Montag, 29. Juni 2015

Friska Viljor - "My Name Is Friska Viljor"

Quelle: kulturnews.de
(ms) Was haben Friska Viljor und Astrid Lindgren gemeinsam?
Sie sind maßgeblich verantwortlich für das Bullerbü-Syndrom bei uns Deutschen. Die einen in puncto Musik, die andere für die Gesamtvorstellung und Idealisierung des Schwedischen Bildes bei uns Kartoffeln. Das heißt, junge, hübsche, blonde Menschen, die immer gut drauf sind, eine wunderbare Natur, schöne Häuser, eine intakte Gesellschaft. Also all das was wir uns gerne für uns selbst wünschen. Es ist kein Wunder, dass ein großer vierbuchstabiger Möbelhändler in Deutschland so dermaßen erfolgreich ist, trotz des ein oder anderen Qualitätsmankos.

Friska Viljor feiern seit 2005 bei uns große Erfolge. Die Entstehungsgeschichte - zwei junge Typen wurden von ihren Freundinnen verlassen, haben sich maßlos betrunken und angefangen Musik zu machen - ist immer noch klasse. Und welcher Kerl möchte nicht wie die beiden aussehen mit ihren schönen Bärten und dieser immerwährenden Fröhlichkeit in den Augen? Klar, dass ihre größte Fanbase hierzulande ist und nicht in Skandinavien. Sie könnten ohne weiteres Shows für 2000 Leuten spielen. Alle rasten zu "Shotgun Sister" aus und können alles mitsingen. Den Text und die markanten "Lalala"-Melodien.
Nachdem ihr 2013er Album "Remember Our Name" hieß, ist es allzu logisch, dass das an diesem Freitag erschienene neue, sechste Album "My Name Is Friska Viljor" heißt. Laut bandeigenen Informationen haben sie dafür am meisten Zeit im Studio verbracht, ganze sechs Monate wurde an Melodien, Texten, Instrumentalisierung und weiteren "Lalala"-Chören gefeilt.


Bereits das Intro - schwer dramatisch und düster - zeigt das Lala-Leitmotiv. Herrlicher Beginn! Doch dann geht es gleich ganz beschwingt weiter, Bläser stimmen ein mit einer lockeren Melodie zu "Sitting On My Dream". Es ist genau der sorglos lockere Sound, der Friska Viljor ausmacht. Dazu kommen Zeilen, die man sich mal wieder irgendwohin tätowieren lassen möchte: "Don't you know you always have a choice / You can lead your life anyway you want." Für seine philosophische Lebensgestaltung braucht man weder Adorno noch Kant, nur zwei Schweden: Daniel Johansson und Joakim Sveningsson. Zu "Painted Myself In Gold" holen sie sich auch weibliche Unterstützung mit Lena Malmborg im Gesang, brauchen tun sie das nicht zwingend, klingen tut es aber wunderbar! Aus der Jugend der beiden Großgewachsenen erzählt der Song "Dreams". Ja, es besteht ein Unterschied, ob man 15 oder 37 ist. "My Boys" kommen dann mit so einem catchigen Getröte daher, dass es gar nicht mehr aus dem Kopf geht. Apropos Ohrwürmer: Davon hat dieses Album einige zu bieten. Sie sind nicht eingängig, aber leichtfüßig und zaubern dem Hörer ein Lächeln aufs Gesicht!
Genau zu Hälfte kommt dann der neue Hit aus Skandinavien: "In My Sofa I'm Safe"! Die Mitsinghymne für den Sommer und das Video bietet die dazugehörige Choreo! Wir treffen uns dann bald alle draußen am See zum Tanzen, oder? In unter drei Minuten kann man sich auspowern! Und da ist auch wieder das Lala-Motiv vom Intro!
Eine Ballade hat es auch aufs Album geschafft. Hingegen klingt "Until The Rain Stops" gar nicht mal so arg melancholisch. Es fügt sich nahtlos ins Album!
Das sechste Friska Viljor-Album kommt zu den jetzt angekündigten hohen Temperaturen genau zum richtigen Zeitpunkt raus. Es ist Sommer und dies ist der Soundtrack! Danke, liebe Schweden. Wir sind erneut entzückt. Ob Bullerbü oder nicht!


Hier bald live:

22.08. - Dockville Festival, Hamburg
29.08. - Pure & Crafted Festival, Ferropolis

30.10. - Pumpe, Kiel
31.10. - Reithalle, Dresden
01.11. - Rosenhof, Osnabrück
02.11. - Theaterfabrik, München
10.11. - Jazzhaus, Freiburg
11.11. - Alte Feuerwache, Mannheim
12.11. - Live Music Hall, Köln
13.11. - Uebel & Gefährlich, Hamburg
14.11. - Huxley's Neue Welt, Berlin

Freitag, 26. Juni 2015

Live: Campus Festival in Bielefeld mit Thees Uhlmann, Annenmaykantereit, Olympique

Schwach bis gar nicht zu erkennen, Thees Uhlmann. Wer baut auch eine Bühne im Westen auf?! Copyright: luserlounge
(ms) Bielefeld. Im Umgangssprachton die Stadt, die es nicht gibt. Dass es sie doch gibt, und dass dort der ein oder andere wohnt und/oder studiert, wurde gestern promt gezeigt beim Campus Festival direkt am ziemlich hässlichen Unigebäude. Links von der Mainstage ein riesiger Betonmoloch, rechts davon ein Neubau, der noch gut aussieht, doch sicher in zehn Jahren antik geworden ist. Okay, wer eine Campusuni mag, der fühlt sich hier sicher gut aufgehoben. Gehen wir den Tag strukturell an!

Zum Musikprogramm: Eine Premiere mit so einem Programm kann schon zum Staunen anregen. Alligatoah, Gentleman, Thees Uhlmann, Zugezogen Maskulin, Annenmaykantereit, Olympique. Dazu ein ausgefeiltes DJ-Programm mit Aftershow-Party und so weiter. Das ist wirklich nicht schlecht und hat auch Leute von außerhalb angezogen, egal ob Student oder nicht.
So haben wir uns gleich zu Beginn Olympique angesehen (unseren Lesern bestens bekannt). Bielefeld kannte die Salzburger nicht so gut, sodass es für einen musikalisch guten Auftritt mit sympathischen Ansagen nur zurückhaltenden Applaus gab. Aber okay. Vielleicht haben sie ja den ein oder anderen Ostwestfalen überzeugen können. Nur eine halbe Stunde später wurde es schon rappelvoll vor der großen Bühne, immerhin haben die Lieblinge der Republik, Annenmaykantereit, gespielt. Und wie. Ob mit Klavier, Trompete oder ohne. Diese Jungs wissen sehr gut, wie man die große Meute unterhalten kann. Und das nicht nur mit guten Ansagen, sondern hauptsächlich durch die Musik und ihre Texte, die so verdammt gut mitsingbar sind. Ich gebe zu, ich war im wesentlichen ihretwegen anwesend. Sie haben alte Stücke neu interpretiert, neue Stücke ohne Namen vorgetragen und mit "Oft gefragt" und "21, 22, 23" geendet. Die Hymne für alle anwesenden. Wesentlich höher war der Altersdurchschnitt auch nicht. Danach: Thees Uhlmann. Ein Mann, der diese Stadt liebt und schon unzählige Male dort war. Musikalisch sicher, etwas zu langes Gerede zwischendurch. Sonst genauso, wie man ihn eben kennt, etwas überheblich und auf sich fixiert. Aber: Vielen Dank für "Schreit den Namen meiner Mutter"! Das war's in puncto Musik. Wieso, lest ihr weiter unten.

Nicht nur hier Publikumslieblinge: Annenmaykantereit. Copyright: luserlounge
Zur Organisation: Bei so einem ersten Mal kann man Fehler machen. Das ist okay. Und auch verzeihlich. Nur es ist sehr nervig, wenn man vor Ort ist. Eine halbe Stunde für ein Bier anstehen? Eine halbe Stunde für ein Dixi anstehen? Keine Pissoirs oder Pissrinnen für die Herren? Muss nicht sein. Beim Wellenbrecher vor der großen Bühne gab es zu den Seiten nur türbreite Öffnungen, wo man sich hindurchzwängen konnte um rein oder raus zu kommen. Das führte ebenfalls zu Chaos. Wäre alles nicht so schlimm, wenn nicht viel zu viele Menschen auf diesem Areal gewesen wären. Offiziell waren es gut 20.000! Das liegt in etwa gleich auf mit den Tagesbesuchern vom Open Flair. Vielleicht wäre auch die Zuschauermenge okay, wenn das Gelände weitläufiger gewesen wäre. War es aber nicht. Die Bühnen waren sehr nah beieinander und im Endeffekt alles zusammengepfercht wie auf einem Fußballplatz.
Erstes Mal, Premiere, Debut. Alles okay.
Nur gibt es doch im näheren Umkreis große Festivals mit ähnlicher Struktur, die wesentlich besser organisiert sind: Asta Festival Paderborn, JuWi Fest Münster, Juicy Beats Dortmund, Bochum Total, Serengeti Festival...
Daher haben wir uns auch nach Uhlmann entschieden, das Gelände zu verlassen. Selbst für etwas zu essen hat es irre lang gedauert, bis man bedient wurde.
Dies ist alles nicht böse gemeint, liebes Campus Festival. Ich glaube, ihr wisst genau, was ihr nächstes Jahr besser machen müsst/könnt. Wir sind alte Festivalhasen und gute Organisation gewohnt.
Und bestimmt war das Finale mit Gentleman, Zugezogen Maskulin und Alligatoah ein Fest! Wir sehen uns kommendes Jahr!

Montag, 22. Juni 2015

Live: Traumzeit Festival Freitag: Wanda, Calexico u.a.

Calexico, Copyright: luserlounge
(ms) Wir sind nicht die Intro. Wir sind nicht Visions. Wir sind auch nicht Spex oder Musikexpress. Wir sind keines der großen musikjournalistischen Flagschiffe. Daher schaffen es unsere Rückblicke auf Konzerte oder Neuerscheinungen manchmal erst ein paar Tage später ans Tageslicht, wir sind ja auch nur Fans. Aus persönlichen Gründen, haben wir es dieses Jahr auch nur einen Tag nach Duisburg zum wunderbaren Traumzeit Festival geschafft, nicht so wie letztes oder vorletztes Jahr.
Dieser Freitag allerdings hatte es wirklich in sich.
Das Wetter spielte eher nicht so perfekt mit, es war nasskalt und etwas kühl. Kein Anlass jedoch für die vielen Fans des Festivals sich draußen oder drinnen aufzuhalten zwischen Kraftzentrale, Gießhalle, Gebläsehalle oder der Freibühne am Gasometer. Diese Industriekulturkulisse ist einfach atemberaubend und das jedes Mal aufs Neue. Jedes Jahr gibt es andere Lichtkünstler, die die meterhohen Türme, riesigen Hallen und Stahlkonstruktionen fesselnd in Szene setzen. Allein dafür lohnt sich die Anreise schon!
Doch der Hauptgrund ist immer noch die Musik.
Und die Booker des Traumzeit Festivals locken ein bunt gemischtes Publikum in den Pott. Die Feuilleton-Leser, die Studenten, Junggeblieben, Hedonisten. Wer kennt schon Banda Senderos, Josef Salvat oder Brandt Brauer Frick Ensemble? Von denen haben wir in den oben genannten Journalien nie was gelesen.
Start am Freitag war aber nicht mit klassisch gepluggter Musik. Sondern mit dem Kumpel-Chor aus Duisburg-Homberg - Durchschnittsalter ca. 79 - die alte Bergbaulieber zum Besten gegeben haben: Glück auf! Starke Angelegenheit! Weiter ging es mit L'Aupaire, einem jungen deutschen Lockenkopf mit Band, den es nach Budapest verschlagen hat, um teils catchigen und Mitsingpop auf der Gitarre zu schreiben. Spannende Stimme und äußerst sympatisch. Als Überbrückung zu Calexico trat auf der Gasometer-Bühne die Band Lingby auf. Soundteppiche aus Gitarre, Bass, Schlagwerk, Keyboards, Tuba, Posaune, Trompete und starkem weiblichen Gesang. Sollte man im Blick behalten. Calexico als Headliner am Freitag haben traditionell die Generation ab Mitte 40 erreicht und angezogen! Ich vermute, dass es eine der ehrlichsten und vielleicht besten Live-Bands ist. Ehrlich, weil sie alles geben, egal wie viele Leute zusehen. Joey Burns hat sich sichtlich gefreut über die letzte Festivalshow dieses Jahr und war auch vom Altherrenchor angetan. Am Besten, weil jeder der sieben Musiker ein Meister seines Faches ist. Egal ob Kontrabass, E-Bass, E-Gitarre, Keyboard, Trompete (2x), Marimbaphon/Xylophon, Schlagzeug. Es macht Laune den Herren zuzusehen, wie viel Spaß es ihnen macht, so leichtfüßig zu musizieren. Dabei lag das Augenmerk auf dem neuen Album "Egde of the Sun" und neuerem Material. "Crystal Frontier" zum Beispiel passte nicht in den 75-minütigen Auftritt. Was aber auch egal war, da diese Zeit wie im Fluge verging und nachhaltig als herausragend im Gedächtnis bleibt.

Wanda, Copyright: luserlounge
Und dann kam der heimliche Headliner: Wanda.
Wir lieben sie. Ihr liebt sie. Sie lieben sich auch sehr. Und alle Leute, die da waren, liebten sie auch. Am besten konnte man sie ertragen mit ein, zwei Bier intus.
Sie hatten eine Dreiviertelstunde Zeit, um das Publikum zu begeistern. Beim Betreten der Bühne flogen ihnen die Zuhörerherzen allerdings schon massenhaft entgegen. Große Klasse.
Vielleicht sind Wanda noch nicht mal so gute Livemusiker. Das ist aber insofern egal, weil sie sich herrlich inszenieren. Sie spielen sich selbst auf einem anderen Level: verlebt, übertrieben, selbstbewusst, vielleicht ein bisschen arrogant, aber herzlich und sympathisch und voller Amore! Ein Hit nach dem Anderen. Insbesondere "Luzia" und der Überhit "Bologna" haben die Massen ausrasten lassen; ich kann mich davon nicht ausnehmen. Zum Schluss noch "1, 2, 3, 4" und nochmals "Luzia". Wer kann, der kann. Diese Band lässt ihre Zuhörer paralysiert zurück. Völlig baff! Scheiße, waren die gut! Die streuen eine Droge aus den Lautsprechern, die schnell abhängig macht!

Liebes Traumzeit Festival. Ihr seid einfach klasse. Wie schafft ihr es bei ca. 3000 Tagesbesuchern so ein Line-Up aufzustellen, dazu 16 Acts für lau?! Das würde mich wirklich mal interessieren! Macht weiter so, wir sind nächstes Jahr wieder dabei! Versprochen!

Donnerstag, 18. Juni 2015

Empire Dust - "Intelligent People" EP

Quelle: Juliane Lancou / Promo
(ms) Ihr vermisst politisch fundierten Rap mit tiefen, dunklen Gitarren?
Dann haben wir hier einen brandheißen Tipp für euch: Empire Dust!
Macht diese Formation allerdings wirklich neue Musik? Nicht so ganz. Aber sie füllt eine Lücke, die in den 90er Jahren noch rappelvoll war. Dieser Mix aus HipHop und härterem Sound ist kein Nu Metal, dafür sind einige Bässe und Synthie-Klänge zu sehr im Vordergrund. Das ist keineswegs schlimm, sondern ein großer Vorteil für diese Kombo an Leuten, die massenweise Erfahrung im Music Business haben. Denn Gründer von Empire Dust, Lord Kimo, hat die Asian Dub Foundation mitgegründet. Dieser traf in Frankreich auf Ghislain Baran, und die Idee für Empire Dust war geboren. Dieses Kollektiv aus London hat in den 90er Jahren auf sich aufmerksam gemacht, doch in Frankreich seine größten Erfolge gefeiert.
Dieser damals schon dichte und dunkle Sound erlangt hier nun seine Fortführung und mit mehr Finesse und Vielseitigkeit. Bemerkenswert schaffen sie diesen komplexen Sound auf einer 5-Track-EP unterzubringen, die als logischer Nachfolger zum selbst betitelten Debut zu betrachten ist.
Es sind treibende Drums im Hintergrund, Mädchenchor-Gesänge, tiefer und sanfter Rap erinnert an Boots Riley, Gitarren á la Tom Morello, manchmal erinnert es an Gorillaz und Why?
Insbesondere "Ghost in a Capsule" ist ein Song, der als Soundtrack einer Filmszene dienen könnte, wo eine amerikanische Großstadt bei Nacht zu sehen ist, vielleicht in einem sozialen Brennpunkt, der etwas unsicher scheint, links und rechts Gefahren drohen, aber durch einen nicht näher beschreibbaren Instinkt, eine innere Stimme, kommt man sicher da hindurch.
Ob Empire Dust demnächst in Deutschland oder Umgebung zu sehen sein werden, steht noch nicht ganz fest. Diese feine EP legen wir euch aber dennoch ans Herz, gerade an Tagen im Juni, die so gar nichts mit Sommer zu tun haben. Es sind fünf Lieder zwischen tiefster Hoffnungslosigkeit und Schwärze und einem leichten, hellen Streifen Licht am Horizont. Am Freitag, den 19. Juni kommt die Scheibe via Last Exit Records auf den Markt. Fragt den Plattendealer eures Vertrauens, ihr werdet begeistert sein!

Da YouTube mal wieder alles mögliche sperrt, schaut euch hier die aktuelle Single auf Vimeo an!



Sonntag, 14. Juni 2015

Spaceman Spiff ist der neue Thees Uhlmann

© Waldemar Salesski, Quelle: mairisch.de
(ms) Was die Hamburger Schule mal gewesen sein soll und wer dazugehörte ist eine immer noch heiß diskutierte Frage in der deutschen Gitarrenpoprockmusikwelt. Vielleicht Blumfeld und Die Sterne. Selbst Tocotronic wollen mit dem Begriff nicht viel zu tun haben (dann lieber ein feuilletonistisches Album über die Liebe schreiben). Kettcar und Tomte haben erst recht nichts mehr damit zu tun, obwohl Urhamburger und Labelinhaber.
Apropos Tomte.
Die große Band gibt es ja leider schon lange nicht mehr. Und das aus ganz verschiedenen Gründen. Thees Uhlmann hat zur Tomte-Zeit seine besten Texte geschrieben. Schreit den Namen meiner Mutter. Korn und Sprite. Wilhelm das war nichts. Ich sang die ganze Zeit von dir. Eine Art und Weise über das menschliche Leben und seine Höhen und Tiefen zu texten, der seinesgleichen gesucht hat. Eine sanfte aber auch direkte Art über die Liebe zu singen. Tolle Livemomente hat uns diese Band geschenkt. Und dennoch zerbrach sie Stück für Stück. Es wurde gemutmaßt, dass Uhlmann eine so komplizierte Person ist, dass viele es schlicht und einfach nicht lange mit ihm aushalten und dann eigene, getrennte Wege gehen. Die logische Konsequenz waren die beiden bislang erschienenen Soloalben. Naja, solo mehr oder weniger. Es ist im Grunde der alte Tomte-Sound unter eigenem Namen und mit neuen Musikern. Dass Tobias Kuhn es schon so lange mit ihm aushält, kann ich mir nur erklären, da Uhlmann auf ihn angewiesen ist. Textlich und vor allem musikalisch! Alleine könnte er das wahrscheinlich nicht. Dabei lässt er ordentlich federn. Die großen Tage der uhlmännschen Texterei sind vorbei. Es geht vor allem um ihn, sein Leben, seine Herkunft, seine Träume und Visionen. Schade ist das. Aber es manifestiert sich auch in seinem Auftritt als Person: arrogant und egoistisch. Hier wird nochmals die Gitarre im hohen Bogen geworfen, da die Arme hochgereckt, um sich selbst zu feiern.

Ich habe allerdings eine Vermutung.
Dass dieser mittlerweile leere Songwriterplatz neu besetzt wird.
Durch Hannes Wittmer. Also known as Spaceman Spiff. Der sympathische Herr oben im Bild. Warum ausgerechnet er? Weil er bis dato einen großen Bekanntheitsgrad erreicht hat, vor ausverkauften Häusern solo, mit Cello oder mit ganzer Band spielen kann und herzzerreißend schöne und wahre Texte schreibt, die viel weiter gehen als alles was Uhlmann je zu Papier gebracht hat. Und präsentiert es mit einer Sympathie, Ehrlichkeit und Emotion, dass sofort klar ist: Dieser Typ steht so sehr hinter seiner Musik, dass man ihm ansieht, wie es ihn erfüllt und Spaß macht. Dabei kommt er auch aus Hamburg, der Quelle der Indiepopkunst, und hat sich in den letzten Jahren toll entwickelt. Sein Debut "Bodenangst" war noch komplett mit Gitarrenbegleitung, bei "Im Fenster immer noch Wetter" schon etwas Bass und Percussion, "Endlich nichts" erstrahlt in voller Bandbesetzung. Dabei sind die Texte qualitativ gleich hoch, nah am Menschen, direkt ins Herz und zum Mitsingen und drüber nachdenken gemacht!
Im Herbst bringt Thees Uhlmann ein Buch raus: Sofia, der Tod und ich.
Vielleicht ist dann schon der Punkt gekommen, dass in Hamburg alle Leute mit Spaceman-Shirts statt mit Tomte-Aufnähern durch die Gegend laufen. Wenn nicht. Dann spätestens danach!



Dienstag, 9. Juni 2015

Silent Sleep - "Stay The Night, Stay The Morning Too"

Copyright: Adam Edwards / Promo
(ms) Silent Sleep. Das ist ja eigentlich ein wirklich schöner Name, und wer will denn nicht ruhig und still schlafen? Da fällt mir so spontan niemand ein. Christopher McIntosh macht unter diesem Namen bezaubernd schönen Namen Indie-Folk-Gitarren-Pop. Doch allein beim Lesen der Tracklist des aktuellen Albums "Stay The Night, Stay The Morning Too", beschleicht einem schnell der Gedanke, dass er vielleicht einen nicht so guten Schlaf haben mag, wenn die Texte seinen Lebenssituationen entsprechen. Im Grunde genommen geht es um die große Liebe. Ein abgearbeitetes Thema? Das mag sein, aber es kommen immer wieder neue Formen dazu, die es wert sind, erwähnt zu werden und gut zu finden. Dieses Album gehört auf jeden Fall dazu!
Wieso tut es das?
Es ist die Formvollendung des Indiepop. Und alle großen Namen haben schon gezeigt, dass das persönliche Glück, Schicksalsschläge und das Neuverlieben immer wieder Stoff für tolle Songs bringt. Wer könnte sich Nada Surf ohne "Inside of Love" vorstellen?! Bitte!
Und so ist es auch bei McIntosh und seinem vielen Mitmusikern. Der gebürtige Liverpooler hat einige Jahre in Berlin gelebt (wo sonst?!) und ist sehr umtriebig in Sachen Musik. Bereits ausreichend Bühnenerfahrung hat er mit seinen vorherigen Bands 28 Costumers und Hello... I Love You gesammelt. Songs wie "I Wish It Could Be Different", "You Can Colour Me In" oder "On The Steps Of The Bombed Out Church" zeigen in aller Schönheit und musikalischen Finesse, dass das Thema Liebe es wert ist, es immer wieder neu zu betrachten.
Und dann gibt es da noch ein großes, anderes Augenmerk, warum wir jetzt erst auf Silent Sleep aufmerksam geworden sind. Das Album ist immerhin schon im Januar erschienen. Vor ein paar Tagen entdeckten wir das Video zur Single "I Wish It Could Be Different". Unbedingt ansehen!


Wunderschön erzeugt dieser Kurzfilm in einem Kuckuckshaus die wesentlichen Probleme der Liebe. Da ist auf einmal noch jemand anders, den man auch gut findet, trotz dass man zusammen lebt. Und die schlussendliche Konsequenz, den ganzen Laden anzuzünden, seine eigenen Schweine zu retten und ein neues Leben anzufangen, ist hier so gut nachvollziehbar gestaltet, wie kaum sonst. Wenn ihr ein besseres Musikvideo findet, dann lasst es uns wissen.
Klar, auf dem Album ist das Video nicht drauf. Aber es lohnt sich trotzdem, es sich zuzulegen. Es erwartet euch die schönste Zusammenstellung aus Dad Rocks!, Dear Reader und Nada Surf. Empfehlung!