Freitag, 16. Dezember 2022

KW 50, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: pink-dots.de
(Sb/ms) Der Unterschied von benötigter Hilfe und einem unbeabsichtigtem Hilfsangebot im Zug. Letztens Mal wieder in die Heimat, in die schöne Provinz gefahren, die für ein Wochenende in Ordnung ist, dann aber auch schleunigst wieder verlassen werden will. Ein Teilabschnitt durch kalte Felder und verschlafene Wälder mit der regionalen Regionalbahn. Dann kann schon mal das Bedürfnis aufkommen, aufs Klo zu müssen. Im Zug nie schön, aber so ist der Mensch. Nur: Beide (!) Toiletten defekt. Nix zu machen, abgeschlossen. Bei einer lief sogar unten Wasser raus. Lecker. Und während der Fahrt war es unmöglich mit dem Fahrzeugführer zu sprechen. Erst bei einem längeren Halt. Der war durchaus verständnisvoll, ist selbst auf diese Toilette angewiesen. Aber eine Schande, dass solche Züge durch die Gegend fahren. Da wäre Hilfe schön gewesen. Dieser Tage dann nach der Arbeit heim, der Zug war voll, ich stand für die zwanzig Minuten, kein Problem. Plötzlich piepte es hinter mir und ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich drückte wohl wider besseren Wissens den Zughilfeknopf. Huch. Ich wollte doch nur lesen. Vielleicht können die diesen Knopf in dem anderen Zug einbauen.

Martin Kohlstedt
(Ms) Immer wenn Martin Kohlstedt neue Musik raus bringt, bin ich sehr gespannt. Denn es ist völlig offen, wie es klingen wird. Der Kerl ist so vielseitig und kreativ! Da bin ich immer wieder ganz begeistert. Kommt eine neue SIngle mit Chor raus? Oder spielt er wieder „nur“ am Klavier? Oder wird es doch wieder eine elektronisch-wummernde Nummer? Ja, das ich ist vorher kaum abzusehen. Dieser Tage kam MOD raus, die neue Single seines Albums Feld, das im März kommenden Jahres erscheint. Und irgendwie bin ich total glücklich, dass es wieder so elektronisch geworden ist. Zwar sehr sphärisch und tragend, doch mit einem durchaus treibenden Grundbeat. Wie er seine Musik komponiert, ist ebenso verrückt wie genial. Zu den unterschiedlichen Liedern gibt es immer eine Grundstruktur, eine Basis. Die archiviert er mit drei großen Buchstaben. Ob er das dann live genauso spielt, bleibt offen. Je nach Stimmung, Venue und Anlass kann er alles umändern, bleibt den zugrunde liegenden Harmonien der einzelnen Liedern aber treu. Daher freue ich mich stark auf seine Tour kommendes Jahr und selbstredend auch auf die neue Scheibe!


Sarah Walk & Adam Barnes & Joe Hicks
(Ms) Am besten lässt es sich doch zusammen musizieren. Alle, die das mal selbst gemacht haben, wissen um den Zauber. Das macht eine Band aus. Oder ein Orchester oder Chor oderoder. Doch es gibt Zusammenschlüsse, die etwas besonderer sind. Einige Male waren beispielsweise Honig, Ian Fisher, Town of Saints, Jonas David und Tim Neuhaus gemeinsam als Tour of Tours unterwegs. Zu zehnt. Irre. Das waren wirklich denkwürdige Abende. Dann passieren spezielle Dinge, unvorhersehbare Momente. So oder so ähnlich dachten vielleicht auch Sarah Walk, Adam Barnes und Joe Hicks, die Anfang kommenden Jahres gemeinsam touren werden. Drei Singer/Songwriter, denen sanfte, schöne Melodien und ein leichter Hang zur Melancholie inne liegen. Aus Oxford, Chicargo und Newbury stammen die drei. Und sich zusammen zu tun, ist eine unglaublich gute Idee, das zeigen die abgesagten und verschobenen Konzerte aus diesem Herbst und Winter. Zusammen lassen sich mehr Leute erreichen und zusammen lässt sich eine enorme Atmosphäre entwickeln. Ich denke, dass das bei diesen Abenden sicher der Fall sein wird. Also, auch wenn man die drei vielleicht nicht kennt, hin da:

05.01.23 - Berlin, Privatclub
06.01.23 - Hamburg, Astra Stube
07.01.23 - Wilhelmshaven, Pumpwerk
08.01.23 - Hannover, Kirche Alt-Garbsen
10.01.23 - Göttingen, Nörgelbuff
11.01.23 - Bielefeld, Die Hechelei
12.01.23 - Köln, Die Wohngemeinschaft
13.01.23 - Karlsruhe, Nun Café
14.01.23 - Kassel, Goethe´s PostamD


Orbital
(Ms) House oder Techno ist nun wirklich nicht unser Spezialbereich. Manchmal sind da aber Dinger dabei, die sofort knallen. Ja, ich wähle die Musik, über die ich schreibe, nach einem relativ einfachen Muster aus: Es muss mich packen. Meistens sogar recht schnell. Sonst purzeln keine Worte aus meinem Kopf. Zugegebenermaßen habe ich von Orbital noch nie was gehört, kenne aber sicher mehr, als ich denke. Immerhin sind die Brüder Paul und Phil Hartnoll seit dreißig Jahren (!) im Geschäft und drehen an den Reglern weitaus länger als manch DJ‘eske Eintagsfliege. Nimmermüde Musiker finde ich per se schon mal stark, insbesondere wenn der Sound dann so eine klare Handschrift hat. Hört man ihre neue Single Ringa Ringa (The Old Pandemic Folk Song) zusammen mit The Mediaeval Baebes, dann wird man automatisch zurück in die 90er gespült. Doch das ist kein Anachronismus, das ist das, was die beiden immer schon gemacht haben. Stark! Ein böses Kinderlied gepaart mit einem klassischen Technogerüst. Das geht ziemlich schnell ins Ohr und irgendwie bekomme ich Lust darauf, in einer laserdurchfluteten Disco im Nebel bis morgens durch zu tanzen… Ihr neues Album Delusion erscheint am 17. Februar!


Malta Mina
(Ms) Die Frage, warum Menschen überhaupt musizieren, ist gar nicht mal so doof. Auf der einen Seite ist sie leicht, auf der Anderen sehr schwer zu beantworten. Klar, es macht Spaß. Ja, es bringt Menschen zusammen. Und nochmal ja, es tut ungemein gut. Beharrlich attestiere ich Musik heilende Wirkung, medizinische Kraft, rezeptfrei. Darüber singt auch Sebastian Witte über sein Projekt Malta Mina ein tolles Lied, Little Fires. Für sich alleine zu singen mag schon irre schön sein. Das Gute daran ist für all diejenigen, die nicht so sicher im Ton sind: wer anders hört nicht zwingend zu. Und manchmal dringt so ein kleines Lied dann nach außen und andere stimmen ein. Oder es schwirrt zu den Personen neben an und zaubert denen ein Lächeln ins Gesicht. Alles möglich. Dann bekommt Musik Sinn, dann bettet sie die Menschen ein und tut schlicht und einfach gut. Gerade der Aspekt, dass die Töne und Melodien dann durch den Orbit schweben, liegt Malta Mina nahe, da sich seine Musik häufiger schon mit allem, was so über uns schwirrt, befasst. Ungeahnt tanzbar ist dieser Track geworden und macht doch irgendwie Mut, oder?


Donots
(Ms) Der Grand Münster Slam ist noch gar nicht so lange her. Leider konnte ich selbst nicht vor Ort sein, weiß aber von Freunden, dass es eine irre Sause gewesen sein soll. Was für eine schöne Tradition die Donots doch da pflegen: In der nahenden Weihnachtszeit die Halle Münsterland voll machen und das ganze Ding zum Beben bringen! Dieses Jahr sogar an zwei Tagen! Irre! Das ist kein kleines Ding, da spielen sonst andere Größen oder es finden halt Messen statt. Doch, dass sie es immer wieder schaffen, diese Halle voll zu machen, gibt ihnen Recht, nicht damit aufzuhören. Wie gut, dass es auch neue Lieder gibt, die gefeiert werden wollen. Wie gut, dass viele mitflilmende Leute da waren - den Besuchenden wurde vorher Bescheid gegeben, dass sie filmen sollen. In Zusammenarbeit mit Ingo Schmoll kam dabei zu Auf Sie Mit Gebrüll ein Video heraus, das die berstende Stimmung des Abends ideal eingefangen hat! Hach, wie gern wäre ich dabei gewesen unter den moshenden, schwitzenden, glückseligen Menschen! Ganz ehrlich: ich bekomme Gänsehaut, wenn ich mir dieses Video anschaue! Im Februar kommt endlich die neue Platte Heute Ist Ein Guter Tag. Liebe Fans des deutschsprachigen Punkrock, das wird ein Knaller werden!

Dienstag, 13. Dezember 2022

Leselounge: Dave Grohl - Der Storyteller

Quelle: Ullstein.de
 (Ms) Das Wichtigste vorweg: Ich kenne mich mit Scream nicht aus. Ich kenne mit mit Nirvana nicht aus. Ich kenne mich mit Queens Of The Stoneage nicht aus. Ich kenne mich mit Them Crooked Vultures nicht aus. Ich kenne mich mit den Foo Fighters nicht aus.
Die Musik all dieser Bands interessiert mich überhaupt nicht. Nichts davon spricht mich nur in irgendeiner Art und Weise an.

Dave Grohl kennt aber dennoch jeder. Und während Corona so vor sich hin coronisierte, brauchte dieser nimmermüde Kerl eine Beschäftigung. Keine seiner Bands durfte spielen. Die ganze Welt stand still. Dass die Ideen nur so aus ihm raus sprudeln, zeigt ja schon, dass er mehrgliedrig im Musikgeschäft unterwegs ist. Und das schon seit wirklich vielen Jahren. Die Zeit war also reif, dass er all seine Erlebnisse aus einer zweifelsohne umtriebigen und sehr erfolgreichen Zeit als Musiker mal aufschreibt.
Dieses Buch habe ich geschenkt bekommen und aus den oben genannten Gründen war ich erstmal ein wenig distanziert. Dann dachte ich mir aber: Hey, auch wenn mir die Musik von Dave Grohl relativ egal ist, dann wird er ja sicher einiges zu erzählen haben. Seine Eindrücke aus der Zeit mit Kurt Cobain - sicher super interessant! Seine Eindrücke als Leader einer großen Rockband - sicher super lesenswert! Seine Eindrücke aus dem Zusammensein mit vielen großen Namen der Musik - sicher super unterhaltsam.

Man mag aus diesen Zeilen schon herauslesen, dass ich mit dem Buch nicht viel anfangen kann. Und das hat nichts damit zu tun, dass es beispielsweise schlecht geschrieben sei. Nicht jeder Songschreiber ist auch ein guter Schriftsteller, bei weitem nicht. Da gibt es große Unterschiede. Der Stil ist locker, es lässt sich sehr einfach lesen. Und ja, seine Anfänge sind wirklich spannend, die erschütternden Tiefs und die vielen Hochs sind enorm. Genügend Stoff für mehrere Leben und sicher für alle Fans ein nettes Buch zum Schmökern. Das ging mir in den ersten 150 der ca. 450 Seiten auch so. Es hat irgendwie Spaß gemacht, ich war neugierig. Doch dann kippte der Gesamteindruck massiv. Bis dahin schien mir Dave Grohl nämlich ein total angenehmer, sympathischer Kerl zu sein.
Doch dieses Buch dreht sich irgendwann zu einer Hymne auf sich selbst. Er stellt sich derart als unzerstörbarer Hulk da, dass es mir tierisch auf die Nerven ging. Er ist schmerzresistent, robust im Trinken, braucht eigentlich keinen Schlaf, ist der perfekte Vater, die ideale Rampensau, ein wahnsinnig erfolgreicher Typ. Dave Grohl ist perfekt. Und er ist der ideale Mann, hart, cool, kann alles selbst. Boah, ist das langweilig! Es folgt eine Heldengeschichte auf die nächste. Gähn!
Zu dieser Selbstdarstellung gesellt sich ein Understatement, das ich ihm nicht abkaufe. Klar, er hat viele Menschen großer Bekanntheit getroffen, war im weißen Haus, hat mit Paul McCartney eine Freundschaft undundund… unermüdlich wiederholt er, dass das alles nicht selbstverständlich für ihn ist. Okay, ja, glaube ich ihm zum Teil. Auf der anderen Seite muss aber auch gesagt werden: Das hier ist Dave Grohl. Der ist seit 30 Jahren ein großer Name im Rockgeschäft, massiv erfolgreich, macht mit den Foo Fighters Stadien voll! Spielt fast immer vor mehreren zehntausend Menschen. Ist doch klar, dass man dann in gewisse Kreise rein rutscht. Diese Underdog-Rolle kaufe ich ihm einfach nicht ab. Sorry.

Daher ist dieses Buch doch eine im Grunde genommen langweilige Angelegenheit. Die Sensationen sind keine mehr, weil sie sich so stark aneinanderreihen und die Darstellung des Understatement-Kerls ist für mich einfach unglaubwürdig.

Das ist jedoch nur mein Eindruck. So ist das beim Lesen halt.
Vielleicht mag es bei anderen anders sein.
Daher eventuell: Viel Spaß bei der Lektüre!

Samstag, 10. Dezember 2022

KW 49, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: Wikipedia.org
(Sb/ms) Dieser kleine Einstiegstext hier soll eigentlich nur ein sympathischer Lückenfüller sein, bevor es um die wundervolle Welt der Musik geht. Und mit meinem Job will ich hier eh keinen zumüllen, da er hier überhaupt nichts zu suchen hat. Doch diese ganze WM, darüber will ich nicht schreiben. Weihnachten auch nicht. Und das, was jetzt kommt, liegt mir doch irgendwie am Herzen. Die Grundschule, an der ich arbeite, liegt in einer Gegend, die ökonomisch sehr schwach ist, sozial manchmal auch. Doch es ist ein toller Ort, an dem ich grundsätzlich gerne arbeite. Doch beim Betreten des Geländes am Dienstag war ich mal wieder bestürzt: Erneut wurde bei uns eingebrochen. In eine Grundschule. Was will man da denn holen?! Es liegt kein Geld in der Gegend rum und ein Matheheft aus der zweiten Klasse ist ein lausiges Diebesgut. Erneut. Ja. Vor gut acht Wochen war es das letzte Mal. Davor vor gut zwei Jahren. Es ist furchtbar. Das Wissen, dass jemand in den eigenen Sachen herumgewühlt hat, ist unschön. Noch unschöner finde ich, dass es für die Kinder, die zwischen sechs uns elf Jahre alt sind, fast schon normal wird, dass bei uns eingebrochen wird. In eine Grundschule. Man, man, man…

Da setze ich mir doch liebend gern abends die Kopfhörer auf und drehe laut. Das hier zum Beispiel:

Captain Gips
(Ms) Guter Rap ist wie Wein. Je älter der Mensch am Mikro ist, desto besser. Okay, okay. Gewagte These. Aber es gibt so viele gute Beispiele. Und ja, ein wenig relativieren muss ich auch: „Alt“ ist nun wirklich nicht gleich alt. Es gibt einfach vereinzelte Rapper, die im Laufe der Zeit immer besser werden. Mein Lieblingsbeispiel ist Mädness. Der scheißt auf die ganzen üblen Rap-Business-Seiten und erzählt recht schonungslos von sich. Es kann gut sein, dass Captain Gips nun auch an diesem Punkt angekommen ist. Neonschwarz, seine Crew, pausiert nun wohl etwas länger - mehr Zeit, an den eigenen Liedern zu feilen. Und das hat er wohl auch sehr, sehr gut gemacht. Muss Ja ist sein neuer Track und selten habe ich Captain Gips so musikalisch gelassen und textlich genau gehört. Das gefällt mir enorm. Es hat beinahe schon den Eindruck, dass er Vergangenes hinter sich gelassen hat. So könnte man auch das dazugehörige Video interpretieren, in dem er am Hamburger Elbstrand eine Kiste aus dem Keller vergräbt. Der neue Track ist Teil seiner neuen EP Die Young As Late As Possible. Super Name, oder? Sie erscheint am 16.12. und könnte wirklich, wirklich gut werden.
Ach… und das mit dem Wein. Echt. Keine Ahnung. Ich trinke den Traubensaft nicht. Aber Vergleichhölle ist Vergleichhölle.


Niels Frevert
(Ms) Hach, ich mag dieses Spiel irgendwie. Denn es ist so einfach und subtil und funktioniert dennoch gut. Hat eine Musikerin oder eine Band eine neue Platte in petto und will sie ankündigen, geht das mittlerweile so: Titelbilder auf den digitalen Plattformen werden geändert. Dazu gesellt sich manchmal noch ein kurzes Video, das mal mehr oder weniger kryptisch ist. Alles deutet darauf hin, dass es etwas Neues gibt, aber für ein paar Tage hält man scheinbar alle im Wartemodus. Ach, ich finde das süß. So hat es auch der wunderbare Niels Frevert diese Woche gemacht. Erst ein neues Bild, dann ein kleines Video, dann die Ankündigung des neuen Albums samt Single und Tourdaten. Und was habe ich mich gefreut. Lange ist Frevert schon im Geschäft, doch vor zwei Jahren erst habe ich ihn zum ersten Mal live gesehen und mich gefreut, dass die Gänsehaut der Studiolieder auch live so herrlich bebt. Ich halte ihn für einen der gefühlvollsten Texter, der mit ganz wenig Worten ganz große Dinge ausdrücken kann. 3-Minuten-Romane hat mal jemand geschrieben. Wie wahr und passend! Pseudopoesie heißt seine neue Scheibe und wird am 24. März erscheinen. Nimmt er sich selbst Hops? Unwahrscheinlich. Viel mehr bleibt er brüchig. Zum Einen natürlich in seiner Stimme, seinem Markenzeichen neben den faszinierenden Texten. Wenn sie knarzt oder flirrt, dann gehört das zu ihm dazu. Positiv brüchig ist auch das erste neue Stück, Weite Landschaft. Es beginnt wie so oft bei Niels Frevert, dramatisch, melancholisch, wunderschön. Doch dieses mal bleibt es nicht dabei, sondern nimmt unerwartet Fahrt auf, das Schlagzeug peitscht nach vorn, Gitarren und Keyboards spielen sich in einen Wirbel, der auch im Text wohnt, die weite Landschaft, die plötzlich niedergebrannt wurde. Und auch im Video gehen beide Seiten herrlich zusammen (oder auseinander, wie man will). Das gefällt mir extrem gut und schnürt die Neugier auf eines der Alben, auf die ich mich im kommenden Jahr extrem freue!

19.04.2023 Bremen, Lagerhaus
20.04.2023 Hannover, Pavillon
21.04.2023 Hamburg, Markthalle
22.04.2023 Berlin, Lido
23.04.2023 Leipzig, Moritzbastei
26.04.2023 Köln, Gloria
27.04.2023 Mainz, KUZ
28.04.2023 Schorndorf, Manufaktur
29.04.2023 München, Strom
30.04.2023 Mannheim, Alte Feuerwache
09.05.2023 Erfurt, Zentralheize
10.05.2023 CH-Zürich, Bogen F
11.05.2023 Freiburg, Waldsee
12.05.2023 Ulm, Roxy
13.05.2023 Dortmund, FZW
18.05.2023 Dresden, Groovestation
19.05.2023 Magdeburg, Moritzhof
20.05.2023 Rostock, Peter Weiss Haus


Frittenbude
(Ms) Es ist sehr leicht zu sagen, dass man diese und jene Band nicht mehr höre. Weil sie einen vielleicht vor zwei, drei Jahren nicht mehr gepackt hat. Und dann stellt man sie ins Abseits und Neues hat irgendwie gar keine Chance mehr. So ist das bei mir und Frittenbude. Eine Band, die ich zweifelsfrei mit der Zeit zwischen Schulende und Studiumsanfang verbinde. Wilde Party, viel Feierei, viel Rumtreiberei und Ziellosigkeit. Der perfekte Soundtrack dieser Zeit. So verlor ich in den vergangenen Jahren die Bindung zur Band und, ja, einiges der letzten Alben hat mich wenig begeistert. Doch nun sind sie wieder da. Nun ja, sie waren ja nicht weg. Sondern mussten sich eher ein wenig neu finden, denn aus dem Trio ist ein Duo geworden. Und das Duo zeigt, dass es das kleine 1x1 der textlastigen Partymusik immer noch drauf hat. Am 3. März erscheint ihr sechstes Album Apokalypse Wow, dieses Mal auf ihrem eigenen Label Nachti. Die zweite Single ist seit ein paar Tagen draußen und Stoli macht viel Spaß! Es ist nicht nur eine tanzbarer Hymne aufs Zusammensein, sondern knallt insbesondere durch ein ganz, ganz tolles Video und die herrlichen Bläser zum Ende hin! Eine Tour steht dann selbstredend auch noch an, geht da hin!

09.03.2023 München - Technikum
10.03.2023 A-Wien - Flex
11.03.2023 A-Graz - PPC
16.03.2023 Kiel - Pumpe
17.03.2023 Hannover - Faust
18.03.2023 Bremen - Lagerhaus
23.03.2023 Karlsruhe - Substage
24.03.2023 Köln - Luxor
25.03.2023 Frankfurt - Zoom
30.03.2023 Hamburg - Uebel & Gefährlich
31.03.2023 Berlin - Festsaal Kreuzberg
01.04.2023 Leipzig - Conne Island


Deichkind
(Ms) Vorschnelle Urteile im Musikgeschäft sind einfach, aber oft vollkommen falsch. Zu schnell könnte man beispielsweise Deichkind für ein großes Spaßunternehmen mit bollernden Bässen halten. Na klar, ein großer Hang zum Schwachsinn und der vollendeten Eskalation steckt in der DNA der Hamburger. Doch sie zeigen immer wieder mit Kopfnickerbeats gesellschaftliche Missstände auf. Sie münden live in einer großen Party, doch sie haben viel zu sagen. Bevor im kommenden Februar ihr nächstes Album Neues Vom Dauerzustand erscheint, kam diese Woche mit Geradeaus frisches Material raus. Beeindruckend dabei ist, dass die visuellen Elemente immer wichtiger werden und eine Geschichte erzählen. Vom Friedensflieger Mathias Rust, von Corona-Drohnen-Sonderlingen oder völlig überzogenen Fahrmanövern. Textlich geht es in eine weitere Richtung, geradeaus halt. Immer weiter, weiter, schneller, schneller, atemlos, atemlos, kaputt, kaputt. Das ist Kunst, zweifelsohne. Was mir hier besonders gefällt, ist, dass Roger Rekless nun volles Mitglied des Projekts Deichkind zu sein scheint. Das passt einfach hervorragend. Live kann man kommendes Jahr hier ausrasten:

21.06.2023 Wien, Wiener Stadthalle
22.06.2023 München, Olympiahalle
23.06.2023 Leipzig, Festwiese
07.07.2023 Dortmund, Westfalenpark
08.07.2023 Frankfurt am Main, Festhalle
04.08.2023 Stuttgart, Cannstatter Wasen
25.08.2023 Hannover, Expo Plaza
26.08.2023 Hamburg, Trabrennbahn Bahrenfeld
02.09.2023 Berlin, Parkbühne Wuhlheide


Justice
(Ms) Die 00er-Jahre sind immer noch das Jahrzehnt, das meinen Musikgeschmack ziemlich stark geprägt hat. Die Zeit, die unzählige Hits hervorgebracht hat, teilweise im Wochenrhythmus. Irre. Es war die Zeit des Indie-Vormarschs, des Britpop und allen wunderbaren Weggefährten. Doch es passierte auch scheinbar Unvorstellbares. Nämlich, dass elektronische Musik in diese Szene eindrang, aufgenommen und sehr erfolgreich wurde. Das absolute Paradebeispiel dafür sind Justice. Das französische Duo veröffentlichte vor fünfzehn Jahren das Album  (Cross) und wurde dafür bis heute zurecht abgefeiert. Es folgten weitere starke Platten und Nummern. Ihre eigene Remix-Scheibe Woman Worldwide gehört für mich zu einen der tanzbarsten Bassplatten überhaupt. Zu Ehren der ersten Fußstapfen wird das Debut am 15. Dezember neu überarbeitet veröffentlicht, es kommen sogar sechs neue Tracks dazu. Auch ihr Riesenhit D.A.N.C.E. kommt in neuem Gewandt daher! Wobei… das stimmt so gar nicht. Der Rapper Logic nutzte das Sample für seinen Track The Spotlight, das sein Sprungbrett zum Erfolg wurde. Hier vereinen sich beide nun also ganz offiziell. Mich holt der Track wenig ab, aber das ist egal. Justice sind weiterhin eine irre Band, die ich gern mal live sehen würde…

Donnerstag, 8. Dezember 2022

Alin Coen & STÜBAphilharmonie

Foto: David Dollmann
(Ms) Ist das ein Best Of? Das klären wir gleich. Angenommen, es wäre eins, müssten ein paar Rahmenbedingungen geklärt werden. Eigentlich gäbe es nur zwei einigermaßen sinnige Zeitpunkte, wann so etwas veröffentlicht wird. Eine Rückschau auf das Schaffen. Entweder ist es ein Abschied oder das Ende einer Periode. Vielleicht gibt es eine Änderung in der Besetzung oder ein gewisser Zyklus an Kreativität ist vorüber. Dann kann ich das durchaus gut verstehen. Aber nur unter der Bedingung, dass wirklich viel da ist. Wer drei Alben veröffentlicht hat, muss in meinen Augen wirklich kein Best Of auf den Markt bringen. Zeitpunkt Nr 1 also: Ein irgendwie geartetes Ende. 
Zeitpunkt Nr 2 ist weitaus weniger romantisch. Denn das ist die Verortung im Kalender: Die verdammte Geldmacherweihnachtszeit. Wer da nicht alles noch was auf den Markt und in die Regale schmeißt, worauf eigentlich niemand so wirklich gewartet hat. Das lässt sich jedes Jahr schauerlich zusammen sammeln.

Nehmen wir an, diese Punkte sind einigermaßen nachvollziehbar. Dann haben wir mit dieser Platte ein gehöriges Problem. Alin Coens Album in Zusammenarbeit mit der STÜBAphilharmonie ist kein Best Of, so viel Material für eine umfangreiche Rückschau ist nicht vorhanden. Es endet auch keine Periode, Alin Coen macht nicht plötzlich psychedelischen Rock. Nein. Doch leider passt das mit dem Termin. Es erschien am 2. Dezember. Komplettes Weihnachtsgeschäft. Nur Geldmacherei würde ich dieser Musikerin niemals vorwerfen. Nein. Nein. Nein.

Was dann also anfangen mit diesem tollen Album? Wie ist es einzuordnen? Aus lauter Alben, die es gibt, auf denen es keine zu einhundert Prozent neue Musik gibt, sticht dieses Werk doch ziemlich stark heraus. Was dieses Album schaffen will, ist, eine wirklich besondere Zusammenarbeit zu würdigen, einzufangen, festzuhalten. 2018 und 2019 fanden Alin Coen und die STÜBAphilharmonie zusammen. Letzteres ist ein Orchester, 80 Kopf stark, worin nur ehrenamtliche Menschen spielen. Wie toll, wie wunderschön! Zusammen spielten sie sieben ausverkaufte Konzerte. Es muss gänsehautig, einzigartig gewesen sein. Viele Menschen fragten nach Aufnahmen, Wiederholungen, Möglichkeiten, das im Nachhinein zu genießen.

Nun gibt es sie. 10 Stücke sind zusammen gekommen. 10 Lieder wurden nochmal zusammen im Studio eingespielt. Die Liederauswahl war sicherlich nicht leicht, aber wunderschön. Das zu finanzieren, war nicht leicht. Oder doch?! Alin Coen hat via Crowdfunding um Hilfe gebeten und das Ziel wurde locker übertroffen. So groß war der Wunsch nach diesem schönen Album! Ein toller, kleiner, gefühlvoller Streifzug durch Alin Coens Schaffen und eine nicht zu überbordende Zeitspanne, in der sich das Orchester austoben kann, ohne dass es zu theatralisch wird. Niemals biedert dieses Album an. Es hat durchaus seine cineastischen, großen, emotionalen Momente, klar. Doch es ist weit von Kitsch entfernt. Sehr empfehle ich, dieses Werk über Kopfhörer zu hören. Dann wird es unglaublich nah, greifbar, durchdringt den Körper, alle Instrumente sind zu hören, zu spüren. 
Beim ersten Hören dachte ich jedoch: Ouh! Oh! Puh! Neee! Warum ist Du Bist So Schön denn so dissonant? Verspielt haben sie sich wohl nicht. Warum so eine jazzige Phase zwischendurch woanders? Bricht das hier ab und an? Nein. Die Arrangements müssen zwingend unabhängig von den Studioversionen der Stücke gesehen werden. Sonst könnte man hier unzufrieden werden. Und dafür gibt es - meines Erachtens - keinen Grund.

Dieses Album zu kaufen und zu hören ist sehr lohnenswert. Der Genuss ist groß. Hier steckt nicht nur enormes musikalisches Können drin, sondern auch spürbar viel Leidenschaft.
Die mündet darin, dass Alin Coen mit dem Orchester kommendes Jahr auf Tour geht! Dieses einzigartige Ereignis sollte sich niemand entgehen lassen:

10.04. Hamburg, Laieszhalle
11.04. Berlin, Admiralspalast
12.04. Leipzig, Haus Auensee
14.04. München, Alte Kongresshalle
15.04. Ilmenau, Festhalle
01.10. Ludwigshafen, BASF Feierabendhaus
02.10. Stuttgart, Theaterhaus
03.10. Köln, Theater am Tanzbrunnen
06.10. Dresden, Alter Schlachthof
07.10. Erfurt, Theater


Freitag, 2. Dezember 2022

KW 48, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: seeklogo.com
(Sb/ms) „Dieses Geschäft ist auf Dauer geschlossen, wir bedanken uns für die vergangenen 27 Jahre.“
Nur einen Steinwurf von meiner Wohnung aus entfernt, sah ich dieses traurige Schild an einer Tür hängen. Vorher war Ausverkauf. Danach haben die Inhaber alle Regale ausgeräumt, gestrichen und nun fehlt selbst das Schild an der Tür. Kaum noch eine Spur ist übrig von diesem tollen Geschäft. Nur über den Fenstern hängt noch das große Schild mit dem Namen. 27 Jahre. Irre. Was für eine Zeit. In dem nun leeren Laden war bis vor kurzem eine Fachbuchhandlung für pädagogische Literatur. Ich war ab und an mal drin, da ich bestimmte Bücher suchte. Und fand. Die Menschen darin waren sehr kundig. Konnten schnell weiterhelfen, hatten einen tollen Überblick über ihr eigenes Sortiment, mussten nie suchen, ob das da ist. Ein Handgriff und das Heft oder Buch war in meinen Händen. Da steckte viel Kenntnis, Leidenschaft und Freundlichkeit drin. Ich hoffe einfach, dass es den Menschen nun gut geht und die Aufgabe des Ladens nicht ihre Existenz bedroht.

Ah, und da sind wir ja schon direkt bei Weihnachten. In den letzten Jahren hatten wir immer einen tollen Adventskalender mit vielen erstklassigen Beiträgen. Ich in ganz ehrlich: Ich hab es dieses Jahr nicht kommen sehen. Einfach vergessen. Pardon. Wir machen dennoch so weiter wie immer! Freitags wird selektiert. Und das geht so:

Stars
(Ms) Musik in der Weihnachtszeit. Das ist eine überaus heikle Angelegenheit. Radiohörernde sind dem sicher schon länger ausgesetzt und einige Spotify-Playlisten werden auch schon mit dem großen Popzauber infiziert sein. Weihnachtslieder aus dem Indie- oder Rock-Bereich gibt es natürlich auch zahlreiche. Durchsetzen tun sie sich nicht. Für viele Musizierende ist es eine liebgewonnene Tradition. Beispielsweise bei Stars aus Kanada. Sie gehen oft in der Adventszeit in Kanada und den USA auf Tour. So auch in diesem Jahr und schenken allen Menschen ein sehr sanftes, zartes Weihnachtslied. Die Band selbst sagt, dass dieses Lied einem ein wenig die Feiertagshölle ersparen soll. Ich denke, dass das klappt, so schön und beruhigend ist Christmas Anyway. Noch schöner ist, dass die Band die gesamten Einnahmen durch das Lied spenden werden. Das sind echt richtig gute Menschen! Und im Februar kommen sie auch für zwei Termine nach Deutschland. Sehen wir uns in Hamburg?

17.02.2023 - Hamburg - Knust
18.02.2023 - Berlin - Lido


Staring Girl
(Ms) Ich bin der festen Überzeugung, das Musik heilsam ist. Dass sie Wunden schließen kann. Dass sie therapeutische Wirkung hat. Dass sie beruhigen kann. Dass sie ihren warmen Mantel ausbreiten kann unter dem ich mich verkriechen kann. Dass sie mich erfasst, mitnimmt, tröstet. Die wunderschöne Kraft der Musik: Ich weiß, dass es sie gibt! Immer wenn ich Staring Girl höre, dann umschließt mich eine beschützende Hülle, sie hält mich und streift mir sanft über den Rücken. Das liegt zum einen an dem unglaublich schönen, runden, toll ausgelotetem Klang der Band. Wie gefühlvoll Frenzy Suhr beispielsweise den Bass spielt, das ist herrlich, das geht nicht einfach so an einem vorbei. Über dem wunderbaren Musikteppich breitet Steffen Nibbe seine einzigartigen Texte aus. Es geht stets um Menschen; er erzählt ihre kleinen Geschichten mit so gut ausgewählten Worten, dass ich mich immer wieder drin erkenne und/oder mich darin fallen lassen kann. Das gelingt wirklich nur ganz wenigen Textern. Am 13. Januar veröffentlichen sie ihr neues Album Schräg Fällt Das Licht, das sicher großartig wird. Doch die Band braucht ein wenig Unterstützung, um die Pressung der CDs und Schallplatten finanziell zu stemmen. Bitte macht da mit. Das ist sehr gut angelegtes Geld und die Möglichkeiten, die sie über Startnext bieten, sind vielfältig und für jeden ist etwas dabei. Dann können wir sie nächstes Jahr hier sehen:

13.01.2023 - Kiel, Hansa48
14.01.2023 - Hamburg, Knust


Dagobert & Kay Shanghai
(Ms) Und es geht weiter mit den weihnachtlichen Liedern. Und wenn Dagobert dazu ein Stück schreibt, dann weiß man auch, was man erwarten kann. Dann werden die großen Gefühle ausgepackt und das Herz pocht ein wenig schneller. Denn tief aus den Schweizerischen Bergen ruft uns die pure Romantik heim, wenn es heißt, dass Weihnachten Zu Zweit gefeiert wird. Am Kamin, mit heißen, belebenden Getränken, wohlig eingepackt und mit ein paar kleinen Geschenken hier und dort. Für solch ein Stück braucht man selbstredend Unterstützung, sonst ergibt der Titel ja auch gar keinen Sinn. Mit an Bord ist Kay Shanghai, Clubbetreiber in Essen und bekanntes Gesicht des Potts. Optisch und stimmlich ist das alles unglaublich harmonisch. Und da ja eh klar ist, dass Dagoberts Musik stets mit einem Augenzwinkern zu genießen ist, drehen wir das hier mal ganz laut!


Shybits & Eddie Argos
(Ms) Wie?! Noch ein Weihnachtslied?! Oh, man! Ja, es ist wahr. Besinnlicher ging es hier sicherlich noch nie zu. Und mit dem dritten Lied haben wir noch mehr musikalische Bandbreite dabei, denn Shybits und Eddie Argos sind eher dafür bekannt, die Gitarren knallen zu lassen. Auf Hope This Christmas werden sie entspannt und sanft angeschlagen. Ein süßes, kleines Lied, das den kindlichen Blick aufs Fest aufblinken lässt.
So. Zugegebenermaßen packt mich keines dieser Weihnachtslieder in besonderer Weise. Es sind alles nette kleine Spielereien, doch hängen bleibt davon nichts. Sicher ist es auch nicht das Ziel dieser Lieder. Auf der anderen Seite, ist die Halbwertszeit dieser Musik eh sehr, sehr kurz. Für gut drei Wochen sind sie noch spielbar und kommendes Jahr ist dann eh wieder neues Hörmaterial auf dem Weg. Aber nun gut: Schöne Adventszeit! 


Gregor McEwan
(Ms) Bald geht es wieder los. Vielleicht hat es auch schon angefangen. Zum Ende des Jahres hin gibt es allerhand Zinnober. Der ganze Konsum ist ja eh schon schlimm genug. Dann wird noch auf heile Welt überall getrimmt und für das kommende Jahr wird stets Besserung gelobt. Und dann kommen die Jahresrückblicke. Will ich gar nicht sehen. Schaut man sich die großen Themen an, sieht das nämlich nicht gut aus. Ganz und gar nicht. Klima am Arsch und keinen kümmert es. Ein erbitterter Krieg im Osten Europas. Elon Musk macht, was er will. Trump auch. Und kann ich demnächst noch meine Rechnungen zahlen? Keine Ahnung. Ein bisschen Vorsehung dabei hatte Gregor McEwan, der wirklich das passende Lied dazu geschrieben hat: The End. Das ist es, das Ende. Das haben größtenteils wir alle als Gesellschaft so gut hinbekommen. Doch leider, leider haben einzelne Persönlichkeiten und Institutionen so viel Einfluss und Macht, dass ihnen eine besondere Schwere der Tat zuzuschreiben ist. Über all jene sing der Musiker dieses Mal. Zart, aber dennoch eindringlich. Erneut ist ihm damit ein toller Song gelungen! Hier kann man ihn kommendes Jahr live bestaunen:

23/01/23 - Wesel - JZ Karo
25/01/23 - Dortmund - subrosa
26/01/23 - Unna - Lindenbrauerei
28/01/23 - Schwerin - Speicher
24/03/23 - Schwäbisch-Hall - Anlagencafé
25/03/23 - Lindau - Zeughaus
26/03/23 - München - Milla
07/07/23 - Wolfsburg - Hallenbad


Donnerstag, 1. Dezember 2022

Live in Bremen: Wanda

Schlechtes Bild, gute Sicht. Foto: luserlounge
(Ms) Wo ist der Reiz bei der ganzen Konzertebesucherei? Klar, es geht immer um den Moment und die zwei Stunden Sorglosigkeit. Aber auch die äußeren Rahmenbedingungen sind spannend. Ich persönlich freue mich immer sehr, wenn ich in einen Laden gehe, wo ich vorher noch nie war. So gestern Abend geschehen. Am Mittwoch spielten Wanda in Bremen. Der Ort hatte den wundersamen Namen Modernes. Genial! Gelegen ist es in der Bremer Neustadt, Kaffeeduft liegt in der Luft, da Jacobs in der Nähe röstet, die Fachhochschule ist direkt nebenan, das Viertel ein Stückchen und eine Weserüberquerung weit weg. Das Modernes ist ein wenig verrückt aufgebaut. Denn man kommt rein, geht links oder rechts und steht direkt neben der Bühne. Oft ist sie am anderen Ende des Gebäudes. Hier ist man direkt mittendrin. Dann schlängelt man sich so hindurch und kann fast überall gut sehen. Toll gebaut. Und noch toller: Oben in der Decke sieht man einen großen Kreis, Durchmesser locker fünf Meter oder so. Und dieser Kreis entpuppt sich als Fenster, das sich öffnen und schließen kann. Zwischen Vorband und Wanda wurde es kurz aufgemacht. Selten kam in so einen großen Raum so schnell frische Luft. Super Laden, bis auf das Haake Beck…

Wanda also. Das aktuelle Album finde ich überraschend gut. Außerdem habe ich sie das letzte Mal vor drei Jahren live gesehen, gab ja ein paar Gründe… Anfangs habe ich mich noch gefragt, wie die Stimmung wohl wird aufgrund Christians Tod. Dazu später mehr.
Wir kamen rein, als die Vorband schon spielte. Tatsächlich habe ich im Vorfeld nirgends erfahren, wer das wohl ist. Stand nirgends. Soeckers standen auf der Bühne. Ich kannte sie nicht. Doch ihre Musik habe ich schon tausend Mal gehört. So beliebig klang das. Irgendwas zwischen Vonwegen Lisbeth, AnnenMayKantereit. Das war so spannend, wie einer frisch gestrichenen Wand beim Trocknen zuzuschauen.

Wanda also. Jetzt aber echt. Es lässt sich nicht leugnen, dass das ein unglaublich geiler Abend war. Da dürfte es keine zwei Meinungen geben. Doch bei dem Pärchen, das neben uns stand, war ich mir nicht so sicher. Sie haben sich nicht geregt. Keine Mimik. Er hat ein Mal gegähnt. Ei, Ei, Ei… Diese Band ist eine Garantie für einen ausgelassenen Abend, das kann man nicht anders sagen. Und sie spielen voller Passion. Da wird keine Show abgezogen. Alles was der Marco da auf der Bühne sagt zwischen den Liedern entspringt seinem Herzen, das ich spürbar. Ein Wanda-Konzert ist auch keine Trauerveranstaltung. Das muss so festgehalten werden. Doch Christian wurde mit aufrichtigem, ehrlichem Applaus gehuldigt. Das halte ich für ein Konzert dieser Art für einen sehr guten Weg.
Wanda 2022. Offiziell sind sie nun als Quartett unterwegs. Live spielen sie zu sechst. Und das ist direkt spürbar, denn da war ordentlich Wumms in den Liedern, das ging ab! Insbesondere der zweite Gitarrist tat dem Sound der Band enorm gut, das hat richtig gut gesessen. Generell herrschte auf der Bühne eine große Harmonie. Allen war anzumerken, wie sie sich auf den Abend freuten. Das schwappte über und die Laune im sehr bunt gemischten Publikum war herausragend. Bis auf besagtes Pärchen neben uns. Die Leute feiern Wanda einfach ab. Und das vollkommen zurecht. Klar, bei den neuen Liedern ist die Euphorie noch ein wenig zurückhaltender. Doch als Luzia, Schick Mir Die Post oder Bussi Baby durch den Bremer Abend hallten, gab es kein Halten! Ich persönlich habe mich total über Va Bene gefreut. Ein scheinbar einfacherer Track, der durch seine Wiederholung jedoch enorm an Kraft gewinnt - Es muss alles weitergehen! Doch auf Kommando geht auch so ein Abend vorbei - 1, 2, 3, 4!
Wanda also. Wäre es übertrieben diese Band als größte Rockband im deutschsprachigen Raum zu bezeichnen, die noch keine 30, 40 Jahre im Geschäft ist?! Nein, keineswegs. Sie zeigen es auf der Bühne, wie stark sie sind. Wie viel Leidenschaft und Aufrichtigkeit in ihrer Musik steckt. Das ist irre, das macht sehr viel Spaß. Da nimmt man auch eine kurze Nacht und einen verschwommenen Morgen für hin! Immer wieder gerne, immer weiter spielen! Wanda!

Mittwoch, 30. November 2022

Thees Uhlmann - 100.000 Songs Live 2022

Foto: Sebastian Igel
(Ms) Lieber Thees Uhlmann,
Wann das war, weiß ich nicht mehr so genau. Irgendwann saß ich in meinem Kinder-/Jugendzimmer und las das Booklet zu Buchstaben Über Der Stadt. Der Text hat mich wahnsinnig ergriffen, berührt. Gern wollte ich dir damals schon schreiben, was mir deine Musik, aber insbesondere diese Zeilen in der CD-Hülle bedeuten.
Ich habe es nie gemacht, schade eigentlich. Denn als Fan und Musikfreak denke ich schon seit einiger Zeit darüber nach, was denn neben Konzertbesuchen, Plattenkäufen und Volllaberei anderer Ohren ein Beitrag sein könnte, um der eigenen Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Nun habe ich vielleicht eine passende Geste gefunden: Ich danke dir! Und zwar nicht für die Angst. Sondern für dein Talent. Das mag ja anbiedernd klingen, doch es ist ganz ehrlich gemeint.
Zur ganzen Aufrichtigkeit gehört auch, dass ich die letzte Platte gar nicht mehr so aufmerksam gehört habe. Aber das passiert ja irgendwie, oder? Vielleicht ist die Passion ja ein wenig kleiner geworden. Warum, ist mir unerklärlich. Denn in diesen Tagen ist etwas Wundervolles passiert: Auf dem Weg von A nach B habe ich deine Live-Platte gehört, hören dürfen, die nun am Freitag erscheint. 100.000 Songs Live. Genialer Name! Und schon nach den ersten Liedern, die ich gar nicht so richtig auf dem Schirm hatte, dachte ich: Wow, was ist das einfach für ein irrer Texter! Es scheint mir fast unerklärlich zu sein. In deinen Texten, lieber Thees Uhlmann, steckt oft etwas drin, das etwas mit mir macht, es ergreift mich, bringt mein Atem kurz zum Stocken. Was das genau ist, weiß ich nicht. Da ist etwas in deinen Worten, das für mich den Kern des Menschlichen sehr nah greifbar macht. Etwas, das weit weg von Pathos und Kitsch ist. Wenn eine Geschichte über Zugvögel oder HipHop-Video-Darstellerinnen-Fahrende mir eine Gänsehaut bereiten, dann passiert doch etwas, oder? Was ist das denn? Ich glaube, es ist deine erfahrbare Gabe, Geschichten zu erzählen, die du irgendwo aufschnappst, vielleicht ist es nur ein kleiner Blick gen Himmel oder das Ende eines Gedankenspiels. Und diese Geschichten sind so ehrlich, so klar, so unglaublich wunderschön, dass es mir leicht fällt, ihren Bedeutungsrahmen zu verstehen. Die Worte in Strophe, Refrain, Bridge sind so gut ausgewählt, sicherlich zig Male hin und her gewälzt. Passt der Reim so? Ist damit gesagt, was ich sagen wollte? Holpert das mit den Silben oder stehe ich darüber? Kriege ich das echt so gesungen im Studio und auf der Bühne? Und kriege ich von Wiebusch dafür vielleicht eine geknallt? Dann, in diesem ganzen Prozess, eigne ich mir deine Geschichte, deine Texte an und ich verbinde mit ihnen meine ganz eigenen Geschichten. Gut, oder?
Das erste Mal sah ich dich mit Tomte live in Bielefeld im November 2008. Das ist nun vierzehn Jahre her. Da war ich achtzehn, Oberstufe, wilde Zeit. Nun bin ich 32, berufstätig, ganz andere Dinge stehen da jeden Tag an. Deine Lieder sind immer noch da. Oder, wenn sie wie bei der letzten Platte vielleicht eine kleine Pause gemacht haben, mit Unterbrechungen da. Die Frequenz ist egal. Die Verbindung, die Leidenschaft ist die gleiche.
Und ganz ehrlich, wenn du regelmäßig ein paar Töne live nicht triffst, ist mir das wumpe. Darum geht es mir gar nicht, wenn ich die Live-Platte höre. Ich höre dir als Rampensau gerne zu und bin immer wieder begeistert, wie unglaublich viel Aufrichtigkeit und Ergebenheit in deiner Stimme, in deinem Auftreten liegt. Es ist hörbar. In den Ansagen, im Timbre, in der Dankbarkeit für all die Menschen, die das schon so lange mit dir machen. Ja, so ein Live-Album ist immer auch ein Best-Of, da geht fast kein Weg dran vorbei. Insbesondere wenn es die erste Platte dieser Art ist. Und das gefällt mir sehr. Habe ich nun dieses Album auf den Ohren, ploppen da wirklich viele Geschichten, Momente, Bilder aus mindestens vierzehn Jahren auf. Sie machen mich froh, denn sie gehören ja zu mir dazu. Und deshalb freue ich mich schon irre drauf, beim nächsten Konzert dabei zu sein.

Danke.



Samstag, 26. November 2022

KW 47, 2022: Die luserlounge selektiert!

Quelle: en.Wikipedia.org
(ms/sb) Kultur, Begeisterung und Exklusion. Es ist ein leidiges Thema, das wahrscheinlich nicht aufhören wird zu pochen. Der Besuch vieler kultureller Veranstaltungen ist teuer und schließt damit eine große Gruppe an Menschen aus, dort hinzugehen und unterschiedliche Formen von Kunst zu genießen. Das ist einfach schade und sehr bedauerlich. Will das Kulturpublikum unter sich bleiben oder gibt es einfach nicht genügend Mittel, damit alle dabei sein können?
Na klar, ein Abend im Kino, im Theater, auf einem Konzert, in einem Museum ist teuer. Und meist ist es als Besucher ein kurzweiliger Spaß, ein herrliches Vergnügen. Letzten Samstag war ich im Theater, einfach mal was anderes sehen als immer nur Rock‘n‘Roll… Der Abend lief unter dem Motto „Drei choreographische Uraufführungen“. Es war Ballett. Unglaublich spannend, wahnsinnig ästhetisch. Verstanden habe ich allerdings sehr wenig. Oft hilft der Text dabei, doch dort haben die sehr athletischen Menschen eine Geschichte mit ihrem Körper, mit Tanz gespielt. Das war toll anzusehen und hatte auch einen Vorteil: Durch mein Nicht-Wissen in puncto Ballett konnte ich mir einfach meine eigene Geschichte ausdenken. Ich sehe das als großen Gewinn! Und bin gleichzeitig betrübt, dass das so vielen Menschen vorenthalten bleibt…

Wir grenzen hier niemanden aus. Die luserlounge ist für alle da. Für lau!
 
Fjørt
(sb) Seit Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys mit ihrem Album auf Platz 1 der deutschen Charts eingestiegen sind, kann uns diesbezüglich wenig überraschen. Dass Fjørt mit ihrer neuen Scheibe nichts auf Anhieb Rang 8 erreichten, lässt dennoch aufhorchen. Nische rules! Die Aachener treffen mit ihrem Post-Hardcore den Nerv der Zeit, intelligente Texte und brachiale Instrumentalgewalt vereinen sich zu einem großartigen Komplex, der einem mit ordentlich Schwung in die Magengrube drischt. Klar, nicht jeder Track hat mich auf Anhieb gepackt, andere hingegen (Bonheur, Feivel) haben mich sofort in ihren Bann gezogen und werden mich sicher noch länger begleiten.


Village Of The Sun
(Ms) Eine Gemeinsamkeit von Electronic Dance Music und Jazz scheint auf den ersten Blick nicht zwingend auf der Hand zu liegen. Auf den Zweiten vielleicht schon. Auch wenn die Instrumentierung und Derbheit der Musik durchaus anders ist, so haben sie vielleicht ein ähnliches Ziel: Die zuhörende Masse in Ekstase zu versetzen und auch eine gewisse psychedelische Stimmung zu erzeugen, in der man sich verlieren kann. Daher ist es gar nicht sooo verwunderlich, dass sich das Jazz-Duo Binker & Moses und Simon Ratcliffe von Basement Jaxx zusammen getan haben, um ein elektronisch-jazziges Album aufzunehmen. Zusammen nennen sie sich Village Of The Sun und haben Anfang des Monats die Platte First Light veröffentlicht. Wobei ich sagen muss, dass der Jazzanteil doch wesentlich höher ist, als die deftigen elektronischen Phasen. Aber wie dem auch sei… In den Bann ziehen mich die Stücke auf jeden Fall, ein wirbelnder, mystischer Klang sorgt dafür. Mal ist er unglaublich harmonisch und beruhigend, dann wieder entfesselt und wild. Das ist eine berauschende, sehr gelungene Mischung. Reinhören lohnt sich sehr!


Yves Tumor
(Ms) Das lineare Fernsehen hat ausgedient und das Musikfernsehen ist toter als tot. So einfach kann man das sagen. Dennoch finde ich es immer wieder großartig, wie viel Leidenschaft, Energie und (das darf nicht unerwähnt bleiben) Geld MusikerInnen in ein neues Video investieren. Ob man damit jenseits der Klicks im Netz Geld verdienen kann, weiß ich nicht. Die Kosten können zudem auch stark variieren. Entweder man macht alles selbst und tut es für lau oder ein ganzes Team von Menschen ist dabei. Kameramenschen, Regie, Produktion, SchauspielerInnen, Lichtleute undundund… Gerne würde ich daher wissen, was das neue Video von Yves Tumor so gekostet hast. Denn es gleicht einem atemlosen Kurzfilm zwischen Film Noir und Horror. Als Lied packt mich God Is A Circle gar nicht mal so sehr, doch die 3 Minuten und 35 Sekunden Filmmaterial sind irre, sehr schnell, teils bedrückend, wirr, sehr ästhetisch und halt auch sehr kunstvoll. Letztes Jahr brachte der Musiker eine EP raus, das neue Stück darf sicher die Hoffnungen erhellen, dass in absehbarer Zeit noch mehr folgt!


KO KO MO
(Ms) So nah und doch so fern. Letzte Woche haben wir vom Franzosen Flavien Berger berichtet, der lässige elektronische Musik macht und heute legen wir direkt nach aus unserem Nachbarland. Ja, jede Region, jedes Land hat seine eigene Szene. Darüber hinaus zu kommen, scheint super schwer zu sein. Die Sprache ist eine Hürde, aber auch ein Auftauchen in der Berichterstattung. KO KO MO sind hier noch eher unbekannt. Das könnte sich aber ändern, da sie wirklich alles mitbringen, um auch Bühnen zwischen Hamburg und München elektrisieren zu lassen. Sie sind wenig abschreckend, da sie auf Englisch singen, ein sicher nicht unerheblicher Vorteil. Die Brüder Kevin und Warren tauchen als Duo auf. Klar, im Rockbereich assoziiert man das schnell mit den White Stipes, aber auch in Frankreich kennt man beispielsweise The Inspector Cluzo, die auch „nur“ zu zweit spielen. Kevin und Warren also. Sie spielen Rockmusik. So einfach, aber auch so präzise kann, nein, muss man das sagen. Schnörkellos und ohne Attitüde scheppern sie drauflos und das macht ziemlich viel Spaß. Selten haben einfache Tugenden mehr gezündet! Seit dem 11.11. ist ihre aktuelle Platte Need Some Mo‘ draußen und Anfang kommenden Jahres geht ihre Support-Tour mit Royal Republic weiter:

05.01 - Berlin, Columbiahalle
07/01 - München Zenith
26/01 - Hamburg, Sporthalle
27/01 - Köln, Palladium
29/01 - Saarbrücken, Garage


 
Vandermeer
(sb) Shoegaze ist in seiner Definition für mich seit jeher ein Mysterium. Als ich in der Pressemitteilung zum neuen Album von Vandermeer genau diesen Begriff aufschnappte, musste ich erstmal tief durchatmen. Was wird das denn nun wieder? Umso (positiv) überraschter war ich dann, als während der ersten paar Minuten von Grand Bruit astreiner Rock aus den Boxen dröhnte und zu gefallen wusste. Textlich kommt die Scheibe zwar eher bedrückend rüber (Verlustängste, Social Distancing, das Alleinsein an sich), klingt in ihrer Gesamtheit und trotz aller Intensität aber sehr einfühlsam. Und wenn Euch das Album beim ersten Hören noch nicht kriegt, dann gebt ihm auch eine zweite oder dritte Chance, denn die hat es verdient. Starkes Ding!



Wülker & Jansen
(Ms) Was passiert, wenn zwei Talente aufeinanderstoßen? Messen sie sich? Entbrannt ein furioser Wettstreit darum, wer außerordentlicher ist? Wer das Sagen hat? Wer die höhere Reputation hat? Wer es dem anderen so richtig zeigen kann? Oder gehen sie den Weg von Nils Wülker und Arne Jansen? Der eine an der Trompete, der andere an der Gitarre. Ich als Laie würde auch behaupten, dass sie sich gar nicht so richtig messen könnten, da ihre Instrumente zu unterschiedlich sind. Aber sei‘s drum… Die beiden haben sich nun also zusammen getan und bringen im Februar ein gemeinsames Album raus. Closer wird also eine musikalische Freundschaft aus Blechbläser und Saiteninstrument. Und es könnte ein abenteuerlicher Ritt werden, denn die beiden haben nicht nur neue, eigene Kompostionen erschaffen, sondern offenbaren sich als Fans von Ry X oder den Nine Inch Nails, indem sie einzelne Stücke covern. Das finde ich einen sehr sympathischen und verspielten Ansatz und macht neugierig. Seit heute ist die Single Deep Dive zu hören, ein leicht psychedelischer, eingängiger Track, der für dieses Wochenende zum Entspannen einlädt.

31.01.2023 Neunkirchen, Neue Gebläsehalle
01.02.2023 Hannover, Theater am Aegi
03.02.2023 Kreuztal, Weiße Villa in Dreslers Park
04.02.2023 Baden Baden, Festspielhaus
06.02.2023 Hamburg, Laeiszhalle
07.02.2023 Berlin, Admiralspalast
08.02.2023 Leipzig, Haus Leipzig
09.02.2023 Düsseldorf, Savoy Theater
11.02.2023 Erfurt, Theater
12.02.2023 Stuttgart, Mozartsaal
15.02.2023 Herford, MARTa
16.02.2023 Frankfurt, Alte Oper
17.02.2023 Bremen, Die Glocke

Mittwoch, 23. November 2022

Björk - Fossora

Farbenfroh, fulminant. Foto: Vidar Logi
(Ms) Björks Kunst auch nur ansatzweise in Worte zu fassen, scheint für mich ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Aber dieses Album ist eine Wucht. Eine Erfahrung. Eine Körperliche. Es ist zu gut, zu ungewöhnlich, zu schön, um nicht darüber zu schreiben. Und genau aus diesem Grund habe ich Tage, Wochen gebraucht, um auch nur irgendwie diesen Text hier fertig zu stellen. Komplexität und pure Ästhetik sind hier eins, stehen sich nicht gegenüber, schließen sich nicht aus. Aber die Schönheit im Klang dieser Platte kam für meine Ohren erst mit der Zeit. 
Mit Björks Gesamtwerk kenne ich mich zu schlecht aus, um Fossora nun gebührend einordnen zu können. Das ist vielleicht auch gar nicht notwendig. Der Ausgangsgedanke für diese Platte war, dass sie das Gefühl, mit dem Fuß auf der Erde aufzutreten und seicht darin zu graben, in Sound zu transformieren. Allein das steht schon für sich, wie verrückt! Was für ein irrer Anspruch an sich selbst, das schaffen zu wollen. Welche Ideen kommen dann? Welche Instrumente will sie heranziehen? Wie soll das klingen? Welche Gefühle sollen heraufbeschworen werden? Welche Bilder ploppen auf? Das ist ein beeindruckender Weg, um sich Musik zu erschließen.

Für die Verbindung zwischen Mensch und Boden hat sich Björk ein Vehikel herangezogen: den Pilz. Er macht sich im Artwork und auch in mindestens einem Video bemerkbar. Ein kluges Bild: Pilze sind ungeheuer schlaue Lebewesen, sie kommunizieren miteinander, verbreiten sich geschickt, einige leuchten sogar im Dunklen. Irre. Nicht ganz verwunderlich, dass Björk sich deren metaphorische und natürliche Kraft bedient. 
Nun, wie soll man sich also Fossora nähern? Geduldig, würde ich sagen. Unter keinen Umständen sollte man sich abschrecken lassen. Neugier ist gefragt. Auch gilt es, gewisse Dinge auszuhalten. Klar, für alle Björk-Hardcorefans ist das nichts Neues. Sie wissen, dass sich die Isländerin immer wieder neu erfindet. Nur sind halt nicht alle Teil dieser ausgebufften Gruppe.

Am einfachsten ist es, zu starten. Also: Go! Atopos ist der erste Track und direkt die erste große Herausforderung. Klar, Björk zeigt ohne Umschweife, was für ein irre Gesangskünstlerin sie ist. Wo überall gebrochen wird, wie unwichtig ein klarer, harmonischer Aufbau von Text und Gesang ist… wobei… die innere Logik ergibt sich mit der Zeit, doch beim ersten Hören mag es ungewöhnlich klingen. Dazu diese Instrumentierung. Sie hat sich ein Klarinetten-Ensemble hinzugezogen und einen DJ für dieses Lied (und das gesamte Werk). Es fließen die warmen Bläserklänge mit heftigsten Bassdrums zusammen. Und: Es geht auf! Wenn auch mit einer irren Portion Wumms. Und dabei sind wir noch nicht mal beim Inhalt. Dieses etwas wirre Stück ist eine große Hommage ans Zusammenhalten. Das ist Kunst! Das ist eine Explosion!
Auch wenn der Klang dieser Platte etwas sperrig klingen mag, man muss ihm zwingend eine Chance geben. Dann ist die Belohnung groß und der Genuss obendrein.
Das Thema also: Auf dem Boden auftreten. Es muss also weich sein, vielleicht schreckt man kurz zurück, zieht den Fuß nochmal hoch, vielleicht steigt Kälte auf, vielleicht überdenkt man diese Entscheidung. Und dann lässt man sich sinken. Ovule. Dieses Lied erweckt in mir genau dieses Gefühl. Die Zweifel, die zuckenden Nerven und das sich-fallen-lassen.
Dieses Album hat viele Bestandteile. Nicht alle kann ich hier auflisten. Beispielsweise die kleinen Zwischenstücke, die aus Melodien, Schnipseln, Gefühl bestehen. Sie geben dem Album teils eine Pause, aber halten auch das inhaltliche wie auch klangliche Motiv aufrecht.
Schönheit. Ja, die glänzt auf dieser Platte an vielen Orten. Zum Beispiel auf Sorrowful Soil. Es ist beinahe ein a-capella-Stück, nur ein wenig Bass liegt unter den zahlreichen Stimmen. Das ist ein tolles chorisches Arrangement. Es strotzt vor Kraft und beinahe sakralem Glück. Gerne möchte ich mich in dieses Lied fallen lassen. Denn ich weiß, dass ich sanft und behutsam aufgefangen werde. Musik, du kraftvoller Zauber!
So. Und dann kommt Ancestress. Puh, ich musste es vier, fünf, sechs mal hören. Denn ein, zwei, drei Mal war ich nur verwirrt, ja, abgeschreckt. Wollte es irgendwie ausblenden, sah mich überfordert. Hier wiederhole ich mich gern: Dieser Platte gilt es, Zeit zu geben. Sieben Minuten und achtzehn Sekunden erstreckt sich hier ein wahres Wunder. Erneut gibt es unzählige Brüche. Immer wieder, unaufhörlich. Die Melodien und Rhythmen wechseln sich immer wieder ab, das ist jedoch nicht das „Problem“. Viel mehr singt Björk hier derart zeilenbrüchig, dass es erst schwer auszuhalten ist. Doch der Glanz ist enorm. Viele Parts dies Liedes sind so ungeheuer schön, harmonisch, wundervoll, zart und klar. Sie kommen und vorhergesehen, passen fast nicht zusammen. Und dennoch ergeben sie ein enorm passgenauen Ganzes. Selten in letzter Zeit so komplexe, überraschend schöne Musik genossen!
Die Pilz-Bilder machen sich dann ganz praktisch auch auf Fungal City bemerkbar. Herrlich, die Klarinetten sind so leicht, so verspielt, sie tanzen durch das Lied, ganz selbstverständlich und unerschütterlich. Ein sanfter Beat dazu und viele Stimmen neben Björks machen daraus einen ersten Frühlingsspaziergang durch den Wald. Klar, auch hier passieren wieder zahlreiche Brüche, doch jeder Bruch auf diesem Album macht nichts kaputt. Erst mögen sie erschrecken, dann ergänzen sie. Kaum auszuhalten, wie schön das ist!

Klar, auf Fossora schlummern noch mehr Überraschungen. Noch mehr Dinge, die es zu entdecken gibt. Es ist enorm facettenreich. Der Klang überlagert für mich fast den gesamten Text. Pardon an dieser Stelle, dass ich dem nicht gerecht werde. Doch es gibt einige Bands und KünstlerInnen, bei denen mir die Musik als solche viel präsenter erwischt. Bei Björks aktuellem Album ist das massiv der Fall. Fossora ist ein Album, dass seinesgleichen sucht. Vom künstlerischen Anspruch, vom Soundgewandt, von der Vielschichtigkeit und von Belohungsseite aus. Denn das ist die Belohnung: Eines der schönsten, irrsten, verrücktesten, tollsten Platten, die dieses Jahr zu bieten hat!


Samstag, 19. November 2022

KW 46, 2022: Die luserlounge selektiert!

Bild: pinterest.de
(ms/sb) Vor den ganzen Musikneuigkeiten ein paar andere Worte über das zu schreiben, was mir durch den Kopf geht, oder was Berichtenswert ist, fällt mir in der Regel leicht. Oft braucht es nur einen kleinen, kuriosen Moment im Alltag, der ausreicht, um hier eine kleine Geschichte zu schreiben. Für diese Ausgabe ist da nichts. Kein Gedanke. Nichts, das mir spontan einfällt, um es hier einigermaßen lesenswert aufzubereiten. Tja. Dann dachte ich mir, dass ich was zur WM schreibe. Pff. So ein Megaquatsch. Ich finde es einfach nur schade, dass bis Weihnachten mein Verein im Ligabetrieb nicht spielt. Dann dachte ich mir: Jau, Weihnachten, auch ein super Thema. Aber ich bin weder in Stimmung und auf einen gehässigen Supermarkt-Schokoladen-Kommentar habe ich auch keine Lust. So bleiben die Zeilen hier inhaltsleer. Dann könnt ihr euch wesentlich besser auf das konzentrieren, was nun kommt! Viel Freude! 
 
Pale
(sb) 16 Jahre lang existierten Pale aus Aachen und spielten während dieser Zeit Konzerte in ganz Europa. 2006 wechselte die Band zu Grand Hotel van Cleef, veröffentlichte dort ein Album und löste sich drei Jahre später auf. Das Ende? Mitnichten.

Obwohl Sänger und Gitarrist Christian Dang-anh im Mai 2021 an einem Hirntumor verstarb, wird die Band nächsten Freitag völlig überraschend nochmal ein Album namens The Night, The Dawn And What Remains veröffentlichen. Darauf wird auch Dang-anh zu hören sein, der kurz vor seinem Tod noch ein paar Aufnahmen beisteuern konnte. Wunderbare Pop-Musik im Stil des 90er-Jahre-Indie - schöner kann ein Mini-Comeback kaum klingen. Ein einziges Konzert werden Pale noch spielen, dann ist wirklich Schluss.

02.03.2023 Köln, Gloria
 

 
Plewka & Schmedtje
(sb) Cover-Alben sind derzeit offenbar in Mode. William Fitzsimmons hat eins rausgebracht, The Tallest Man On Earth ebenso. Und nun also Plewka & Schmidtje. Dabei interpretiert Jan Plewka (Selig) zusammen mit Marco Schmedtje insgesamt zwölf Klassiker aus den 80ern und verleiht ihnen einen neuen Anstrich. Mit Let's Dance (David Bowie) greifen sie zwar ins Klo, alle anderen Versionen sind aber überaus gelungen und überraschen immer wieder positiv.
 
Between The 80's (VÖ: 25.11.) bietet einen äußerst gelungenen Querschnitt durch das Jahrzehnt - und zwar auf eine sehr beruhigende (weil akustische) Art und Weise. Favoriten: Forever Young, Africa und vor allem Material Girl.
 
 

Flavien Berger
(Ms) Elektronische Musik aus Frankreich. Ein großes Thema, dass alle Jubeljahre dann auch bei mir mal wieder aufploppt. Stetig könnte ich mir das nicht anhören, dafür fehlt mir oft der Wumms dabei. Aber zum Entspannen geht halt auch nicht immer Easy Listening oder Folkpop, da darf dann gerne auch ein wenig mehr Schwung rein. Unaufgeregter Schwung. Den bietet Flavien Berger mit seinem neuen Track D‘ici La. Das kann ich mir gut auf die Ohren setzen und gelassen vergesse ich, was um mich herum geschieht. Vielleicht bleibt es nicht unbedingt haften, aber es rundet den Moment herrlich ab. Hier lohnt auch das Schauen des Videos: Im Stakkato werden einzelne Fotos aneinander gereiht, sodass eine zügige Geschichte erzählt wird, wie einzelne Erinnerungsfetzen, die einen rauschhaftem Abend rekonstruieren. Das Album dazu wird im Laufe des kommenden Jahres erscheinen. Und wer elektronische Musik aus Frankreich ein wenig verfolgt, weiß, dass das vielleicht richtig durch die Decke gehen kann!


Shame
(Ms) Sich einem musikalischen Trend zu widersetzen, verlangt Bands viel Mut und Bereitschaft ab, an dem festzuhalten, wofür man brennt. Derzeit habe ich ab und an den Eindruck, dass im Gitarren-Indie-Rock-Pop-Bereich an die 80er angeknüpft wird, oft klingt es wie eine blasse Kopie ohne viel Eigenständigkeit. Das Rad neu erfunden haben shame auch nicht, aber die Leidenschaft für ihre Musik ist herauszuhören. Mitunter erinnert sie ein wenig an Joy Division oder Nada Surf, aber halt in dieses Jahrzehnt hinein katapultiert. Das macht Spaß, lässt Träume und endlose Nächte zu. In dieser Woche haben sie mit Fingers Of Steel einen neuen Song veröffentlicht, bei dem es mal wieder total lohnt, das Video dazu zu schauen. Darin begibt sich die Band in den Untergrund, imitiert eine Bot-Armee, um ihren eigenen Erfolg zu pushen. Eine herrliche Persiflage auf dieses bescheuerte, digitale Leben. Das neue Album wird Food For Worms heißen und am 24. Februar erscheinen! Hier tritt die Band dann auf:

26.03.2023 - München - Technikum
27.03.2023 - Berlin - Festsaal Kreuzberg
28.03.2023 - Hamburg - Markthalle
04.04.2023 - Köln - Gloria


Muff Potter
(Ms) 2022 ist das internationale Muff Potter-Jahr! So viel steht schon mal fest. Die Band ist wieder da, hat ein starkes Album abgeliefert, landete damit das erste Mal in den Top 10 der Album-Charts, spielte eine sehr gut besuchte Tour, hat über die Hälfte der Lieder von Bei Aller Liebe mit einem Video versehen und hören damit einfach nicht auf. Dass nicht alle Lieder im Laufe des Schaffensprozesses auf eine Platte kommen, ist klar. Gehört irgendwie dazu. Zum Album erschien auch eine limitierte 7“, ein kleines Extra. Darauf ist auch das Lied Alter Planet zu hören. Und wenn man in das Lied so eintaucht, dann wird schon klar, warum es nicht eine Runde weiter gekommen ist. Es passt nicht sooo gut in den Gesamtsound der anderen Lieder. Dennoch ist es schön, ja, hat eine richtig gute Dynamik und jetzt auch noch ein eigenes Video bekommen. Und am Ende des Muff Potter-Jahres gibt es noch weitere hervorragende Neuigkeiten! Die Tour geht kommendes Jahr weiter. Geht da unbedingt hin, es wird großartig, versprochen!

13.04.23 Magdeburg - Factory
14.04.23 Rostock - Peter Weiss Haus
15.04.23 Kiel - Die Pumpe
19.04.23 Leer - Zollhaus
20.04.23 Bochum - Bahnhof Langendreer
21.04.23 Osnabrück - Rosenhof
22.04.23 Hannover - Faust
26.04.23 Stuttgart - Im Wizemann
27.04.23 Heidelberg - Karlstorbahnhof
28.04.23 Marburg - KFZ
29.04.23 Dresden - Tante Ju

Mittwoch, 16. November 2022

Live in Bremen: Muff Potter

Verschwommen aber passioniert, Foto: luserlounge
 (Ms) Entschuldigung. Dass ich in dem Muff Potter-Konzertteil unten nicht alle Lieder benennen kann, tut mir leid. Zwar kenne ich die Band schon seit einiger Zeit, habe sie dank akribischer Aufschreibung auch schon mal live gesehen (offensichtlich beim Omas Teich 2009, das hoffnungslos abgesoffen ist), aber mit allem, was vor dem aktuellen Album so raus kam, kenne ich mich wirklich nicht gut genug aus, um mir alle Lieder gemerkt zu haben. Peinlich, peinlich, aber irgendwie auch ein bisschen egal, oder? Eben, danke.

Muff Potter also. Haben für mich eines der stärksten deutschsprachigen Alben diesen Jahres veröffentlicht, unabhängig vom Genre. Mag vielleicht schon ein bisschen was heißen. Die Klarheit der Texte, die nahe am Herzen sind, beeindruckt mich. Eine ganz eigene Art des Storytelling. Nach der langen Pause kam nun also diese Platte, Bei Aller Liebe. Und direkt dazu eine feine Tour. Keine einfache Sache in diesen Wochen und Monaten, wo so viel abgesagt oder abermals verschoben wird. Traut man den Bildern im Netz, scheint sie aber überall recht gut besucht zu sein.
Ebenso in Bremen am vergangenen Samstag. Schlachthof, was für ein super Laden. Denen verzeiht man sogar, dass dort Haake Beck ausgeschenkt wird. Dafür ist der Sound, die Atmosphäre und die irre Verteilung der Plätze viel zu genial und gemütlich. 

Für diesen sehr guten Konzertabend war aber auch noch eine andere Gruppe verantwortlich. Messer. Genialer Name, oder? Ihr 2017er-Album Jalousie habe ich aufmerksam gehört, aber danach auch die Gruppe ein wenig aus dem Fokus verloren. Das ändert sich nun. Denn die Art der Musik hat mich schnell live in den Bann gezogen. Der Vergleich mit Tocotronic und insbesondre den Fehlfarben lag schnell auf der Zunge, aber sie haben einen eigenen Charakter. Im Wesentlichen verantwortlich dafür waren ihre etwas klareren, wenn auch düsteren Texte, der irre Basslauf, ein extrem gut abgemischtes Schlagzeug und die unverkennbare Stimme von Hendrik Otremba. Ja, das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Und war eine sehr gute Wahl der Gäste, die den Abend mitgestalten. Nicht zu nah an der anderen Band, aber irgendwie doch im gleichen Kosmos.

Und dann folgten gut eindreiviertel Stunden geballte Gitarrenrockeuphorie. Lasst es mich ein wenig übertrieben ausformulieren: Aber das Beeindruckendste an dem Abend war nicht das reine musikalische Erlebnis. Sondern etwas, das Thorsten Nagelschmidt ziemlich schnell auch selbst benannt hat. Er meinte: „Hier ist doch irgendwas. Hier passiert doch was. Hier liegt doch was in der Luft“ (oder so ähnlich). Ja, das stimmt. An diesem Abend fand etwas zusammen, das lange aufeinander gewartet hat. Das war insbesondere bei den älteren Stücken (mea culpa, s.o.) zu hören: Eine irre Vorfreude auf diese Lieder im Publikum. Ja, es kann halt gut sein, dass Besucher diese Lieder einige Jahre halt nicht live erlebt haben. Dann ist das schon ein Wiedersehen alter Freude. Und wie geil ist es eigentlich, wenn einzelne Zeilen von Liedern abgefeiert werden?! Hach, Rockmusik. Du hast mich immer wieder, ich lasse dich niemals los. Muff Potters Brühwürfel-Zeile ist für mich der Satz des Jahres. Bin mehr als froh, ihn endlich live skandiert zu haben. Gut auch, dass Messer an dem Abend da waren. Denn Hammerschläge Hinterköpfe ist auch ein Studioduett, das nun seine Liveader gefunden hat. Nagelschmidt und Otremba. Irre Stimmenkombination!
Es hat auch gar nicht lange gedauert, da bildete sich vor der Bühne ein wilder, gut gelaunter Mob der mit respektvollem Pogo das Geschehen auf der Bühne begleitet hat. Und auch bei mir passierte eine Menge: ein großes Grinsen bekam ich aus dem Gesicht gar nicht mehr heraus. Da passte so ungeheuer viel. Das Publikum war sehr aufmerksam, vorfreudig, respektvoll und textsicher. Die Freude der Band war auch an allen Ecken und Enden zu spüren. Vielleicht war es auch gut, dass ich gar nicht so klar definierte Erwartungen an den Abend hatte, denn ich bin als ein extrem glückseliger Mensch wieder herausgekommen und selbst jetzt, ein paar Tage später, bin ich immer noch heilfroh, dabei gewesen zu sein.

Ich freue mich schon auf die nächsten Auftritte.

Und nochmals: Sorry! 

Sonntag, 13. November 2022

KW 45, 2022: Die luserlounge selektiert

(Sb/ms) Ich mag Parolen. Auch die, die provokant sind. Doch einige sind auch einfach nur irre dumm. Ich schaue viel Fußball und lese darüber. Auch wie die Polizei mit Fans umgeht. Wenn wieder echt maßlose Übergriffe stattfinden, sind schnell Berichte zu lesen, die die ganze Polizei abwartschen. Das finde ich so extrem dumm und billig. Alle, die ACAB nutzen, mit denen möchte ich gar nicht reden. Was für eine extrem blöde Aussage. Oft von Menschen, die woanders eine differenzierte Sichtweise der Realität fordern. In den letzten Tagen hatte ich häufiger mit der Polizei zu tun, da ich in einen Unfall verwickelt war. Mein Gott, waren die alle nett. So freundliche Leute. Die direkt zum Helfen kamen und auch die, mit denen ich später telefoniert habe. Das sind richtig gute Menschen, die mir geholfen haben. Respekt für die Polizei. Kann man ja mal fordern.

Pascow
(Ms) Besser spät als nie. Das denke ich seit zwei, drei Jahren, seitdem ich Pascow für mich entdeckt habe. Ihr Album Jade hat mich auf ziemlich extreme Weise umgehauen. Seitdem arbeite ich mich langsam vor, sah sie live und bin immer noch extrem begeistert. Was legt diese Band an Aggressivität, Druck und Dichte an den Tag. Da sehen ich drüber hinweg, dass ich nicht immer alle Texte sofort verstehe. Umso besser, dass man alles nachlesen kann. Das ist auch bei der neuen Single Königreiche Im Winter sehr hilfreich, denn der Text knallt mindestens so krass wie die Musik. Erneut holt sich die Band Hilfe für ein Duett und mit Apokalypse Vega geht das erneut hervorragend auf. Ein kraftvolles Lied über die ach so schöne Dorfidylle. Da ist bei Weitem nicht alles so Friede, Freude, Eierkuchen, wie man denkt. Das bringt die Band hier mal wieder stark auf den Punkt. Im Januar kommt dann die neue Platte, sie wird Sieben heißen und ich erleide schon beinahe schlaflose Nächte, weil ich mich so sehr darauf freue! Was für eine irre Band!!!


JW Francis
(Ms) Diese Tage sind mal wieder pickepackevoll und auch die Gesundheit spielt nicht immer so mit, wie ich mir das wünsche. Schnell gerate ich in einen Strudel der Unzufriedenheit, neige dazu, schnell vieles schwarz zu malen. Und dann geht es gedanklich immer weiter bergab, obwohl es sooo schlimm oft gar nicht und alles abzusehen ist. Da hilft eigentlich keine Medizin. Wobei… Ich würde sofort jede Petition unterschreiben, die Musik medizinisch-positive Wirkung attestiert. Rettende mitunter. In diesen Tagen brauche ich dann etwas, das mich richtig schön beruhigt ohne zu gewollt zu sein. Eher mit einer sanfter Entspannung. Mit brutaler Lässigkeit. Und dann landet man recht schnell bei JW Francis, der im Januar sein neues Album Dream House veröffentlicht. Das gleichnamige Lied ist seit dieser Woche. Der verspielte Lockenkopf zeigt, dass Folkpop nicht immer unglaublich abgedroschen sein muss, sondern auch leicht streicheln kann. Boah, ist das lässig. Sofort halten die Füße still, der Kopf kommt auf andere Gedanken und alles wird ein bisschen heller, wenn diese wunderbaren Töne erklingen. Rezept: Nun die Single hören und Ende Januar dann aufs Album umsteigen.


Sarathy Korwar
(Ms) Wenn Körper und Geist dann wieder ruhig und in Einklang sind, dann kann es wieder los gehen. Dann kommt die Lust auf den Rausch wieder schnell und will bedient werden. Dabei fällt mir ein, dass ich schon Ewigkeiten nicht mehr tanzen war am Wochenende. Zum Einen wegen C., zum Anderen waren die Wochenenden oft auch mit anderem schönen Kram voll. Aber wenn… wenn das bald mal wieder der Fall sein sollte, dann wünsche ich mir, dass Utopia Is A Colonial Project von Sarathy Korwar gespielt wird. Das kann meinetwegen auch auf einer Indie-Party laufen, spricht ja gar nichts dagegen. Denn der Rausch, der durch dieses Lied hervorgerufen wird, dürfte an niemandem spurlos vorüberziehen. Psychedelische Beats mit allerhand Bass und Bläsern lasst kein Bein mehr still stehen. Der Song ist auf dem Album KALAK zu finden, dass seit dieser Woche zu hören und erwerben ist. Kurios, dass seine Musik unter Jazz läuft. Das würde mir als letztes dazu einfallen. Aber wie meine liebe Freundin B stets zu sagen pflegt: Alles ist Jazz. Und da alles Jazz sein kann, ist dieser wilde Rausch genau das. Irre. Das macht sehr viel Spaß! Und schön laut drehen, bitte!

Freitag, 4. November 2022

KW 44, 2022: Die luserlounge selektiert!

Quelle: Irrweg.com
(Sb/ms) Für gute Orte kann man ja auch mal Werbung machen. Wieso nicht?! Es spricht nichts dagegen! Zudem, wenn sie zwei Leidenschaften auf sehr gute Art und Weise miteinander verbinden. An fremden Orten finde ich das eher ziellose Treibenlassen eine der schönsten Wege, um sich beispielsweise eine Stadt anzueignen. Insbesondere abends, wenn man noch mal eine Erfrischung sucht. So sind wir vor zwei Wochen in Kopenhagen plötzlich vor einem Plattenladen zum Stehen gekommen. Er heißt einfach nur Beat, sehr passend. Da es spät war, war ein Besuch natürlich ausgeschlossen, doch die Schaufenster versprachen schon allerhand Großartigkeiten. Das neue Album der Arctic Monkeys wurde ebenso beworben wie die NEU!-Sammlung und Frisches aus Jazz, Pop und Hardrock. Praktischerweise ist an den Plattenladen direkt eine Bar angeschlossen: das Beat Café! Drinnen ist es urgemütlich, mit einem schlichten, geschmackvollen Schick ausgestattet, einer Toilette, die mit Vinyl und Kassetten tapeziert ist und es gäbe sogar Kleinigkeiten zu Essen. Das Bier war lecker. Später waren wir dann noch im extrem gut sortierten und herrlich schlicht-schön eingerichteten Plattenladen zum Stöbern - was für eine diebische Freude! Und siehe da: Wenn er geöffnet ist, sind Café und Vinylhimmel miteinander verbunden. Was für ein genialer Ort! Falls ihr mal in Kopenhagen seid, hin da!

Sofia Portanet
(Ms) Die 80er sind zurück. Oder? Zwar kenne ich mich modemäßig überhaupt nicht aus, aber bei Streifzügen durch die Städte, insbesondere wenn man abends unterwegs ist, hat es doch den Anschein. Auch in der Musik ist dieses Phänomen zu hören. In zwei Versionen. Einer Guten und einer Schlechten. Die schlechten Versionen sind extrem plumpe Remakes. Oder noch übler: Lieder von damals mit etwas Elektrowumms in unser Jahrzehnt geballert. Die unkreativste Form der Bereicherung. Hören wir uns da lieber die guten Seiten an. Und die kommen in jedem Fall von Sofia Portanet. Schon vor einem Jahr kam der erste Vorbote zum neuen Album raus, das im nächsten Frühjahr erscheint. Nun ist dieser Tage das dritte neue Stück zu hören: Unstoppable. Der Clou an dieser 80er-Revival-Musik ist ja, eine sehr catchy Hookline zu haben. Das Ding muss ohrwurmträchtig sein. Und wie das geht, weiß Sofia Portanet auf jeden Fall. Man möchte sofort dazu tanzen, mitsingen ist kein Problem, das Video glitzert angenehm, erneut brilliert sie mit einer großartigen Stimme und einer tollen Geschichte: Hinfort mit dem ganzen Stars-und-Sternchen-Kram, ich bin unaufhaltsam. Da machen wir mit. Was für eine tolle Künstlerin, die man hier auf jeden Fall anschauen sollte:

15.11.2022 Stuttgart - Wizemann
16.11.2022 Oberhausen - Gdanska
17.11.2022 Freiburg - Waldsee
21.11.2022 Hamburg - Nochtspeicher
22.11.2022 Hannover - LUX
23.11.2022 München - Milla
29.11.2022 Dresden - Beatpol
30.11.2022 Leipzig - Werk2
01.12.2022 Mainz - Schon Schön
03.12.2022 Münster - Gleis22
04.12.2022 Luxemburg - Rotondes
06.12.2022 Köln - Blue Shell
07.12.2022 Nürnberg - MUZ
08.12.2022 Berlin - Lido


Martin Kohlstedt
(Ms) Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Ruhe. Stille. Einkehr. Augen zu. Besinnung. Entschleunigung. Entspannung. Beine hoch. Licht aus. Und das ganze hat absolut nichts mit Weihnachten zu tun. Viel eher mit Eskapismus. Dem kurzen Abschalten dieser Realität. Und wenn es nur ein paar Minuten sind. Martin Kohlstedts Musik würde ich heilende Wirkung attestieren. Sie ist ungeheuer ausbalanciert. Sehr genau. Sehr fein. Sehr gefühlvoll. Und das in all seinen Facetten. Er kann technolaut und pianoleise. Ein wandelbarer Musiker. Seine neuen Töne scheinen beide Welten ein wenig in Einklang zu bringen. LUV ist der erste Vorbote des neuen Albums Feld, das am 31. März kommenden Jahres erscheinen wird. Eine dynamische Mixtur aus Klavierklängen, sphärischen Melodien und einem spürbar druckvollen Aufbäumen. Diese Musik verbreitet viel Zauber, viel Lust, einfach auszubrechen und abzuhauen. Dazu passt das kleine Video, das nur einen Ausschnitt des Liedes zeigt. Hier lässt es sich auch in Gänze genießen. Augen zu und einatmen, ausatmen, einatmen, …


Oehl
(Ms) Wohin mit den Worten? Wohin mit der Kreativität? Wohin mit all den Ideen?! Immer raus damit! Das ist echt der Vorteil einer gut vernetzten Welt. Musik kann in Albenzyklen erscheinen, muss es aber nicht mehr. Sollte plötzlich einfach ein guter Song aufklopfen, muss eine Band nicht zwingend drei Jahre warten, bis er auf Platte landet, sondern kann ihn einfach rauskicken auf alle Plattformen. Oder noch etwas hinterherschieben, wenn das Lied noch zum Gesamtpaket des letzten Albums passt. So geschehen bei Oehl. Im Sommer kam erst das neue Album Keine Blumen und nun gibt es das gleiche Album mit drei neuen Stücken. Vielleicht waberten sie im Kopf von Ariel, vielleicht kamen sie direkt danach ans Tageslicht. Ein Wenig Blass bekam auch noch ein Video dazu. Ein wunderbarer Song über die Schwierigkeit, die richten Worte zu finden und einem Refrain, der weit darüber hinaus geht - am besten selbst anhören. Das, was Ariel Oehl mit seiner Musik macht, ist wundervoll. Vertonte Poesie. Herrlich. Und kann hier demnächst live bestaunt werden:

27.11.2022 München, Ampere
28.11.2022 Leipzig, Naumanns
29.11.2022 Berlin, Frannz Club
30.11.2022 Hamburg, Bahnhof Pauli
01.12.2022 Köln, Yuca


Ef
(Ms) Epischer Gitarrenrock. Druckvolle Melodien. Große Gefühle. Und wenn dann alles schon schön dicht beieinander ist, die instrumentale Kraft fast am Höhepunkt ist, haut man noch Bläser und/oder Streicher rein und schreit voller Überzeugung oder Weltschmerz oderoder ins Mikro. Automatisch führt dies zu Gänsehaut und Erstaunen, wie wirkmächtig Musik doch sein kann. Das heutige Beispiel liefern die Schweden von Ef. Seit knapp zwanzig Jahren besteht die Gruppe, legten zuletzt eine längere Pause ein und kommen nun gewohnt stark zurück mit ihrer Platte We Salute You, You And You, die am 11. November erscheinen wird. Der große Vorteil an dieser überwiegend instrumentalen Musik ist natürlich der persönliche Interpretationsspielraum. Heute morgen sah ich noch eine Reportage über den Einzug junger Russen in den Krieg. Wie bitter. Die armen Kerle. Das passt irgendwie zusammen. Oder wenn man generell von allem ein wenig überfordert ist, dann hilft diese Musik auch. Zum Glück lässt sich das demnächst auch live erfahren:

17.11.2022 - Berlin, Privatclub⁠
18.11.2022 - Leipzig, UT Connewitz⁠
19.11.2022 - Neunkirchen, Gloomar Festival
22.11.2022 - Hamburg, Hafenklang⁠


Yeah Yeah Yeahs
(Ms) Die Zeit ist echt zu knapp, um all die tolle Musik zu hören, die es gibt. Zu einigen Bands einer gewissen Größe konnte ich noch nie was sagen. Da kennt man vielleicht ein, zwei Lieder, aber das reicht ja nicht aus für einen Gesamteindruck. The National? Puh. Wolfmother? Keine Ahnung. Muse? Weiß ich auch nicht so recht. Foals? Keinen blassen Schimmer. Auch zu den Yeah Yeah Yeahs konnte ich nie was sagen, obwohl der Name ja mehr als genial ist. Doch dieser Tage lief mir ihr neuer Song Wolf über den Bildschirm und ich war aus mindestens zwei Gründen sofort hin und weg. Zum Einen liefern sie dazu ein wunderbares, cineastisches Video ab, das es zu genießen lohnt. Zum Anderen packt mich diese unfassbar starke Synthies-Hook direkt beim ersten Mal und lässt mich so schnell auch nicht los. Die dazugehörige Platte Cool It Down kam bereits Ende September raus, nachdem es mehrere Jahre still war um die Gruppe. Wie immens sie wiederkamen, zeigt dieser Track meines Erachtens auf eindrucksvolle Art!


We Are Scientists 
(Ms) Und dann gibt es wieder Bands, die unaufhörlich abliefern. Dazu gehören auf jeden Fall We Are Scientists. Enorm, dass sie erst im letzten Herbst eine neue Platte veröffentlicht haben und nun schon nachlegen. Na gut… wenn die Ideen und die Energie da sind, spricht ja nichts dagegen. Vielleicht hat sich auch in der ereignislosen Coronazeit so viel angestaut, dass es direkt für zwei Alben reicht, wer weiß?! Zu vergleichen scheinen die beiden Klangwelten aber nicht so sehr, was das ganze umso spannender macht. Die neue Scheibe heißt LOBES und erscheint am 20. Januar. Wo im letzten Jahr noch sehr griffige Indirrockriffs vorherrschten, wurden nun vermehrt Synthies eingesetzt, um ihre Lieder auf ganz andere Weise tanz- und erlebbar zu machen! Das finde ich großartig, warum sollte auch eine Band immer wieder das Gleiche machen, wird ja langweilig. Davon überzeugen kann man sich mit der neuen Single Less From You. Und im Frühjahr sind sie dann wieder unterwegs, unermüdlich immer weiter voran! Hin da!

31.03.23 Köln, Luxor
02.04.23 Hamburg, Knust
03.04.23 Berlin, Hole 44
04.04.23 Leipzig, Werk 2
05.04.23 Nürnberg, Z-Bau
09.04.23 Wien, Flex
11.04.23 München, Hansa 39
12.04.23 Wiesbaden, Schlachthof