Tom Schilling (m.) mit zwei der Jazz Kids. Foto: luserlounge |
Offensichtlich muss man bei dem singenden Schauspieler auf der Bühne noch andere Maßstäbe an den Tag legen als beim Schauspieler auf der Platte.
Die Frage nach dem potentiellen Publikum ist bei einem Konzert natürlich angebracht. Jeder, der da ist, unterhält sich natürlich über seinen Nachbarn außer Hörweite oder denjenigen, der gerade vom Klo gekommen ist.
Wer geht nun also zum Tom Schilling-Konzert?!
Kurioserweise lässt sich dies relativ einfach beantworten. Es sind drei Gruppen. Zum ersten: Junge Damen, die den Typen einfach heiß finden und vielleicht auch seine Rolle als Sänger mögen. Zum Zweiten: Feuilleton-Leser ab Anfang 40 bis Mitte 60, die sich ihren Status als eben solchen ansehen lassen, und den singenden Schauspieler mit ihrem ach-so-kritischen Blick einmal genau studieren wollen. Zum dritten: Menschen jeden Geschlechts, die die Musik einfach gut finden, die er kurz und knapp auf "Vilnius" veröffentlicht hat.
Neben dem Gleis22 in Münster hätte es sicherlich noch andere Örtlichkeiten gegeben, die der zweiten Zielgruppe gelegen wäre, wenn sie beispielsweise bestuhlt wäre. Nun ist das Gleis22 legendär (das ist nicht übertrieben) und profitiert auch von der Energie, die sich im mäßig belüfteten Raum entwickelt. Spätestens an der Theke, wo es keinen Schnaps gibt. Wie geil kann der Laden eigentlich sein?! Selbst Uhlmann schwärmt!
Zurück zu Schilling und seiner Band.
Oder besser noch: Zu der famosen Vorband Matthew Matilda, die dem kritischen Publikum einen herausragenden Start in den Abend geliefert haben. Zu zweit an unterschiedlichen Gitarren, am Cello und Bass wurden sie am Schlagzeug unterstützt. Die Münchener Band spielte eine herausragende Mischung aus Blues, Jazz und Gitarrenrock, der herrlich in eine verrauchte Kneipe passt oder auf die EP, die sie vor kurzem veröffentlicht haben. Jede Textzeile, jeder Riff, jeder Akkord, jede Note war genau an ihrem vorhergesehenen Ort und hat die Zuhörer in ihren Bann gelockt.
Nach diesem gelungenen Warm-Up betraten erst die Jazz Kids die Bühne und dann Schilling selbst, der sich vor- und nachher gern rauchend unter die Besucher mischte.
Die Gitarren rotzten, der Bass eine Meisterleistung, das Klavier (oder phasenweise die starke Orgel) setzte ein, das Schlagzeug brillierte bis Schilling auf die Bühne kam und mit seinem satten Gesang einsetzte. Klar, er ist geübt, seine Stimme zu nutzen. Und so gab es keinen stimmlichen Schwachpunkt am Abend, keinen einzigen. Er kann einigermaßen hoch und einigermaßen tief. Und dazwischen sowieso.
Nach drei Einstiegsstücken, die schon toll vom Mischer gemischt wurden, begannen sie die "Vilnius"-Songs zu spielen und die aufmerksamen Zuhörer zu überzeugen. "Kein Liebeslied" oder "Ballade von René" waren sicherlich die Höhepunkte bis dato. Für zwei Stücke wurde Schilling auch an die Gitarre gelassen; unter anderem beim super "Rasteryaev". Ansonsten haben seine Jazz Kids natürlich überzeugt. Von Anfang bis Ende sind es herausragende Berufsmusiker, die für jede gespielte Note leben. So macht es zumindest den Anschein.
Rio Reiser wurde gecovert. Das ging aber unter bei den tollen Eigenkompositionen, die frenetisch von den ca. 200 gekommenen Zuhörern gefeiert wurden. So steuerte das abwechslungsreiche Konzert nach eineinhalb Stunden schnell dem Ende entgegen und bleibt in seiner Kurzlebigkeit gern in Erinnerung. "Kalt ist der Abendhauch" besiegelte nun das Highlight des Abends!
Abschließende Frage: Ist am Schauspieler Schilling ein Musiker verloren gegangen oder am Musiker Schilling ein Schauspieler!? Zuschauer und -hörer mögen sich bitte ein eigenes Urteil machen.
Vielleicht hier:
04.05. - Leipzig - UT Connewitz
05.05. - Gera - Songtage
07.05. - München - Strøm
08.05. - Heidelberg - Karlstorbahnhof
09.05. - Frankfurt - Brotfabrik
10.05. - Köln - Stadtgarten
11.05. - Hamburg - Nochtspeicher
12.05. - Berlin - Columbiatheater
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