Donnerstag, 7. Oktober 2021

We Are Scientists - Huffy

Foto: Danny Lee Allen
(ms) Es wäre ein Leichtes, einfach nur zu schreiben, dass das neue Album von We Are Scientists ziemlich stark sei. Aber ganz so simpel ist es halt nicht. Denn vorher müssen diverse Hüte gezogen werden vor dieser Band. Seit nun mehr einundzwanzig Jahren spielen sie zusammen Indierock. Das ist bemerkenswert! Andere haben aufgegeben oder das Genre gewechselt. Keith Murray und Chris Cain bleiben sich ziemlich heftig treu! Kaum zu fassen, dass sie auf ihrem achten Album immer noch so unfassbar frisch klingen! Dass sie immer noch die kleinen Bühnen bespielen, ist dabei immer noch eine Frechheit. Woran liegt es? Darüber haben wir schon hier und da spekuliert. Sind die großen Ränge im Indierock etwa voll? Trotz, dass ich mich seit Jahren in diesem Genre zu Hause fühle, wüsste ich aus dem Stehgreif gar nicht, wer denn da steht. Viel zu individuell wurde der Musikgenuss durchs Streaming, es gibt kein Leitmedium mehr, das Bands pusht und zur späten Stunde auf den Bühnen der großen Festivals geben sich Jahr für Jahr die gleichen Bands die Klinke in die Hand. Was ich sagen will: Warum zur Hölle sind We Are Scientists nicht so mega erfolgreich? Sie spielen seit 21 Jahren handwerklich astreinen Indierock mit ordentlich Songwriter-Knowhow und dennoch sind es die kleinen Läden, durch die sie seit jeher touren. Ist es schlichtweg Pech oder doch einfach ein Opfer des Überangebots?! Wir werden es wohl nicht herausfinden.

Am Freitag, 8. Oktober, erscheint ihr neues Album Huffy. Dabei muss ich ganz ehrlich sein: Wäre es die Platte einer Newcomer-Band, würde ich es wahrscheinlich nicht mal anhören. Hier spielt also eine ordentliche Portion Nostalgie eine wichtige Rolle und das Festhalten an bekannten Namen. Und: Ich finde das Album stark. Klingt paradox? Ist es auch! Musik ist und bleibt subjektiv und oft schwer zu verstehen. Quatsch! Verstanden werden muss hier gar nichts. Hier wird bitte getanzt - 34 Minuten am Stück!

You've Lost Your Shit beweist: So beginnt halt eine Gitarrenrockplatte. Schnell und kompromisslos und sicher auch vorhersehbar - egal! Wenn in Sekunde 47 alles zu beben anfängt, bin ich halt dabei! Das ist exakt der Sound, die Dynamik, warum ich diesem Genre seit Jahren so verfallen bin. Ein bockstarker Beginn dieser Platte! Da dürfen auch große Melodien nicht fehlen. Contact High ist der beste Beweis dafür! Ich komme einfach nicht drauf klar, wie frisch und leicht das klingt! Oder haben wir wieder 2007? Und sie sind halt auch abgeklärt cool. Eine lässige Gitarrenlinie und ein super Arrangement auf Handshake Agreement ist der nächste Beweis! Das ist eine wahre Zeitreise hier! 

Und: Haben sie die Coolness auf I Cut My Own Hair von Franz Ferdinand geklaut? Ich bin voll drin! Mir ist übrigens vollkommen egal, worum es auf den Liedern geht, daher befasse ich mich auch nicht ausführlich damit - die Freiheit des Bloggenden. Textlich stelle ich auch null Erwartungen an die New Yorker, klanglich viel eher und die werden hier am laufenden Band übertroffen! Auch ein paar Synthiesounds dürfen da nicht fehlen, die einem etwas langsameren Track wie Just Education eine feine, verträumte Note verleihen! Und auf der anderen Seite istSentimental Education eigentlich die (!) massentaugliche Single mit feiner, passend eingängigem Refrain.

Auf Fault Lines sind sie hingegen rotzig cool! Beim Hören dieser Takte fühle ich mich echt eiskalt in der Zeit zurück versetzt! Als ob ich vor zehn Jahren im Bielefelder Forum tanzen würde, wo es mich zu dieser Zeit regelmäßig hinzog. Später waren es die schon eher nostalgischen 00er-Jahre-Indieparty, die diesen Platz angenommen haben. In Zeiten, wo das alte Partygefühl noch nicht so richtig zugegen ist, ein sehr guter Ausgangspunkt, um die Tanzfläche ins Wohnzimmer zu verlagern!
Man muss hier auch einfach festhalten, dass diese Band ein sehr gutes Händchen für die Funktionsweise einen Gitarrenrocktracks hat. Da sitzt jede Brigde, jeder Übergang, jedes Riff. Ist das kalkuliert? Ja, mit Sicherheit! Aber der Plan geht voll auf! Zum Ende hin sind sie sich für einen futuristischen Countrysong, der im Laufe von vier Minuten alle Genregrenzen zum einstürzen bringt, auch nicht zu schade. Das ist halt auch verdammt clever gemacht!

Ein Album was vom ersten bis zum letzten Takt halt irre Bock macht. Punkt. Darf gerne bald wieder hier bestaunt werden:

06.04. - Köln, Luxor
07.04. - Nürnberg, Z-Bau
12.04. - Leipzig, Werk 2
13.04. - Berlin, Hole44
14.04. - Hamburg, Knust

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