Dienstag, 30. Mai 2017

Ein Abgesang auf den Sommerhit

Quelle: theoriginaljath.files.wordpress.com
(ms) Die Temperaturen steigen. Und das ist gut so. Es folgt kein Jammern über Hitze, Schwüle, Sommerregen, zu viele Menschen am See, die Tierkadaver auf den Grill hauen. Alles okay, alles super.
Der Sommer, der uns unmittelbar bevor steht, glänzt jährlich mit einem ganz anderen Phänomen, über das es sich wirklich lohnt sich aufzuregen. Wir kommen ganz ohne Umschweife zum Punkt: Es handelt sich um den sogenannten Sommerhit! Das Wort klingt schon böse, dahinter verbirgt sich jedoch ein noch tieferer Abgrund. Ein Abgrund der Musik, der Qualität, des Geschmacks und der Pseudogutenlaune. Denn der Sommer ist ja die Jahreszeit der guten Laune. Oder etwa nicht?! Klar, Vitamin D trägt schon dazu bei, doch bei 10°C und Regen oder Minusgraden und Schnee kann ich auch herrlich gut gelaunt sein; dafür muss nicht zwingend im Juli die Sonne scheinen.
Nun stammt der Verfasser aus einer Gegend, die traditionell vom Westdeutschen Rundfunk beschallt wird. Deren zweiter Sender läuft ab und an, beim Kochen, Zähneputzen oder zur Bundesligakonferenz. Keine Ahnung, ob es deren böse Absicht war, seit Wochen jedoch läuft da in Heavy Rotation "Despacito" von Luis Fonsi featuring Daddy Yankee und es erfüllt wesentliche Kriterien seit der Erosrammazottisierung in den 90er Jahren: 1.) Das Lied ist in einer südeuropäischen Sprache gesungen (portugiesisch, spanisch?), 2.) Ein blechernder, billiger Beat dudelt im Hintergrund, 3.) Dazu eine locker daherkommende Gitarre, 4.) Das Video zeigt schöne, tanzende Menschen in erotischer Pose, 5.) Es nervt tierisch.
Leider wird auch noch ein sechster Punkt erfüllt: Das Bewegtbildmaterial suggeriert in einigen Ausschnitten, dass es einen Mittanztanz gibt. Die Folgekosten von Macarena.
Es gibt so viel schöne, fröhliche Musik. Und das muss nicht immer Reggae oder Dancehall sein. Warum suchen die großen Radiosender sich jedes Jahr einen so schlimmen Song aus, der dann hoch- und runtergedudelt wird? So viel kann ich gar nicht saufen, um das gut zu finden. Noch schlimmer: Soetwas bleibt meist als Ohrwurm hängen.

Hier ein Vorschlag, der auch Mittanzpotential hat aber etwas mehr Klasse:

Freitag, 26. Mai 2017

Dreamcar - No Doubt meets AFI


(sf) Was hat man zu erwarten, wenn sich einige Mitglieder von NO DOUBT (die Älteren unter Euch werden sich erinnern: „Don’t Speak“, "Just A Girl" und so…) und der Sänger von AFI zusammentun, um miteinander zu musizieren? Der Begriff „Supergroup“ geistert bei solchen Konstellationen in der Musikpresse immer ziemlich zügig durch den Raum, aber wird das Quartett dieser Bezeichnung auch nur ansatzweise gerecht? War NO DOUBT nicht in erster Linie Gwen Stefani, deren Schaffen auf Solopfaden einfach nur als grausam zu bezeichnen ist und wo man froh ist, dass man von der seit längerer Zeit nicht mehr musikalisch belästigt wird? Oder standen die Herren Kanal, Dumont und Young völlig zu Unrecht lange im Schatten ihrer Sängerin?

Klar ist: im Hintergrund befinden sich die drei Musiker nachwievor, denn mit dem charismatischen Frontmann Davey Havok (AFI, Blaqk Audio, XTRMST) ist die Leaderrolle doch recht eindeutig besetzt, Überraschungen gibt es aber dennoch reichlich. Doch dazu später mehr…

Die Frühphase einer Band hat stets etwas sehr Romantisches. Die ersten musikalischen Schritte sind meist von einem Gefühl der Unschuld, von Optimismus und allgemeiner Verwunderung geprägt. Im Sommer 2014 begannen die No Doubt-Mitglieder Tony Kanal (Bass), Tom Dumont (Gitarre) and Adrian Young (Schlagzeug) zusammen mit Sänger Davey Havok Songs zu schreiben und Demos aufzunehmen. Ohne einer Menschenseele (mit Ausnahme ihrer Lebensgefährtinnen) etwas davon erzählen, verzogen sich die vier Musik klammheimlich in einen winzigen Proberaum in Los Angeles und schraubten gemeinsam jenes gemeinsame Vehikel zusammen, das nun unter dem Namen DREAMCAR an den Start geht.
 

 
Dumont erinnert sich: „Es hat mich an die Anfangszeit von No Doubt erinnert, als wir in einer Garage in Orange County gejammt haben. Es war dasselbe Gefühl von Freiheit - ohne Label, ohne Manager, ohne Agent und ohne Roadies“.

„Eineinhalb Jahre lang waren es nur wir vier, und wir machten Musik“, ergänzt Kanal. „Wir hatten die Chance, wieder eine ganz neue Band zu sein. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Wir machten nur Musik um des Musikmachen Willens.“

Als Havok die ersten vier Demos hörte, war er sofort Feuer und Flamme. Der Sound versetzte ihn in jene Zeit zurück, als von der New Romatic-Bewegung fasziniert war. „Es war sehr lustig, denn die Songs griffen einen Aspekt meiner kreativen Inspiration und musikalischen Sozialisation auf, der so direkt noch nie zuvor aufgegriffen worden war“, gibt Havok zu. „Einige der bedeutsamsten musikalischen Momente in meinem Leben bescherten mir die ersten Kassetten, die ich mir selbst kaufte, von Duran Duran und Culture Club.“  

Insofern ist es kein Wunder (und da sind wir bei den vorhin angekündigten Überraschungen), dass das Debütalbum Vollgas auf der New Wave-Schiene abfährt, die man bei der Bandbesetzung sicher nicht erwartet hatte. Die schimmernden Gitarren-Licks, der perkussive Slap-Bass, die bombastischen Drums und die verträumte Dancefloor-Seligkeit im unterkühlten Neonlicht sind Dreamcars Hommage an das Jahrzehnt von Boy George und „Back To The Future“, betrachtet durch das Kaleidoskop von jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Musikkreation und Fanbindung.

Schon der Bandname bringt die Ambitionen der Vier auf den Punkt. „Dreamcar kündet von Nostalgie, doch genau, wie es sich der Vergangenheit zuwendet, so sehr geht der Blick auch in Richtung Gegenwert und Zukunft”, erklärt Havok. „Der Name spiegelt Hoffnungen, Ambitionen und den Wunsch wieder, das Unerreichbare zu erreichen. Es wäre toll, wenn die Songs das gleich täten.“

Aber tun sie das? Die erste Single „Kill For Candy” begeistert schon beim ersten Hören mit überschwänglicher Energie und bewusst zuckersüßen Refrain. „Meine Texte sind immer von großer Ehrlichkeit“, erklärt Havok. „Dieser hier handelt möglicherweise von der gefährlichen und ungesunden Sucht nach den süßen Dingen des Lebens.“

Das Album pendelt zwischen nicht ganz salonfähigen Spoken-Word-Passagen im Stile von Frankie Goes To Hollywood (wie z.B. bei dem Song „On The Charts“) und zarter Sehnsucht (wie bei dem Synthesizer-umspülten „Slip On The Moon“, auf dem Havok fleht: „Just look for me, I will look for you“). „Born To Lie“ steigert sich von einer gehauchten Strophe zu einem großen, hymnischen Refrain, der Opener „After I Confess“ kombiniert hypnotischen Gesang mit luftigen Soundlandschaften. „‘After I Confess‘ bringt die Soundfarbe der Band auf den Punkt und sagt: ‘DAS ist Dreamcar’”, so Young. „Es war der erste Song, den Davey eingesungen hat.“    

Man merkt der Band ihren Enthusiasmus förmlich an, die Freiheit, das Losgelöstsein von musikalischen Zwängen. Natürlich muss einem das Ergebnis nicht zwingend gefallen und wenn man auf Rockmusik steht, wird man vermutlich enttäuscht sein.

Wenn man jedoch gerne The Killers und Ähnliches hört, dann ist man hier genau richtig, denn die Pop-Attitüde von DREAMCAR ist nicht nur radiotauglich (wird dort aber mit Sicherheit nie gespielt werden), sondern zu keiner Zeit aufdringlich und dennoch unterhaltsam.

Ich gebe es ehrlich zu: ich hätte mir das Album nie gekauft, bin aber froh, es nun zu haben, denn im Hintergrund läuft das Ding wahnsinnig gut durch und bietet durchaus den ein oder anderen Mitsing-Ohrwurm à la „Kill For Candy“.


 
 

Donnerstag, 25. Mai 2017

Nils Wülker -ON

Lässig in der Badewanne, da zerknittert der Anzug nicht. Foto: David Königsmann.
(ms) Bevor gleich jemand fragt, warum wir denn ein Jazz Album (im weitesten Sinne) rezensieren, muss für diese Musikrichtung dringend eine Lanze gebrochen werden. Jazz war in seinem Ursprung die (!) Musik der Schwarzen in den Staaten und bestach durch ungeheure Energie, Swing und purem Spaß am Spiel. Wer weiß, woran es lag: in den letzten Jahrzehnten hat der Jazz eine unfaire Degradierung erfahren und ist nur Fahrstuhlmusik verkommen, zum Gedudel nebenbei, wenn man in einem schönen Café sitzt. Der Groove, das Magische an der Musik ging verloren. Jeder Musiker, der schon mal Jazz gespielt hat (der Verfasser gehört dazu) weiß, wie unglaublich viel Spaß das ganze macht - und man(n) kann gut Frauen damit beeindrucken.
Beim Lanzebrechen ganz vorne dabei ist seit Jahren auch Nils Wülker, der kommenden Freitag über Warner sein neuntes Album veröffentlicht. Mit diversen Preisen im Gepäck dürfen die Erwartungen ruhig hoch sein. Diesen umgeht Wülker jedoch auf äußerst geschickter Weise, indem er den Musikstil mit dem Produzententeam The Krauts (u.a. Marteria) modifiziert. Dabei herausgekommen sind 12 Lieder, die alle zusammen auf den Namen "ON" hören.
Wichtig: Wer dieses Album nur nebenbei hört, ist - pardon - ein Banause, diese zwölf Stücke sind zum entdecken da. Wülker produzierte selbst und spielt Trompete, die er als seine Stimme nutzt und es macht Spaß seinem Gesang zu lauschen.
Beispiel "Trust": Ein smoofer, lässiger Sound lässt das Album mit leichten Percussions beginnen, die einsetzende Trompete verströmt den Charakter der Improvisation. Nach gut einer Minute setzt ein extrem entspannter Beat ein, der mit seinem satten Bass zum Kopfnicken einlädt. Zum Ende hin überrascht ein Bruch mit temporeichem Schlagwerg und Synthie-Klängen. Man ist geneigt, kurz aufzuschrecken: Das hier hat nichts mit Easy Listening zu tun, das ist einfach nur stark! So mündet ein ruhig gestarteter Song in einem mittelgroßen Feuerwerk.
Beispiel "Never Left It All": Als Ergänzung hat sich Wülker zwei Sänger mit an Board geholt. Der eine ist der Halbwiener Rob Summerfield, der bei diesem Stück singt, welches der Verfasser vor Kurzem schon im Radio zu hören bekam - von wegen Nischenmusik. Die Produktion von The Krauts macht sich hier stark bemerkbar, Jazz wird etwas entrückt und so entsteht hier ein lässiger Sommersong, in dem der soulige Gesang sich mit der Trompete herrlich abwechselt.
Beispiel "Five Arches": Stakkato-Trompete gepaart mit einem satten, geilen Bass-Schlagzeug-Arrangement schraubt das Niveau und die Qualität der Platte weiter nach oben und macht richtig Laune und man fühlt sich vom Anfangsgenre weit weg gerissen.
Beispiel "Change": Niemand geringeres als Marteria hat hier seine Stimme und seinen Text beigesteuert. Dieses krasse Aushängeschild braucht Nils Wülker eigentlich nicht, es fügt sich aber nahtlos in das Gesamtwerk ein und könnte ebenso gut ins neue Solo-Album des Rostockers einfließen.
Also, liebe Leser: Öffnet eure musikalischen Sphären und lasst dieses Album ertönen!






Hier spielt er demnächst live:

03.06.2017 - Hamburg, Elbjazz Festival
22.06.2017 - Ulm, Ulmer Zelt
12.08.2017 - Kassel, Kulturzelt
15.09.2017 - Regensburg, Leerer Beutel
16.09.2017 - Dresden, Tonne
17.09.2017 - Karlsruhe, Tollhaus
18.09.2017 - München, Ampere
19.09.2017 - Stuttgart, Bix
20.09.2017 - Münster, Hot Jazz Club
21.09.2017 - Herford, Musikkontor
22.09.2017 - Hannover, Jazz Club
23.09.2017 - Berlin, Quasimodo
18.10.2017 - Coesfeld, Theater Coesfeld
01.11.2017 - Köln, Stadtgarten
02.11.2017 - Hamburg, Mojo Club
04.11.2017 - Nordhausen, Nordhäuser Jazzfest, Theater
05.11.2017 - Darmstadt, Centralstation

Mittwoch, 17. Mai 2017

Husten - Husten

Husten: Moses Schneider, Tobias Friedrich, Gisbert zu Knyphausen.
(ms) Kleine Selbstbeweihräucherung: Wir haben mal wieder den geilen Scheiß für Euch gefunden!
Es kulminieren: Moses Schneider, Gisbert zu Knyphausen und Tobias Fiedrich.
Friedrich: Eigentlich nur als Der Dünne Mann bekannt und Teil der Band Viktoriapark.
Schneider: Der (!) Produzent von Tocotronic, AnnenMayKantereit, Turbostaat und Olli Schulz.
Knyphausen: Muss nicht weiter vorgestellt werden und bringt dieses Jahr sein drittes Soloalbum raus. Der Dritte kennt den Zweiten über Olli Schulz. Der Zweite den Ersten über die Band Viktoriapark.
So viel ist klar, so viel Verwirrung herrscht vor.
Was machen die nun gemeinsam?
Musik, ist klar. Aber nicht als richtige Band, sondern eher als Projekt und dafür haben sie sich den prägnanten Namen "Husten" gegeben. Alle schleppen in ihren Biographien als Musiker Ideen, Sounds, Riffs und eine gute Melodie mit sich herum, die es nie auf eine Platte oder ein Lied geschafft haben. Das sollte jedem Musiker bekannt vorkommen. So haben sie sich zusammengetan mit ihren Koffern an Ideen und Schnipseln. Dabei ist eine 5-Track-EP mit knapp 14 Minuten Spielzeit herausgekommen. Die drei werden nicht live zusammen auftreten, dafür jedes Jahr im Mai eine weitere EP veröffentlichen: Starke Sache!
Zu hören gibt es schrammelig-treibende Gitarren, Schlagzeuge und Bässe. Trotz, dass man Knyphausens Stimme hört, ist zu erkennen, dass es keine Solo-Angelegenheit ist, da sich der Sound grundsätzlich von seinem eigenen unterscheidet. Dieser ist in der Nähe früher 00er Indie-Veröffentlichungen anzusiedeln: "Rumhängen mit den geilen Typen bis einer heult" halt. Trotz (oder wegen?) des Projekt-Charakters hat der ein oder andere Refrain enormes Ohrwurmpotential. Auf "Sowas von da" wird der Textbausteinanlass ad absurdum oder halt zur Perfektion geführt, wie man will. Bei der Zeile "Wir können es nicht beweisen, aber wir waren da" muss man unumgänglich an Kindheitsausflüge in Schullandheime denken, in denen an den Lattenrosten beim Hochbett hundertfach "Ich war hier" eingeritzt wurde.
Zu "Liebe Kaputt" gibt es sogar ein kleines Video.
Textlich-inhaltlich geht es nicht besonders tief, daher ist es schön und macht jetzt schon neugierig wie sie auf der zweiten EP im Mai 2018 klingen werden!
Auch dann sicherlich wieder gepresst und unter die Leute gebracht von Kapitän Platte aus Bielefeld.


Dienstag, 16. Mai 2017

Egotronic - Keine Argumente!

Egotronic 2017. Foto: Bastian Bochinksi
(ms) Egotronic veröffentlichen diesen Freitag auf ihrem Stammlabel Audiolith ihr - Sage und Schreibe - achtes Album! Was vor elf Jahren als Homemade-Electroprojekt begonnen hat, ist nun endlich eine komplette Transformation zum Punkrock. In "Die Natur ist dein Feind" haben Torsun und Co. sich bereits ausprobiert, waren rockiger mit Indie-Allüren. Das Best-Of "Egotronic C'est Moi" mit der unmissverständlichen Botschaft im Titel, dass es eigentlich nur um Torsun geht, rundete die Entwicklung ab. Nun also "Keine Argumente!" Mit Ausrufezeichen im Titel.
Entgegen anderer Songschreiber hat Torsun letztens in der taz deutlich gemacht, dass er für die Lyrics auf der neuen Scheibe keinen Raum für Interpretationen zulassen will. Das ist durchaus zu hören und wir betrachten das mal Track by Track:

1. Deutschland, Arschloch, Fick dich (feat. The Very Best Vegan Bacon)
Den Song gibt es schon seit längerer Zeit auf YouTube zu sehen, jedoch mit Altersfreigabe. So wie der kompakte Titel schon suggerieren mag, wird das alte Egotronic-Sujet Deutschlandhass aufs Beste bedient mit einem catchy Mitsingrefrain. Guter, neugierig machender Einstieg!
2. Scheiße bleibt Scheiße (feat. Alles Scheisze)
Die Wortwahl bleibt also sehr derbe in den Titel und Texten und ist eines der Lieder mit Gastbeteiligung. Das endlose Gebrüll lässt zu fragen übrig: Ist es Zorn, Wut oder wirklich maßloser Hass auf Deutschland? Dennoch ist es ein ordentliches Punk-Brett, welches theoretisch schon auf einem Vorgänger zu hören gewesen sein könnte.
3. Hallo Provinz
Auch dieses Lied ist aus der letzten Audiolith-Compilation bekannt mit schlagendem Bewegtbildmaterial, wobei für die Albumversion ein wenig am Sound gefeilt wurde. Das Großwerden im Niemandsland von Torsun ist bekannt und wird hier erneut behandelt. Die Provinz als das ultimativ bieder-schlechte Bild des Deutschseins. Wer's mag, okay. Überraschen tut es nicht.
4. Odenwald (feat. Johnny Weltraum & Rod Gonzalez)
Auch bekannt. Diesmal von einer 7" im alten Bandsound. Rod Gonzalez, ja der Bassist der Ärzte fungierte nicht nur als Produzent sondern steuerte hier einen leicht kitschig klingenden Gitarrenriff bei. Selten blöde Zeile: "Weil ich Kontakt zu Menschen brauch', hab' ich mir 'nen PC gekauft."
5. Komm wir zieh'n ans Meer
Argh, gleiches Heimatthema zum dritten Mal hintereinander. Das hätte nicht sein gemusst. Es ist inhaltlich flach und macht langsam den Anschein, als ob man sich hier im Kreis drehen würde und die Platte mal eben so fertiggestellt wurde.
6. Die Elbe oder ein Flugzeug (feat. Johnny Weltraum)
Von der gleichen 7" bekannt wie Odenwald. Mit PEGIDA als Thema (gibt's die noch?) wurde soundmäßig hier der Wandel vom Synthesizer-Projekt zur vollständigen Punkband mustergültig vollzogen: Starker Sound!
7. Die neue Hammerhead
Unter-2-Minuten-Punk-Tradition mit "Ahhhahhh"-Chören.
8. Die Angst vor dem Schmerz
Auf dem achten Track beim achten Album ist die textliche Stagnation vollendet. Wird es hier etwa langweilig und belanglos? Bei dieser Nummer offensichtlich schon!
9. Deine Melodie (feat. Jeans Team)
Die Nostalgie eines 43-jährigen Antideutschen. Puh, langsam wird es echt übel. Die Stärke vom Beginn hat deutlich nachgelassen!
10. Ich weiß die Welt riecht streng nach Pisse
Was soll der doofe Titel für das kleine Liebeslied? Herrlich blöde Zeile: "Die Welt geht vor die Hunde - oder Katzen" - Autsch!
11. An die Wand (feat. Emilie Krawall (Frau Mansmann))
Trotz Feature: Skip!
12. Ihr wollt Arbeit, ich will schlafen
Das Album schleppt sich müde dem Ende entgegen, indem es nochmal auf die Leistungsgesellschaft einprügelt.

Kurz und knapp: Aktuelle Egotronic-Themen werden derzeit wesentlich besser von der Antilopen Gang oder Labelkollegen Waving The Guns besetzt, zwar im Rap aber immerhin!
Die Platte ist unterer Durchschnitt. Das ist schade, da der Verfasser seit Jahren großer Fan ist. Neben der normalen Album-Version ist auch eine im alten Soundgewand zu ergattern.
Ein Trostpflaster bleibt, dass Torsun mit Band auf den Bühnen dieses Landes seine Livequalitäten unter Beweis stellen wird und an jedem Abend ein Feuerwerk abbrennen werden. Ja, darauf kann man sich freuen!

19.05. Berlin - Festsaal Kreuzberg
25.05. Hamburg - Molotow (Der Sky auf Erden)
26.05. Essen - Hotel Shanghai
27.05. Kiel - Campus Festival Contre Le Racisme
03.06. Nürnberg - Rock im Park Festival
04.06. Nürburgring - Rock am Ring Festival
08.06. Hannover - Café Glocksee
09.06. Magdeburg - Feuerwache
10.06. Chemnitz - Smash your Attitude Festival
23.06. Kassel - Goldgrube
24.06. Bad Aibling - Indiebase Festival
29.06. Negenharrie - Off the Radar Festival (Egotronic LoFi)
30.06. Wiesbaden - Youth Culture Festival
01.07. Trier - Summer of Love A Festival
15.07. Reutlingen - Kurt Festival
21.07. Cuxhaven - Deichbrand Festival
29.07. Herzebrock - Herzerockt Festival
12.08. Eschwege - Open Flair Festival
14.09. Rostock - Peter Weiss Haus
15.09. Flensburg - Volksbad
16.09. Münster - Gleis 22
22.09. Dresden - Scheune
06.10. Osnabrück - Kleine Freiheit
07.10. Bonn - Bla
20.10. Amberg - Laut gegen Rechts
21.10. Augsburg - Soho Stage
02.11. Würzburg - Cairo
04.11. Basel - Hirscheneck
16.11. Jena - Kassablanca
17.11. Konstanz - Kula
18.11. Heidelberg - Karlstorbahnhof






Sonntag, 14. Mai 2017

Fatoni und Juse Ju sind im Modus!



(sf) Fatoni gilt als einer der besten Rapper Deutschlands und er hat sich Verstärkung mitgebracht, nämlich den besten Freestyler von Kirchheim unter Teck: Juse Ju. Was soll da schon schiefgehen? Nach zahlreichen ausverkauften Shows auf seiner Tour (z. B. 800 Zuschauer in Hamburg und Berlin) war die Kulisse im Club Vaudeville in Lindau zwar etwas enttäuschend, das Konzert aber umso energiegeladener und intimer.

Statt in der großen Halle befand sich die Bühne (die man nur mit Wohlwollen überhaupt  als solche bezeichnen konnte) nämlich im Vorraum, wo sonst nur Merch-Stand, Bar und Garderobe Platz finden, und auch die recht überschaubare Zuschauerzahl kurz vor Konzertbeginn machte nicht unbedingt Mut. Dennoch gelingt es dem großartigen Club Vaudeville samt Team immer wieder, Konzerte zu Erlebnissen werden zu lassen – eine tolle Location, super entspannte Leute und eine politische Ausrichtung, mit der ich mich bestens identifizieren kann.

Als Juse Ju dann kurz nach 21 Uhr die Bühne betrat, hatten sich zwar nur rund 120 Leute
eingefunden, aber die waren heiß und hatten richtig Bock auf eine geile Show – und Juse Ju lieferte. Das Intro war noch ein bisschen holprig (Oh Gott, diese Dance-Moves…), aber spätestens mit dem folgenden Freestyle war die Barriere überwunden und das Ding lief. Klar, Juse Ju ist jetzt kein ganz Unbekannter, wenn man sich zumindest ansatzweise mit deutschem Hip Hop beschäftigt, aber es ist schon schade, dass irgendwelche Vollproleten zigtausend Alben verkaufen und Künstler mit Aussagen und wahnsinnig viel Talent weitestgehend unbeachtet bleiben. Aber wie soll sich das auch ändern, wenn man Freunde hat wie Juse Ju, die ihn Samy Deluxe als „besten Freestyle Rapper von Kirchheim unter Teck“ vorstellen? Vielen Dank auch. So wird man natürlich nur sehr bedingt ernst genommen.

Aber egal: sausympathischer Kerl, klasse Texte, super Rapstil und ein paar potentielle Hits am Start, die noch Großes erwarten lassen.

Tja, und dann war es Zeit für Fatoni. Meine beiden luserlounge-Kollegen hatten ihn auch bereits auf dieser Tour gesehen und waren schwerstens beeindruckt, ich also dementsprechend sehr gespannt. Inzwischen war die Zuschauerzahl auf 200 angestiegen und bereits als der Mann mit dem Hut samt DJ V. Raeter auf die Bühne kam, war die Stimmung bestens. Was der Münchner Rapper dann in den folgenden gut 1 ½ Stunden ablieferte, war schon extrem geil: die Highlights seines Erfolgsalbums „Yo, Picasso!“ mischten sich mit dem aktuellen „Modus“-Mixtape, Fatoni-Klassiker und geniale Freestyle-Einlagen rundeten das Erlebnis ab. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Fatoni beim ersten Blick auf das spärlich vorhandene Publikum etwas enttäuscht war, aber Zuschauer und Künstler gelang es zusammen, sich in einen Rausch zu steigern, die das Konzert zu etwas Besonderem machten. Besonders sympathisch war dabei die ständige Kommunikation miteinander, was aufgrund der sehr beengten Verhältnisse natürlich ideal funktionierte. Gleich mehrmals wagte Fatoni den Schritt von der Bühne zu den Zuschauern und spätestens als Juse Ju als Unterstützung zurückkehrte, verwandelte sich der Club Vaudeville in einen kleinen aber feinen Hexenkessel, in dem keiner mehr ruhig stehen bleiben konnte, sondern sich einfach tanzender- und hüpfenderweise bewegen musste.



Das obligatorische Stagediving fiel zwar diesmal leider mangels Raum- und Bühnenhöhe aus, der Meister ließ es sich jedoch nicht nehmen, als Mittelpunkt einer Wall of Death zu fungieren – durchaus gewagt in einem Club, der v.a. für seine zahlreichen Punk- und Metalkonzerte bekannt ist. Aber Fatoni kann eh alles und so entkam der Chuck Norris des deutschen Raps auch dieser Gefahr und entließ die durchgeschwitzte Meute mit „Schlafentzug“ in die Nacht.

Ach ja, wie schrieb der Kollege ms neulich so schön über Fatoni: Er. Ist. Der. Beste. Rapper. Deutschlands.




Freitag, 12. Mai 2017

Paisley - Britischer Pop und Rock aus Dresden


(sf) Manchmal kommt man echt wie die Jungfrau zum Kinde. Ehrlich gesagt hatte ich bis Anfang der Woche noch nie etwas von der Band PAISLEY gehört, dann kam seitens der PR-Agentur der Link zum neuen Video, das wir sehr gerne geteilt haben. Bei guter und enthusiastischer Musik wie dieser ist so eine Entscheidung schnell gefällt, doch in der Folge überschlugen sich die Ereignisse.

Teil 1 lest Ihr heute, denn spontan stand uns die Band aus Dresden für ein Interview zur Verfügung. Doch damit nicht genug, denn in den folgenden Tagen haben wir noch eine Überraschung für Euch (und uns!) parat, die es in sich hat.

Jetzt aber erstmal viel Spaß mit PAISLEY.

 
Luserlounge: Hallo Jungs! Schön, dass Ihr Euch Zeit für ein Interview mit uns nehmt. Habt Ihr die Proben für die bevorstehende Tour schon beendet? Was dürfen wir von Euch erwarten?

David: Gerne. Wir sind natürlich nach wie vor am Proben, um neue Songs zu schreiben und natürlich auch, um alle bestehenden Songs perfekt auf dem Kasten zu haben. Was ihr erwarten dürft? Eine Band die richtig Bock hat, ein super tightes Set und eine gehörige Prise Rock´n´Roll!

 
Luserlounge: Ihr kommt ja aus Dresden, klingt aber schon verdammt britisch. Liam, Du kannst das vermutlich am Besten aufklären, oder?

Liam: Gründe für unseren britischen Sound sind natürlich zum Einen unsere
britischen Vorbilder, primär aber meine Herkunft: da mein Vater aus Manchester kommt, ist Englisch eine meiner beiden Muttersprachen.

 
Luserlounge: Eure Tour führt Euch quer durch die Republik und Ihr macht dabei auch Station in zahlreichen renommierten Clubs wie der Moritzbastei in Leipzig, dem Cord in München oder der Groovestation in Eurer Heimatstadt Dresden. Auf der anderen Seite steht aber auch vermeintliche Provinz wie Pfarrkirchen, Isny (für mich ja das räumlich naheste Konzert…) oder Hameln. Wie geht Ihr bei der Auswahl der Städte vor, in denen Ihr Halt macht?

David: Für die Auswahl der Städte und Venues ist größtenteils unsere Booking-Agentur verantwortlich. Generell gilt aber natürlich trotzdem, dass wir alles mitnehmen, solange die Eckdaten (zum Beispiel der Veranstaltungsrahmen) passen.
 

Foto: Goes Right Through Photography
Luserlounge: Klar, Schubladendenken ist unschön, aber: wie beschreibt Ihr denn selber Euren Musikstil? Gibts Vorbilder? Hattet Ihr auch schon die Möglichkeit, mit denen auf der Bühne zu stehen oder zumindest den Backstage-Raum zu teilen?

David: Das ist mitunter eine der naheliegendsten, gleichzeitig aber auch anspruchsvollsten Interviewfragen. Unseren eigenen Stil zu beschreiben fällt schwer – am besten funktioniert das in der Tat über die musikalischen Vorbilder. Zusammenfassend würde ich sagen: Eine Mischung aus Oasis, The Libertines und den Arctic Monkeys. Noch hat sich der Traum, mit einer dieser Bands mal die Bühne zu teilen oder Backstage zu sein, nicht erfüllt – wir arbeiten dran J

 
Luserlounge: Paisley gibts ja nun auch schon seit ein paar Jahren. Wie habt Ihr Euch denn kennengelernt und wie waren Eure ersten Schritte im Musik-Business?

David: Liam und ich kennen uns, seit wir 5 sind. Schon in der Jugend spielten wir gemeinsam in verschiedenen Bands. Zum Studieren zogen wir dann beide nach Dresden und fassten dort den Entschluss, eine neue Band zu gründen. Mittels Castings kamen dann nach und nach Fabian und Luis hinzu, womit die Band komplett war. Die erste Bandphase bestand aus vielen  Songwritingsessions, um bei den ersten Auftritten auch etwas bieten zu können. Anfang 2014 ergab sich dann recht spontan eine erste Auftrittsmöglichkeit in einem Dresdner Club. Es folgten viele verschiedene Auftritte in Dresden und Umgebung. Anfang 2015 wurden UNDRESSED Records auf uns aufmerksam, die kurz danach dann auch unsere erste EP veröffentlichten.

 
Luserlounge: Am 25.05. erscheint Euer neues Album. Erzählt doch bitte ein bisschen was dazu.

David: Das Album als unser erster “großer” musikalischer Output wird die letzten 3 Jahre widerspiegeln. Neben brandneuen Songs sind auch ein paar unserer Evergreens darauf enthalten. Die Aufnahmen fanden im Winter 2016 in den Echolux-Studios unter der Leitung von Magnus Wichmann aus den Lala-Studios in Leipzig statt. Ansonsten möchte ich hier noch nicht zu viel verraten, ihr werdet es dann hören. Wir sind super gespannt auf die Reaktionen!


Luserlounge: Super, vielen Dank. Wir wünschen Euch viel Erfolg fürs Album, massenhaft Spaß auf Tour und freuen uns bereits darauf, von Euren Erlebnissen unterwegs zu berichten.





Dienstag, 9. Mai 2017

Love A - "Nichts Ist Neu"

Die Love Academy. Foto: Andreas Hornoff.
(ms) Es ist gar nicht so lange her, da habe ich mich weit aus dem Fenster gelehnt und der gegenwärtigen Punkrockmusik ihre politisch-kritische Ader abgesprochen. Natürlich war das polemisch und überspitzt. Hier ist jetzt kein Ort, um sich rechtfertigen zu müssen.
Ein sattes Gegenbeispiel haben wir daher zu bieten: Love A bringen am Freitag ihr viertes Studioalbum über Rookie Records heraus. Ohne Umschweife: Es ist stark, es ist bärenstark und gibt dem Punkrock die Einstellung für die das Genre bekannt ist. Und das in einer brandheißen Zeit, in der Erdogan durchregiert, ein orangener Mann einem dicken Asiaten droht, le Pen sehr weit gekommen ist. Nur auf die AfD kann man sich verlassen, die zersetzen sich ganz gut selbst. In Frankreich kann man nun in den nächsten fünf Jahren beobachten, ob Michel Houellebecq Recht hatte mit seinem Roman.



Zurück zur Musik.
Letztes Jahr beim Pfingst-Openair in Essen haben sie noch vor der ersten Note damit kokettiert, dass sie die Band seien, die so wie Turbostaat klingen. Spätestens mit "Nichts Ist Neu" müssen sie das nun wirklich nicht mehr von sich behaupten, wobei diese Aussage auch falsch ist. Beide Bands, auch wenn sie im gleichen Genre angesiedelt sind, haben ihren eigenen Stil entwickelt. Turbostaat sind Textfüchse, die gern sehr kryptisch daher kommen. Die zwölf neuen Tracks von Love A sind zum Teil so herrlich direkt, dass es den Hörer jede einzelne Sekunde erfreut.
Natürlich ist nicht jedes Lied politikgesättigt, vieles spielt sich im Alltag ab und zeugt im Songwriting von einem sehr wachen Beobachtergeist!
Hier unser kleines Track-by-Track-Listening:

1. Nichts ist Leicht: Der Start mit einer satten Portion Gitarren, wie man es zu erwarten hat bei der Band. Doch: Bringt es wirklich nichts, wenn man sich nicht ändert? Es geht - wie der fatalistische Titel suggeriert - genauso los.
2. Nachbarn II: Das erste musikalische und textliche Ausrufezeichen der Platte. Es ist ein spitzfindiger Beitrag zu unserer anonymisierten Art zu wohnen und dem möglichen Verlorengehen in einer Gesellschaft voller Doppelmoral.
3. War Klar: Ein weiterer starker Song, der dem Hörer alle Freiheiten für Interpretationen gibt, denn ob die Zeilen persönlich oder gesellschaftlich (oder oder oder) gemeint sind, wird zum Glück nicht klar. Sonst wird es ja auch schnell langweilig. Und Langeweile kommt in diesen 41 Minuten sicherlich nicht auf.
4. Die Anderen: Ein gutes Beispiel bei dem man veranschaulichen kann, dass eine Band manchmal nicht die wuchtigsten Songs als Single auskoppeln. Diese wurde aber mit einem herrlich trashigen Video versehen, in dem niemand geringeres als Claus Lüer (Knochenfabrik, Casanovas schwule Seite) tanzt.
5. Unkraut: Höhepunkt! Nachrichtenflut, Rechtsruck: "Weil's keine Grenzen gibt, was den Hass anbelangt." Kann man so stehen lassen.
6. Treeps: Leck mich, es geht einfach brutal stark weiter!
7. Sonderling: Rollenverständnis, Ins, Outs, Trends, wer ist normal, was ist normal und wer ist tatsächlich Individualist? Und: Ist die eigene Nische wirklich alles, was uns bleibt?
8. Löwenzahn: Die deutsche Kultur mit ihren schlechten Tugenden werden hier scharf ins Visier genommen, die im allerbesten AfD-Stil aufblühen.
9. Kanten: Den eingefleischten Fans schon von einer 7" bekannt. Und: Was ist denn für ein heftiger Bass am Anfang?
10. Monaco: "Es ist nicht alles Gold, was tanzt." Aber diese Gitarren, Gitarren, Gitarren. Ganz großes Ohrwurmpotential.
11. Weder Noch: Ein weiteres gutes inhaltliches und punkrockiges Lied, welches meine These von oben eindrucksvoll widerlegt.
12: Verlieren: Ende.

Wir empfehlen den Kauf aufs Wärmste.
Hier sind Jörkk, Stefan, Dominik und Karl demnächst unterwegs:

11.05. - Münster, Gleis 22
12.05. - Nürnberg, Desi
13.05. - Berlin, Festsaal Kreuzberg
24.05. - Hamburg, Molotow
25.05. - Düsseldorf, Zakk
26.05. - Wiesbaden, Schlachthof (+ Keele)
27.05. - Leipzig, Conne Island (+ Keele)
01.07. - Trier, Sommerbühne Festival @Exhaus
14.07. - Dortmund, Youth Brigade Festival
21./22.07. - Cuxhaven, Deichbrand Festival
20.-23.09. - Hamburg, Reeperbahnfestival
29.09. - Hannover, Faust
30.09. - Flensburg, Volxbad
01.10. - Rostock, PWH
02.10. - Bremen, Tower
27.10. - Weinheim, Café Central
28.10. - Koblenz, Circus Maximus


Sonntag, 7. Mai 2017

Live in Dortmund: Michael Wollny und Konstantin Gropper

Wollny & Gropper. Foto: Facebook
(ms) Dieser kurze Artikel wird unzulänglich sein und von vorne hinein nur einem der beiden Künstler gerecht werden können. Denn über Michael Wollny hat der Verfasser nur mal einen kleinen Beitrag im ZEIT Magazin gelesen sowie sich vor dem Konzert in aller Kürze via Wikipedia schlau gemacht.
Wollny stand an diesem Abend jedoch im Fokus, da er im Rahmen der sogenannten Zeitreise im Konzerthaus Dortmund sechs Konzerte in drei Tagen spielt. Und auch, da er der aktuell renommierteste Jazzpianist dieser Lande ist. Sein Werk kann hier also nur im absoluten Mindestmaß gewürdigt werden.
Das Tun von Konstantin Gropper hat der Verfasser jedoch schon seit seinem Debut verfolgt und ihn als Band Get Well Soon zwölf Mal erleben dürfen. Seine Virtuosität, seine Kreativität und musikalische Leistung bringt er auf jedem seiner Veröffentlichungen zur Bestform, ebenso auf der Bühne.
Zwei Mal war er schon im Konzerthaus im Rahmen des Pop Abo, einmal mit Streicher- und Bläserquartett, im letzten Jahr in Bandbesetzung mit Hackbrett!
Nun also sind sie zu zweit, zwei musikalische Ausnahmekünstler, die einen Liederabend veranstalten. Kennen tun sie sich schon länger, standen in Heidelberg bereits gemeinsam auf der Bühne und haben vor Weihnachten den gestrigen Abend geplant. Als Grundlage diente Franz Schuberts "Winterreise", das 24 Lieder umfasst und melancholische Traurigkeit verspricht. Da Wollny an dem Abend schon gespielt hat, begonnen sie erst gegen viertel vor elf, angesetzt war eine Stunde.
Die Winterreise wurde jedoch famos variiert. Den Startschuss gab "We Are Safe Inside While They Burn Down Our House" von Groppers Erstling. Es folgten Schubert-Originale und sicher haben die beiden sich vorgenommen auch das Publikum zu unterhalten. Beide haben jedoch bekennen müssen, dass sie es als Comedy-Duo nicht besonders weit brächten. Recht haben sie und so gingen die Lieder mit berechtigten Applauspausen ineinander über. Genauso taten es die Musiker. Gitarre, Klavier und Stimme bildeten schon nach kurzer Zeit eine Einheit. Man könnte die Instrumentalisierung als minimalistisch bezeichnen, was sie jedoch an Klang, Sound und Wucht entfalten konnten, war beeindruckend. Genauso die leisen, andächtigen, ruhigen Parts; Qualität war ja in ausreichendem Maße vorhanden.
So konnten sie es sich auch leisten Madonnas "Frozen" zu spielen, jedoch in einer noch nie da gewesenen Art und Weise. Was dabei einzelne Besucher veranlasste, die Veranstaltung zu verlassen, bleibt ein Rätsel. Es folgten noch "Age 14, Kumping Off The Parents' Mazzanine" von Groppers "Henry"-EP. Unter großem Beifall der ungefähr 400 Gäste ging die Stunde schnell vorbei. Ein letztes Lied hatten sie noch, das zum Entstehungszeitraum des Sets gehörte. Ja, es war ein Weihnachtslied und es war herzzerreißend schön! So wurden die aufmerksamen Zuhörer mit "Frohe Feiertage" in den Dortmunder Abend entlassen.

Freitag, 5. Mai 2017

Attic Giant - Flush EP

(sf) Wie Ihr sicher wisst, betreiben die Herren "ms", "mb" und "sf" die LUSERLOUNGE rein zum Spaß an der Freude auf Facebook und als Blog. Wir verzichten bewusst auf Werbung und zahlen eher drauf, als dass wir etwas verdienen. Unser Benefit sind also in erster Linie die Demos und Promos, die uns einige Labels zur Verfügung stellen und selbst da kommt es mitunter vor, dass das Anhören eher Qual als Vergnügen ist. Ganz anders bei ATTIC GIANT aus Österreich: am 26.05. erscheint die Debüt-EP "Flush" und der einzige Kritikpunkt ist tatsächlich, dass das gute Stück nur vier Tracks enthält und man doch lieber sofort deutlich mehr davon hören möchte.

Wie kommt man als kleiner Blog denn auf solche Künstler? Ganz einfach: man wird kontaktiert, in diesem Fall von einer Hamburger PR-Agentur mitsamt Label namens BETTER CALL ROB. Und ja, von dort sind in letzter Zeit richtig coole Sachen zu uns reingeflattert, z. B. KRAKÓW LOVES ADANA und nun eben ATTIC GIANT.

Was aber hat der geneigte Hörer zu erwarten? So ganz einfach ist das nicht zu erklären, denn Daniel Tischler, der Künstler hinter ATTIC GIANT, verpackt seine Melodien in angenehmen Folk, dem man aber durchaus noch anhört, dass die ursprünglichen Songideen im heimischen Schlafzimmer aufgenommen und erst nachträglich im Studio verfeinert wurden.

Anstelle konventioneller Pop-Instrumentierungen werden die Stücke getragen von klassischem
Schlagwerk und Holz- und Blechbläsern, typische Strukturen und Abläufe sind konsequent ausgespart. Die fragmentarischen Texte, die an die Stelle des Erzählens von Geschichten treten, werden vielmehr gehaucht oder geatmet denn tatsächlich gesungen. All das, indem die anfänglichen LoFi-Avancen auch weiterhin das ästhetische Gerüst der Songs bilden. Die umfangreiche Weiterentwicklung der Stücke resultiert darin, dass ATTIC GIANT seine Musik nunmehr als 5-köpfige Band auf die Bühne bringt.

Mal fühlt man sich ein wenig an Tobi Kuhns Band MONTA erinnert, im nächsten Moment könnte man kaum weiter entfernt davon sein. Und doch: ATTIC GIANT funktioniert ganz hervorragend und ich habe mir die vier Songs kürzlich tatsächlich mal in der Arbeit einen ganzen Nachmittag auf Endlosschleife angehört. Es wurde zu keiner Zeit langweilig oder eintönig, dafür sorgt Tischler durch die abwechslungsreiche Instrumentierung und zum Teil überraschende Tempo- und Lautstärkewechsel. Das ist großartig und das schreit nach mehr!

Der österreichische Radiosender FM4 feierte ATTIC GIANT bereits, als die "Flush" EP noch nicht mal zu Ende geschrieben war und wir können uns da nur anschließen. Heute erscheint mit "Blow" die erste offizielle Veröffentlichung und liefert den wohl besten Vorgeschmack auf die EP, die Ihr Euch nicht entgehen lassen solltet.



Donnerstag, 4. Mai 2017

Live: Tom Schilling & The Jazz Kids in Münster

Tom Schilling (m.) mit zwei der Jazz Kids. Foto: luserlounge
(ms) Was darf man nun also erwarten nach diesem fulminanten Debut?
Offensichtlich muss man bei dem singenden Schauspieler auf der Bühne noch andere Maßstäbe an den Tag legen als beim Schauspieler auf der Platte.
Die Frage nach dem potentiellen Publikum ist bei einem Konzert natürlich angebracht. Jeder, der da ist, unterhält sich natürlich über seinen Nachbarn außer Hörweite oder denjenigen, der gerade vom Klo gekommen ist.
Wer geht nun also zum Tom Schilling-Konzert?!
Kurioserweise lässt sich dies relativ einfach beantworten. Es sind drei Gruppen. Zum ersten: Junge Damen, die den Typen einfach heiß finden und vielleicht auch seine Rolle als Sänger mögen. Zum Zweiten: Feuilleton-Leser ab Anfang 40 bis Mitte 60, die sich ihren Status als eben solchen ansehen lassen, und den singenden Schauspieler mit ihrem ach-so-kritischen Blick einmal genau studieren wollen. Zum dritten: Menschen jeden Geschlechts, die die Musik einfach gut finden, die er kurz und knapp auf "Vilnius" veröffentlicht hat.
Neben dem Gleis22 in Münster hätte es sicherlich noch andere Örtlichkeiten gegeben, die der zweiten Zielgruppe gelegen wäre, wenn sie beispielsweise bestuhlt wäre. Nun ist das Gleis22 legendär (das ist nicht übertrieben) und profitiert auch von der Energie, die sich im mäßig belüfteten Raum entwickelt. Spätestens an der Theke, wo es keinen Schnaps gibt. Wie geil kann der Laden eigentlich sein?! Selbst Uhlmann schwärmt!
Zurück zu Schilling und seiner Band.
Oder besser noch: Zu der famosen Vorband Matthew Matilda, die dem kritischen Publikum einen herausragenden Start in den Abend geliefert haben. Zu zweit an unterschiedlichen Gitarren, am Cello und Bass wurden sie am Schlagzeug unterstützt. Die Münchener Band spielte eine herausragende Mischung aus Blues, Jazz und Gitarrenrock, der herrlich in eine verrauchte Kneipe passt oder auf die EP, die sie vor kurzem veröffentlicht haben. Jede Textzeile, jeder Riff, jeder Akkord, jede Note war genau an ihrem vorhergesehenen Ort und hat die Zuhörer in ihren Bann gelockt.
Nach diesem gelungenen Warm-Up betraten erst die Jazz Kids die Bühne und dann Schilling selbst, der sich vor- und nachher gern rauchend unter die Besucher mischte.
Die Gitarren rotzten, der Bass eine Meisterleistung, das Klavier (oder phasenweise die starke Orgel) setzte ein, das Schlagzeug brillierte bis Schilling auf die Bühne kam und mit seinem satten Gesang einsetzte. Klar, er ist geübt, seine Stimme zu nutzen. Und so gab es keinen stimmlichen Schwachpunkt am Abend, keinen einzigen. Er kann einigermaßen hoch und einigermaßen tief. Und dazwischen sowieso.
Nach drei Einstiegsstücken, die schon toll vom Mischer gemischt wurden, begannen sie die "Vilnius"-Songs zu spielen und die aufmerksamen Zuhörer zu überzeugen. "Kein Liebeslied" oder "Ballade von René" waren sicherlich die Höhepunkte bis dato. Für zwei Stücke wurde Schilling auch an die Gitarre gelassen; unter anderem beim super "Rasteryaev". Ansonsten haben seine Jazz Kids natürlich überzeugt. Von Anfang bis Ende sind es herausragende Berufsmusiker, die für jede gespielte Note leben. So macht es zumindest den Anschein.
Rio Reiser wurde gecovert. Das ging aber unter bei den tollen Eigenkompositionen, die frenetisch von den ca. 200 gekommenen Zuhörern gefeiert wurden. So steuerte das abwechslungsreiche Konzert nach eineinhalb Stunden schnell dem Ende entgegen und bleibt in seiner Kurzlebigkeit gern in Erinnerung. "Kalt ist der Abendhauch" besiegelte nun das Highlight des Abends!
Abschließende Frage: Ist am Schauspieler Schilling ein Musiker verloren gegangen oder am Musiker Schilling ein Schauspieler!? Zuschauer und -hörer mögen sich bitte ein eigenes Urteil machen.

Vielleicht hier:
04.05. - Leipzig - UT Connewitz
05.05. - Gera - Songtage
07.05. - München - Strøm
08.05. - Heidelberg - Karlstorbahnhof
09.05. - Frankfurt - Brotfabrik
10.05. - Köln - Stadtgarten
11.05. - Hamburg - Nochtspeicher
12.05. - Berlin - Columbiatheater