Mittwoch, 31. Januar 2018

Live in Dortmund: Gisbert zu Knyphausen

Foto: luserlounge
(ms)  Das Freizeitzentrum West - FZW - in Dortmund war seit der Gründung der Gemeinde im Jahr 1968 im Westteil der Stadt eine Institution. Einer der kreativsten und mutigsten Clubs des Ruhrgebiets und Pilgerstätte für Musiknerds aller Geschmacksrichtungen. Viele Partys haben eine enorme Reichweite und die Verantwortlichen immer ein sehr feines Händchen für die Auswahl an Gästen und Bands gehabt.
Das ist immer noch so. Nur der Club liegt nun seit mehreren Jahren zentral in der Stadt in der Nähe des Dortmunder Us. Und er ist größer, verfügt über eine große Halle und einen etwas kleineren Club, wo regelmäßig tolle Konzerte stattfinden.
Warum aber dieser Vorspann, wenn doch im Titel Gisbert zu Knyphausen steht?
Ganz einfach: An dieser  Stelle ist es absolut notwendig, den Verantwortlichen des FZW für den Klang bei den Konzerten ein großes Lob auszusprechen. Der Schreiber hat schon viele Konzerte unterschiedlicher Bands und Genres gesehen: Kettcar, Tocotronic, Rangleklods, Get Well Soon, Nada Surf, Ghost und gestern halt Gisbert zu Knyphausen. Jedes Mal war ab dem ersten Lied der Sound so wunderbar austariert, genau und warm; kaum auszuhalten. Jeder, der schon mal ein Gig mit schlechtem Klang erleben musste, weiß wie enorm wichtig diese scheinbare Selbstverständlichkeit ist.
Schon die gestrige Vorband um den kanadischen Sänger Mark Berube konnten mit Akustikgitarre, Posaune und Cello überzeugen. Aufgrund von Freundschaftspflege kann an dieser Stelle nicht wesentlich mehr dazu berichtet werden.
Das neue Album von Gisbert zu Knyphausen, Das Licht dieser Welt, ist textlich breit und tief und ebenso schön vom Klang her. An diesem Dienstagabend hat insbesondere die Bläser- und Percussionarbeit von Martin Wenk (Calexico!) und Michael Flury für Gänsehautmomente gesorgt. Mit Niemand, dem Opener der Platte, fing auch das Konzert an. Sowieso: Vom neuen Album wurde fast kein Track ausgelassen. Und natürlich gab es auch ein paar Klassiker wie Seltsames Licht, Ich bin Freund von Klischees und funkelnden Sternen, Neues Jahr oder Verschwende deine Zeit. Auch Lieder aus dem Kid Kopphausen-Projekt durften nicht fehlen und so haben sich die vielen, extrem aufmerksamen Zuhörer über Hier bin ich und Das Leichteste der Welt freuen dürfen.
Man hat Knyphausen viel Freude und Leichtigkeit ansehen und -hören können. Den Tod von Nils Koppruch scheint er verarbeitet und dies auch in seine Musik integriert zu haben.
Es war ein sehr stimmungsvoller und feiner Abend.
Wer kann, sollte sich Gisbert zu Knyphausen mit seiner tollen Band hier anschauen:

31.01. Bremen - Schlachthof
01.02. Rostock - M.A.U. Club
02.02. Magdeburg - Moritzhof (AUSVERKAUFT)
03.02. Erfurt - HsD
26.02. Hannover - Kulturzentrum Pavillon
27.02. Zürich - Bogen F (AUSVERKAUFT)
28.02. Schorndorf - Manufaktur (AUSVERKAUFT)
01.03. Köln - Gloria (AUSVERKAUFT)
19.06. Kiel - Kieler Woche
20.06. Chemnitz - AJZ Talschock
21.06. Ulmer Zelt 2018
01. - 04.08. A Summers Tale
03. - 05.08. Watt En Schlick 2018


Montag, 29. Januar 2018

Friede Merz - Denmark Street (EP)


(sb) Zugegebenermaßen beginnt diese Geschichte klischeehaft: eine junge Frau aus der baden-württembergischen Provinz zieht zunächst nach Mannheim und dann weiter nach Berlin, um ihren musikalischen Traum auszuleben. Das wars dann aber auch schon wieder mit Plattitüden, denn Friede Merz bringt etwas mit, das es ihr eigentlich an jedem Ort der Welt ermöglichen sollte, nicht nur ihre Message unter die Leute zu bringen, sondern auch kommerziell erfolgreich zu sein. Mit ihrer EP „Denmark Street“ gelingt es ihr zu berühren und stellenweise sogar zu begeistern, auch wenn mir nicht jeder der (leider nur) fünf Tracks zusagt.
 

Auf fast alles, was man über Friede Merz sagen kann, trifft auch das absolute Gegenteil zu. Sie ist eine sanfte Extremistin und um mit Extremen zu spielen, muss man sich ihnen eine Weile gewidmet haben und bereit sein, immer weiter zu ziehen. Dies erscheint geradezu wie eine Prämisse in der Vita der Künstlerin, die in der  baden-württembergischen Dispora aufwuchs, kann sie sich doch an keine Zeit erinnern, in der sie nicht weit weg und immer weiter wollte. Sie suchte ihr zu Hause zunächst in Mannheim in der Klassik und später in Berlin im Jazz, um sich letztendlich einzugestehen, dass ein zu Hause niemals genug sein würde - weder räumlich noch musikalisch.

In ihrer Debüt-Single „Soho“ spricht Friede von genau diesem Weiterziehen und der Suche nach dem Vertrauten in der Fremde. Mit gebrochenem Herzen floh Friede vor einigen Jahren von Berlin nach London. Aus einem Ablenkungsmanöver wurde ein folgenschwerer Richtungswechsel: In den Drag Pubs von Soho fand Friede die Inspiration und in er berühmtberüchtigten Denmark Street, Namensgeber ihrer ersten EP, den Sound, nach dem sie gesucht hatte. Und nicht zuletzt die Menschen, die ihre Aufnahmen aus  den Nalepastudios Berlin veredelten: Mixing Engineer Alex Killpartrick und Master-Göttin Mandy Parnell.
 
Mittlerweile in Hamburg gelandet, hat Friede sich mit ihrem Debüt viel Zeit gelassen. Kein Manager, kein Label und vor allem keine halben Sachen. Friede hat ihre Studio-Aufnahmen und das in London gedrehte Musikvideo zu „Soho“ alleine produziert: „Ich konnte es mir ehrlich gesagt einfach nicht anders vorstellen. Ich bin getrieben von der Notwendigkeit mich immer weiterzuentwickeln und Neues auszuprobieren. Und dankbar, dass mit dem Musikvideo nun auch eine visuelle Komponente zum kreativen Output hinzugekommen ist.“
 
Die Verdrängung der Gay Bars in Soho aufzuzeigen und das als „natürlich“ Vorausgesetzte zu hinterfragen ist der pinke Faden, der sich durch das Musikvideo zu „Soho“ zieht. Mit einer warmen Stimme, lauten Gitarren und versöhnlichen Harmonien wird hier die Musik selbst zum Schutzraum.
 
Mein Favorit folgt jedoch direkt im Anschluss: „Visitor“ begeistert als Low-Tempo-Nummer, man versinkt in die melancholische Stimme und Stimmung und fühlt sich doch umgeben von einem musikalisch-warmen Mantel.

Bei „Let’s Move On“ ist der Name Programm, für mich ein absoluter Skip-Track, der mir rein gar nichts gibt.
 
„Astarte“ hingegen vereint wieder die Stärken von Friede Merz und das abschließende „Hannah’s Hands“ macht Lust auf mehr, auch wenn es bei weitem nicht mit den ersten beiden Songs der EP mithalten kann.

„Denmark Street“ erscheint am 02.02.2018 und spätestens dann gilt: Friede sei mit Euch!
 
 
 
 
 

Freitag, 26. Januar 2018

KW 4, 2018: Die luserlounge selektiert!

mathe-ist-einfach.de
(ms) Befindet man sich im universitären Kosmos des Studiums, ist man Ende Januar mehr oder weniger abgeschnitten von der Außenwelt, denn: Prüfungen stehen an. Klausuren und mündliches Auf-die-Probe-Stellen. Es ist so ein bisschen wie bei der Truman Show: Die Erwartungen sind da und auch oft hoch, vieles wird inszeniert, man ist oft gezwungen eine Rolle zu spielen, in der auch der Text vorgegeben ist. Dieser muss dann nur noch auswendig gelernt werden. Wobei "nur noch" oft gar nicht so einfach ist. Und dann gibt es stets die gleichen Mitstudierenden - man kennt das schon aus der Schule und jedem anderen Arbeitsumfeld - denen das einfach so zufliegt, die sich kaum anstrengen müssen. Auf der anderen Seite sind die fleißigen Bienchen, die immer gute Noten ernten, sich aber vorher komplett verrückt machen und jedem mehrmals versichern, wie mies die Prüfung wird und stets mit einem satten Ergebnis davon kommen. Und dann gibt es noch einige Typen, die seit Jahren irgendwie durchkommen. Es ist ein großes Rätsel, wie das überhaupt angehen kann, aber mit einem großen, zufriedenen Lächeln sitzen sie in Vorlesungen und Seminaren und leben eigentlich in der Kneipe.
Zum Glück gibt es Musik und ein paar Perlen, die wir für Euch rausgesucht haben:

Fishbach
Die Avantgarde aus dem Bereich elektronischer Musik kommt häufig aus Frankreich. Air, Daft Punk und C2C haben es in den letzten Jahr(zehnt)en eindrucksvoll bewiesen. Seit kurzer Zeit macht eine junge Dame mit dem Namen Fishbach auf sich aufmerksam und hat bereits vor Veröffentlichung ihres ersten Albums den Le Prix des Indés gewonnen. Am 16. Februar erscheint nun A Ta merci und bringt 80er und geheimnisvollen Electro-Pop auf Albumlänge daher.
Sie kommt auch hierzulande auf Tour und das wird sicherlich ein großer Auftritt:

26.02. - Köln, Blue Shell
27.02. - Berlin, Frannz Club
28.02. - Hamburg, Nachtwache
03.03. - Frankfurt, Zoom
04.03. - Karlsruhe, Tollhaus
05.03. - München, Villa





George Ezra
Budapest und Blame It On Me sind große Pophits. Trotzdem - oder genau deswegen? - ist George Ezra ein tolles Phänomen. Er ist gerade mal 24 Jahre jung und schon steht der Brite auf den großen Bühnen und verbreitet ununterbrochen gute Laune, und das ganz ohne Kitsch und Radiolangeweile. Nach seinem Megaerfolg mit dem Album Wanted On Voyage gibt es nun einen Nachfolger. Paradise macht geschmackssicher dort weiter wo er aufgehört hat. Er ist der erste Ohrwurm-Vorbote, der dann in Albumlänge am 23. März zuschlägt: Staying At Tamara's.
Hier wird er dann auch live zu sehen sein:

09.04. - Berlin, Huxleys Neue Welt
14.04. - Köln, Live Music Hall
22.-24.06. - Hurricane- & Southside-Festival



Ash Gray
Mit etwas weniger großem Pop aber viel Passion und ruhigem Sachverstand im Bereich akustischer Gitarrenfolk kommt Ash Gray daher. Am heutigen Freitag veröffentlicht er sein zweites Album, das auf den Titel Chickenwire hört. Ständig pendelnd zwischen England und den Staaten, vornehmlich Austin und New York, macht er seit Jahren nichts anderes als mit Herzblut Gitarre zu spielen und in den unterschiedlichsten Konstellationen zu musizieren.
Es ist furchtbar angenehme Musik für ein Bier mit Freunden, für Stunden, die man allein verbringen will oder aber für den nahenden Frühling!
Hier spielt er demnächst auch bei uns:

03.02. - Platenlaase, Café Grenzbereiche
04.02. - Braunschweig, Barnaby’s Blues Bar
05.02. - Köln, Hoppla, Kalk
08.02. - Bremen, Elo Bar
09.02. - Groningen, O'Ceallaigh Irish Pub
10.02. - Cuxhaven, Janja’s Musik Bar
11.02. - Hamburg, Künstlerhaus Faktor

Ash Gray - The Creek Don't Rise - WEB from Pixelwitch Pictures on Vimeo.

Mittwoch, 24. Januar 2018

Nils Frahm - All Melody

Foto: Alex Schneider
(ms) Träume deinen Traum. Das hat Ronja von Rönne letztens in einem absolut lesenswerten Artikel zum Thema Schlaf geschrieben. Wie recht sie hat! Wie wertvoll die Zeit zwischen Einschlafen und Aufwachen ist. Eine Zeit der Erholung und des Nichts-Tuns und der wunderbaren Möglichkeit in der Phantasie, der Gedankenwelt, dem Kopf und Hirn davonzuschweben.
Die Tiefe und Macht von Träumen wird uns nur zu selten bewusst. Dass wir sie zudem beeinflussen können, kommt erst danach. Wie gern erzählt man nach dem Aufwachen einer lieben, vertrauten Person, was eben noch nah und allgegenwärtig war. Klar, oft ist auch Schlimmes und Grausames dabei, damit müssen wir uns abfinden und soll hier keine Rolle spielen.
Der Tagtraum ist im Zuge dessen ein Zustand, den wir zulassen müssen. Es ist kein Abschweifen, kein leerer Blick, er kann ja ganz gezielt genossen werden. Und spätestens ab diesem Freitag kann man sich davon überzeugen lassen, dass es auch möglich ist, diesen herrlichen Zustand lenken zu lassen. Denn diesen Freitag erscheint über Erased Tapes das neue Album von Nils Frahm mit dem schönen Titel All Melody.

Selten war eine Spielzeit von gut einer Stunde und fünfzehn Minuten so sehr gerechtfertigt wie auf diesem warmen, breiten, schönen Album, dass uns ganz von allein, ganz selbstverständlich aus dem Hier und Jetzt reißt - dabei muss man gar nicht esoterisch sein oder Yoga betreiben.
Nils Frahm schafft es, eine neugierig machende Ruhe in Klang umzumünzen. Dieser Klang wiederum ist ein Öffner für eine (Traum-)Reise, auf die der Hörer sich einlassen muss. Hat er dies getan - schwer ist es nicht - ist er im Nu ganz weit weg, auf einem anderen Planeten. Er ist friedlich aber nicht ungefährlich. Er ist ruhig aber auch aufbrausend. Er ist vertraut und doch überraschend. Und er ist ab und an ein Fingerzeig in eine wie auch immer geartete Zukunft. Denn Nils Frahm macht außergewöhnliche Musik. Schnell muss man Lambert, Hauschka, Grandbrothers und Olafur Arnalds nennen; mit letzterem hat er immerhin auch schon zusammengearbeitet. Würde man sein Genre nun elektronische Klassik nennen würde das dem Zauber, den die Musik ausstrahlt, nicht gerecht. Klar, er arbeitet sowohl mit Elementen aus der klassischen wie auch aus der elektronischen Musik. Doch das in einer Perfektion, dass die Grenzen verschwimmen. Oft tauchen auf All Melody Sängerinnen auf, die Sphärisches singen; keine Worte und keinen Text. Dies passt genauso gut auf Lieder wie Kaleidoscope wie auch in Sunson.

Natürlich braucht ein Musiker wie Frahm für diese Art von Melodie und Klang einen besonderen Ort, an dem er sie schaffen, aufbauen, einstürzen und wiederbeleben kann. Seit einiger Zeit betreibt er ein Studio im Berliner Funkhaus direkt an der Spree, das er nach seinen Wünschen und Vorstellungen umgebaut und erweitert hat. Unter anderem mit einer Orgel, einem Mellotron und einem riesigen Mischpult. Unter anderem die Spielweise, also das direkte Anschlagen der Tasten wie bei einem Celesta ist auf den Aufnahmen zu hören; als ob man direkt im Studio wäre. Diese Freiheit, die der Künstler nun genießt, ist zu hören. In allen Instrumenten.
Dass er sich dafür Hilfe organisiert hat, ist klar. Die Wenigsten können all dies, wohl möglich noch gleichzeitig. Insbesondere der Chor von und um Kieran Brunt verdient Lob für die fein-abgestimmte Leistung.

Live wird so etwas natürlich extraordinaire! Zudem ist er dann allein.
Hier zu sehen für all die Glücklichen, die ein Ticket haben:

24.01.18 Funkhaus – Berlin (ausverkauft)
25.01.18 Funkhaus – Berlin (ausverkauft)
27.01.18 Philharmonie – Köln (ausverkauft)
21.04.18 Elbphilharmonie – Hamburg (ausverkauft)
22.04.18 Gewandhaus zu Leipzig (ausverkauft)
24.04.18 Alte Oper – Frankfurt
25.04.18 Muffathalle – München (ausverkauft)




Dienstag, 23. Januar 2018

Tocotronic - Die Unendlichkeit

McPhail, von Lowtzow, Müller, Zank: Tocotronic. Foto: Michael Petersohn
(ms) Die Feuilleton-Lieblinge Tocotronic veröffentlichen an diesem Freitag ihr zwölftes Studioalbum mit dem Titel Die Unendlichkeit. Eine Band, die seit Jahren - genauer, seit 25 - schön-verschwurbelte Texte in ebenso schöne Musik verpackt, wird von Feuilleton-Redakteuren seitdem jeweils zur Albumveröffentlichung mit ebenso elegisch-hymnischen Texten beehrt. In welchem Umfeld und mit welch Arbeitsethos so eine Rezension entstehen kann, hat kürzlich Gerhard Stadelmaier in seinem herausragenden Buch Umbruch gezeigt. Seine Sprache enteilt sogar der der Tocotronischen.
Dass die vier Wahlberliner niemandem mehr ihre Qualität, ihren Intellekt und auch ihren Humor beweisen müssen, ist ihnen selbst am besten klar. Stopp: Humor? Über Tocotronic und ihre Texte lachen? Nein, derart unterhaltend, dass es einem einen herzlichen Lacher provoziert, sind ihre Lieder nicht. Ihre Selbstinszenierung und ihre teils irren Ansagen auf der Bühne lassen jedoch einen feinen Sinn für Ironie und Witz erahnen.
Die Unendlichkeit ist nun also ein weiteres Konzeptalbum. Es ist nicht so wuchtig wie Schall & Wahn. Es ist nicht so programmatisch wie Kapitulation. Und es ist auch nicht so rosa-harmonisch wie das letzte, rote Album. Die Themen, für die sie vorher schon standen, kommen hier doch in einzelnen Zeilen, Strophen und Refrains durch, was sicherlich auch Ziel des neuen Albums ist. Es ist selbstreferentiell, autobiographisch und äußerst gelungen. Private Begebenheiten und bandhistorische Anekdoten ziehen sich durch die Lieder, die unterschiedliche Spielarten des Gitarren-Rock bedienen.
Alle zu betrachten ist gar nicht notwendig.
Einige, die auf besondere Weise herausstechen, wollen wir dennoch kurz charakterisieren.

Die Unendlichkeit: Opener und albumbetitelnder Track (oder andersherum, wer weiß?!). Der Klang ist tief und voll so wie er sich bei den letzten Alben schon entwickelt hat. Schwere Gitarren im Refrain und eine tolle Bass-Melodie in den Strophen bringen Groove und musikalisches Know-How zum Vorschein. Haus-und-Hof-Produzent Moses Schneider war am Werk. Sie sind sich natürlich auch nicht zu schade für eine Buzz-Lightyear-Referenz, die durch Dirk von Lowtzows einnehmenden Bariton eine neue Seriosität bekommt.
Electric Guitar: Zweierlei Lied. Zum Einen ist es eine Ode ans Saiteninstrument zu seinem 100-jährigen Geburtstag: Ein Centennium verstärkter Gitarrenklang. Zum Anderen ist es ein kurzgeschichtenartiger Großwerd-Song (Coming-of-Age wie man sagt), der Rebellion im Reihenhaus thematisiert. Am besten kann man dies durch das Video von Maximilian Wiedenhofer verstehen. Als Darsteller ist auch dies mal, wie bei zwei weiteren Songs (Die Unendlichkeit und Hey Du), Maximilian Scheller dabei. Große Kunst.
Unwiederbringlich: Erst Xylophon. Dann ein Blasinstrument (Klarinette oder Saxophon?). Anschließend Percussion in zweierlei Weisen. Dann Klavier. Dann wohl noch ein Marimbaphon. Dann noch mehr Instrumente, die einen wunderbar wohlig-warmen Klang und verschachtelten Rhythmus erzeugen. Darauf Gesang über einen vorhersehbaren Tod. Eine Geschichte zu einer Zeit, in der es keine Handys gab und zweitausendundachtzehn Science Fiction war. Die Story ist kurz, doch die Intonation so super, dass man es gern wieder hört.

Diese drei Lieder sollen ausreichen, um Tocotronic mit ihrem neuen Album vorzustellen.
Es ist enorm rund, vielseitig und berauschend. Vielleicht ist Kapitulation noch ein wenig stärker und Dirk von Lowtzow, Rick McPhail, Arne Zank und Jan Müller haben hier das Rad auch nicht neu erfunden, doch die Messlatte für deutschsprachigen Indierock ist für dieses Jahr sehr, sehr hoch gelegt. Jedoch kommt es ohne mindestens einen kleinen Schönheitsfehler nicht aus: Das extrem und viel zu lang gezogene " Und was sagt Google dazuuuuu" in Alles was ich immer wollte war alles erinnert ganz schlimm an ein sehr langes "schöööööön" von Tomte in Das Orchester spielt einen Walzer. Puh! Es sei ihnen verziehen.

Absolute Empfehlung ist natürlich auch ein Besuch der kommenden Tour:

06.03.2018 - Bremen - Schlachthof
07.03.2018 - Münster - Sputnikhalle
08.03.2018 - Heidelberg – Halle 02
09.03.2018 - Erlangen - E-Werk
11.03.2018 - Erfurt - Stadtgarten
12.03.2018 - Wiesbaden - Schlachthof
13.03.2018 - Köln - E-Werk
14.03.2018 - Hannover - Capitol
16.03.2018 - Hamburg – Große Freiheit 36 (Zusatzshow)
17.03.2018 - Hamburg – Große Freiheit 36 (Ausverkauft)
06.04.2018 - Leipzig - Werk II
07.04.2018 - Essen - Weststadthalle
08.04.2018 - Stuttgart - Theaterhaus
11.04.2018 - Freiburg - E-Werk
12.04.2018 - München - Tonhalle
14.04.2018 - Dresden – Alter Schlachthof
16.04.2018 - Berlin – Columbiahalle (Ausverkauft)





Freitag, 19. Januar 2018

KW 3, 2018: Die luserlounge selektiert!

tattooforaweek.com
 (ms) Gestern fegte der Sturm "Friederike" über unsere Regionen hinweg. Der Schreiber ist ansässig in Nordrhein-Westfalen und hatte persönlich Glück gehabt, sich nicht umfangreich draußen bewegen zu müssen. Anderen ging es da leider schlechter und den Betroffenen ist nur das Beste zu wünschen.
Eine weitere schlechte Nachricht drang diese Woche auch in das Musikgeschäft, denn Dolores O'Riordan ist verstorben. Nicht nur als Sängerin von The Cranberries sondern auch solo war sie sehr erfolgreich. Nun, zweitausendundachtzehn, das war ja mal wieder ein toller Start. Dass dabei die Koalitionsverhandlungen im politischen Berlin mindestens eine Partei nachhaltig und massiv schädigen wird, ist dabei fast in Vergessenheit geraten. Achja, die Bundesliga hat auch wieder angefangen. Das fußballerische Interesse in der luserlounge wird allerdings erst ab der zweiten Liga und dann weiter abwärts geweckt.
Zum Glück gibt es die Musik. Denn die hat ganz famose Neuigkeiten zu vermelden:

SCHWARZ
So farbenfroh nennt Roland Meyer de Voltaire sein neuestes Projekt. Vor über zehn Jahren hat er mal in einem Interview geäußert, dass er nichts anderes als Musik machen könne. Das stellt er erneut unter Beweis. Einigen mag seine alte Band Voltaire vielleicht noch ein Begriff sein. Danach hat er solo unter anderem den Soundtrack zu "Tom meets Zizou" komponiert.
Nun nennt er sich SCHWARZ und macht elektronische Musik. Das bei Spotify sogar ziemlich erfolgreich. Heute erschien seine erste EP mit dem Namen In Your Eyes. Dem typisch hohen Gesang ist er treu geblieben. Und das Gespür für große Melodien und tiefe Stimmungen hat er auch beibehalten. Das wird richtig spannend:



Calexico
Andere, alte Weggefährten machen auch unaufhörlich weiter mit dem Musizieren. Allein der Titel des neuen Albums macht ihre Motivation stetig weiter zu machen deutlich: The Thread That Keeps Us. Nach den ersten Höreindrücken kann man von Glück behaupten, dass die leichten elektronischen Elemente des Vorgängers Edge Of The Sun wieder in den Hintergrund gedrängt wurden. Die breit aufgestellt Band, die es aufs Beste versteht live anhaltend Gänsehaut zu erzeugen, ist an ihren Instrumenten so gut, dass sie keine Verstärkung aus der Keyboard- und Sythie-Welt brauchen. Wie immer erscheint ihre Musik hierzulande auf dem großartigen Label Cityslang und bald sind Calexico hier zu sehen:

09. März - Hamburg, Große Freiheit
10. März - Berlin, Tempodrom
11. März - München, Muffathalle
17. März - Fribourg, Fri-Son
18. März - Zürich, X-Tra
19. März - Linz, Posthof
21. März - Stuttgart, Im Wizemann
23. März - Köln, E-Werk



Anna von Hausswolff
Sie ist wieder da und treibt ihr Unwesen: Anna von Hausswolff. Die zierliche Schwedin mit dem apokalyptisch-mitreißenden Orgelklang bringt Anfang März ebenfalls auf Cityslang ihr drittes Album raus. Es trägt den lebenbejahenden Namen Dead Magic. Wer ihr Werk verfolgt weiß, dass es seit dem Debut immer etwas dunkler, ausgefeilter und besser geworden ist. Man hat das Gefühl bei der Künstlerwerdung dabei zu sein, ein faszinierender Gedanke. So wird auch Dead Magic sicherlich ein aufwühlendes Album werden, das laut und direkt gehört werden muss. Reinste Empfehlung. Und bitte live anzusehen, denn dann weiß man: Wenn die Welt untergeht, sitzt Anna von Hausswolff irgendwo auf einer brennenden Orgel und spielt den Soundtrack dazu!

3. März - Dresden, Beatpol
4. März - Berlin, Festsaal Kreuzberg
5. März - Hamburg, Kampnagel
7. März - Köln, Gebäude 9

Mittwoch, 17. Januar 2018

Schlammpeitziger - Damenbartblick auf Pregnant Hill

Foto: Schlammpeitziger
(ms) Der Künstler: Schlammpeitziger.
Der Albumtitel: Damenbartblick auf Pregnant Hill.

In den letzten Tagen in denen ich mir das Album häufiger für diesen Text angehört habe, musste ich viel über den Titel nachdenken. Nochmal: Damenbartblick auf Pregnant Hill.
Wer hat jetzt den Damenbart, die Schwangere oder derjenige, der sie betrachtet? Wie kommt man auf diese verwirrend-geniale Wortkombination? Was will uns der Autor damit sagen? Bei Google Maps zumindest - ja, es war immerhin einen Versuch wert - gibt es keinen Ort, der so heißt, aber eine Schwangerschaftsbetreuung in Washington DC, die nur eine mittelmäßige Bewertung hat.
Nun müssen wir jedoch die Frage nach dem Blick stellen, denn die ist wirklich tiefgehender als dieses halblustige Herumgeirre in der Sinnfindung. Die weibliche Gesichtsbehaarung spielt dabei keine Rolle. Wie ist der Blick des Künstlers Jo Zimmermann, der sich hinter den Knöpfen und Tasten seiner Synthie-Geräte Schlammpeitziger nennt, auf sein eigenes Werk? Wie der Augenwinkel der Hörer auf die Sounds, wie der des Rezensenten auf die Musik?
Künstler: Wenn man andere Alben bereits Augenwischwaldmoppgeflöte oder Schwingstelle Für Rauschabzug nennt, hat man definitiv ein Faible für sperrig-schöne Neologismen. Und für die passende Nutzung alter Casio-Sounds. So startete zumindest sein Schaffen in den frühen 90er-Jahren. Das ist nun vorbei - schon klar - und der Klang hat sich weiterentwickelt. Er ist jedoch immer noch so herrlich minimal und lo-fi, dass Zimmermann dem Hörer ermöglicht in aller Ruhe und mit viel Aufmerksamkeit in elektronische Welten einzutauchen.
Hörer: Der bekommt auf Damenbartblick auf Pregnant Hill acht Songs mit 37 Minuten Spielzeit geboten. Nicht zu kurz und nicht zu lang. Der alte Hase weiß genau, was er bieten muss. Er setzt auch ab und an die eigene Stimme ein - doch Obacht - es ist kein Gesang. Es sind vielmehr kleine Anekdoten oder Bestandsaufnahmen auf Englisch (außer bei Wasserstopf, soweit man es dechiffrieren kann), die zwischen Tragik und Komik oszillieren. Die Klanggebilde sind oft leichtfüßig, mal schwingen die Töne hin und her wie auf einer Kirmes. Die Grundstimmung ist schon nicht schlecht, Euphorie oder wirklich zum Tanz animierende Phasen sind Mangelware, was die Qualität jedoch nicht einschränkt.
Kann man bei elektronischer Musik eigentlich auch von Easy Listening sprechen? Wieso eigentlich nicht? Der Begriff hat wirklich überhaupt gar nichts mit Fahrstuhlmusik zu tun, das würde ihm nur schaden. Vielmehr spricht er ja seine eigene Bedeutung gut aus: Man kann einfach hinhören; sich auch berieseln lassen, mit auf die Reise genommen werden. Verspielte Avantgardisten oder die, die so tun als ob, gibt es genügend.
Hier ein kleines Best-Of der Songtitel: Bock Bounceburg, Smooth Motion Kaukraut, Kandierte Jammerlochlappen (Ja, wie geil ist das denn bitte?!).
Rezensent: Der hört viele verschiedene Musikstile mit Passion. Im elektronischen Bereich ist er jedoch im besten Sinne Novize. Doch das hier weiß sofort zu gefallen. Die Sprachspiele machen natürlich neugierig, was sich dahinter musikalisch verbirgt. Wie das wohl bei einer Live-Darbietung klingt? Wer weiß?! Man kann sich hier überzeugen lassen:

14.02.2018: Berlin – Acud Macht Neu
16.02.2018: Hamburg – Golden Pudel Club
24.02.2018: Köln – King Georg 

Damenbartblick auf Pregnant Hill erscheint diesen Freitag über das geschmackssichere Label Bureau B. Hört rein und lasst euch verzaubern. Kauft das Album und tut etwas Gutes.




Dienstag, 16. Januar 2018

Xul Zolar - Fear Talk


(ms) Da eine Kritik zu neuer Musik niemals losgelöst von subjektiven Eindrücken sein kann, beginnt diese Geschichte im Jahre 2015, im Mai. Die dänische Band Rangleklods, die jetzt als Blondage ihr Unwesen treibt, war auf Tour und hat in Dortmund Halt gemacht. Deren Konzert war eine Machtdemonstration, wie sehr man einen Subwoofer bedienen kann. Noch Tage später flimmerten diese Impressionen nach. Noch überraschender war jedoch der Auftritt der Vorband. Nach mehrmaligem Nachfragen und Vergewissern, wurde uns klar, dass sie auf den Namen Xul Zolar hören. Was?! Wie kryptisch ist das denn bitte?! Antwort: Vorbild und Namensgeber ist ein argentinischer Maler, der sich als Künstler Xul Solar nannte. Die Abgrenzung - S zu Z - ist bewusst.
Was machte deren circa halbstündiges Set der Kölner so gut, dass es immernoch in bester Erinnerung schwebt? Es war eine irre Energieleistung, die die drei Jungs auf die Bühne gebracht haben, insbesondere das brutale Schlagzeugspiel. Wenn sie es schaffen - selbst halb unbekannt zu diesem Zeitpunkt - die Meute mit ihren Liedern zum ausladenden Tanzen zu bringen, was geschieht dann erst auf ganzer, abendfüllender Länge?

Davon darf man sich demnächst überzeugen. Denn Xul Zolar haben nach sehr langer Arbeit und perfektionistischem Dasein ihr Trio auf ein Quartett erweitert und bringen nun endlich ihr erstes Album heraus: Fear Talk erscheint diesen Freitag auf Asmara Records.
Im weitesten Sinne machen sie Synthie-Pop. Sie arbeiten mit allerhand elektronischem Gerät, Material und Ideen um einen breiten, sphärischen Klang zu erzeugen.
Xul Solar. Quelle: wikiart.org
Und schon ist man wieder beim malenden Künstler. Denn seine Gemälde waren tief, voller Kontraste, breit angelegt, irreal, regen zum Denken und Verweilen an. Die Reise im Kopf kann also beginnen: Augen aufs Bild, Ohren zum Klang: gleichzeitig.
Sanft fängt Fear Talk an mit dem Song Two Month. Die Percussions mal sehr präsent, wechseln die Rhythmen, die Gitarrenklänge beinahe paralysierend, so eingängig. Klingt nicht nach Rheinland, klingt nach Weltall.
Der Gesang dominiert auch bei Vacuum nicht, vielmehr transportieren Xul Zolar eine Stimmung, eine Atmosphäre, in der man sich herrlich verlieren kann. Den halluzinierenden Gitarrensoli muss man Zeit geben, bis sie ihre Kraft entfalten, wie im Titeltrack. Zwischen der ganzen virtuosen Spielerei fehlt leider ab und an ein wenig Druck und pulsierende Energie. Ist das Ungefähre in der Stimme doch etwas zu viel, die Spielerei in Rhythmus und Melodie zu haarklein? Nein, das ist es nicht. Man muss es aller Wahrscheinlichkeit live hören, erleben, dann darin abtauchen. Dann gewinnt ein Song wie Soft Drones an Glanz. Auch Japanese Money wird dann erst richtig zur Geltung kommen.

Wenn man nun ihre EP Tides kennt, kann man möglicherweise ein wenig enttäuscht sein, denn auf diesen älteren vier Songs war wesentlich mehr Energie, Druck und Mut zu spüren.
Doch die vier Kölner werden sich etwas dabei gedacht haben und haben hier den Pop größer geschrieben. Fear Talk bleibt dennoch ein Album, das viel Spaß macht, um seine unterschiedlichen Facetten zu entdecken. Die erkennt man, wenn man sich drauf einlässt.

Bald schon geht es auf Tour. Wir sind fest überzeugt, dass sie live an Qualität nicht eingebüßt haben!

03.02 - Köln, Gebäude 9
14.02 - Dortmund, Oma Doris
15.02 - Hamburg, Prinzenbar
16.02 - Bremen, Lagerhaus
21.02 - München, Rote Sonne
22.02 - Jena, Café Wagner
23.02 - Dresden, Altes Wettbüro
24.02 - Bayreuth, Schokofabrik
25.02 - Berlin, Roter Salon





Freitag, 12. Januar 2018

KW 2, 2018: Die luserlounge selektiert

geccdn.net
(ms) Vor einiger Zeit habe ich in einem Neujahrsartikel gelesen, dass man sich bis zum ersten Wiedersehen im neuen Jahr ein frohes Neues wünschen kann. Das als Tipp für alle, die noch Treffen vor sich haben. Ich habe das in den letzten Tagen schon getestet und auf der einen Seite funktioniert es ganz gut auf der anderen Seite sorgt es auch für Verwirrung. Bei klassischen Klassen- oder Ehemaligentreffen an/um Weihnachten kann man das selbstverständlich auch praktizieren und erntet zumindest einen mittelmäßigen Lacher.
Auch in zweitausendundachtzehn wollen wir Euch natürlich mit schönen Töne, herrlichen Melodien, Meinungen und Konzertimpressionen versorgen. Dazu gehört auch dieser wöchentliche Rück- und Ausblick.
Voller Verzückung können wir in diesem Beitrag feststellen, dass es tatsächlich der 500. ist, der an dieser Stelle veröffentlicht wird. Sicherlich waren nicht alle gut, manche kurz, andere lesenswert und lang. Da wir dies aus Leidenschaft betreiben wird es genauso bleiben! Wir danken Euch jedenfalls für direkte, indirekte und persönliche Rückmeldungen. Hier gibt's nun Neuigkeiten:

Gisbert zu Knyphausen
Im letzten Jahr haben wir es nicht geschafft, sein neues Album Das Licht der Welt zu besprechen. Tatsächlich gehen die Meinungen redaktionsintern auch auseinander und ist somit Impuls für Austausch und Debatten. Schön!
Gestern ging Gisbert mit Band auf Tour, Start in Münchenm, heute Berlin. Neben natürlich ganz hervorragenden Musikern, die mit ihm reisen, ist herauszuheben, dass Martin Wenk an der Trompete auf der Bühne steht. Er ist sonst fester Bestandteil der großartigen Gruppe Calexico! Passend dazu gibt es ein neues Video zum Lied "Keine Zeit zu verlieren". Für viele Städte gibt es noch Tickets, wir sehen uns in Dortmund Ende des Monats.

12.01. Berlin - Columbiahalle (verlegt von Huxleys)
13.01. Flensburg - Max
14.01. Hamburg - Große Freiheit 36 (Ausverkauft)
15.01. Köln - Gloria (Ausverkauft)
17.01. Heidelberg - halle02
18.01. Losheim - Saalbau
21.01. Freiburg - E-Werk
23.01. Erlangen - E-Werk
24.01. Dresden - Beatpol (Ausverkauft)
25.01. A-Wien - WUK
26.01. A-Graz - PPC
27.01. A-Salzburg - Rockhouse
29.01. Wiesbaden - Schlachthof
30.01. Dortmund - FZW
31.01. Bremen - Schlachthof
01.02. Rostock - M.A.U. Club
02.02. Magdeburg - Moritzhof
03.02. Erfurt – HsD
26.02. Hannover - Kulturzentrum Pavillon (Nachholtermin verlegt von Faust)
28.02. Schorndorf – Manufaktur (Nachholtermin)
01.03. Köln - Gloria (Nachholtermin)
19.06. Kiel - Kieler Woche
21.06. Ulm - Ulmer Zelt 2018
01.-04.08. Luhmühlen - A Summer's Tale
03.-05.08. Dangast - Watt En Schlick Fest



Nada Surf
Kaum zu glauben, aber ihr legendäres Album - ja, an dieser Stelle darf man das L-Wort guten Gewissens mal verwenden - Let Go wird dieses Jahr 15 Jahre jung. "Blizzard of '77", "Fruit Fly" und "Paper Boats" und all die anderen fantastischen Lieder haben uns in der Vergangenheit tolle Momente beschert. Dazu haben sie sich selbst ein Geschenk gemacht: Das ganze Album von befreundeten Gruppen neu interpretiert - unten ein erster Eindruck von Ron Gallo. Standing At The Gates: The Songs Of Nada Surf's Let Go heißt die Scheibe, die am 2.02 digital und am 3.03 physisch erscheint. Die kompletten Einnahmen gehen an die American Civil Liberties Union, einer US-amerikanischen Organisation, die sich für Bürgerrechte einsetzt, und der The Pablove Foundation, die krebskranke Kinder unterstützt. Das sind halt gute Typen.
Zudem spielen sie Let Go in wenigen Monaten hierzulande in voller Länge. Sollte man hingehen!

09.04. München - Muffathalle
10.04. Köln - Bürgerhaus Stollwerck
11.04. Berlin - Huxley's Neue Welt
12.04. Hamburg - Grünspan



Thorsten Nagelschmidt
Was, wer ist das denn?! Ihr kennt ihn alle als Nagel, der jahrelang Gitarrist und Sänger von Muff Potter war. Zwei Bücher und eine Foto-Sammlung hat er seitdem veröffentlicht. Und das nächste steht in der Pipeline. Es hört auf den Namen Der Abfall der Herzen und erscheint am 22. Februar im Fischer Verlag. Hier ein Auszug aus dem Pressetext:

"Wann hast du eigentlich aufgehört, mich zu hassen?"
"Als du mir den Brief geschrieben hast."
"Was für einen Brief?"
Und er beginnt sich zu fragen, was er sonst noch vergessen hat von diesem Sommer 1999. Nagel lebte damals in seiner ersten WG, hielt sich mit Nebenjobs über Wasser und verschwendete kaum einen Gedanken an die Zukunft. Damals, als ein Jahrhundert zu Ende ging, man im Regional-Express noch rauchen durfte und nur Angeber ein Handy hatten. Dann änderte sich alles, plötzlich und unvorhergesehen verwandelte sich seine Welt in einen Scherbenhaufen. Thorsten Nagelschmidt hat einen Roman über Liebe, Freundschaft und Verrat geschrieben. Über einen letzten großen Sommer und die Spurensuche 16 Jahre später.


Zudem geht er auf hier auf Lesetour:

22.02.18 Berlin, Festsaal Kreuzberg
02.03.18 Mannheim, Alte Feuerwache
03.03.18 Enkirch/Mosel, Weingut Immich
04.04.18 Bremen, Lagerhaus
05.04.18 Lüneburg, Ritterakademie
06.04.18 Magdeburg, Moritzhof
07.04.18 Dortmund, Dortmunder U
08.04.18 Köln, Gloria Theater
11.04.18 Paderborn, Deelenhaus
12.04.18 Düsseldorf, zakk
13.04.18 Osnabrück, Lagerhalle
14.04.18 Lingen, Centralkino
15.04.18 Münster, Pension Schmidt
16.04.18 Hamburg, Uebel & Gefährlich
17.04.18 Kiel, Studio
20.04.18 Erfurt, Franz Mehlhose
21.04.18 Kassel, GoldGrube
22.04.18 Wiesbaden, Schlachthof
25.04.18 München, Volkstheater
26.04.18 Stuttgart, Merlin
27.04.18 Saarbrücken, Camera Zwo
28.04.18 Trier, Exhaus
02.05.18 Bielefeld, Heimat+Hafen
03.05.18 Nienburg, Kulturwerk
04.05.18 Nürnberg, Z-Bau
06.05.18 Frankfurt, Brotfabrik
08.05.18 Leipzig, Werk 2

Gregor McEwan - From A To Beginning


Foto: facebook.com/gregormcewanmusic/
(sb) Gregor McEwan klingt nach Glasgow, Edinburgh oder Dublin – doch tatsächlich verbirgt sich hinter diesem Künstlernamen ein Mittdreißiger aus NRW, den es mittlerweile nach Berlin verschlagen hat und der dort das beste Album des noch jungen Jahres aufgenommen und produziert hat. Ich muss gestehen, dass ich bis zum Erhalt der Promo seines neuen Albums „From A To Beginning“ (erschien gestern!) noch nie von Gregor gehört hatte, doch diese Wissenslücke wird nun gefüllt und auch Ihr solltet Euch dieses Werk zumindest mal angehört haben.
 

Wenn einem Linus Volkmann (ehemals Chefredakteur der INTRO und u.a. auch für VICE, 1LIVE und die Junge Welt tätig) den Pressetext schreibt, dann hat man es doch eigentlich schon geschafft, oder? Sollte man meinen, aber die Musikwelt ist oft ungerecht und so hat auch Gregor McEwan bislang nicht die öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, die er eigentlich verdient hätte. Dabei ist er absolut kein Newcomer und das neu erschienene Album bereits seit vierter Longplayer, der Sprung auf die ganz große Bühne blieb ihm dabei aber leider bisher verwehrt.
 

Wer weiß, vielleicht dient ihm „From A To Beginning“ als Türöffner, denn zum Glück ist Gregor McEwan nicht nur Chronist des Schwermuts, sondern bleibt bei all seiner Brillanz in Moll immer auch ein hoffnungslos romantischer Typ und packt dies in mitunter traumhaft schöne Songs, die mich in Erinnerungen schwelgen lassen, als ich Künstler wie Aqualung und Damien Rice hoch und runter gehört habe.
 

Foto: gregormcewan.com/
Der Track "On Her Radar" schafft es beispielsweise, dem Thema „Liebe“ ohne jeglichen Kitsch eine der vielleicht schönsten Songentsprechungen dieser Tage zu geben, denn wem geht es nicht manchmal auch so, dass er/sie in sich hereinhorcht und sich denkt: „Mit was habe ich meine Freundin/meinen Freund eigentlich verdient“?

So und nun zitiere ich Linus Volkmann einfach mal, denn  der Meister bringt es perfekt auf den Punkt:

„Gregor McEwan selbst hatte es zuletzt nicht leicht, nach der zweiten Platte kam die talentierte Ein-Mann-Armee mit den vielen musikalischen Freunden ins Stocken. Der ewige Kreislauf kreativer Selbstausbeutung führte an kein Ziel mehr. Der 35-Jährige verwarf neue Songs und Texte und sah sich gezwungen, doch einmal rechts ranzufahren - also für mehr als einen Tankstopp, für mehr als eine Nacht in einem Hostel am Wegesrand.
 

Die daraus resultierende Pause machte sich dabei als genau das aus, was der Kunst Gregor McEwans gerade noch gefehlt hatte. Die Stücke auf "From A To Beginning" stellen in jedem Fall seine persönliche Meisterschaft dar, die Liebe zum Detail und die investierte Zeit hört man deutlich. Wobei das große Panorama an Sounds und Ideen ohnehin schon immer zu seinen Stärken gehörte - unglaublich aber, was für einen Effekt das nun hat, wo es dermaßen Raum bekommt.“
 

Foto: facebook.com/gregormcewanmusic/
 

Gregor McEwan hat mit seinem Album das Rad sicher nicht neu erfunden, aber er beweist eindrucksvoll, dass er einer der begabtesten deutschen Sänger und Songwriter ist und zudem bereit, den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu erklimmen. Bei Perlen wie meinem persönlichen Lieblingsstück „<<Rewind, Retrack, Rename, Restore“ würde es mich wahrlich nicht wundern, wenn der Wahl-Berliner den Status des Geheimtipps schon bald ablegen könnte. Bitte beachtet auch seine Live-Termine!
 
 
 
 

Mittwoch, 10. Januar 2018

Feine Sahne Fischfilet - Sturm und Dreck

Foto: Bastian Bochinski
(ms) Feine Sahne Fischfilet. Die Band mit dem eigenwilligen Namen. Die Band aus dem Osten. Die Politpunks. Die mit dem dicken Sänger. Die mit dem Pfeffi-Fass auf der Bühne. Die, die auch tagsüber Pyro abfackeln. Die, deren Sänger letztens erst freigesprochen wurde. Die bislang wohl erfolgreichste und größte Band des Wahnsinnslabels Audiolith aus Hamburg, das dieses Jahr 15 Jahre jung wird. Die, die letztens Vorband der Toten Hosen waren. Die, die sich offen und stark in Mecklenburg-Vorpommern gegen Rechtsradikalismus und Nazis stellen. Die Band, die in Jarmen schon zwei Mal ein eigenes Open Air haben stattfinden lassen, bei denen beide Versionen relativ schnell ausverkauft waren. Die mit dem riesigen Komplett-im-Arsch-Tattoo-Banner auf der Bühne. Die, die im Bericht des Verfassungsschutzes standen und stolz drauf sind. Die, die sich 2007 formiert haben und zehn Jahre später die großen Hallen füllen. Die, die im Theater Rostock für 16 ausverkaufte Vorstellungen sorgten. Die, die gesellschaftspolitische Fragen in ihr musikalisch-künstlerisches Selbstverständnis mit großen Lettern eingebrannt haben. Diese Gruppe aus dem Rostocker Umland bringt diesen Freitag mit Sturm & Dreck ihr fünftes Album auf den Markt. Zwölf Lieder sind darauf, die die Bläser erklingen und die Verstärker aufdrehen lassen. Bei uns hat insbesondere die Information, dass die Scheibe von Tobias Kuhn - Monta, Miles (!) - produziert wurde, große Erwartungen geschürt.

Nun. Das erste, zweite, dritte und auch vierte Durchhören des neuen Materials ist mehr als eine herbe Enttäuschung. Und das liegt nicht an der musikalischen Qualität. Dass sie sauberen Trompeten-Punk ohne Schnörkel aber auch ohne qualitative Ausreißer nach oben machen, war vorher klar und gehört sicherlich auch nicht zum eigenen Anspruch. Von einer Band, die sich so stark politisch und sozial engagiert, darf man guten Gewissens Inhaltsstärke erwarten. Das war beim Vorgänger Bleiben oder Gehen schon nicht mehr ganz der Fall.
Übrig geblieben sind Durchhalteparolen wie bei einer mittelmäßigen Fußballkommentierung, Party, Saufen, Rausch, platte Sprüche, dümmliche Ansagen und maritimes Geschwafel. Einige Zeilen lesen sich so wie ein Bingo aus einem Best Of der straßen aus zucker. Viel Plauderei über die eigene Heimat, das Zuhause (gut gemeint). Dazu ganz viel Ohh, Ohh, Ohh...
Oh, man.

1. Zurück in unserer Stadt: Party, Vollrausch und Prügelei in der Heimat und pubertäres Anpöbeln der Burschenschaft.
2. Alles auf Rausch: Hier feiern sie den eigenen Erfolg und die gesteigerte Popularität. Das ist schön und gut und sei ihnen auch ohne ironischen Seitenhieb vergönnt. Das darf man wirklich raushauen.
3. Angst frisst Seele auf: Da sind sie. Die persönlichen Alleine-Sein- und Bleib-Stark-Sprüche, die man von den Vorgängeralben kennt. Puh...
4. Schlaflos in Marseille: Ein Lied aus der Kneipe. Genau da wird es sicher auch bald gespielt, nur leider nicht in den wirklich starken Läden. Zwei, drei dicke Sprüche vom Saufen und Rauchen und etwas Ohh, Ohh, Ohh und fertig ist das Feine Sahne Fischfilet-Lied zweitausendachtzehn. Zum Glück ist das nach zweieinhalb Minuten vorbei.
5. Zuhause: Die Diskussion um Heimat, die von Rechts dominiert wird, ist angebracht, um sie aufzunehmen und dagegen zu steuern. Das Video dazu ist brutal stark. Aber im Song bitte mit mehr Tiefe und Prägnanz und nicht mit: "Zuhause heißt, wenn dein Herz nicht mehr so schreit." 
6. Alles anders: Ein ruhiger Song und mit gut fünf Minuten Spielzeit der längste des Albums. Damit haben wir auch alle wichtigen Informationen zusammen.
7. Dreck der Zeit: Bislang der einzige wirklich politische Song, der zu finden ist. Mit ordentlich Dampf. Ein schönes, raues Punk-Brett!
8. Ich mag kein Alkohol: Der Titel ist so furchtbar schlimm. Bitte schnell skippen!
9. Suruc: Ein Lied über einen Anschlag, der in der Türkei vom IS verübt worden ist. Hier geht es wohl auch um die Schnelllebigkeit von Berichterstattung. Daher heben wir ruhigen Gewissens den Daumen!
10. Wo niemals Ebbe ist: Der Song könnte auch von Santiano (gibt es die noch?) geschrieben worden sein. Fehlt nur ein Akkordeon und Möwengeschrei im Hintergrund.
11. Wir haben immer noch uns & 12. Niemand wie ihr: Ach komm, die letzten beiden Songs haben auch wirklich gar nichts mehr zu bieten.

Der bittere Schluss ist, dass mit Sturm & Dreck Feine Sahne Fischfilet als politische Punkband leider irrelevant geworden sind und jegliche Kritik in den Liedern so dermaßen oberflächlich ist, dass sie schon nicht mehr ernst zu nehmen ist. Das heißt nicht, dass ihr Aktionen und Ansagen auf der Bühne obsolet werden. Warum sie diese Energie nicht in ihre Lieder stecken, bleibt ein Rätsel.
Einzelne Stimmen sagen, dass sie dadurch ihr Understatement halt unterstreichen und den Erwartungen politisch sein zu müssen einen Saufsong entgegensetzen. Das scheint mir nur ein an den Haaren herbeigezogener Grund, der Platte was Gutes abgewinnen zu wollen.

Live spielen die Sechs demnächst hier:
01.02.2018 AT-Linz, Posthof
02.02.2018 AT-Wien, Arena
03.02.2018 AT-Graz, PPC
09.02.2018 Leipzig, Haus Auensee
10.02.2018 Hamburg, Inselparkhalle
15.02.2018 Fürth, Stadthalle
16.02.2018 München, Tonhalle
17.02.2018 Wiesbaden, Schlachthof (Ausverkauft)
22.02.2018 Osnabrück, Hydepark
23.02.2018 Heidelberg, Halle02
24.02.2018 CH-Zürich, Dynamo
01.03.2018 Magdeburg, AMO
02.03.2018 Saarbrücken, Garage
03.03.2018 Dortmund, Phönixhalle
08.03.2018 Stuttgart, Im Wizemann
09.03.2018 Köln, Palladium
10.03.2018 Erfurt, Stadtgarten (Ausverkauft)
16.03.2018 Berlin, Columbiahalle (Zusatzkonzert)
17.03.2018 Berlin, Columbiahalle (Ausverkauft)
23.03.2018 Rostock, Stadthalle
22.-24.06.2018 Scheeßel, Hurricane Festival
22.-24.06.2018 Neuhausen ob Eck, Southside Festival
29.-30.06.2018 Chemnitz, Kosmonaut Festival