Samstag, 27. April 2024

Live in Oldenburg: Dota

Foto: luserlounge
(Ms) Vollkommen im Moment sein. Absolute Kurzweil. Selten war es einfacher als bei einem Abend mit Dota. Mit einem großen Maß an Leichtigkeit gestaltete die Musikerin mit ihrer Band einen herrlichen, knapp zweistündigen Donnerstagabend in der sehr gut gefüllten Oldenburger Kulturetage.
Und wer kommt da so hin, wenn Dota dieses Jahr eines ihrer zahlreichen Konzerte spielt? So ziemlich jeder, wenn man durchs Publikum schaut. Klar, es ist das hiesige Kulturpublikum (ganz anderes Thema), doch beispielsweise beim Alter gab es gar keine Grenzen. Von Studierenden bis Senioren war alles dabei. Sogar Menschen, die vor dem Auftritt noch ganz entspannt gestrickt haben. Finde ich gut.
Die Berlinerin gab dem Abend das Motto „Ein Lied von jedem Album“. So hat nicht nur sie sondern auch das teils sehr textsichere Publikum - auch auf Portugiesisch - eine chronologische Reise durch ihr eigenes Schaffen erlebt. Nicht immer wurde sich an diese Reihenfolge gehalten, aber Ausnahme und Regel…

Was mich sehr am Auftritt beeindruckt hat, war ihre absolut aufrichtige Mischung aus Haltung und Unterhaltung. Viele Lieder bestechen ja durch ihre schönen Träumereien, sowohl von ihren eigenen Texten als auch von den Mascha Kaléko-Liedern. Ob es um nischige Berufsgruppen geht oder einen Blick durch die Natur, es zählt nur das Hier und Jetzt. Das ist ein großes Talent. Es tut so gut, einen Abend lang allem zu entfliehen, was nervt und anstrengt. Mit Dota geht das im Nu! Auch, weil sie das ausstrahlt, was sie ist. Ich unterstelle ihr, dass es keinen Unterschied zwischen Bühnenperson und Privatperson Dota gibt, außer dass sie am Mikrophon auch Entertainerin ist. Das, was sie singt, das ist sie. Das macht sie sehr glaubwürdig und den Genuss des Abends umso leichter. Tatsächlich höre ich ihre Musik nur ab und an, aber so ein Konzert ist dann noch etwas anderes, sehr Lohnenswertes.
Insbesondere da sie Haltung und Unterhaltung sehr gut zusammenbringt. Neben schmunzeligen Liedern über Tontechniker gibt es genauso aussagestarke Texte über Grenzen, Mietpreiswucher und Social Media-Wahn. Tanzbar macht das ihre richtig gute Band, in der jeder zeigen kann, was er drauf hat. Es ging ungemein harmonisch zu auf der Bühne. Und wie sie dabei strahlt. Wunderschön! Wenn man liebt, was man tut.

Also, liebe Erdenbewohner: Geht unbedingt zu einem der zahlreichen Konzerte von Dota in diesem Jahr. Es tut der Seele sehr gut und macht unfassbar viel Spaß ihr und ihrer Band beim Musizieren zuzuschauen und dabei zu sein!


Sonntag, 21. April 2024

KW 16, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikimedia.org
(Sb/ms) Nein, ich kenne die Hintergründe nicht und sie sind mir auch egal, ich will die Beweggründe nicht wissen, ich will mich einfach nur noch aufregen, auf der Stelle stehen, Schaum vor Wut vor dem Mund bekommen und diese dämliche Flasche gegen die Wand donnern. Denn genau da gehört sie hin. Man, was soll das denn? Dieser blöde Deckel direkt an der Flaschenöffnung macht den Trinkprozess ganz schön kompliziert. Für eine bessere Recyclingfähigkeit. Im Ernst?! Der wird doch auch nur geschreddert. Oder sind die Städte und Wiesen voll mit Flaschendeckeln? Sind nicht Reifenabrieb und synthetische Kleidungsfasern das Problem der Umweltverschmutzung? Argh! Ist mir gerade auch egal. Dieser scheiß Deckel soll weg vom Flaschenhals. Dann peckt der so blöd an der Wange und pieckst da rein. Klar, PET an sich ist ja auch doof, aber manchmal muss es eine kleine Limo sein. Aus der Plastikflasche. Ja, man. Ich reiße sie alle ab. Die ganzen Deckel.

Moonpools
(Ms) Sofort im Sound! Ohne Umschweife direkt gepackt! Die Energie schlägt ab dem ersten Takt zu! Noch bevor der Zähler auf eine Sekunde tickt, macht dieses Lied mich an! Diese Band schafft das bereits zum zweiten Mal. Dann finde ich das natürlich besonders gut. Es geht um Moonpools, die aus Basel kommen. Echt, die Schweizer Musikszene kenne ich überhaupt nicht, außer dass Dino Brandao und Dagobert daher kommen. Damit hat dieses Quartett aber nun wirklich nichts zu tun. Hier preschen die Gitarren und Synthies unbändig nach vorn. Man fühlt sich direkt wie in einem Film oder auf der Schnellstraße hinein ins Abenteuer. Say Anything heißt das Stück, um das es hier geht. Es ist auf ihrer neuen EP Hide And Seek, die heute (!) erscheint und ganz viel Lust auf diese Band macht und einen Shoegaze-Sound, der irgendwie beim ersten Hören ein wenig antiquiert klingt, aber mit jedem Takt mehr Kraft entwickelt. Das ist richtig, richtig gut und macht richtig, richtig viel Spaß! Auf dass davon noch ganz viel mehr kommt!


Dumbo Tracks
(Ms) Wie auf neue Musik aufmerksam werden? Wie selektieren bei dieser unsagbar großen Anzahl an wöchentlich neuen Stücken, die es zu hören gibt? Wir versuchen hier ja eine kleine freitägliche Serviceleistung. Aber anfangen müssen wir auch irgendwo. Mancher Bandname klingt spannend, mancher Text ist toll geschrieben, manche Stichworte lassen mich aufhorchen. Wie beim Dumbo Tracks. Da steht nämlich freidrehende, wandernde Kraut-Dance Grooves. Da bin ich sofort dabei und möchte wissen, wie das klingt. Insbesondere, wenn dann noch geschrieben wird, dass Philipp Janzen - Kopf des Projektes - die Ideen zur neuen Platte in Italien fand, dann zurück nach Köln kam und in einigen Studiosessions genau zu dem Klang kam, den er anstrebte. Da wäre ich am liebsten dabei gewesen. Am 21. Juni erscheint Move With Intention auf Bureau B und es wird sicherlich phantastisch. Zu hören ist bislang die Single Daughter Of Flood, auf der Rubee Fegan singt. Oder viel mehr spricht. Und das über einem ganz tollen Kraut-Beat. Da könnte man jetzt sagen: Klar, ein paar pfiffige Wiederholungen und fertig ist Krautmusik. Weit gefehlt. Denn Janzen reichert diese gute Idee mit einigen pfiffen Elektrosounds an und entwickelt so einen wirklich packenden Sound. Ich bin sofort dabei - was für ein klasse Track. Das wird eine gute Platte!


Noga Erez
(Ms) Wenn ein Liveauftritt die Beziehung zu einer Band noch intensiviert. Die Geschichte geht so: Vor drei Jahren kam das aktuelle Album Kids von Noga Erez heraus. Ihren Name habe ich vorher schon hier und da wahrgenommen, doch die Platte hat mich dann ziemlich stark angesprochen. Geiler Pop, der irgendwie keiner ist. Dann sah ich sie vor zwei Jahren beim Appletree und war nochmal hin und weg. Was sie da mit ihren beiden Mitmusikern abgerissen hat, war beeindruckend. Nicht nur der Bass, sondern ihr gesamter Auftritt hinterließ viel Eindruck. Zudem ist sie einfach saucool, oder?! Genau. Vor Kurzem kam schon ein neuer Track heraus. Nun legt sie direkt nach. Vandalist heißt der Track und ist wesentlich tanzbarer als sein Vorgänger. Und wieder mag ich die vielen verschiedenen Elemente, die sie in ihre Musik einbaut. Der Rhythmus ist pfiffig. Dann pfeift und klatscht wer. Ich mag total, wie sie singt. Die Basslinie ist catchy, das Klavier knallt an genau den richtigen Stellen. Einfach richtig gut! Ob eine neue Platte kommt, weiß ich nicht, aber die Anzeichen verdichten sich…

 
Bernd Begemann & Die Befreiung
(sb) Mit Bernd Begemann verbindet mich seit sehr vielen Jahren eine Art Hassliebe. Manche Tracks (z.B. Ich habe nichts erreicht außer Dir oder Fernsehen mit Deiner Schwester) könnte ich hoch und runter hören, andere nerven mich grandios, weil sie mir einfach zu verkopft, zu intellektuell und zu Hamburger Schule sind. Alles in Maßen kann ich gut ertragen, manchmal wirds mir aber halt zu viel. Nichtsdestotrotz ist Begemann natürlich ein hervorragender Songwriter, der nicht umsonst knapp 30 Alben aufgenommen und über 400 Songs veröffentlicht hat. Dass sich Größen wie Thees Uhlmann und Tocotronic auf ihn berufen, ist also kein Zufall. Heute erscheint Begemanns neues Album Milieu und auch das enthält einige wunderbare Perlen, sprüht vor Enthusiasmus und lässt keinerlei Routinen erkennen. Das weiß zu gefallen und doch treten auch diesmal die oben beschriebenen Mechanismen zu Tage, die es mich einfach nicht lieben lassen. Das ist sehr schade, aber Ihr wollt ja meine ehrliche Meinung, oder?
 
07.05.2024, Darmstadt – Künstlerkeller
08.05.2024, Stuttgart – Merlin
09.05.2024, Ulm – Roxy
10.05.2024, Bielefeld – Movie
15.05.2024, Köln – Gebäude 9
16.05.2024, Berlin – Quasimodo
17.05.2024, Essen – Grend
19.05.2024, Hamburg – Nachtspeicher
 
Am 08.06. werde ich Bernd Begemann übrigens in Friedrichshafen sehen - allerdings mit einem ganz anderen Programm. Das Familienkonzert "Unter meinem Bett" richtet sich in erster Linie an 4- bis 12-Jährige und verspricht, den Erwachsenen genau so viel Spaß zu machen wie den Kids. Ich bin gespannt! Und musikalische Frühbildung ist bekanntlich sososo wichtig...
 
 
 

Donnerstag, 18. April 2024

Dino Brandão - Self-Inclusion

Foto: Flavio Leone
(Ms) Diese 42 Minuten sind ein ganz großer Genuss. Eine knappe Dreiviertelstunde, die klangtechnisch ganz große Kunst sind. Textlich und geschichtlich auch.
Doch ich brauchte einige Zeit, um in Self-Inclusion, dem ersten Solo-Album von Dino Brandão einzutauchen. Denn nebenbei lässt es sich (meines Erachtens) nur schwer hören. Am besten kapselt man sich dafür ein wenig ab, schallisoliert und entspannt. Dann eröffnet sich nämlich ein ungeahnt spannender und vor allem vielschichtiger Klangraum. Es ist vergleichbar mit den frühen Liedern von Bayuk. Aber noch umtriebiger. Was Brandão alles miteinander mischt und verbindet, ist genial! Ich würde es as Art Pop bezeichnen, da der künstlerische, also der geniale, Moment so oft durchschimmert. Es ist nicht nur Strophe/Refrain/Strophe/Bridge/Refrain und aus. Nein, hier ist Jazz, Bossa Nova, Samba, Alt-J, Damon Albarn, die ganze Welt zu hören.

Ausgangspunkt für die Texte der zehn Lieder ist eine Multiple-Sklerose-Diagnose und ein längerer Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Ja, manchmal lassen die tiefsten Tiefen die größte Kunst erschaffen. In dem wahnsinnig breitgefächerten Ansatz, Musikstile miteinander zu kreuzen, nebeneinander zu stellen, zu verbinden, in Eins zu gießen sehe ich den Genie-Moment, der mich an Damon Albarn erinnert. Dass sich in manch Liedern enorm viele Parts abwechseln und gleichzeitig nie ein Durcheinander entwickelt, ist für mich der Alt-J-Moment dieser Scheibe. Das sind ja aber nur meine Assoziationen. Über allem steht seine unverwechselbare Stimme, die zart, hart und so verdammt einprägsam sein kann. Trotz dem durchaus hohen musikalischen Anspruch, hat die Platte einen krassen Ohrwurmfaktor.

Total hängen bleibt zum Beispiel der Rhythmus auf Bouncy Castle. Wenn er dann mit einer etwas erhöhten Stimme in den Refrain geht, bin ich komplett ergriffen! Catchy ist zudem das enorm entspannte Gitarrenspiel Zu hören ist eine Einlieferung in die Klinik. Hui! Keine leichte Kost, textlich. Musikalisch umso mehr! Die Trompete spielt hin und wieder eine brillante Rolle auf den Stücken. Denn sie wird in genau den richtigen Momenten eingesetzt, um Spannung abzubauen und wieder ein wenig Harmonie in die teils verschachtelten Parts zu streuen. Auf Coma geling dies richtig, richtig gut! Coconut hingegen ist nicht unbedingt eines der Lieder, die direkt herausstechen, aber der lässig, tiefe Bass, der sich durch das ganze Lied erstreckt, ist göttlich! Das präsenteste Stück der Platte ist in jedem Fall Progress! Wie viele geile, packende Elemente kann man nur auf ein einzelnes Lied packen? Dino Brandão beantwortet es auf 3:45 Minuten. Das ist eine schier unglaubliche Klangreise und ein Zeugnis von richtig starker, großer Kunst! Hier lohnt es sehr, den Text auf dem Schirm zu haben. Denn auf diesem tanzbaren Track fragt er woher denn unser Wohlstand käme. Die bittere Antwort im Lied: „Colonial love. Nothing to be proud of.“ Da ist einem plötzlich gar nicht mehr nach Tanzen zumute.

Das, was auf diesen 42 Minuten passiert, ist wahnsinnig beeindruckend und spricht mich sehr an. Wem das beim ersten Hören zu wild und sperrig ist, dem rate ich: Hör nochmal rein. Es lohnt sich so sehr. Klanglich und textlich wird man hier reich beschenkt. Self-Inclusion ist ein Album, das ist gar nicht so auf dem Schirm hatte, aber in kurzer Zeit zu einem der Top-Platten diesen Jahres gehört! Große Empfehlung!

19. April - Manufaktur, Schorndorf, DE
20. April - Fri-Son, Fribourg, CH


Dienstag, 16. April 2024

Live in Bremen: Kettcar

Foto: luserlounge
(Ms) Im Vorfeld des neuen Albums (Review kommt verspätet auch bei uns, nur abwarten…) wurde in Bezug auf Kettcar hier und da das Wort ‚Comeback‘ benutzt. Das halte ich für ziemlichen Quatsch. Das Jahr, wo sie wirklich gar nicht spielten, war das Vergangene. Aber seit Veröffentlichung von Ich Vs. Wir haben sie immer wieder Konzerte gespielt, mal mehr, mal weniger. Aber sie waren eigentlich immer da. Zwischendurch kam ja auch die Live-Platte raus und während Corona waren halt alle zu Hause.

Als …Und Das Geht So erschien, haben Kettcar auch schon im Pier 2 in Bremen gespielt. Ob die Zuschauerzahlen von vor gut vier Jahren mit denen am Sonntag vergleichbar sind… leider kann ich mich nicht mehr so gut daran erinnern. Der Oberrang zumindest war nicht geöffnet, aber eineinhalbtausend Musikbegeisterte waren sicherlich vor Ort und haben ein tolles Konzert erlebt.
Oder zwei. Denn als Support der ersten Auftritte hatten die Hamburger Kochkraft Durch KMA mit dabei. Eine sehr gute, weil so gegensätzliche Kombination der beiden Gruppen. Das Quartett prescht mit viel Energie und ordentlich Bass in ihren Liedern nach vorn und lässt die Wände beben. Stets mit dem Herzen auf der richtigen Seite. Praktisch, dass sie kürzlich eine gemeinsame Single mit Team Scheisse herausbrachten, Timo kam für Mein Hund Heißt Wie Du um die Ecke und mit auf die Bühne, sehr gelungene Überraschung! Noch recht weit hinten stehend, konnte ich mich leider gar nicht mal so gut auf den Gig einlassen, aber der Funke sprang teilweise sehr gut über. Electropunk lebt offensichtlich!

Tja, wo soll man nun stehen, wenn man Kettcar zum 33. Mal live sieht? Wieder so weit vorn wie möglich?! Ja, klar! Und wir bekamen den guten Tipp, dass es vorn wesentlich luftiger ist als hinten. Diese seltsame Info haben wir dann erproben wollen und ein sehr gutes Plätzchen rechts von der Bühne ergattert. Auf der Bühne alles wie gewohnt. Vier sehr hohe Mikros, dann die Drums, keine Überraschungen. Dahinter jedoch war ein riesiges Banner zu sehen mit einer erweiterten Version des aktuellen Albumcovers. Im Laufe des Abends wurden immer wieder Videos darauf projiziert. Das hatte eine ungeahnt starke Wirkung! Obwohl ich Kettcar schon so, so oft gesehen habe, und auch Der Tag Wird Kommen oft live erleben konnte, hat dieses Lied dadurch für mich nochmals wesentlich mehr Kraft entwickelt, ging mir nah, trieb mir die Tränen in die Augen.

Kettcar live also. Erst am Neujahrstag sah ich sie in Hamburg und fragte mich, welche Klassiker wohl den neuen Songs weichen würden. Ha! Gar keiner! 48 Stunden, Balu, Landungsbrücken Raus, Ich Danke Der Academy, Im Taxi Weinen, Rettung, alles wurde gespielt. Und die neuen Stücke halt obendrauf, sodass das Konzert gut zwei Stunden ging. Ich glaube, das war eine gute Wahl!
Los ging es mit Auch Für Mich 6. Stunde, der Opener der neuen Platte und aus meiner Sicht einer der ganz starken neuen Songs. Denn eines machte die Band den ganzen Abend über klar. Auch wenn Sie Den Revolver Entsichern nicht gespielt haben, gilt: Von den verbitterten Idioten nicht verbittern lassen. Nie ans Aufgeben denken, immer an das Gute im Menschen appellieren, denn da ist doch so viel, was gemeinsam gepackt werden kann, auch wenn den ganzen Tag über nur üble Nachrichten auf uns einhageln. Vielleicht ist das die gemeine Mission dieser Band, egal wo sie spielt. Komm, wir bilden eine Front, und dann seht zu, was kommt!

Sicherlich war es nicht das beste Konzert, was ich von ihnen sah. Irgendwie fehle mir ein bisschen die Frische und Energie. Vielleicht verlangen die neuen Stücke noch viel Aufmerksamkeit. Insbesondere da sie ja durchaus anders arrangiert und dichter im Text sind (jedoch gab Marcus Wiebusch auch ein paar windige Songwritinggeheimnisse Preis!). All das und noch viel mehr, können Gründe sein. Aber ein wichtiger Punkt wird mir bei Kettcar-Auftritten nie abhanden kommen: Dieses überwältigende Gefühl von Nach-Hause-Kommen. Das anhand von Musik, die schon sehr Jahren bei mir läuft. Von einer Band, die auch mit ihrem neuen Album mein Herz (und mittlerweile immer stärker den Verstand) anspricht. Und es dauert nicht mehr lang, dann folgen Nummer 34 und 35…

Freitag, 12. April 2024

KW 15, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Ms) Classic Rock ist eines der langweiligsten Dinge auf der Welt. Auch so 70er/80er-Jahre Hardrock oder Metal wie Black Sabbath oder AC/DC finde ich sterbenslangweilig. Das läuft echt nie über meine Kopfhörer. Doch über ein anderes Medium in unregelmäßigen Abständen. Und dann hat diese Musik sogar einen gewissen Reiz. Das scheint alles ein wenig seltsam zu sein, ist es auch. Das ist der Hintergrund: Selten fahre ich Auto, noch weniger höre ich Radio dabei, aber wenn, dann ist es Radio21, ein Rockradiosender aus Niedersachsen. Ab und zu kommt auch ein richtig guter Klassiker oder auch mal was Neues, aber der Kern sind halt so Rocknummern der ersten Stunde. In meinen Ohren immer noch total öde. Aber beim Autofahren - und es sind meist nur kleine Strecken - untermalt das richtig gut die Atmosphäre. Irgendwas ist dann ja in der Musik, was einen mitwippen lässt. Dann tatsächlich auch mal zu Nirvana oder Volbeat. Die Autofahrt oder das Autofahren an sich macht Musik, die sonst bei mir mit einem roten Tuch belegt ist, zu einer hör- und beinahe gutfindbaren Nummer. Das ist wirklich verrückt. Musikradar Auto. Es scheint ein Eigenleben zu führen und irgendwie gefällt mir das.

Dota & Gisbert zu Knyphausen

(Ms) Wann ist Musik ergreifend? Wann lässt sie uns für ein paar Momente innehalten? Nachdenken, schwelgen, träumen? Einer von vielen Punkten kann Wärme sein. Weiche, warme, wohlig klingende Töne, die das Herz ansprechen und durch den Körper strömen. Dota ist eine der Künstlerinnen, der das scheinbar ganz leicht von der Hand geht. So wie sie singt und ihre Lieder arrangiert, da ist ganz viel Herz und Wärme dabei. Wenn sie dann noch mit Gisbert zu Knyphausen singt, muss ich innehalten. Weil es so warm und schön ist. Sie singen zusammen Wenn Einer Fortgeht, eins der vielen Kaléko-Gedichte, die sie vertont. Wenn sie zusammen Mhhmmm summen, wie schön ihre Gitarre klingt, wie weich das Keyboard, wie ergreifend die tollen Zeilen. Letztes Jahr sah ich sie zum ersten Mal live und war ganz begeistert, so begeistert, dass ich Ende des Monats wieder hingehe. Sie spiel unzählige Konzerte dieses Jahr, das sollte in allen Kalendern stehen!


Alin Coen & Max Prosa
(Ms) Und noch ein Duett! Vergiss Mich Nicht In Fremden Städten (allein dieser Titel schon, wow!) geht gerade mal ein wenig länger als zwei Minuten. Und darin steckt so viel Kraft und noch viel mehr Schmerz. Ohje! Kein Anflug von Kitsch. Stattdessen eine wundervolle lyrische Darbietung übers nicht-vergessen-werden-wollen. Tatsächlich habe ich noch nie bewusst ein Lied von Max Prosa gehört, aber seine Stimme gefällt mir direkt sehr gut. Dazu das Zarte von Alin Coen, was für eine Kombination. Wenn dann so eine Trennungsgeschichte zusammen gesungen wird, entfacht der Text noch mehr Strahlkraft und der Inhalt kommt wirklich schön zur Geltung. Selbst wenn eine große Liebe schlimm zu Ende ging, dem Anderen aufrichtig von Herzen nur das Beste zu wünschen und zu hoffen, dass ein klein wenig von einem vergangenen Wir da bleibt. Darum gehts. Bitter und hart. Aber auch wunderschön. Das zeigen die beiden in diesem tollen Stück! Zu finden ist er auf dem neuen Album Dein Haus.


Kabinett
(Ms) Synthies-Dance-Musik ist eigentlich gar nicht so sehr mein Ding. Doch eine große Band hat lange daran gearbeitet, dass das anders aussieht. Die Editors haben über so viele Jahre und Alben immer mehr elektronische Effekte mit in ihre Musik aufgenommen, dass dieser Klang heute dominant ist. Das ist ein derart schleichender Prozess gewesen, kaum aufgefallen, aber aufgegangen. Kabinett aus Mannheim spielen direkt einen Indierock, der wesentliche elektronische Elemente aufweist und dadurch getragen wird. Durch die guten Erfahrungen aus UK geht dieser Sound sehr gut ins Ohr und vielleicht muss ich mich doch als Fan von Synthies-Dance-Musik outen. Wenn in der Basis die Gitarren nach vorn gehen und die Synthies dann noch einen drauf setzen, kann eine Energie entstehen, die wirklich viel Spaß macht. Ende März hat die Band ihre neue EP Blackout veröffentlicht, die laut und leise kann und vor allem sehr, sehr rund klingt. Und dann noch diese Stimme… wow! Bald spielen sie hier:

30. April - Bottrop, OT Eigen
01. Mai - Köln, Stereo Wonderland
02. Mai - Hannover, LUX
03. Mai - Hamburg, Hebebühne
04. Mai - Berlin, Privatclub
16. Mai - Frankfurt, Ponyhof
18. Mai - Heidelberg, Halle02


UTO
(Ms) Dass ein Genre zu einem geographischem Areal passt, ist eine sehr wacklige Behauptung und ich stelle sie hier immer wieder auf, wende sie, kippe sie um, halte sie aufrecht. Es ist eine sinnlose Debatte, aber sie kommt halt immer wieder. So wie diese hier: Frankreich und elektronische Musik. Was hat es damit auf sich?! Klar, 67 Millionen Menschen machen auch andere Musik, aber die Elektronische schwappt immer wieder richtig weit über. C2C, Justice, Daft Punk, Phoenix. Und jetzt eventuell UTO? Alles deutet darauf hin, heute erscheint das neue Album des Duos: When All You Want To Do Is Be The Fire Part Of Fire. So weit, so leicht abzuspeichern. Wenn dieses Album läuft, kommen einem die genannten Künstler nicht direkt in den Sinn, dafür hat ihre Musik eine viel zu eigene Handschrift. Ab und zu ist mal eine akustische Gitarre zu hören, doch die tanzbare Elektronik hat hier Überhand und sie nimmt mich voll mit auf ihrem Trip! Selten war es leichter, auf frischen Beats zu schweben!


Pöbel MC
(Ms) Vor zwei, drei Jahren habe ich richtig viel Rap gehört. Insbesondere Waving The Guns und Pöbel MC - auch gerne zusammen - liefen da hoch und runter. Warum, Sprechgesang momentan so gar nicht bei mir läuft, weiß ich nicht. Ist aber so. Hat sich da was getan? Werden Beats nun anders gemacht? Schon bei den letzten Tracks von Juse Ju fiel mir auf, dass es wesentlich elektronischer geworden ist. Auch Pöbel MCs neue Single Heliaktion hat einen schweren elektronischen Beat. Ich finde das gar nicht mal so geil. Irgendwie verströmt das so eine Dorfpartyatmosphäre. Aber das ist nur meine Lesart.
Ein paar Mal sah ich Pöbel MC live und war tief beeindruckt. So eine hohe Textdichte, so vertrackte Verse, so komplexe Wortstrukturen. Wie kann man sich das alles nur merken? Sehr stark, gefällt mir immer noch. Und wenn er im Herbst auf Tour geht, empfehle ich es sehr gern weiter, auch wenn mich die neue Single null kickt. Denn live ist Pöbel MC ein Naturphänomen! Ehrlich!

08.11.2024 Hamburg - Grünspan
09.11.2024 Hannover - Kulturzentrum Faust
21.11.2024 Köln - Stollwerck
22.11.2024 Freiburg - ArTik
23.11.2024 Bern (CH) - Reitschule
28.11.2024 Graz (AT) - p.p.c.
29.11.2024 Wien (AT) - Flex
30.11.2024 Linz (AT) - Posthof
05.12.2024 Jena - Kassablanca
06.12.2024 Dresden - Tante Ju
07.12.2024 Cottbus - Gladhouse
12.12.2024 Nürnberg - Z-Bau
13.12.2024 München - Strom
14.12.2024 Stuttgart - Im Wizemann
27.12.2024 Frankfurt am Main - Zoom
28.12.2024 Münster - Skaters Palace
24.01.2025 Rostock - M.A.U. Club
25.01.2025 Berlin - Huxleys neue Welt


Pascow
(Ms) Allzu oft sind sie nicht auf Tour, aber es ist immer wieder möglich, sie zu sehen. Man muss nur ein bisschen Glück haben, dass Zeit und Ort passen. Im Februar sollten Pascow in Kiel spielen und ich war Feuer und Flamme. Unterkunft und Bahnfahrt standen. Ich sah sie schon mal in der Pumpe und die Vorfreude war immens. Dann die Enttäuschung: aus guten gesundheitlichen Gründen mussten einige Termine abgesagt werden. Der Nachholtermin für mich nicht möglich. Mist.
Aber, nur Geduld haben. Sie zahlt sich aus. Dieser Tage war es dann mal wieder soweit. Nicht nur, dass sie im Januar in Dortmund spielen (endlich mal wieder ins tolle FZW), nein, sie spielen auch beim Geburtstag ihres Labels Rookie Records im Hamburger Knust im Oktober. Zwei Termine, die im Kalender stehen. Die Vorfreude steigt jetzt schon, obwohl es noch einige Zeit hin ist. Die Male, die ich die Band live gesehen haben, waren so immens, so mächtig, so dicht, so kraftvoll, so ohne Vergleich, dass ich nicht müde werde, meine Begeisterung hier in die Tasten zu hauen, weil sie brennt! Pascow live - seitdem ich die Band für mich entdeckt habe, das Erstrebenswerteste im Punkrockfeld!

Festivals:
26.04.2024 Hagen a.T.W. - Stockrock Festival
06.06.2024 - 08.06.2024 Merkers - Rock am Berg
08.06.2024 Nordenham - Fonsstock
06.07.2024 Hünxe - Ruhrpott Rodeo
19.07.2024 - 20.07.2024 Selters - Seepogo

"Sieben" - Tour 2024
05.06.2024 Wolfsburg - Hallenbad
06.06.2024 Kiel - Die Pumpe
04.07.2024 Chemnitz - AJZ Talschock
05.07.2024 Nürnberg - Z-Bau
15.10.2024 Regensburg - Alte Mälzerei
16.10.2024 AT-Wien - WUK
17.10.2024 AT-Linz - Stadtwerkstatt
18.10.2024 CH-Aarau - Kiff
24.10.2024 Berlin - Festsaal Kreuzberg
25.10.2024 Hamburg - Knust (Rookie-Fest)
26.10.2024 Trier - Europahalle
17.01.2025 Dortmund - FZW
18.01.2025 Rostock - M.A.U. Club


Kiasmos
(Ms) Dieser Rausch, er ist wunderschön. Zeit und Raum spielen gar keine Rolle mehr. Sogar das Setting kann vernachlässigt werden. Sei es der entspannte Blick in den grünen Garten oder eine wuselige Alltagssituation. Wenn die Musik von Kiasmos erklingt, dann tritt das alles in den Hintergrund und der Genuss übernimmt die Kontrolle. Ich gebe sie dafür sehr gerne ab. Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen haben nach sieben Jahre Veröffentlichungsstille eine 3-Track-EP Flown veröffentlicht und verzaubern sofort die Ohren und den Geist. Es ist tief beeindruckend, welch immense Wirkung diese ruhige Musik hat. Sowohl der elektronische Drang nach vorn als auch die leisen Klaviertakte strahlen vor Energie. Energie, die Räume öffnet, die der Kunst vorenthalten sind. Einen anderen Kanal für diese Art des Staunens ist zumindest mir unbekannt. Gern lasse ich es zu, wenn das Titelstück, Told und Dazed um mich herumschwirren. Dann schaltet sich alles andere ab und es gibt nur noch diesen Moment, diesen wunderbaren, zauberhaften Rausch. Wow! 


Freitag, 5. April 2024

KW 14, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(ms) Besser nochmal drüber nachdenken. Dachte ich mir gestern. Das kam so: Morgens las ich nur die Überschrift, dass 200 Musizierende einen Offenen Brief unterzeichneten, in dem sie vor KI-Nutzung ihrer Musik warnten. So im Halbschlaf dachte ich: Was ist schon groß daran? Ihr verdient doch eh genug mit eurem Glitzerpop. Sollen die Programme doch mit Eurer Musik gefüttert werden.
Später kam dann die Einsicht: Ja, die Kritik ist so berechtigt und die Gefahr immens. Denn es geht um viel mehr als dass ein Programm beispielsweise Musik von R.E.M. erzeugen oder die Stimme John Lennons bis zur Ununterscheidbarkeit imitieren kann. Das ist auch schlimm, ja. Es geht um das, was das Programm nicht hat: Herz! Musik ist Leidenschaft und Geist und Kunst und Arbeit. Kein Mausklick. Es ist Scheitern und Zusammensein. Und noch viel wichtiger: KI geht nicht auf Tour. Die Arbeit von Programm X kann ich live nicht bestaunen und mich dann in den Bann ziehen lassen. Und Programm X kann es auch nicht fühlen, wie es ist, die eigenen Lieder, an denen mitunter jahrelang gefeilt wurde, voller Herzblut und Liebe live zu performen. Daher ist ganz doll zu hoffen, dass der emotionale und geniale Wert von Musik auch von den Firmen anerkannt wird, die im Besitz dieser Programme sind. So romantisch darf man sein.

Kafka Band 
(Ms) Klar, wenn man so um die Zwanzig ist, dann ist Kafka irgendwie dabei. Erst Der Prozess, dann die ganzen anderen nicht vollendeten Schriften. Klar, zum Einen sind es Klassiker, aber die sind auch noch richtig gut. Es gib Klassiker, die wesentlich weniger knallen! Klar, es ist jetzt nicht so unglaublich genial, wenn man einen vorhandenen Text zur eigenen Musik spricht. Aber das muss man erstmal machen und dann muss es erstmal so gut, so rund, so ansprechend und so mäandernd klingen wie bei Kafka Band. Kopf der Band ist Jaroslav Rudiš, selbst tschechischer Schriftsteller. Hier gibt sich ganz viel literarische Kunst die Klinge in die Hand. Dass sie beispielsweise bei der Single Türhüter deutsch gesprochenen Text mit einem tschechischen Refrain mischen, finde ich sehr, sehr spannend. Derartiges kam mir noch nicht zu Ohren, richtig toll! Die Band spielt ihr Album Der Process bald hierzulande und ich kann mir vorstellen, dass es richtig gut wird!

15.05. Fellbach
02.06. Wien - Porgy and Bess
03.06. Salzburg
06.06. Bremen - Kleines Haus (Theater)
07.06. Cottbus - Festival
01.11. Zittau - Mandau Jazz Festival
02.11. Schwabach - Festival "LesArt"


Ischia
(Ms) Dass es einen bestimmten Sound zu einem geographischen Areal geben könnte, ist ja immer eine ziemlich heikle These. Und Österreich dann direkt als Ganzes zu nehmen, kann ja nur zum Scheitern verurteilen. Aber… Es ist mir dennoch passiert: Als ich Sleep von Ischia zum ersten Mal hörte, musste ich nach nur wenigen Takten direkt an Naked Lunch denken. Das löst sich im Laufe des Tracks alles ein wenig auf, aber dieser erste Gedanke hat mich ein wenig erschreckt. Ischia spielen wesentlich weniger dramatische Musik als ihre Kollegen. Es ist auch kein Weltschmerz zu spüren, sondern eher ein lässiges Treibenlassen im Sound. Der wiederum ganz spannend ist mit folgender Hintergrundinformation: Die Hälfte der Band spielt auch bei Endless Wellness. Da geht gerade also eine ganze Menge in Wien - ich mags! Mehr von dieser schwelgerischen Musik gibt es dann im beginnenden Herbst, denn dann erscheint ihr Album Leave Me To The Future (13.09). Das wird gut!


Nodfeld
(Ms) Bekannte Situation: Nachmittags oder am frühen Abend nach Hause kommen und erstmal runterfahren. Das Gewusel des Tages hinter sich lassen, eventuell einen Kaffee trinken, schauen, was es daheim noch zu erledigen gibt. Oft will ich dabei gar keine Musik hören. Insbesondere Wildes oder Wildes mit Text stresst mich dann zu sehr. Instrumentale Stücke sind da schon viel besser, der Fokus liegt ganz woanders, rein auf dem Klang. Und ich kann mir viel einfacher meine eigene Geschichte dazu denken. Das neue Stück von Nodfeld heißt Renn!, ja mit Ausrufezeichen! Klar, der Titel und das Stück passen schon sehr gut zusammen, insbesondere die Pausen oder das Luftholen finde ich toll umgesetzt. Aber es geht auch anders: Das Auf und Ab eines Tages, die Verarbeitung eines Traumes, vielleicht sogar ein raffiniertes Abendessen. Bei diesen ungeheuer sanften Klavierklängen scheint es keine Grenzen zu geben. Das ist Kunst!


Me And My Two Horses
(Ms) Eine der größten Geschenke, wenn man länger eine Künstlerin hört, ist, die Entwicklung ganz aktiv zu beobachten. Sie mitzuerleben. Bekannte Muster kennen und Neues darin einordnen. Ein klanglicher roter Faden. Der ist in meinen Ohren ganz viel wert, das macht das Bild einer Musikerin sehr rund. Neues ist irgendwie erwartbar, hat aber auch einen großen Spielraum. Eine Welt, in die der Klang vordringen kann. So ist es aktuell mit Me And My Two Horses. Es gab eine längere Pause bei diesem Projekt. Vorher hat mich insbesondere das Album No Man‘s Land ganz stark begeistert. Nun gibt es ein neues Stück, es heißt Glimpse Of Time und ist weniger gewaltig als der vorherige Sound. Aber in der Dramatik von Stimme, Klavier und den sehr gut eingesetzten Synthies steckt die gleiche Energie, als wenn die Apokalypse hereinbringt. Zart erklingt dieses Lied, wunderschön zugleich. Doch der Schein trügt auch ein wenig, wenn es darum geht, was die Sängerin hier alles verweigert. Das sind knapp vier Minuten voller Klasse, Schönheit, Können, Staunen. Wow!

Donnerstag, 4. April 2024

Sebastian Krumbiegel - Meine Stimme

(Ms) „Regen, Regen / Alle pflegen / Sich darüber / Aufzuregen / Regen, lass mich / Überlegen / Bin ich dafür / Oder bin ich dagegen.“
Diese Zeilen vom 2003er Album Monarchy In Germany ist das Erste, woran ich denken muss, wenn ich an Die Prinzen denke. Irgendwie pfiffig und unterhaltsam und vor gut zwanzig Jahren haben sich diese Worte anscheinend richtig doll in meine Hirnwindungen eingebrannt. Eine wesentlich größere Verbindung zu dieser Band bestand für mich aber nie. Aber an ihnen ging auch (zumindest eine zeitlang) kein Weg dran vorbei. Dafür waren sie zu präsent und auch zurecht erfolgreich. Dann erinnere ich mich noch daran, dass der Pastor aus meiner Heimatkirche in Lemgo die Gruppe mal in sein Gotteshaus eingeladen hat und der Andrang auf die Karten in der Kleinstadt sehr groß war. Die Leute wollten Sebastian Krumbiegel und Co sehen. Ich kann es gut verstehen.
Das ist der eine große Part im Leben des Gesichts dieser Band: Unterhaltung. Die Prinzen waren und sind große Entertainer, die für angenehme Kurzweil und gewissermaßen für generationenübergreifende Musik stehen.
Was Sebastian Krumbiegel jedoch noch viel mehr zu erzählen hat, war mir gar nicht klar, bis ich sein Buch Meine Stimme - Zwischen Haltung Und Unterhaltung las. Es erschien kürzlich im Ventil-Verlag und lässt sich angenehm schnell und gut lesen. Krumbiegel hat hier keine Autobiographie hingelegt und zugegeben auch keine literarische Meisterleistung (das wollte er auch gar nicht). Jedoch ist er eine Person des Öffentlichen Lebens und hat damit automatisch viel Reichweite. Und die nutzt er ziemlich gut, was mir gar nicht bekannt war. 
Die Episoden, über die er schreibt, sind schon chronologisch sortiert, da es so einfach am meisten Sinn ergibt. Allzu viel soll diese Rezension natürlich nicht vorweg nehmen, aber ich war überrascht, was er alles zu erzählen hat. Über die schöne, aber auch harte Zeit als Thomanerschüler. Über die Zeit als Punk in der DDR. Darüber wie es ist, zusammengeschlagen zu werden. Und insbesondere darüber, was es bedeutet, in der Öffentlichkeit für seine Haltung einzustehen. Denn genau das tut er seit vielen Jahren. Man kann Die Prinzen toll oder doof finden, dass Krumbiegel sich aber seit so vielen Jahren gegen alle Formen von Rechtsextremismus engagiert und viel auf die Beine stellt, um das auch möglichst laut zu tun, gebührt großer Anerkennung. Und er hört nicht damit auf. 
Durch die Lektüre ist mein jugendlicher Hang zu seiner Musik nicht wieder auferlebt. Aber ich fand es sehr spannend, zu lesen, was er alles zu berichten hat. Denn Sebastian Krumbiegel steht für das, was er sagt und er gibt viel, damit der ganze braune Dreck möglichst klein bleibt. Diese Geschichten sind es wert, gelesen zu werden, denn er ist ein tolles Beispiel dafür, was es heißt, aufrecht durchs Leben zu gehen. Seien wir alle ein wenig mehr Krumbiegel!

Dienstag, 2. April 2024

Khruangbin - A La Sala

Foto: David Black
(Ms) Jetzt ist der Besitz, Anbau und Konsum von Gras legal. Eine richtig gute Entwicklung meines Erachtens. Zwar konsumiere ich das nicht, aber der Rausch von THC tut ja keinem weh. Viel mehr versetzt er einen in einen super entspannten Zustand, alles wird locker, lustig und schweben fällt ganz leicht. Dann öffnen sich auch ein paar Kanäle, um tiefer fallen zu können. Das finde ich gut. Brauchen tue ich das nicht umzu entspannen, aber gut, dass das nicht mehr illegal ist.

Seit einiger Zeit bin ich davon überzeugt, dass es auch Rauschzustände gibt, die von Musik erzeugt werden kann, um sich komplett in ihr zu verlieren. Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Ob das elektronische Tanzmusik ist, zu der man sich stundenlang auf der Tanzfläche austoben kann, Neoklassik, die zum Innehalten einlädt oder wilde Psychedelik, die in Ekstase münden kann. Doch diese Kifferentspanntheit gibt es auch fern von Reggae oder so. Das spielen nämlich Khruangbin aus Houston. Am 5. April erscheint ihr neues Album A La Sala und es ist eine großartige Platte.

Die Einsicht, dass dieses Album so großartig ist, brauchte in mir recht lange Zeit, um sich zu entwickeln. Denn beim ersten und zweiten Hören fand ich die Musik wahnsinnig langweilig. Im besten Fall hätte ich es als lässige Hintergrundmusik abgetan, mehr aber auch nicht. Der Fakt, dass ich das Album dennoch wieder und wieder gehört habe, zeugt ja aber davon, dass da doch was ist. Da steckt etwas in den Klängen des Trios, das mich ziemlich anknipst: Es ist eine leise, sanfte aber ungeheuer kraftvolle Spielart der Psychdelik, die total zurückgelehnt ist und mit wenig Gesang auskommt. Wie eine Massage am Lagerfeuer entfacht sich die loslassende Wirkung dieser Klänge. Umwerfend!

40 Minuten Träumen beginnen auf Fifteen Fifty-Three mit ganz sanften Bassklängen von Laura Lee Ochoa. Dazu gesellen sich gezupfte Gitarrentöne von Mark Marko Speer und reduzierte  von Donald DJ Johnson Jr, die später in einem entspannten Rhythmus münden. Anschließend übernimmt die Gitarre die Melodie und auf dem Bass lässt es sich herrlich ausruhen. Lange habe ich mich gefragt, ob darin auch eine gewisse Melancholie liegt. Ja, zu 20 Prozent vielleicht, der Rest ist Urlaub. Davon zeugt auch das Vogelgezwitscher am Ende des Tracks. Auf May Ninth hört man das Trio dann auch singen und ich finde es frech, wie gut das alles harmoniert. Ja, wie in lauterer Psychedelik oder im Krautrock spielt die Wiederholung hier auch eine wesentliche Rolle. Aber durch die leise Spielweise wirkt sie eher im Unterbewusstsein, anstatt sich aktiv darin zu verlieren.

Rhythmus ist ein ganz wichtiges Element auf dieser Platte. Er trägt die schönen Gefühle auf behutsamen Takten. Doch auch ganz leise Zwischentöne wie auf Farolim De Felgueiras sind kein Füllmaterial, sondern nur eine andere Ebene der Ruhe. Denn das Thema der Platte ist Nach-Hause-Kommen, sich besinnen, zu den Wurzeln kommen. Und da braucht es auch mal eine Pause. Dann ist auch tanzen möglich, Pon Pón ist genau das richtige Stück dazu und die gehauchten Zeilen elektrisieren nochmal auf ganz andere Weise. Doch die Platte lebt durch die unverschämt Lässigkeit wie zum Beispiel auf Todavía Viva oder Juegos y Nubes. Na klar, vieles hört sich gleich an auf diesem Album. Aber die Platte würde niemals ihre faszinierende Wirkung entfalten, wenn es zu viele verschiedene klangliche Ebenen gäbe. Dann bestünde kaum die Möglichkeit, in die Tiefe des Sounds einzutauchen und diese zuzulassen.

Genau darum geht es auf A La Sala. Zurückbesinnen auf die Wurzeln. Die Band hat ihre eigene Geschichte dazu, mich persönlich entspannt dieses Album aber auf hochgradige Weise. Das, was Bassistin Laura Lee Ochoa, Drummer Donald DJ Johnson Jr und Gitarrist Mark Marko Speer da machen, ist einfach nur genial und ich bin fest davon überzeugt, dass das Album mich noch lange begleiten wird. Wer da noch kifft, ist selber Schuld.

17. Juli - Wien, METAStadt / 7. & 8. November - Berlin, Tempodrom

Montag, 1. April 2024

Mount Kimbie - The Sunset Violent

Foto: TBone Fletcher
(Ms) Wie begegnen wir Musik? Was passiert alles, bevor ein Lied erklingt? Diesbezüglich stellt sich natürlich die Frage, in welchem Setting das passiert. Sitze ich in einem Café und Musik läuft im Hintergrund, beschäftige ich mich gar nicht so sehr damit. Sie geschieht einfach und wenn es gut läuft, beschwingt sie das gemütliche Beisammensein oder sie macht mich positiv oder negativ aufmerksam. Im besten Falle passiert gar nicht so viel, da ich kaum Erwartungen habe, außer, dass sie die Gemütlichkeit fördert und nicht zu laut ist.

Bin ich zu Hause, höre ich viel aufmerksamer. Das mag vollkommen profan klingen, ist es aber nicht. Denn ich mache mir ja durchaus Gedanken darüber, was jetzt gerade passt. Habe ich Bock auf eine bestimmte Platte? Brauche ich gerade Krach oder eher Ruhe? Ist da neue Musik, die ich gern entdecken möchte? Kenne ich die Band oder eben nicht? Was erwarte ich von dem, was mich gleich beschallt? In welche Gemütslage wird mich der Sound wohl versetzen?

Insbesondere die persönliche Beziehung zur Band ist nicht unwichtig. Kenne ich die Band, höre ich anders als wenn sie mir noch nichts sagt. Und genau das passiert bei mir, wenn ich die neue Platte von Mount Kimbie höre. Die Band kenne ich gar nicht, gehe also komplett unbedarft an den Sound heran. Aufmerksam wurde ich durch die Single Fishbrain aus ihrem neuen Album The Sunset Violent, das diesen Freitag (5. April) erscheint. Da war auf der einen Seite die tolle Ästhetik des Videos und auf der Anderen der Klang, der mich sofort abgeholt hat, obwohl er kein großes Spektakel aufweist. Zu hören ist die Gelassenheit von Metronomy, die Raffinesse von The Notwist und eine gewisse Ähnlichkeit der Stimme zu Damon Albarn. Drei Punkte, die mich stark ansprechen! Am Markantesten ist direkt der Gitarrensound, er ist herrlich abgebrüht und eine durchgehende Konstante der Coolness. Da der Klang hier so verlockend ist, sind mir die Texte ein wenig egal - ich bitte an dieser Stelle um Entschuldigung.

Das Londoner Quartett präsentiert neun neue Tracks auf The Sunset Violent, die eine angenehme Spieldauer von 36 Minuten haben. Eine phantastische halbe Stunde, um in einen mitreißenden Klang einzutauchen. Wie gesagt, er ist wenig spektakulär, aber durch einen klar erkennbaren roten Faden kommt die Kraft der Musik hier ganz unterschwellig zur Geltung. Selten habe ich zuletzt eine so klar erkennbare Handschrift und ein Hörerlebnis wie aus einem Guss zu Ohren bekommen.

So geht es direkt mit The Trail los. Mit einem instrumentalen Stück zu starten ist sowohl mutig als auch unsagbar clever. Man wird hier ganz sanft an die Hand genommen durch ein ausgebufftes Wechselspiel von Shoegaze-Gitarre, feinen Synthie-Klängen und Ahh-Gesang. Was das Hören auch so angenehm macht, ist dass sich hier Dominic Marker und Kai Campos am Gesang abwechseln beziehungsweise ergänzen. So hat es den Anschein, in einen Dialog eingesogen zu werden, wenn Dumb Guitar erklingt. Es wechseln sich so viele klangliche Elemente ab, das ist irre und keineswegs überfordernd oder durcheinander, da das einfach richtig gut gemacht ist. Hier eine etwas schrammeligere Gitarre, dann ein paar Synthies, dann angenehm tiefer Gesang, dann catchy Bass - Wow! Das macht richtig viel Spaß!

Dieser anfängliche Klang der Platte zieht sich durch jedes einzelne Stück. Es ist fast egal, wie sie heißen und auf welchem King Krule als Gast dabei ist. Viel wichtiger ist, dass die Band es schafft einen unglaublich runden Sound zu erschaffen, der es ganz leicht macht, darin zu versinken. Das macht gute Musik aus, das ist ein ganz wichtiger Faktor. Wenn es durch Klang gelingt, die Augen zu schließen und ganz weit weg zu schwimmen, sich ganz geborgen tragen zu lassen, dann ist ein Zustand erreicht, den ich persönlich sehr erstrebenswert finde und dem ich ein hohes künstlerisches Potential zurechne. All das schaffen Mount Kimbie auf diesem Album. Das ist faszinierend!

Live könnte das herausragend werden. Sie spielen am 28. April im Huxleys in Berlin.


Sonntag, 17. März 2024

KW 11, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Sb/ms) Runter in den Keller. In die Hand. Raus nach draußen. Aufbauen. Draufsetzen. Losfahren. Ankommen. Hochtragen. Zusammen bauen. Reintragen. Ankommen. Aufbauen. Draufsetzen. Losfahren. Ankommen. Zusammen bauen. Und das gleiche später wieder auf dem Rückweg. Über viele Jahre war mein Klapprad mir ein wirklich treuer Begleiter und bis auf eine kleine Platten-Schlauch-Eskapade war es immer mit vollem Einsatz dabei. Nun, wo die Strecke mit dem Zug zur Arbeit wegfällt, steht es so da und wird nicht mehr gebraucht. Armes orangenes Ding. Doch M. aus B. hat sich gemeldet und es passt genau zu seinen Anforderungen der Suche. Also ist Klappi, so sein liebevoller Spitzname, momentan auf der Reise im Karton nach B., um dort weiter die Welt zu erkunden. Vielen Dank für alles, liebes Klapprad. Gute Reise, M.!

Noga Erez
(Ms) Vielleicht ist sie die coolste Frau im Popbusiness. Locker kann sie Billie und Taylor in den Schatten stellen. Wer Noga Erez einmal live gesehen hat, weiß wovon ich schreibe. Vorletztes Jahr hatte ich das große Glück, die Künstlerin beim Appletree zu sehen und war enorm begeistert von ihrem Auftritt. Das war eine wilde Party mit beeindruckend sattem Bass und einem - im besten Sinne - ziemlich abgeklärten Auftritt! Ihr Album Kids sei jedem ans Herz gelegt! Nun hat sie einen neuen Track am Start und er hat sicher zwei Deutungsebenen. Come Back Home heißt das Stück, kommt in ihrem typischen Sound daher, jedoch mit einer leicht melancholischen Note. Ich denke, dass ihre israelische Herkunft dabei ins Gewicht fällt, wenn sie davon singt: They Stopped The Fire / I Read The News. Dann ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass es dabei um die Geiseln der Hamas geht, die endlich wieder heim sollen. Dass die Entführer sich von einem Song nicht weichspülen lassen, ist klar. Wichtig ist aber, dass Noga Erez ihre Reichweite nutzt, um darauf aufmerksam zu machen, dass seit so vielen Wochen und Monaten immer noch Menschen gefangen halten werden. Kommt Heim!

 
Lysistrata
(sb) Musik ist bekanntermaßen Geschmacks- und vor allem Gefühlssache. Lysistrata veröffentlichten 2019 ihr Album Breathe In/Out und haben seitdem bei mir einen dicken Stein im Brett. Was für eine geile Scheibe. Anfang März folgte nun der nächste Streich der Franzosen: Veil! Und nun kommen wir zurück zum Thema "Gefühlssache", weil ich meine Empfindungen anders nicht erklären kann. Denn obwohl Veil vielfältiger, eingängiger, musikalisch und - so weit ich das verstehen kann - auch textlich eine Weiterentwicklung im Vergleich zum Vorgänger darstellt war die Halbwertszeit in meiner Stereoanlage kürzer. Lags an der zeitgleich releasten starken Konkurrenz? An der eigenen Lebenssituation? Oder einfach nur an den Gefühlen? Wie dem auch sei: Lysistrata haben wieder geliefert und dürften auch live wieder ein Spektakel bieten:

08.10. Köln, Gebäude 9
09.10. Hannover, Bei Chez Heinz
10.10. Hamburg, Hafenklang
11.10. Berlin, Cassiopeia
12.10. Leipzig, Naumans Tanzlokal
13.10. München, Rote Sonne
14.10. Schorndorf, Club Manufaktur 


Illegale Farben
(sb) Gut Ding will Weile haben - und genau deswegen kommt die Rezension zu Monte Fiasko erst jetzt, obwohl das Album bereits Mitte Februar veröffentlicht wurde. Ich hatte mir die Scheibe schon vor dem Release zu Gemüte geführt, war positiv überrascht, doch die Zeit fehlte, um was draus zu machen. Und danach hatte ich sie - so ehrlich muss ich sein - schon fast wieder vergessen. Ist halt so, wenn Familie, Job und andere Faktoren so viel Raum einnehmen. Diese Woche stieß ich jedoch wieder auf die CD, also rein in den Player und geil. Joy Division meets Love A. Ich finde es wirlich grandios und ärgere mich kolossal, dass Illegale Farben auf ihrer Tour nicht mal ansatzweise in meine Richtung (Bodensee) kommen.
 
15.03.24 Karlsruhe, Alte Hackerei (mit Joseph Boys)
12.04.24 Erfurt, Museumskeller (mit SAFI)
13.04.24 Düsseldorf, AK47 (mit Joseph Boys & Kontrolle)
09.05.24 Dortmund, Subrosa
10.05.24 Berlin, Cassiopeia
11.05.24 Hannover, Faust
 
 
KMPFSPRT
(sb) Als ich vor zig Jahren in einem Sampler auf Atheist stieß, war es Liebe auf den ersten Klick. Was für eine Wucht, was für Lyrics. Seitdem habe ich KMPFSPRT auf dem Schirm und wurde selten enttäuscht - auch von Aus gegebenem Anlass nicht! Textlich war die Band nie besser, die Melodien sind mitunter geradezu unverschämt eingängig und trotzdem zündet das neue Album noch nicht ganz. Ich kann es noch nicht mal richtig beziffern, woran es liegt, vielleicht klingt es mir einfach zu clean, zu glatt produziert. Phasenweise zu poppig und zu wenig rotzig. Ich weiß es nicht. Vielleicht wirds ja bis zum Release am 05.04. noch... Aber nicht falsch verstehen: Das ist Jammern auf extrem hohem Niveau.
 
12.04.24 Bochum, Trompete
13.04.24 Bremen, Tower
26.04.24 Freiburg, Crash (Amplifest)
10.05.24 Düsseldorf, Pitcher
17.05.24 Jena, Rosenkeller
18.05.24 Berlin, Badehaus
24.05.24 Neunkirchen, Stummsche Reithalle
25.05.24 Stuttgart, JuHa West
31.05.24 Wolfsburg, JH Ost
01.06.24 Hamburg, Logo
07.06.24 Frankfurt, Nachtleben (early show)
08.06.24 München, Backstage
07.-11.08.24 Eschwege, Open Flair
 


Kiesel
(Ms) Auf weniges bin ich stolz, weil ich mit dem Wort zu wenig anfangen kann. Aber auf eines zweifelsohne: Es gibt einen Freundeskreis, der seit der 5. Klasse besteht. Da sind Menschen, die ich seit 23, 24 Jahren kenne. Sie sind immer noch meine Freunde. Was alles mal Thema war: Freundinnen, Hausaufgaben, Studienorte, Biersorte, Verhältnis zur Familie, Bachelorarbeit, Masterarbeit, Umzüge, Hochzeiten und letztens ging es halt ums Vertikutieren des Rasens. Was waren wir orientierungslos, herrje! Ich bin froh, dass sich das geändert hat. Wenn Kiesel aber singt, wie Richtungslos sie ist, dann kann ich es zu 100% nachfühlen, da ich so oft an dem Punkt war. Ja, manchmal ist er noch da, aber viele Weichen haben sich schon gestellt. Die Künstlerin aus dem Ruhrgebiet haut mit dieser Single ihre ersten eigenen Töne raus! Enorm, wie rund und richtig das klingt. Erst dachte ich, dass mir das zu poppig ist, aber da schwebt eine Ebene mit, die ich halt so gut verstehe. Lange habe kein so tolles Lied gehört, das die Wand an Entscheidungen so sehr auf den Punkt bringt. Im besten Sinne eingängig spricht Kiesel hier sicher vielen Menschen aus dem Herzen - das ist Kunst!

Freitag, 8. März 2024

KW 10, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: svgsilh.com
(Sb/ms) Ey komm, jetzt mal ganz ehrlich. Es ist so leicht derzeit schlimme Geschichten zu erzählen. Ja, sie blieben viel eher haften und machen zurecht große Sorgen. Jedoch gibt es auch so viel Gutes. Und etwas ganz entscheidend Gutes kommt jedes Jahr freihaus zu uns. Ja, es ist der Frühling und erglänzt hier im Norden an diesem Wochenende (und auch schon am letzten) in seiner vollsten Pracht. Ja, es mag etwas billig sein, übers Wetter zu schreiben, aber niemand kann leugnen, dass es jedes Jahr ein großartiges Gefühl ist, von den ersten wärmeren Temperaturen und Sonnenstrahlen gekitzelt zu werden! Also: Bluetoothbox mit nach draußen nehmen und diese frische Musik laut aufdrehen:

Friedberg
(Ms) Wann ist ein Song so richtig gut? Meines Erachtens gibt es da ein paar ganz klare Indizien für. Nummer 1: Unbemerkt wippt der Fuß auf einmal mit. Nummer 2: Unbemerkt wippt der Kopf auf einmal mit. Nummer 3: Unbemerkt stellt man das Lied etwas lauter, weil es wohl irgendwelche Synapsen richtig angeknipst hat. Herzlich willkommen bei der neuen Single von Friedberg. Sie heißt Hello und ist allerfeinster Indiepoprock. Langsam steigert sich das Stück, ohne einen wirklichen Höhepunkt zu haben, aber die Dichte, die über gut dreieinhalb Minuten aufgebaut wird, ist bestechend und geht voll auf! Dafür verantwortlich sind vor allem der vorantreibende Gesang von Frontfrau Anna Friedberg, das nimmermüde Schlagzeug und vor allem die klug eingesetzten Synthies. Zusammen ergibt das einen richtig tollen Track, den ich immer und wieder hören will! Stark! Im August kommt dann das dazu passende Album raus, wir bleiben definitiv dran, weil ganz süchtig geworden!


Matze Rossi
(sb) 12 Tracks, 12 Coverversionen, ganz viel Matze Rossi. Die Stimme ist unverkennbar und der Franke schafft es immer wieder, so viel Herz in seine Songs zu stecken, dass es in der Barn Tapes Collection nicht mal auffällt, dass sie gar nicht aus seiner Feder stammen. Gecovert werden u.a. The Cure, Detah Cab For Cutie, Bruce Springsteen, Donots, Hot Water Music oder Fugazi.
 
Zugegebenermaßen höre ich ihn lieber auf Deutsch und seine eigenen Gedanken vortragen, aber hey, wenn schon Cover, dann so. Das liegt vor allem an der Authentizität des Künstlers, zum anderen aber auch an der exquisiten Auswahl seiner Duettpartner. So teilen sich u.a. Nathan Gray, Tim Vantol, Chuck Ragan und No King. No Crown. das Mikro mit dem Schweinfurter.

Das komplett DIY-produzierte Album ist limitiert (CD: 1000 Stk., Vinyl schwarz: 250 Stk., Vinyl farbig: 250 Stk.), beeilt Euch also mit der Bestellung! Und sollte Matze Rossi mal bei Euch in der Gegend spielen, lasst Euch das keinesfalls entgehen.


Hellseatic Festival
(Ms) Musik verstehen. Gar nicht so leicht. Als ich so 15 oder 16 war wurde mir mal gesagt, dass ich zu jung sei für Die Sterne. Ich glaube, diese Person hatte Recht. Frank Spilkers Musik ist jetzt - Anfang dreißig - oft noch kryptisch für mich. Auch Neoklassik und Krautrock habe ich erst in den letzten Jahren für mich entdeckt. Genauso recht düstere Musik. Insbesondere wenn sie instrumental ist. Das kickt mich seit einiger Zeit ganz schön gut! Durch Zufall bin ich im digitalen Äther auf das Hellseatic Festival gestoßen, das dieses Jahr im September zum dritten Mal in Bremen stattfinden wird. Zwei Tage, die im Zeichen der schweren, düsteren, gewaltigen, aber auch melodiösen Musik stehen werden. Eine bestechende Kombination aus Klang und Atmosphäre und Lautstärke. Hat mich sehr neugierig gemacht, insbesondere, dass die schwedische Band Ef dort spielen wird, die ich schon lange gut finde. Den Rest des bislang bestätigten Line-Ups kenne ich nicht. Aber egal. Es fasziniert mich und ein Festival im und am tollen Schlachthof-Gelände über zwei Tage klingt mehr als verlockend. Ich hab tierisch Bock, mich von diesen Klängen umwerfen zu lassen!


Kapa Tult
(Ms) Das hier ist ein seltenes Fundstück. Insbesondere in der Musik. Tragik und Komik gehen ja immer Hand in Hand. Dann kommt das Lachen und bleibt entweder im Halse stecken oder hinterlässt zumindest einen bitteren Beigeschmack. Literarischer Tipp an dieser Stelle: Alle Bücher von Joachim Meyerhoff! Aber es geht ja um Musik hier. Und da schlagen Kapa Tult wieder zu. Schon ihr Album aus dem letzten Jahr hat mich ganz schön begeistert, weil sie es schaffen, in ihren Liedern Gesellschaft, Ironie und knallharte Realität in das perfekte Mischverhältnis zu bringen. Diese Woche war Equal Pay Day und ich hoffe, wir wissen, wie weit wir davon entfernt sind, bis wir alle gleich sind. Auch in der Kunst wird mies gezahlt. Ist auch klar. Aber darauf muss aufmerksam gemacht werden. Das tut ihre neue Single 1/2 Cappuccino - der Ertrag aus Streaminggeschäften. Bitter, bitter, vollkommen unlustig, hart. Aber dennoch ein guter Track. Und das ist die irre Stärke dieser Band. Also bitte nicht nur streamen, sondern auch kaufen und/oder hingehen:

02.04.24 Münster - Pension Schmidt
03.04.24 Hamburg - Häkken
04.04.24 Rostock - M.A.U. Club
05.04.24 Hannover - Kulturzentrum Faust
06.04.24 Offenbach - Hafen 2
07.04.24 Köln - Jaki
09.04.24 Augsburg - Soho Stage
10.04.24 Nürnberg - MUZclub
11.04.24 Leipzig - Elipamanoke
12.04.24 Bayreuth - Neuneinhalb
11.05.24 München - Lange Nacht der Musik@ GasteigHP8


Wallis Bird & Spark
(Ms) Sie ist witzig. Sie ist klug. Sie ist elektrisierend. Sie ist eine Wucht. Sie ist eine großartige Künstlerin. Und sie hält die Gitarre falsch rum. Klar, es geht um Wallis Bird! Sie kann fröhlich, sie kann laut, sie kann leise, sie kann euphorisch, sie kann melancholisch. Und sie kann auch ganz neue Ufer betreten. Und das tut sie nun mit Spark zusammen. Mit der Band hat Wallis Bird nun ein ziemlich außergewöhnliches Album aufgenommen: Visions Of Venus. Es ist ein Konzeptalbum der Geschichte der Weiblichkeit passend zum Weltfrauentag heute. Es sind neue Stücke und außergewöhnliche Coverversionen entstanden, die am 19. April auf einer Platte erscheinen. Björk trifft Hildegard von Bingen - so ist zu hören! Jedoch soll das Liveprogramm ein großes, emotionales, leises, lautes und vor allem intensives Spektakel werden. Große Empfehlung!

15.05. Allensbach, Bodenseefestival
12.07. Karlsruhe, Zeltfestival
21.07. Kronberg, Rheingau Musik Festival


König Boris
(Ms) Erwartungen und Realität. Nur weil König Boris ein Drittel von Fettes Brot war, heißt das ja noch lange nicht, dass er nun auf Solopfaden ähnlich weiter machen wird. Ganz schräge Erwartungen. Es ist doch viel mehr wesentlich klarer, dass er alleine das machen wird, was nicht zum Sound und der Idee von Fettes Brot passte. Und das tut er jetzt auf seiner Platte Disneyland After Dark, das am 26. April erscheinen wird. Zugegebenermaßen packen mich Kiss Me Kiss Me und Unten An Der Ecke nicht so sehr wie Zuhause Angekommen, aber ich fühle Ersteres schon sehr gut. Die Geschichten, die er jetzt erzählt sind auf jeden Fall recht düster, da ist wenig Party angesagt. Ich hoffe, dass er selbst wenig davon erlebt hat, sondern hier sein Talent als Storyteller zeigt! Bin davon überzeugt, dass diese Soloplatte ein ziemlicher Knaller wird!

Freitag, 1. März 2024

KW 9, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: svgsilh.com
(Ms/sb) Dies ist nun wirklich keine politische Seite, insbesondere nicht was internationale Angelegenheiten anbelangt. Doch der Tod von Alexei Nawalny hat mich wirklich schockiert! Es ist ja krass genug, dass er vor wenigen Jahren noch mit Gift attackiert wurde. Anschließend kam er ja zur Behandlung nach Deutschland. Dass er dann freiwillig wieder zurück nach Russland ging, zollt mir größten Respekt ab. Denn er wusste zu diesem Zeitpunkt sicher, dass er da nicht lebend raus kommt. Erst die direkte Verhaftung nach der Landung, dann der Prozess, die Verurteilung und die immer mieseren Umstände in den Straflagern. Was für eine grausame Spirale nach unten, bis in den Tod. Hier ist jemand für seine Überzeugungen gestorben. Das russische Regime muss ja solch große Angst vor ihm gehabt haben, dass den Entscheidern nichts anderes einfiel. Furchtbar. Erschütternd. Jetzt sitze ich hier auf dem Sofa und lese, dass der Menschenrechtler Oleg Orlow verurteilt wurde. Ganz ohne ironischen Unterton, sondern mit viel Aufrechtigkeit: Ich wünsche ihm nur das Beste und dass er da wieder raus kommt!

Das Feuilleton
(Ms) Wer sich so nennt, dem muss ja bewusst sein, nein, der hat es geplant, dass man sich über den Namen auslässt. Schön programmatisch. Das Feuilleton. So, so, die Herren Hochkultur also. Das klingt ja schon nach Tocotronic zum Quadrat. Und das wird auch eingehalten.
Nein, nein. Das ist gar nicht so schlimm und verkorkst. Aber schon vertrackt. Und das soll es sicher auch sein. Die Musik des Trios kann man nicht mal eben so nebenbei hören, da braucht es schon ein wenig Konzentration und Ruhe, sodass die verschobenen, leicht schiefen Melodien nicht als störend wahrgenommen werden. Wenn das dann aber alles erklingt, dann eröffnet sich ein Raum voll dunkler Schönheit. Am 15. März erscheint ihr Album Ab Morgen Bin Ich Unpolitisch, was natürlich hervorragend in die aktuelle Zeit passt. Insbesondere die Vorab-Single Seemann ist ein herausforderndes Stück Musik: rhythmisch, melodiös, textlich. Stark, dass es noch solche Musik gibt! Hut ab!


A Burial At Sea
(Ms) Zurücklehnen und genießen. Die Augen dabei unbedingt schließen und sich aufs angenehme Fallenlassen vorbereiten. Laut aufdrehen hilft hier tatsächlich ungemein bei der Entspannung. Versprochen. 42 Minuten kompletter Eskapismus ist mit dem Lauschen von Close To Home, dem neuen Album von A Burial At Sea garantiert! Das hier ist definitiv kein Krach, auch wenn es zunächst einen etwas wilden Eindruck macht. Aber wie die Band Klangflächen mit aufgedrehten Gitarren erzeugt und damit im Kopf cineastische Bilder kreiert, ist gewaltig. Der große Trumpf dieser Musik ist, dass sie gänzlich ohne Gesang auskommt. Genau dieses Fehlen setzt die großen Stärken ihrer Wirkung erst frei - ich bin ganz begeistert! Das ist richtig stark!


Hall Of the Mountain King
(Ms) Es ist mal wieder soweit: Wie lassen uns eine Runde anschreien! Manchmal muss das einfach sein, es tut so gut. Denn in der Kraft der Stimme liegt ja so viel Energie, die auch raus kann, wenn man sie bei anderen hört. Katharsis gewissermaßen. Willkommen bei Hall Of The Mountain King aus Saarbrücken! Wo das Trio genau einzuordnen ist, ist unklar. Und auch ein bisschen unwichtig, wenn es so gut scheppert, oder? Am ehesten würde ich sie mit Fjørt vergleichen. Denn hier wechseln sich die schreienden Parts mit den sehr Melodiösen ab und durchgängig sind die Gitarren schön aufgedreht! In The Meantime ist die erste Single, die einen hervorragenden Einblick auf ihr kommendes Album Revolted gibt, das am 22. März erscheinen wird. Da ist die österliche Besinnlichkeit dann mal schnell passé. Gut so!

 
Marie Curry
(sb) Neonschwarz kennt Ihr, ne? Also hattet Ihr es auch schon mit Marie Curry und ihrer einzigartigen Stimme zu tun. Als die erste Ankündigung eines Soloalbums kam: Schnappatmung! Dann der erste Track daraus: Hm, kann sie besser! Auskopplung Nummer 2: Okay, hatte mehr erwartet.
 
Als Cameo dann endlich als komplettes Album vorlag, war auch das erste Durchhören noch so ein bisschen mit Skepsis belegt. Aber was soll ich sagen? Ich krieg die Scheibe seit knapp zwei Wochen nicht mehr aus meinem CD-Player und hör das Ding rauf und runter. Es sind ein paar absolute Highlights drauf, z.B. der Titeltrack Cameo, Lava oder Orcas, das Feature mit Milli Dance. Vor allem aber funktioniert die Scheibe als Gesamtkunstwerk, die generationenübergreifend wirkt. Nicht umsonst singt mein Sohn seit Tagen "mach nicht kaputt, was Du nicht reparieren kannst"...

Holt Euch das Ding, hört es Euch mehrmals an, gebt ihm Euch hin!



Der Nino aus Wien
(sb) Wer nicht direkt Zugang zu Österreich im Allgemeinen und zu Wien im Speziellen hat, dem wird der Begriff "Wienerlieder" vermutlich nur bedingt etwas sagen. Also zur Erklärung vorweg: Darum handelt es sich um eine typisch wienerische Liedkunst, die der Musiker den lustigen Gesellschaften in den Heurigenlokalen in und um Wien darbot. Heuriger? Googelt es einfach, das würde jetzt zu weit führen...
 
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Nino aus Wien hat sein Album Endlich Wienerlieder seinem Großvater Rudolf Mandl gewidmet, der einst diesem Genre frönte und sich damit einen Namen machte. Stilistisch haben die Songs nicht immer etwas mit den typischen Wienerliedern zu tun, inhaltlich aber sehr wohl. Welch wunderbare Hommage an die Donaumetropole mit all ihren Schwächen und Stärken, Schön- und Häßlichkeiten, ihrem Stolz, ihrer Eitelkeit und dem ganz normalen Wahnsinn. Es wird nicht mein Lieblingsalbum vom Nino, aber es ist schon wieder verdammt stark.


Mittwoch, 28. Februar 2024

Everything Everything - Mointainhead

(Ms) Musik eine zweite Chance geben. Auf der Suche sein nach dem hoffentlich (!) genialen Kern, der beim ersten Mal nicht ersichtlich ist. Und auch die mögliche Sorge, enttäuscht zu werden, ad acta legen zu wollen.
Normalerweise geht es mir grundlegend anders beim Musikhören. Ein Stück muss mich schon direkt packen, damit ein Feuer entfacht wird. Oder die Gruppe muss mir nah genug am Herzen liegen, sodass ich gern die Zeit hergebe, um auch für eher Mittelmäßiges Worte zu finden.
Genau in diesem Spannungsraum, genau dazwischen liegen für mich Everything Everything. Ihre Musik mag ich richtig doll, finde es ganz schön genial, was die Briten seit Jahren machen. Insbesondere ihr Album A Fever Dream hat bei mir für großes Staunen gesorgt. Wie sie Energien, Dynamiken, Tempo, jede Menge Können, Dringlichkeit aufbauen, anhalten und zum explodieren bringen können. Das ist in meinen Augen schon die Königsklasse an Indierock. Und das noch so herrlich elektronisch verspielt. Aber sie laufen halt eher unregelmäßig bei mir. Als ich zum ersten Mal ihre neue Platte Mountainhead hörte, spürte ich nur wenig von dieser (erhofften) Begeisterung. 
Was tun?! Nun gut, ich wollte die Platte irgendwie gut finden und hab sie dann so lange gehört, bis die Überzeugung tatsächlich eintrat. Das klingt sehr gewollt und überbemüht, aber hat geklappt. Zum Glück!

14 Stücke sind auf Mountainhead, 55 Minuten Spielzeit! Und dazu reichlich Sozialphilosophie. Denn der Mountainhead ist eine Idee von Gesellschaft, dass diese aus einem großen Berg bestünde. Der Gedanke: Der Berg muss immer wachsen, dafür muss er tiefer in den Grund gebohrt werden. Er muss wachsen - komme was wolle! Genährt wird der Glaube durch eine Angst aus der Tiefe, eine Schlange treibt dort ihr Unwesen. Die, die oben sind, bleiben oben, der Rest ackert aus Überzeugung und in das eigene Schicksal hinein.
Tatsächlich ist mir die Tiefe der Texte und die Implementierung dieses Gedankens in die Musik und die einzelnen Songs ein wenig egal, da mich die Musik als solche viel mehr fasziniert. Getragen wird die ganze Platte natürlich von dem markanten Gesang Johnathan Higgs`, der nicht nur Tempo kann sondern auch Tonumfang. Wild Guess ist der erste Track. Und verhältnismäßig unaufgeregt. Das sei vorweg gesagt: Das Album besticht durch viel Schönheit in den kleinen Melodien, anstatt immer wieder überbordend zu sein. End Of The Contender besticht durch viel Groove und den Eindruck, dass die elektronischen Melodien sehr organisch klingen. Es wird nicht laut, wild, markant. Aber genau das packt mich, eine sehr dezente Spielweise, die viel Schönheit in sich trägt. Cold Reactor war die erste Single und schon Ende vergangenen Jahres zu hören. Eine typische Everything Everything-Nummer in meinen Ohren. Higgs Gesang vor allem hier, wie er hoch und runter geht, wie schnell er singt und doch ruhig dabei bliebt. Das tolle Ah-Ah im Hintergrund, der treibende Bass, da wippt der Kopf ganz automatisch mit, geht nicht anders. Auch wenn ich Buddy, Come Over höre, finde ich darin kein klares Anzeichen für einen richtig starken Track, aber mein Körper will sich dazu ganz von selbst bewegen. Das zeigt für mich, dass der Zauber der Musik hier gehörig am Werk ist und ich gebe mich dem gern hin ohne zu wissen, woran es liegen mag. The Mad Stone überzeugt auch nicht über die 3:45 Minuten, aber halt immer wieder zwischendurch: beim irre schnellen Gesang, in geschickter Instrumentierung, in einer schönen und vor allem stoischen Art. Die Platte weist immer wieder einige Gegensätzlichkeiten auf. In Canary sind sie sogar auf einem Track: sanft und doller, reduziert und viel, energisch und zurückhaltend. Zusätzlich steigert sich das Lied von Takt zu Takt, ohne jedoch dabei krass auszubrechen. Apropos Gegensätze: Don‘t Ask Me To Beg ist sowohl melancholisch als auch tanzbar. Immer wieder schallt hindurch, dass die Briten ihre Kunst studiert haben. Selbstredend gehört viel Gespür dafür, wann es Lied knallt, aber das Know-How für musikalische Funktionsweisen machen sie sich schon zu eigen.
Im letzten Dritten fragte ich mich lange Zeit, ob das alles nur noch Filler sind. Aber kam zu folgender Erkenntnis: Dieses Album funktioniert ganz anders als vorherige Platten. Die Schönheit liegt ganz eindeutig in den kleinen, feinen Melodien anstatt im großen soundtechnischen Brimborium. Das Xylophon und der chorische Gesang auf Your Money, My Summer zum Beispiel. Die zweite Hälfte von Dagger‘s Egde ist so fein und klug ausbalanciert, dass sie mir immer wieder einen Ohrwurm verpasst. Voller Schönheit entwickelt sich dieses Lied und bleibt haften! 

Ja, vielleicht wäre es im Endeffekt sinniger (und professioneller), wenn ich mich den Texten gewidmet hätte. Dann wäre in den leisen Melodien sicher noch viel mehr zu holen. Für mich bleibt ein sehr ausgewogenes Album übrig, das immer wieder glänzt und deren anfängliche Längen sich nur getarnt haben, bis ihre Schönheit zum Vorschein kommt.


Sonntag, 25. Februar 2024

KW 8, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: svgsilh.com
(Ms/sb) Jetzt mal ganz ehrlich. Es muss mal wieder ein bisschen Hass raus. Es könnte mich völlig kalt lassen, aber ich habe Bock, mich richtig reinzusteigern! Instagram-Accounts für Haustiere?! Was ist denn los? Über das Tier lässt sich natürlich nicht aufregen, denn das arme, flauschige, süße Ding kann ja gar nichts dafür. Aber es ist bestimmt auch schon voll auf Kamera getrimmt. Dann gibt es ja die Menschen, die genau diese in der Hand haben und eine nicht geringe Zeitspanne ihres Tages damit verbringen, sie auf ihr Tier zu halten. Filter drauf, hochgeladen, Likes kassiert. Diese Tiere werden ja total vermenschlicht. Richtig viele Leute gucken sich das an, Follower-Zahlen stehen ja direkt daneben. Reichen der Trigema-Affe, Leslie, Kommissar Rex, die Katzenfutterkatzen und die Katze von Karl Lagerfeld nicht aus?! Geh mir weg mit deinem doofen Haustier. Aber wenn man das sagt, wird man richtig angegriffen. Denn Haustiere doof finden, geht gar nicht. Fleisch essen ist okay, auch das billige Zeug, wo die Tiere richtig gelitten haben. Aber Haustiere doof finden, geht nicht. Okay. Aufregung beendet. Es geht wieder um Musik:

Kettcar
(Ms) Die Erwartungen beim Neujahrskonzert von Kettcar waren ein wenig höher. Mehr als ein neues Lied hätte ich gerne schon gehört, aber nur Geduld - sie kommen ja. Ein neues Lied haben sie im Knust gespielt, und so richtig verstanden habe ich den Text nicht bis auf vereinzelte Zeilen im Refrain: „Paketzusteller of the world unite. Unite and take over.“ Da dachte ich schon Anfang Januar, was das denn für ein seltsames Cover ist. War es nicht - das Lied heißt Doug & Florence und ist ihre aktuelle Single. Und ich hadere ganz stark damit. Das Thema ist klar: Empowerment der unteren, abgehängten Einkommen, um die Macht hier zu übernehmen. Ein wirklich schöner Gedanke. Einzelne Zeilen sprechen mich auch total an wie: „ Und dann gib mir nur kurz ein Zeichen / Dass wir beide mehr drauf haben / Als Streit, Zerfleischung, Schuldzuweisung.“ Aber was soll der Refrain und wieso auf Englisch? Und wieso plätschert das Lied so vor sich her und was soll das Video außer seltsame Nostalgie?! Ich bin wirklich ein riesiger Kettcar-Fan, aber es schleichen sich Zweifel ein, dass Gute Laune Ungerecht Verteilt vielleicht gar nicht so gut wird oder zumindest mich nicht so abholen wird. Bis zum 5. April ist noch ein wenig Zeit und es sind ja auch mehr Tracks auf der Platte vorhanden, come on boys! 


Theodor Shitstorm
(Ms) Vor Jahren sah ich sie auf einem Bauwagen in Münster und es waren ein paar Dutzend Menschen zum Zuhören da. Toller Auftritt, aber warum sind sie nicht bekannter?! Darauf geben Theodor Shitstorm selbst die Antwort mit dem Song So Kommen Wir Nicht Ins Radio. Okay, klingt ein wenig sperrig, aber knallt richtig gut. Humor in Musik finde ich seit jeher ein spannendes Feld, da es so selten gut gelingt. Hier ist mal wieder ein Gegenbeweis zu hören - großartig! Die Gruppe um Dietrich Brüggemann und Desiree Klaeukens spielt ganz feinen Indiepop, deren Erkennungszeichen eine zartes Ausbalancieren zwischen sanftem Schmunzeln und gefühlvollen Zeilen ist. Seit letzter Woche ist ihr neues Album Zeigt Gefühle draußen und es hält was es verspricht - richtig schön einfach! Ein Glück, dass sie bald auf Tour gehen und niemand geringeres als Dino Paris & Der Chor Der Finsternis ist als Support dabei. Also hin da und mindestens eine Platte kaufen!

04.04.24 - Magdeburg, Moritzhof
05.04.24 - Westerstede, Güterschuppen
06.04.24 - Hamburg, SkyBar
08.04.24 - Berlin, Privatclub
09.04.24 - Dresden, Ostpol
10.04.24 - Leipzig, Felsenkeller
11.04.24 - München, Heppel & Ettlich


Christin Nichols
(Ms) Dark Wave, New Wave, 80er-Sound. Das ist der Shit momentan. Und ich fahre voll drauf ab. Insbesondere wenn sich ein satter Bass durch ein ganzes Lied zieht, dann bin ich dabei. Man muss dabei nicht so hart nostalgisch sein wie Klez.e, es geht auch viel origineller. Bei Christin Nichols zum Beispiel. Tatsächlich kannte ich die Musikerin bisher gar nicht, aber sie ist bald als Support von Olli Schulz und Kettcar (s.o.) auf Tour und auf ihrer aktuellen Single Rette Sich, Wer Kann! ist Fatoni mit dabei! Ja, hier trifft New Wave (oder so) auf Rap. Was für eine extrem gelungene Kombination! Worum gehts? Ganz einfach: viele Konflikte derzeit, kaum Kompromisse, wenig Empathie, keine Lösung. Tja, dämliche Sackgasse. Das ist das Ding, das ist das Problem, das ist der Song dazu. Richtig gut. Und am 22.März kommt ihr gleichnamiges Album dazu raus. Hui, das könnte richtig, richtig gut werden!


Bernd Begemann
(Ms) Melancholie! Du wunderbares Zauberwesen! Schön, dass du da bist. In Phasen der großen Orientierungslosigkeit bist du der große Star am Himmel und gibst mir recht. Was war das melancholisch am Ende der Schulzeit und in so vielen Phasen des Studiums. Diese wunderbare Traurigkeit, in der ich mich gesuhlt habe und ich mir eingeredet habe, dass das alles schon richtig und gut und auf seltsame Weise schön ist. Bis zu dem Punkt, wo das Gegenteil anklopft und viele Argumente dabei hat. Wenn man sich den eigenen (miesen) Zustand so lange einredet bis man davon überzeugt ist. Aber der Kipppunkt muss kommen und dann kommt dieses Lied. Kann Kein Allein Mehr. Peng! Eine wunderbare, wunderschöne melancholische Ballade von Bernd Begemann, die ich ihm - ehrlich gesagt - so gar nicht zugetraut hätte. Das packt direkt ab der ersten Sekunde. Habe mir auch lange gesagt, dass alleine leben toll ist, aber anders ist viel superer. Einfach gute Musik - vielen Dank! Davon kommt am 19. April noch viel mehr, denn dann erscheint sein neues Album Milieu