Mittwoch, 18. Juni 2025

GoGoPenguin - Necessary Fictions

Foto: Mark Gregson
(Ms) Es ergibt Sinn, für dieses Album beim letzten Track anzufangen. 
Dazu eine kleine Anmerkung von hinter den Kulissen. Wenn neue Musik erscheint, wird diese natürlich auch vermarktet, beworben. Für Rezensionen darf ich die Musik ein paar Wochen vor der Veröffentlichung hören. Und da gibt es ein spannendes Detail. Bei der Tracklist einer Platte kommt eine Info bei einzelnen Liedern hinzu. Focustrack nennt sich diese Information. Also die Lieder, die eine besondere Erwähnung haben sollen. Als ob ich das nicht selbst entscheiden könnte, was in meinen Ohren stark oder nicht so pralle ist. Diese kleine Info kommt regelmäßig vor.

Den Fokus gewollt auf das letzte Lied zu setzen, wäre eh etwas ungewöhnlich. Doch das letzte Stück auf GoGo Penuins neuem Album Necessary Fictions hat einen fantastischen Titel, der das Schaffen des modernen Jazz-Trios sehr gut zusammenfasst. Ein Fokus muss hier gar nicht vorgesehen sein, es ist das gesamte Album!
What We Are And What We Meant To Be heißt dieses letzte Stück. Wie genial ist es bitte, den Hörenden elf neue Lieder zu präsentieren, auf denen die Band durchaus ausprobiert und neue Wege geht, um am Ende eine eindeutige Message zu tätigen: Bei all dem, was es gerade zu entdecken gibt, ist dies hier, der zwölfte Track, die Essenz unseres Schaffens, so klingen wir im Kern. Kein gewollter Fokus, aber doch eine aussagekräftige Entscheidung.

Vor zwei Jahren kam erst die letzte Platte raus. An Kreativität mangelt es den drei Briten ohnehin nicht. GoGo Penguin sind 2025 Chris Illingworth am Piano, Nick Blacka am (Kontra-)Bass und neu Jon Scott an den Drums. Dies ist ja eine ziemlich klassische Jazz-Besetzung. Doch GoGo Penguin stehen fürs Experimentieren und Grenzen ausloten. Das zu hören macht seit vielen Jahren sehr viel Spaß! Das kann mal sehr melodiös aber auch im besten Sinne herausfordernd werden. Und auch verhältnismäßig poppig, wenn sie sich Gastsänger Daudi Matsiko für Forgive The Damages dazu holen. Hinter dem zarten Gesang tanzen die Saiten unterm Hammer und die dicken auf dem Kontrabass. Insbesondere der wunderbar weiche Klang vom großen Streichinstrument ist ein wahnsinniges Plus im Schaffen dieser Band!

Apropos Bass und Neues ausprobieren. Auf dieser Platte nutzt das Trio hörbar häufiger Synthie-Effekte. Wie der digitale Bass sich durch Living Bricks In Dead Mortar schleicht, ist großartig. Da sind die hohen Pianoklänge gar nicht mal so fröhlich, wenn zudem auch das Schlagzeug in dezente Hektik verfällt. Hier haben drei Instrumente drei Geschwindigkeiten und das Ergebnis ist umwerfend! Denn der ganze Track ist ein irres Crescendo, bis der Bass fast technomäßig überstrapaziert ist. Orientalisch-tanzbar geht es auf Luminous Giants daher. Ein sanftes Stück mit perfekt sitzender Melancholie, die ihren Charme nicht verliert. Über fünf Minuten verliert sich dieses Lied in purer Schönheit - was für ein phantastisches Arrangement! Der Trick ist, dass sie dabei mit weiteren Streichern und dezentem Gesang arbeiten - zusammen schlicht große Kunst!
Mit dem Manchester Collective, einem achtköpfigen Streicherensemble, spielen sie auch auf State Of Flux zusammen. Scheinbar nur im Hintergrund tauchen die feinen Instrumente auf, doch wenn sie gezupft die Klaviermelodie doppeln, dann entsteht ein ganz großartiger Sog an Musikgenuss, dem ich mich nur zu gern hingebe.

Doch wie klingen GoGo Penguin nun auf dem neuen Album? Was ist die Essenz der Band neben ihre Mut Neues in ihre Songs einzuweben? Läuft der letzte Track, ist direkt klar, dass das Neue schon zur DNA des Trios gehört. Wieder eine herrliche Portion an waberndem Synthie-Bass, über den sich der Analoge legt. In höhere Sphären erhebt sich das Klavier. Das Schlagzeug bewegt sich sehr geschickt zwischen dominanter bis zu kaum wahrnehmbarer Rolle. Zusammen erschaffen sie kraftvolle Rhythmen, die immer wieder fein und andächtig die Melodien scheinen lassen. GoGo Penguins Necessary Fictions wartet nicht mit dem einen großen Knall daher, es ist ein Album, da erlebt werden will.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (siehe Blog-Startseite unten) und in der Datenschutzerklärung von Google.