Dienstag, 18. September 2018

William Fitzsimmons - Mission Bell


(sb) Stell Dir vor, Du nimmst zusammen mit einem langjährigen Freund ein Album auf, steckst da all Deine Emotionen rein, arbeitest über Monate hinweg alles auf, was Dich bewegt, öffnest Dein Herz und bist quasi fertig und ready für den Release. Und dann stell Dir vor, dass Dir just in diesem Moment Deine Frau eröffnet, dass sie Dich nicht mehr liebt, dass sie die Ehe beenden will und zu allem Überfluss auch noch seit Monaten eine Affäre mit oben genanntem langjährigen Freund hat. Kannste Dir nicht ausdenken, oder?

„Während wir tagsüber zusammen an der Musik arbeiteten, verbrachte sie nachts die Zeit mit ihm. Im Laufe einer einzigen Unterhaltung hatte das Leben, das ich zu haben glaubte, aufgehört zu existieren. Das galt auch für das Album, das ich gerade vollendet hatte.“ So nüchtern analysiert William Fitzsimmons eine Situation, in die man niemals kommen möchte und die doch so gut zum Meister der Folk-Melancholie passt, der es noch nie so arg leicht im Leben hatte.

Doch Gott sei Dank schaffte es Fitzsimmons auch dieses Mal wieder, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen und traf den aus Nashville stammenden Produzenten Adam Landry, der überzeugt davon war, dass er das Albumprojekt nicht nur retten, sondern es besser machen könne, als der Sänger es vielleicht jemals für möglich gehalten hatte.

Klar, ich kenne das ursprünglich geplante Album nicht, aber ja: Mission Bell ist ein verdammtes Meisterwerk! Ich höre William Fitzsimmons ja schon seit Jahren sehr gerne, war aber häufig von den Studioaufnahmen etwas enttäuscht, weil sie einfach nicht mal ansatzweise an die Intensität der Liveauftritte des Amerikaners heranreichten. Dies ändert sich nun eindrucksvoll: schon der Opener Second Hand Smoke jagt dem Hörer eine Gänsehaut über den Rücken und das zieht sich 40 Minuten lang durch.

Textlich liefert Fitzsimmons sein (über die gesamte Spielzeit betrachtet) mit Abstand bestes Album ab, die Arrangements sitzen perfekt, die karge Instrumentierung unterstützt die melancholische Stimmung zusätzlich und in den letzten Sekunden der Scheibe wird’s doch tatsächlich mal laut.

Foto: Shervin Lainez (GroenlandRecords)
Doch lassen wir den Künstler selbst zu Wort kommen: „Mission Bell ist nicht nur das Resultat der Asche eines gescheiterten Albums und einer gescheiterten Phase meines Lebens, sondern auch die Wiedergeburt des Wunsches und des Ziels, etwas zu schaffen, was zutiefst ehrlich, auf höchst unbequeme Weise persönlich und vollkommen leidenschaftlich sein würde. Es entstand mit absoluter Hingabe, ohne Rücksicht darauf, was ich jemals vorher gemacht hatte oder was noch in Zukunft kommen würde. Entstanden in einem Moment, wo ich so verletzlich und angreifbar war wie nie zuvor. Das ist der Grund, warum ich bis heute auf diese Arbeit so besonders stolz bin. Ich wollte diese Platte eigentlich nicht machen, aber sie ist das Beste, was mir je gelungen ist. Das Album beschäftigt sich mit dem Auge des Sturms, mit der Erkenntnis, dass das Leben, wie du es kanntest, mit einem Mal verschwunden ist. Es ist der Moment, bevor, während und gleich nachdem alles über dich einstürzt, und du dich im nächsten Augenblick verloren, einsam und jeglicher Hoffnung beraubt wiederfindest. Ein Album voller Schmerz, aber paradoxerweise auch voller Freude. Ich teile dieses Album mit Dankbarkeit im Herzen und mit dem Wissen, dass durch das Leiden auch die Möglichkeit entsteht, neue Lebensfreude zu gewinnen.“

Der Dank ist ganz meinerseits für dieses wundervolle Album und dafür, dass der Künstler uns Hörer einmal mehr an seinem Leben, seinen Gefühlen, seinen Ängsten und Hoffnungen teilhaben lässt. Es würde mich nicht wundern, wenn Mission Bell (VÖ: 21.09.) am Ende des Jahres unter meinen Top 5-Alben 2018 landen würde.

Wer die Möglichkeit hat, William Fitzsimmons live erleben zu können, der sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen. Ich war bisher jedes Mal schwerstens beeindruckt und tief berührt von seiner Performance. Hier die Termine:

02.10.  Dresden, Beatpol
04.10.  München, Technikum
08.10.  Stuttgart, Im Wizemann
17.10.  Hamburg, Grünspan
24.10.  Berlin, Heimathafen






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