Songs zu ersparen, aber mindestens einmal muss man da komplett durch, um sich ein Bild des Fiaskos machen zu können. Die ersten fünf Tracks sind durch die Bank furchtbar, danach (Weiße Wand, Hinter klugen Sätzen, Sieben Jahre und Alle Fragen) wird's deutlich angenehmer (ach komm, ich gebs zu: da wirds sogar richtig gut!), aber Songs wie Jenny Jenny zerstören den Gesamteindruck dann doch wieder und gegen Ende hin freut man sich einfach nur noch, dass die CD bald vorbei ist. Nichtsdestotrotz werden AnnenMayKantereit mit ihrem Album Schlagschatten (VÖ: heute) wohl sehr weit oben charten - aber sagt nicht, wir hätten Euch nicht gewarnt...
Erdmöbel
Gestern war Nikolaustag. Habt Ihr auch allerhand Leckereien und Schönes aus Euren Schuhen und Stiefeln geholt und genossen? Oder kam Knecht Ruprecht vorbei? Wie dem auch sei, es weihnachtet schon gewaltig, die Märkte haben geöffnet und lang bis zum Feste ist es auch nicht mehr. Wie jedes Jahr um diese Zeit veröffentlicht die Kölner Gruppe Erdmöbel einen Weihnachts-Song. Das tun sie seit langer Zeit mit viel Kreativität und Konsequenz, dass Sie nannten ihn Putte genau richtig kommt. Ihre Weihnachtsliedersammlung Geschenk ist übrigens mein persönliches Lieblingsweihnachtsalbum. Die Lieder, Texte und Melodien sind erfrischend originell und stimmen auch gewaltig gut ein aufs Fest! Was für ein wunderschönes Lied!
Underworld
Als ich noch nicht so lange in meiner Wahlheimat wohnte, da ging ich zum Beispiel für einen Kaffee da hin, wo halt alle hingehen. Aber nicht zu diesen großen Ketten, das ist ja klar. So entdeckte ich vor sieben Jahren einen ganz gemütlichen Laden, der über zwei Ebenen geht: das fyal. Dort läuft immer Techno, House, Minimal oder wie diese ganzen Genres heißen. Für abends ist das ok. Für tagsüber gewöhnungsbedürftig. Nun haben sie neues Material zum Abspielen, denn Underworld hauten gestern Drift: Episode 1 raus, wovon im Januar ein zweiter Teil erscheinen wird. Natürlich werden die unterschiedlichen Tempi des Techno bedient. Doch wirkt es irgendwie aus der Zeit gefallen, mag man anfangs denken. Doch Tracks wie Another Silent Way oder Dexters Chalk ballern ordentlich gut. Und die Kooperation mit verschiedenen anderen Künstlern und Produzenten ist originell und hörbar nicht immer Techno. Vielleicht fehlt mir für das Gesamtkunstwerk aber auch der Zugang, einige anderen Phasen klingen ermattend. Und als Born Slippy (Nuxx) rauskam, war ich sechs.
Chefboss
In den letzten Tagen wurde der Ballon d'Or verliehen für die besten Fußballspieler der Welt. Kann man von halten was man will. Zum ersten Mal wurde eine Fußballerin ausgezeichnet, eigentlich ist sowas ja lange überfällig. Ada Hegerberg wurde danach von Martin Solveig zum tanzen aufgefordert. Sie hat glücklicherweise abgelehnt; twerken ist eindeutig sexuell konnotiert.
Zack, sind wir beim weiblichen Rap angekommen. Hier sollten wir auch auf keinen Fall die Künstlerinnen auf Äußerlichkeiten reduzieren, sondern die Musik bewerten, gut oder schlecht finden. Das Geschlecht darf einfach keine Rolle spielen. Chefboss ist absolut nicht die Musik, die ich mir privat anhören würde. Ich tendiere eher zu Haszcara, Tice oder sookee. Die beiden Damen haben es jedoch zu erstaunlicher Reichweite gebracht und steuern den offiziellen Soundtrack zum Sziget Festival 2019 bei. Voilà:
Sister Jones
Linz, Du alte Stahlstadt, Du hast uns bereits mit Künstlern wie Texta, Kayo, Average und SHY beschenkt und nun kommen auch noch Sister Jones um die Ecke. Klingt nach Female Hip Hop, ist aber tatsächlich eine sechsköpfige Pop-/Rockband, die bereits seit 2010 besteht und im Januar 2019 ihr Album Breathe veröffentlichen wird. Was uns da erwartet? Sehr entspannte Melodien, angenehme Stimmen, eine Trompete und eine Posaune - ideale Zutaten also für gute Unterhaltung und die bieten Sister Jones in Albumlänge. Netter Sidefact: Breathe ist gespickt mit versteckten Beatles-Zitaten und ich bin sicher, man darf sie behalten, wenn man sie findet. Ja, weiß insgesamt sehr zu gefallen!
(ms) Achtung: Man sollte den Inhalt dieser Box unter keinen Umständen am Stück hören! Das ist ein unmissverständlicher Hinweis, wie mit Mehr ist Mehr! der Hamburger Musikgruppe Superpunk umzugehen ist! Zudem ist dies keine billige Effekthascherei für das individuell aktuelle oder beginnende Weihnachtsgeschäft.
Nein, nein, nein.
Diese Box ist eine Offenbarung. Sie ist eine absolute Notwendigkeit. Und dann gehört sie wiederum doch unter jeden Weihnachtsbaum. Wer Superpunk kennt, der wird vom Inhalt nicht überrascht sein. Die gesamte Diskographie ist ja seit Jahren überall zu haben. Angefangen beim 1999er-Erstling A bisserl was geht immer bis zum schließlich letzten Album Die Seele des Menschen unter Superpunk von 2010. Zwei Jahre später hat sich die Band aufgelöst und wird wohl auch nie wieder auftreten. Es gibt da jedoch einen Charakterzug der Band, an dem man auch sechs Jahre später mit einem großen Grinsen im Gesicht nicht vorbei kommt. Und das ist der Zusammenhang von Witz, Humor, Unterhaltung und Musik. Was wurde in der Musikgeschichte nicht schon darüber diskutiert, ob Musik lustig sein kann, darf oder soll. Superpunk war der Beweis, dass es möglich ist. Ohne Ulkigkeit, mit einem Schalk im Nacken. Die Beweise stecken nicht nur in den umwerfenden Songtexten, sondern auch im wunderschönen Booklet, das der Box beiliegt. Ich durfte es schon lesen und habe mich teils kaum beruhigen können. Nicht nur, dass voller Detailversessenheit die Geschichte der Band von 1996 am Frankfurter Tresen bis 2012 am Hamburger Tresen nachgezeichnet wird, sondern zu jedem Album ein einzelner Text existiert. Darin Anekdoten, dabei Fotos.
1998. Foto: Melle Maecker
Anekdoten: Wie sich Gründungsmitglied Jan Müller lieber mit seiner Zweitband Tocotronic befasste. Wie in den ersten Wochen eine immense Fluktuation herrschte (14 unterschiedliche Musiker!). Wie diese Sätze: "Bulnheim weiß also, woran er bei dem gebürtigen Ostfriesen ist, dessen bisweilen wurstiges, bolleriges Temperament nicht jedermans Sache ist." Wie Bernd Begemann das erste Album auf Kassette aufnahm. Wie erste Konzerte vor keinem einzigen zahlenden Zuschauer stattfanden. Wie 2001 dann an die hundert gespielt wurden. Wie Friedrichs bei der WDR-Rockpalast-Aufnahme sagte: "Jetzt kommt es auf jede Note an, Jungs!" Wie beim Soundcheck neue Songs geprobt wurden, weil die Band nonstop unterwegs war. Wie oder ob Superpunk an der Pleite von L'age d'Or schuld ist. Wie sie Konzerte in Rumänien oder in der Ukraine spielten. Wie das Bandgefüge denn auch ins Wackeln geriet und mit einem großen, wunderbaren Knall beendet wurde.
Denn Mehr ist Mehr! beinhaltet nicht nur die fünf Studioalben von Superpunk sondern auch erstmals einen Livemitschnitt des allerletzten Konzerts unter der Woche im gemütlichen Hamburger Knust. Lattenplatz hurra! Zudem steckt eine Raritäten-Platte drin. Wahnsinn. Hier wurden keine Kosten und Mühen geschont. Wem Musik etwas wert ist, der wird auch kein Problem damit haben für die LP-Box gut 130€ und für die CD-Edition 70€ auszugeben. Es ist gut angelegtes Geld.
Und so funktioniert schließlich die Gebrauchsanweisung für Mehr ist Mehr!: Passenderweise stecken sieben Tonträger in diesem famosen Ding. Täglich soll es einer sein. Der muss dann entsprechend aufgedreht und genossen werden! Denn - pssst: ganz ehrlich - ein bisschen eingängig ist die Musik ja schon. Aber das wussten Carsten Friedrichs, Tim Jürgens, Lars Bulnheim, Thorsten Wegner und Thies Mynther von vorne hinein selbst am besten.
Das hier wissen auch alle (ehemaligen) Fans: Friedrichs und Jürgens macht ja mit Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen den sympathischen Superpunk-Quatsch einfach weiter und führt unter diesem Namen die damals legendären Konzerte zwischen den Jahren fort. Dies kann man sich bald hier - mit bester Empfehlung unsererseits - antun:
27.12. - Bremen - Lagerhaus
28.12. - Hamburg - Knust
29.12. - Berlin - Bi Nuu
Mehr ist Mehr! erscheint morgen, am Nikolaustag (6.12) natürlich bei tapete records!
(ms) Der Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen war am Sonntagabend eine mittelmäßige Katastrophe. Die Hälfte der Züge und S-Bahnen hatte massive Verspätung, der Rest ist ausgefallen. So verweilt man unfreiwillig eine Stunde am Bahnhof in Hamm und alle, die mal dort gewesen sind, wissen wie toll es dort ist. Daher verzögerte sich unsere Ankunft am schönen (also wirklich jetzt) Bahnhof Langendreer in Bochum. Niemand geringeres als Drangsal lud zum letzten Konzert seiner Zores-Tour und der Laden war proppevoll! Kurz vor der Ticketkontrolle haben wir jedoch in ein paar verdutzte Gesichter gesehen, die zum Luftholen nach draußen gekommen sind. Zur gleichen Zeit spielten nämlich Pabst als Vorband und es war ordentlicher Gitarrenkrach. Nun, keine Wertung, da wir dafür viel zu wenig gesehen haben.
Über den großen Besucheransturm war ich doch verwundert. Dass Drangsal eine tolle und polarisierende Kunstfigur aus sich gemacht hat, dessen Hype absolut gerechtfertigt ist, war mir durchaus bewusst, der Erfolg kommt zurecht. Das teils - und Entschuldigung dafür - hysterische Gekreische von Mädels und Jungs vor und nach den Liedern, hinterließ staunende Reaktionen bei meiner Begleitung und mir. Das Publikum bestand aus jungen Studenten und die, die es mal waren. Die 80er-Jahre-Verehrung, mit der Max Gruber in seiner Musik spielt, spiegelte sich auch in der Sonntagabendmode der zahlenden Gäste.
Gruber selbst ist natürlich ein phantastischer Entertainer, der mit Geschlechterrollen spielt und sich selbst exzellent zu inszenieren weiß. Er ist kein enfant terrible, einfach nur jemand, der die Regeln des Showbusiness und der Aufmerksamkeit klug verstanden hat und das Beste draus macht. Doch nicht nur wegen der unterhaltsamen Ansagen und des Bildes, was die Band abgibt, war das Konzert wirklich stark. Es hat musikalisch auch einwandfrei funktioniert. Sowohl die neueren Zores- als auch die etwas älteren Harieschaim-Sachen. Der Mix aus Synthie-Rock und 80er-Kitschtexten weiß durchaus zu gefallen. Highlights waren definitiv Der Ingrimm, Arche Gruber, Turmbau zu Babel und Allan Align. Stark!
Und hoffentlich geht es dem Typen, der beim Crowdsurfen unglücklich gestürzt ist, wieder besser. Die kleinen Mädels vorne haben wohl nicht damit gerechnet und konnten ihn nicht halten.
Nun aber mal ehrlich: Kann der Bassist mal lächeln? Nur ein kleines bisschen und nicht so eingebildet ins Publikum schauen?
Drangsal live. Große Klasse.
Richtig froh war ich schlussendlich auch darüber, dass der Sound gut war. Und zwar der der Band, nicht der im Club. Denn letztes Jahr habe ich Drangsal beim Pfingstopenair in Essen gesehen und da haben sie den großen Klang aus der Album-Produktion nicht auf die Bühne bringen können. Das hat sich grundlegend geändert. Nächstes Jahr geht es hier weiter mit dem Spektakel: