(Ms) Es ergibt Sinn, für dieses Album beim letzten Track anzufangen.
Dazu eine kleine Anmerkung von hinter den Kulissen. Wenn neue Musik erscheint, wird diese natürlich auch vermarktet, beworben. Für Rezensionen darf ich die Musik ein paar Wochen vor der Veröffentlichung hören. Und da gibt es ein spannendes Detail. Bei der Tracklist einer Platte kommt eine Info bei einzelnen Liedern hinzu. Focustrack nennt sich diese Information. Also die Lieder, die eine besondere Erwähnung haben sollen. Als ob ich das nicht selbst entscheiden könnte, was in meinen Ohren stark oder nicht so pralle ist. Diese kleine Info kommt regelmäßig vor.
Den Fokus gewollt auf das letzte Lied zu setzen, wäre eh etwas ungewöhnlich. Doch das letzte Stück auf GoGo Penuins neuem Album Necessary Fictions hat einen fantastischen Titel, der das Schaffen des modernen Jazz-Trios sehr gut zusammenfasst. Ein Fokus muss hier gar nicht vorgesehen sein, es ist das gesamte Album!
What We Are And What We Meant To Be heißt dieses letzte Stück. Wie genial ist es bitte, den Hörenden elf neue Lieder zu präsentieren, auf denen die Band durchaus ausprobiert und neue Wege geht, um am Ende eine eindeutige Message zu tätigen: Bei all dem, was es gerade zu entdecken gibt, ist dies hier, der zwölfte Track, die Essenz unseres Schaffens, so klingen wir im Kern. Kein gewollter Fokus, aber doch eine aussagekräftige Entscheidung.
Vor zwei Jahren kam erst die letzte Platte raus. An Kreativität mangelt es den drei Briten ohnehin nicht. GoGo Penguin sind 2025 Chris Illingworth am Piano, Nick Blacka am (Kontra-)Bass und neu Jon Scott an den Drums. Dies ist ja eine ziemlich klassische Jazz-Besetzung. Doch GoGo Penguin stehen fürs Experimentieren und Grenzen ausloten. Das zu hören macht seit vielen Jahren sehr viel Spaß! Das kann mal sehr melodiös aber auch im besten Sinne herausfordernd werden. Und auch verhältnismäßig poppig, wenn sie sich Gastsänger Daudi Matsiko für Forgive The Damages dazu holen. Hinter dem zarten Gesang tanzen die Saiten unterm Hammer und die dicken auf dem Kontrabass. Insbesondere der wunderbar weiche Klang vom großen Streichinstrument ist ein wahnsinniges Plus im Schaffen dieser Band!
Apropos Bass und Neues ausprobieren. Auf dieser Platte nutzt das Trio hörbar häufiger Synthie-Effekte. Wie der digitale Bass sich durch Living Bricks In Dead Mortar schleicht, ist großartig. Da sind die hohen Pianoklänge gar nicht mal so fröhlich, wenn zudem auch das Schlagzeug in dezente Hektik verfällt. Hier haben drei Instrumente drei Geschwindigkeiten und das Ergebnis ist umwerfend! Denn der ganze Track ist ein irres Crescendo, bis der Bass fast technomäßig überstrapaziert ist. Orientalisch-tanzbar geht es auf Luminous Giants daher. Ein sanftes Stück mit perfekt sitzender Melancholie, die ihren Charme nicht verliert. Über fünf Minuten verliert sich dieses Lied in purer Schönheit - was für ein phantastisches Arrangement! Der Trick ist, dass sie dabei mit weiteren Streichern und dezentem Gesang arbeiten - zusammen schlicht große Kunst!
Mit dem Manchester Collective, einem achtköpfigen Streicherensemble, spielen sie auch auf State Of Fluxzusammen. Scheinbar nur im Hintergrund tauchen die feinen Instrumente auf, doch wenn sie gezupft die Klaviermelodie doppeln, dann entsteht ein ganz großartiger Sog an Musikgenuss, dem ich mich nur zu gern hingebe.
Doch wie klingen GoGo Penguin nun auf dem neuen Album? Was ist die Essenz der Band neben ihre Mut Neues in ihre Songs einzuweben? Läuft der letzte Track, ist direkt klar, dass das Neue schon zur DNA des Trios gehört. Wieder eine herrliche Portion an waberndem Synthie-Bass, über den sich der Analoge legt. In höhere Sphären erhebt sich das Klavier. Das Schlagzeug bewegt sich sehr geschickt zwischen dominanter bis zu kaum wahrnehmbarer Rolle. Zusammen erschaffen sie kraftvolle Rhythmen, die immer wieder fein und andächtig die Melodien scheinen lassen. GoGo Penguins Necessary Fictions wartet nicht mit dem einen großen Knall daher, es ist ein Album, da erlebt werden will.
(Ms) Seit einer Woche ist das Fair Weather Fest vorbei - gut Ding will Weile haben. Am Freitag und Samstag des Pfingstwochenendes war das Bremer Viertel richtig gut besucht. Ja, das Wetter war nicht besonders fair, aber das Programm, das die Veranstalter hinter diesem Festival aus dem Boden gestampft haben, war großartig! Hardcore, Punkrock, Power Pop, Indie, Singer/Songwriter, Screamo, Shoegaze. Stilistisch war für alle etwas zu haben zwischen Lila Eule, Calavera und dem Lagerhaus. Und auch bei Titus, Black Plastic und im Eisen gab es auf die Ohren. Am Freitagnachmittag wurde ausverkauft gemeldet - nur zurecht bei diesem Line-Up.
Wobei ich erst im Nachhinein zu diesem Fazit kommen kann. Denn bevor ich am Freitag in Bremen ankam, kannte ich bis auf die Deadnotes keine einzige Band. Ich war neugierig und wurde reichlich belohnt!
Das erste, was ich hörte, waren die letzten zwei Song von The Pill, die das Lagerhaus gut zum Beben gebracht haben. Und schon danach kam das erste große Highlight: Between Bodies war anscheinend so etwas wie der geheime Headliner, es war schlagartig voll und nicht wenige Leute konnten bei nicht wenigen Liedern recht sicher die Texte mitsingen. Wie geil war das denn?! Obendrein war der Auftritt dieser Band wahnsinnig sympathisch und sie haben Rockmusik einfach verstanden, so einfach kann es sein. Dieser Name sollte dringend überall abgespeichert werden! Giver hingegen tendierten wesentlich stärker in einige Metal-Sphären. Ich finde es immer wieder großartig, dass die Bands mit den härtesten Tönen die humanistischsten Ansagen bereit haben! Musikalisch bleiben sie bei mir aber weniger haften. Zwischendurch dann mal ins kleine Calavera, Neugier, Neugier! Als Pluto The Racer aus Hannover dort spielten, war der Laden schon rappelvoll, auf der Treppe tummelte es sich schon. Skatepunk, so wie er klingen sollte, richtig gut! Weiter ging es im Lagerhaus mit Rauchen und bis heute weiß ich diesen Gig nicht so sehr einzuordnen. Ja, war schon irgendwie geil, aber von dem ganzen Geschrei hätte ich gern auch was verstanden. Als Smile And Burn die Bühne betraten, wurde schnell klar, dass diese Band etwas professioneller unterwegs sind. Plötzlich war der Sound viel klarer. Ohnehin leider ein Detail, das ich im Lagerhaus so gar nicht kenne, am Freitag hat es immer wieder ganz schön geschrabbelt und oft war der Sound etwas verwaschen.
Fotos: luserlounge
Einschub.
Leider konnte ich den letzten Auftritt vom Freitag nicht ganz sehen. Ich war noch angeschlagen aus den Tagen davor und wollte langsam heim. Mit der Bahn wäre das in der Regel kein Problem. Doch am ganzen Wochenende fuhr ab 22 Uhr nur noch der Bus in meine Richtung. Was für eine miese Sache. Klar, es müssen Strecken saniert werden, aber zweieinhalb mal so lang unterwegs zu sein, ist wenig geil.
Einschub Ende.
Auf dem Hinweg am Samstag ließ ich den Freitag etwas Revue passieren und kam zu keinem rechten Ergebnis. Es war spannend und cool, viel Neues kennenzulernen, aber so richtig abgeholt wurde ich halt nicht. Ein Glück, dass das am Samstag ganz anders aussehen sollte! Insbesondere das Programm in der Lila Eule ließ keine Wünsche offen! Mundane aus Schweden haben mich direkt abgeholt und halb sechs. Gitarrenlastiger Indierock genau nach meinem Geschmack, yeah! TI:ED im Lagerhaus legte durchaus wieder härtere Zähne zu, war gut, aber nicht so meins. Ebenso wie Wrong Man - sie holten mich nicht so sehr ab. Das gute in diesen ganzen Momenten war hingegen, dass zahlreiche andere BesucherInnen viel Freude und Spaß hatten - so soll das doch sein! Mein Highlight des ganzen Wochenendes war Flight Mode aus Oslo, die in der Lila Eule spielten. Erstens super sympathisch. Zweitens spielten sie feinsten Indierock à la Nada Surf oder Death Cab For Cutie - da bin ich doch dabei. Das war richtig, richtig gut! Phantom Bay, die Band, in der sich einige der Veranstalter versteckten, gehörte für mich auch zur Kategorie: hart und wuchtig, aber nicht so meins. Richtig geil wurde es noch bei Emperor X! Was war das denn bitte?! Zwischen all dem wohltemperierten Krach ein Singer/Songwriter mit soliden Deutschkenntnissen und wahnsinnig unterhaltsamen Texten und tanzbaren Effekten aus seinem Zauberkasten. Das sollte jeder Mal live gesehen haben! Dann zu The Deadnotes, die ja bekanntermaßen beim Grand Hotel Van Cleef unter Vertrag sind, aber außer großen Bühnengesten ist da echt nicht viel dabei. Gemütlicher Rock, den man schnell wieder vergisst. Anders als bei Shoreline. Die zimmerten einem nochmal richtig einen ins Gebälk!
Und wieder in den Bus.
Und verarbeiten, einordnen.
Die erste Ausgabe vom Fair Weather Fest war nichts anderes als ein großer Erfolg. Die Bands entsprangen fast allem einem großen Freundeskreis, die Stimmung war super und sehr rücksichtsvoll. Die Zeiten haben sich jedoch sehr stark überschnitten. Da könnte man etwas mehr Luft reinpacken. Denn: Nächstes Jahr geht es in die zweite Runde und Tickets sind jetzt schon zu haben. Ich hab meins, was ist mir dir!?
(Ms) Jetzt mal ganz ehrlich: An dieser Ü-30-die-Gebrechen-kommen-immer-häufiger-Sache ist doch auch ein bisschen was dran, oder? Zumindest ist es geil, wenn es manchmal etwas bequemer ist. Zum Beispiel im eigenen Bett schlafen oder, wenn man von Festivals spricht, zumindest nicht in irgendeinem Zelt auf irgendeinem Acker. Furchtbar! Da ich keinen Van oder Camper habe, ist für das einzige Festival, das ich im Sommer besuche - das großartige Watt En Schlick - eine Ferienwohnung gebucht. Richtig geil! Schön gemütlich schlafen, eine fest installierte Dusche nutzen und ein bisschen mehr Urlaubsfeeling genießen. Wobei ich persönlich zelten schon immer scheiße fand.
Aber egal. Bequem soll es durchaus sein. Da kommen Indoor-Festivals genau richtig! Was für eine super geniale Idee, am Wochenende einen oder mehrere benachbarte Clubs mit Konzerten voll zu packen und man kann da entspannt abhängen, viel Neues entdecken, wird nicht zwingend nass und kann danach einfach entspannt zu Hause nächtigen. Das ist wirklich eine ganz hervorragende Sache! Und wenn so ein Festival dann noch um die Ecke ist, einige der liebsten Clubs da mit machen und es ordentlich Punk und härtere Töne auf die Ohren gibt, dann sage ich: Geil, ich bin dabei! Heute und morgen findet in Bremen das erste Fair-Weather-Fest statt. Gute, unabhängige Adressen des Viertels werden bespielt: das Calavera, die Lila Eule, das Lagerhaus und auch bei Black Plastic, bei Titus und im Eisen (ganz viel Liebe!) finden Konzerte statt. Genial, bis später!
Water From Your Eyes
(Ms) Wo bleibt das Ohr hängen, wenn es neue Musik hört? Was ist das genau, was den einen Track skippen und den anderen lauter drehen lässt? Das würde ich richtig gerne wissen, das sind doch irgendwelche Synapsen, die da hellhörig werden. Der neue Song von Shame beispielsweise interessiert mich null, wobei Life Signs von Water From Your Eyes echt ein krasses Ding ist! Meine Vermutung ist Folgende: Die verspielte, aber dunkle Gitarre öffnet einen Sog, in den ich mich gern hinein ziehen lasse. Dann kommt das Lied mit derart überraschenden Parts daher, das die Neugier bis zum letzten Ton bleibt, was denn alles passieren könnte! Von recht verträumten bis brachialen Parts ist ganz schön viel dabei! Und das macht Musik doch spannend oder?! Wenn sie Schema F durchbricht und mit etwas haften bleibt, das irritiert und genau deshalb laufen bleibt. Das neue Album It‘s A Beautiful Place erscheint am 22. August und könnte echt genial werden!
(Ms) Es kann nicht genug Lieder über das unbeschwerte Leben geben. Es gibt doch echt genug Dinge im Alltag, die nervig und blöd sind. Manchmal habe ich dieses Erwachsenenleben echt satt mit den ganzen Formalitäten und bürokratischen Hürden, die am Wegesrand lauern. Pausen davon sind bitter notwendig und die besten Pausen sind doch die, die gut klingen und richtig viel Leichtigkeit reinbringen. Mit Das Gute Leben haut Yasmo mit ihrer Klangkantine einen ganz wunderbaren Sommertrack raus, der überall laut laufen sollte! Bläser und Sprechgesang - was ist das denn für eine geniale Mischung. Eben! „Lass es mir gut gehen.“ Wohin soll ich mir das tätowieren lassen?!
Das richtig Gute an diesem Track ist, dass er Yasmos Werk super gut ergänzt. Es ist gut und richtig, dass sie eine starke Stimme gegen viele Ungerechtigkeiten ist. Genauso gut ist es, mit ihr das Leben zu feiern! Viel zu oft das Wort gut in diesen Zeilen verwendet - ach Quatsch, das ist halt genau das, was dieses Lied ist!
Chantal Acda
(Ms) Es gibt Musik, die für mich nur über den Klang funktionieren. Das ist immer etwas gemein, wenn mir persönlich der Text dann nicht so wichtig ist, aber es kommt vor. Zum Beispiel immer wenn ich die Musik von Chantal Acda hören. Diese Arrangements, Melodien, Dynamiken und Stimmungen sind so großartig, dass mir echt egal ist, worum es geht. Ihre Lieder sind klanglich so gut gemacht, dass alles andere für mich in den Hintergrund gerät. Das war schon beim tollen Heads so und ihre neue Single Make It Work schafft das in meinen Ohren erneut. Die Niederländerin weiß sehr genau, wie sie mit ihrer Band spielen muss, um solch einen intensiven Sound zu erschaffen: Chöre im Hintergrund, eine schwere Gitarre, Bläser mit tollen Melodien - ein Track, der sich stetig erweitert und immer größer wird. Warm und mächtig. Wow, wie wundervoll kann Musik eigentlich sein?! Wenn am 19. September ihr neues Album The Whale erscheint, wird es ein musikalischer Meilenstein diesen Jahres werden. Das traue ich mich jetzt schon zu sagen!
Die Höchste Eisenbahn
(Ms) Sie können das Schwelgerische, das Verträumte, das leicht Schwermütige. Für die große Leichtigkeit ist Die Höchste Eisenbahn nicht zwingend bekannt. Müssen sie ja auch gar nicht, diese tolle Band hat genug Stärken. Doch, dass sie auch Leichtigkeit können, ist ein großer Beweis eines ganz einzigartigen Songwritings! Dieses Leben heißt ihre aktuelle Single und es ist eine Ode genau auf jenes! Die Ruhe des Schönen, die Liebe, die einen ausfüllt, die pure Eleganz der Natur. Jede Band sollte so ein Stück im Repertoire haben, da es immer gut tut, so viel Kraft zu versprühen und den Blick nach vorn zu richten. Dieses Leben - juhu!
Nina Caroline
(Ms) Vergangene Beziehungen waren nicht zwingend Fehler. In diesen Verliebtheitsphasen fühlte sich ja immer irgendetwas richtig an. Doch oft hat man sich selbst ja was vorgemacht, eine Geschichte aufrecht erhalten, die so gar nicht stimmte. Daher ist es im Nachhinein, wenn diese Beziehungen beendet sind, oft schwer vorstellbar, dass man das alles selbst war. Dass ich mich in diese Person verliebt habe, die mir nicht gut tat. Dass ich das war, der das dennoch lange geglaubt hat. Genau davon singt Nina Caroline auf ihrem neuen Song It‘s Not Me Who‘s Missing You - selten hat ein Titel den Inhalt eines Liedes so gut wiedergegeben. Ein entspannter Indiepopsong erzählt diese Geschichte. Die Künstlerin tritt damit selbst zum ersten Mal mit eigenen Liedern ans Tageslicht. Mit 11 gewann Nina Caroline bei KIKAs Dein Song, später ging sie zum Musikstudium nach England, sie schrieb schon mit anderen KünstlerInnen zusammen doch dies ist der erste Track, der ihren eigenen Namen trägt und dazu noch so ein schöner! Im Herbst folgt eine EP und man darf sehr gespannt sein, wohin diese tolle Reise noch geht
(Ms) Rike van Kleef hat mit Billige Plätze ein sehr gutes Buch über die enorme Schieflage zwischen den Geschlechtern im Musikgeschäft geschrieben. Nicht nur bei Acts, die auf der Bühne stehen, sondern auch bei den großen, verflochtenen Strukturen dahinter. Von TechnikerInnen über BookierInnen bis Toilettenvermietungsfirmen.
Ganz kurz zusammengefasst: Es sieht gar nicht gut aus, Männer haben in fast allen Bereichen das Sagen. Die gute Nachricht ist aber: Es tut sich ganz viel vor und hinter den Kulissen und mein Gefühl sagt mir: Ja, das merke ich auch.
Dieser Blog ist weder groß, noch sonderlich einflussreich und graphisch nicht nicht mal so geil. Aber egal - er ist ein Mosaik im Geschäft. Ich freue mich immer über Rückmeldungen, Zitationen, liebe Nachrichten und Empfehlungen.
Das Buch ist ein guter Grund, mal selbst zu schauen, wer hier in der luserlounge eigentlich am meisten Gehör bekommt und wem am meisten Platz gegeben wird. Bevor ich die Ergebnisse präsentiere, ist es meines Erachtens wichtig zu schildern, wie dieser Blog funktioniert. Diese Seite entsteht in der Freizeit. Zum Einen berichte ich über das, was ich selber gern höre und zum Anderen über das, was an mich herangetragen wird. Dafür bin ich in einigen Newslettern und Verteilern von PR-Agenturen und Labels, die sich natürlich freuen, wenn ich über deren Bands schreibe. Einiges ist deckungsgleich. Zum Beispiel höre ich viel Kettcar und bekomme von deren Agentur Mails. Mittlerweile ist die Schnittmenge enorm, da diese Seite zu einem Pertpetuum Mobilé meines eigenen Musikgeschmacks geworden ist: Was mir gefällt bekommt hier Platz. Dabei gibt es keine Quote. Weder für Genres, noch für Herkünfte oder Geschlechter. Was qualitativ in meinen Ohren hörenswert ist und neugierig macht, darüber schreibe ich.
Fünf Bereiche dieser Seite habe ich mir für dieses Kalenderjahr angeschaut: Interviews, Buch-Rezensionen, Konzert-Rezensionen, Album-Rezensionen und die Selektionen, also die kleinen, wöchentlichen Newsmeldungen. Folgendes sind die Kategorien: FLINTA*-Acts, männliche Acts, Duos, die 50/50 sind und Bands, in denen FLINTA* einen kleinen Anteil haben (beispielsweise spielen bei pogendroblem drei Typen und eine Frau). Ob das besonders sinnvoll ist, weiß ich nicht, aber es erschien mir naheliegend. FLINTA*-Solokünstlerinnen, die eine Band mit Typen dabei hat, werte ich als FLINTA*-Act, da ihre Stimme und ihre Texte im Vordergrund stehen, zum Beispiel Dota. Zudem kommen einige KünstlerInnen mehrfach vor, ich habe sie immer neu gewertet, da es ja um einen Gesamteindruck gehen soll (habe ich drei Mal über Waving The Guns berichtet, kommen sie drei Mal als männlicher Act vor).
Album-Rezensionen: 14 Rezensionen, 1x 50/50 (7%), 1x FLINTA* mit kleinem Anteil innerhalb der Band (7%), 3x FLINTA* (21%), 9x männlich (64%)
Acts, über die in der wöchentlichen Rezension berichtet wurden: 122 Berichte, 5x 50/50 (4%), 13x FLINTA* mit kleinem Anteil innerhalb der Band (11%), 38x FLINTA* (31%) und 66x männlich (54%)
Das wenig überraschende Ergebnis ist, dass auch auf dieser Seite männliche Künstler wesentlich mehr Platz bekommen als alle anderen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das vor vier Jahren sicher noch krasser ausgesehen hat. Was also anfangen mit dieser Erkenntnis? Das ist gar nicht mal so einfach zu sagen. Es fiele mir schwer, per Quote auch dann über mehr FLINTA*-Musik zu berichten, wenn ich sie mich gar nicht so sehr anspricht und mir nichts dazu einfällt. Auch über männliche Musik, die mich nicht neugierig macht, berichte ich nicht. Doch ich kann einfach mehr hinhören, das ist nicht unmöglich und vielleicht der erstbeste Schritt, der zu gehen ist. Wenn jemand noch einen guten Tipp hat, schreibt es gern in die Kommentare, per Mail (luserlounge@gmail.com) oder via Instagram (luserlounge_blog) oder Bluesky (luserlounge.bsky.social).
Ein Beispiel vom vergangenen Wochenende: Ich machte ein paar Besorgungen, im Auto lief Radio21. Aber nicht besonders lang. Denn zuerst machten sich die Moderatoren darüber lustig, dass in Magdeburg ein Theaterstück von oder über Tokio Hotel lief. Danach wurde über prominente weibliche Groupies berichtet und mit welchen Männern sie denn alles Sex hatten. Der Tonfall eher salopp und völlig normal.
Der schale Beigeschmack: Hier machen sich die Radioleute über eine Band lustig, die eine wichtige, laute Stimme für die queere Community ist und Frauen im Rockgeschäft werden komplett sexualisiert dargestellt. Was P. Diddy oder Til Lindemann tun ist denen aber hoffentlich bekannt.
All das im Frühsommer 2025. Es läuft einiges schief.
Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Musikgeschäft hat irgendwie einen recht fortschrittlichen, liberalen Charakter was Gleichberechtigung angeht und irgendetwas suggeriert Offenheit gegenüber allen Geschlechtern. Dass das nicht so ist, zeigt Rike van Kleef sehr eindrucksvoll in ihrem neuen Buch Billige Plätze, das just im Ventil Verlag erschienen ist. Auf gut 300 Seiten fasst sie wahnsinnig umsichtig und sehr gründlich recherchiert zusammen, wo vor und insbesondere hinter der Bühne die Probleme der Gleichberechtigung liegen. Ob es um die Zusammenstellung von Teams geht, einer Konzert- und Festivalorganisation, die Eltern berücksichtigt, Livestätten, die sich auf Menstruation einstellen bis zu all den sexuellen Übergriffen und Machtverhältnissen, für die sich Männer verantworten müssen. Ja, es gibt mittlerweile viele Künstlerinnen, die groß, erfolgreich und als Vorbilder dienen. Aber wenn die Musikerinnen von Blond erzählen, dass sie lange die Dusche für Frauen auf einem Festival suchen mussten und die dann auf einem Parkplatz stand und nicht abgeschlossen werden konnte, wird klar, dass die Problemfelder tief sitzen. Sehr tief.
Rike van Kleef berichtet nicht nur sehr eindrucksvoll und erschütternd von eigenen Erfahrungen, sondern lässt zahlreiche AkteurInnen zu Wort kommen, die aus ihren Metiers berichten. So viele Jobs gibt es in der Musikbranche. BusfahrerInnen, LichtechnikerInnen, Menschen am Ton und im Bühnenbau. BookerInnen, JournalistInnen, PR-Agenturen und all die Menschen auf der Bühne. Als Fan, der auf Konzerte und Festivals geht, bekommt man von vielen dieser Jobs gar nicht so viel mit. Daher ist dieses Buch nicht nur eine sehr klare Auflistung all der Probleme, sondern beleuchtet auch eine Branche, bei der enorm viele Handgriffe im Hintergrund verlaufen und die uns erst all die schönen Live-Momente ermöglichen.
In wenigen Tagen habe ich dieses Buch gelesen, da ich aus dem Staunen gar nicht mehr rauskam, was denn alles schief läuft. Ich habe viel gelernt! Als Typ, der hier über Neues berichtet, auf Konzerte geht und darüber schreibt, hauptberuflich aber etwas ganz anderes macht, ist dies ein wahnsinnig wichtiges Buch. Denn es macht bekannt, was intern zu Teilen schon besprochen wird. Die Musikbranche ist eine große Kunst- und Unterhaltungsindustrie. Eine Branche, in der es schon einige Netzwerke gibt, die FLINTA-Stimmen lauter werden lässt und in der schon viel passiert. Und wo es noch viel zu tun gibt.
Billige Plätze ist nicht nur eine fundierte Zusammenstellung der Bereiche, in denen mehr getan werden muss. Dieses Buch steckt den Kopf nicht in den Sand - obwohl ich mir beim Lesen oft an den Kopf gefasst habe. Es zeigt zahlreiche Felder auf, an denen gearbeitet werden kann und muss - und das ganz undogmatisch, sondern positiv in die Zukunft schauend. Es ist eine Ermunterung auch an alle Männer, dass sie immer von Gleichberechtigung profitieren werden! Es nichts anderes als eine Pflichtlektüre für jede Person, der die Kunst wichtig ist und sie liebt.
Und was hat das Buch mit mir zu tun? Groß und besonders einflussreich ist dieser Blog nicht. Aber egal, er ein Mosaik des Geschäfts. Ich setze dieser Seite keine Quote für FLINTA-Artists, hoffe aber, recht ausgeglichen zu berichten. Ob das wirklich so ist, möchte ich in einem zweiten Schritt herausfinden mit einer Reflexion dessen, worüber hier eigentlich berichtet wird. Stay tuned und lest dieses Buch!
(Ms) Arbeit soll keine lästige Unterbrechung der Freizeit sein. So oder so ähnlich hat der Bundeskanzler es in letzter Zeit mehrfach geäußert. Das Land wirtschaftlich mit mehr Arbeit voran bringen. Was für eine Wirtschaftswunderjahrementalität ist das denn bitte!? Und was für ein verzerrter Blick auf die Realität schwingt da denn bitte mit?! Herr Merz soll das mal den Kolonnen an Amazon-Lieferanten sagen, die wegen eines völlig krank gewordenen Konsumdenkens tagelang unterwegs sind. Oder Pflege- und Reinigungskräften. Oder Handwerkern, die alle einen tollen, aber wahnsinnig anstrengenden Job machen. Oder den Leuten, die hier gerade in allen Ortschaften die Glasfaserleitungen verlegen, 12, 13, 14 Stunden am Tag über einen Subsubsubunternehmer. Vielleicht könnte man die Probleme ja mal dort beheben, wo sie wirklich sind. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es so viele faule Leute gibt, wirklich nicht! Und wenn es dem Staat an Geld fehlen sollte, dann könnte man ja mehr Steuerfahnder einstellen, die Reichen mehr zur Kasse bitten und die ganzen Bankenarschlöcher, die mit Cum Ex die Staatskasse geplündert haben, zur Rechenschaft ziehen. Aber es ist ja immer einfacher nach unten als nach oben zu treten. Insbesondere, wenn der Kanzler selbst von sehr weit oben kommt.
Betti Kruse
(Ms) Lässigkeit ist ein 10-Buchstaben-Wort. Und dieses Lied hier ist musikgewordene Lässigkeit! Es ist der Soundtrack für entspannte Tage mit guten Menschen bei sonnigem Wetter und die Zeit verfliegt und es ist völlig egal, dass sie das tut. Das spielt alles keine Rolle, denn das Wird Schon Gutgehn. Genau das singt uns Betti Kruse hier in einem großartigen Soundgewand! Hier sind Bläser, satte Bässe, fetzige Gitarren und ein Schlagzeug, das so verspielt ist wie der Text. Darin singt sie uns von einem Tag, an dem so einiges schief geht, aber das ist halt alles auch nur halb so wild! Denn es passieren stets genauso viel gute Dinge! Oft ist die Richtung des Lebens nicht ganz klar, daher gilt es all die wunderbaren, schönen, lustigen, kurzweiligen Momente zu genießen: „Denn eines wird sich nie ändern / Dass das Leben dich bald fickt.“ Recht hat sie! Endlich mal wieder Popmusik, die so unbeschwert und leichtfüßig und auch sehr unterhaltsam ist. Im November erscheint ihre erste Platte, die so wie die Single heißt und dann wird dazu halt drinnen getanzt!
Joe La Truite
(Ms) Achtung, vor diesem Track sollte man kurz - oder doch etwas länger durchatmen -, vielleicht einmal in Ruhe ein Tier beobachten, die Augen schließen, einen Tee getrunken haben. Denn wenn Joe La Truite läuft, dann werden alle Nerven des Körpers beansprucht und sämtliche Reize komplett überflutet. Aber in richtig geil! Die aktuelle Single des französischen Trios heißt Octogone 8000 und ist komplett wahnsinnig! Keine Ahnung, welches Genre das sein soll: Metal, Hardcore, Psychorock?! Egal, die drei Minuten geht es richtig rund und es lohnt sich, das Video dazu anzuschauen. Es offenbart, dass recht wilde, laute Musik durchaus einen unterhaltsamen Aspekt haben kann. Selten habe ich Menschen so aggressiv Schach spielen sehen! Am 13. Juni gibt es noch mehr aus diesem Klangkosmos. Dann erscheint ihre neue Platte mit dem einprägsamen Titel Ultimate Ninja Storm 2: Full Zguen. Noch irgendwelche Fragen?! Ne, ich auch nicht!
Dota
(Ms) Letztens meinte ein Kind aus der 3. Klasse zu mir, ob wir uns nicht ein Video von irgendeinem YouTuber anschauen können, der Bruder sei darin. Pädagogisch wertvoll meinte ich: Okay, am Ende der Stunde, wenn ihr gut mitgemacht habt. Zwischendurch wollte ich dann danach suchen, um das Ganze einmal abzuchecken. Besagtes Video war leider noch nicht online, aber dieser YouTuber hatte sage und schreibe 1,4 Millionen Abonnenten, alle Kinder kannten ihn und ich habe noch nie davon gehört. Aber: Warum auch?! Womit die wertvolle eigene Zeit verschwenden?
Die Tage hing ich erschöpft und kaputt zu Hause auf dem Sofa und das ist ja ganz schlimm, wie oft ich das Handy in der Hand hatte. Spätestens am Mittag kam ja nichts Neues mehr hinzu, der Blick war leer und ich irgendwann auch vollkommen genervt vom Bildschirm. Lieber Ein Gutes Buch zur Hand nehmen und darin versinken. Davon singt auch Dota auf ihrem neuen Song. Wobei, „neu“ relativ ist, sie spielte ihn schon öfter auf ihren tollen Konzerten. Tut der Qualität ja keinen Abbruch. Ein wunderbarer, verspielter Track, der mit einem Schmunzeln die bittere Wirklichkeit behandelt. Was ist nun echt und wirklich wichtig? Das um mich herum oder das auf dem Bildschirm? Es ist eine komische Welt (geworden).
Dotas neues Album Springbrunnen erscheint am 27. Juni und wird diesen Sommer sicher überall aus den Lautsprechern tönen!
(Ms) Geduld haben, nicht direkt wegklicken, warten, was da kommt und gespannt sein. Es lohnt sich so oft, mehr als die 30 Spotify-Sekunden zu warten, um wirklich gute Musik zu entdecken. Insbesondere wenn ein Track mal 6 Minuten und 40 Sekunden geht. Umso mehr Zeit, uns Hörende mit auf eine Reise zu nehmen, einen Sound zu entwickeln. Es muss ja nicht alles immer direkt da sein. Es tut auch so gut, das Ohr langsam an die Tiefe der Musik heranzuführen. Dann ist die Überraschung umso größer! Heutiges Beispiel: HAAi und ihre neue Single Satellite, die die Ankündigung ihres neuen Album HUMANiSE ist, das am 10. Oktober erscheinen wird. Ein spannender elektronischer Track mit einzelnen Gesangsparts. Ruhige, sphärische Momente werden von satten Beats und tanzbaren Rhythmen abgelöst oder viel mehr gehen diese Teile geschickt ineinander über. Teneil Throssell, die Künstlerin hinter dem Projekt, gestaltet diesen Song nicht allein, sondern hat sich Jon Hopkins, Obi Franky, Ilā und den Trans Vioces-Chor dazu gehört, um diesen breiten Sound entstehen zu lassen. Die Arbeit hat sich gelohnt - das ist ganz großartig geworden!
My Baby
(Ms) Na Sommer, da hast du eine kleine Pause gemacht, oder? Hast ja auch in den letzten Wochen schon mal gezeigt, was alles so in dir stecken kann, hat mir gefallen. Insbesondere, dass es nun schon bis 22 Uhr abends einigermaßen hell ist - es ist jedes Jahr aufs Neue so toll! Dann sitze ich gern auf dem Balkon und genieße den Blick nach draußen. Mal ist Stille dabei perfekt oder halt kurzweilige Musik fürs entspannte Gemüt! Damit sind wir automatisch bei My Baby aus Amsterdam, die wissen wie das geht. Entspannt, tanzbar, verspielt, leicht psychedelisch! Ihr neues Album Echo erscheint am 11. Juli und sorgt für vielfältige Stimmungslagen - versprochen. Zur Single Smiley Virus gibt es einen ganz hervorragenden Live-Mitschnitt, der zeigt, wie gut diese Band ist. Kaum zu glauben, dass die das zu dritt erschaffen, aber staunt selbst:
Wet Leg
(Ms) Derzeit lese ich Billige Plätze von Rieke Van Kleef, die sehr umfassend und sehr gut aufgearbeitet die Misere um Geschlechtergerechtigkeit im Musikgeschäft beschreibt. Aus meiner Sicht tut sich da in den letzten Jahren sehr viel. Aus Blogger-Sicht kann ich sagen, dass ich auf wesentlich mehr Bands mit FLINTA-Personen aufmerksam gemacht werde. Sichtbarkeit ist die eine wichtige Sache. Qualität die andere. Klar, es gibt auch Bands mit FLINTA, genauso wie mit vier Typen an den Instrumenten, die ich sofort wieder abdrehe, weil schlimm. Hohe Qualität bringen Wet Leg an den Start und das in ganz krassem Maße! Dieses Duo hat sich in echt schneller Zeit weit nach oben gespielt und darf sicher als tolles Beispiel dienen, dass FLINTA mit ziemlich viel Wumms Bühnen zum Beben bringen können. Dieser Tage ist ihre neue Single CPR erschienen und die E-Gitarre kracht in allerbester Manier. Ihre neue Platte Moisturizer, das am 11. Juli erscheint, hat sehr viel Potential das Indierockalbum des Jahres zu werden mit einem Sound, der so lange nicht zu hören war. Das ambivalente Liebeslied werden sie auf einigen Shows dieses Jahr hierzulande noch darbieten!
21.06.2025: Scheessel, Hurricane Festival 22.06.2025: Neuhausen ob Eck, Southside Festival 31.10.2025: Düsseldorf, New Fall Festival 07.11.2025: München, Theaterfabrik 09.11.2025: Berlin, Columbiahalle 10.11.2025: Hamburg, Docks
Ghostwoman
(Ms) Eine der stärksten Neuentdeckungen für mich aus den letzten zwei, drei Jahren ist in jedem Fall das Duo Ghostwoman. Eher durch Zufall sah ich sie vor zwei Jahren auf dem Watt En Schlick, wo mir ihr irrer Sound schon sehr imponiert hat und letztes Jahr dann im Bremer Lagerhaus. Es war sicher eines der lautesten Konzerte, die ich je erlebt habe und war heilfroh, Gehörschutz dabei gehabt zu haben. Es war ein dichter, irrer, energiegeladener Auftritt! Nun legen sie nach! Alive ist die erste Single vom kommenden Album Welcome To The Civilized World, das am 5. September erscheinen wird. In ungewohnt psychedelischer Manier kommt dieser Track daher, der im Video Evan Uschenko und Ille Van Dessel zeigt, wie sie unterwegs sind. Auf einer 12-saitigen Gitarre hat Evan Uschenko einen Sound aus den 60er wieder aufleben lassen wollen und meines Erachtens ist ihnen das hiermit sehr gut gelungen. Ein toller Track, der insbesondere zum Ende hin nochmal ordentlich Fahrt aufnimmt.
10.08.2025 - PALP Festival Rocklette, Bagnes 10.11.2025 - Gebäude 9, Köln 11.11.2025 - Molotow, Hamburg 12.11.2025 - Festsaal Kreuzberg, Berlin 13.11.2025 - Moritzbastei, Leipzig 15.11.2025 - Loft, Wien 17.11.2025 - Live/Evil - München 18.11.2025 - Manufaktur, Schorndorf 19.11.2025 - Bogen F, Zürich
(Ms) Vor einigen Wochen, zum neuen Album von Yann Tiersen, schrieb ich an dieser Stelle, wie schön es ist, sich einem sehr langen Album hinzugeben. 83 Minuten dauert sein neues Werk, fast die Länge eines Spielfilms. Ja, hat durchaus seinen Reiz. Wenn man denn die Zeit dazu hat.
Manchmal ist es auch richtig geil, wenn es über einen kurzen Zeitraum, aber dann auch richtig geballt und intensiv und abwechslungsreich ballert. Ein Glück, dass es Ennio De Caro aus der Schweiz gibt. Der 19-jährige Musiker nennt sein Alter Ego Ain‘t Ur Enn und veröffentlicht am 30. Mai seine erste Platte namens Languish. Die 9 Tracks haben eine Spieldauer von 18 Minuten und 30 Sekunden. Also eher die Länge einer Serienfolge. Ennio De Caros Musik basiert auf Synthies, E-Gitarren, zahlreichen Effekten, Stimmverzerrern und sehr dichten Arrangements.
Es ist ein Album, das sich wie ein unscharfer Rausch anfühlt, auf wackligen Beinen, aber mit enorm viel Kraft. Ein Album, das ab der ersten Sekunde einen wahnhaften Sog entstehen lässt, aus dem man ebenso unvermittelt am Ende wieder rausgeschmissen wird.
Key Puncher heißt das erste Stück und hat so viel Kraft, wie 69 Sekunden denn auch gerade hergeben können! Hier sind alle Regler weit aufgedreht, hier gibt es keine Kompromisse, hier heißt es nur: Haltet euch fest für das, was jetzt noch kommt. Okay! Hug Me And It‘s Gonna Be Okay schraubt das Gewitter unmittelbar zurück, Akustikgitarre, unverzerrte Stimme. Stark wie daraus ein herrlich psychedelischer Track wird! 74 Sekunden dauert danach I Still Blame Myself Fot Things I Couldn‘t Coltrol und ich finde den Titel dieses Krachers unglaublich genial. Einige Ideen und Aussagen müssen ja auch nicht in den 3-Minuten-Track eingepfercht werden, wenn es auch schneller geht. Warum das ganze ausschmücken, wenn schon weit vorher alles gesagt ist?! Eben! Eine richtig coole Nummer ist Japanese Rockbands in der es halt drum geht, wie cool es denn wäre, in eben so einer zu spielen. Mit 2 Minuten und 37 Sekunden der längste Track des Albums! Whore ist ein richtig starker 00er-Jahre Skate-Punk-Track mit leichten Emo-Allüren. Manchmal muss auch die ganze Wut, die sich angestaut hat, raus. Das passiert in diesem Track und zwar auf sehr eindrückliche Weise! Und dass ein Song Namens Cat nicht ohne Katzengeräusche auskommt, ist auch klar.
So ist Languish ist qua natura ein sehr dichtes Erlebnis. Vielleicht ist es die Platte, die am besten in unsere Zeit passt. Viele Emotionen in kurzen Abständen und das von einem jungen Musiker, der auf diesem Album viel Freiheit genießt, weil es keine Zwänge gibt. Geschrieben und eingespielt hat er alles allein und sein Label Tomatenplatten gibt da auch keine Vorgaben. So soll Kunst doch funktionieren, oder? Eben!
Man darf sehr gespannt sein, wie lang seine Auftritte sein werden: