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(ms/sb) Sagen wir so: Worauf die aktuellen Sondierungsgespräche hinauslaufen, war ja am Wahlabend schon einigermaßen klar. Dass der Aachener Teddy nach dieser Niederlage tatsächlich einen Regierungswillen postulierte, fand ich schon... ähh.. mutig. Dabei war ja vorher schon klar, dass er ein schwacher Kanzler in einer extrem brüchigen Koalition wäre.
Darauf wollte ich gar nicht hinaus. Verzettelung. Das hat mich noch nicht mal so krass erschüttert an dem Abend - ja, eher ein bisschen gefreut, so gemein ehrlich muss ich sein. Doch auch zwei Wochen nach der Wahl stößt mir ein Fakt immer noch bitter auf, über den überhaupt nicht gesprochen wird, zumindest nehme ich ihn in meiner eingeschränkten Blase nicht wahr. Eine kurz recherchierte Zahl macht mich stutzig, ja, beängstigt mich. So ehrlich muss ich sein. Diese Zahl meine ich: 4.802.097. So viele Menschen in Deutschland haben mit der Zweitstimme die EkelhAfDen gewählt. Das sind fast fünf Millionen Menschen. Scheiße, man! Folgendes muss man sich vor Augen führen: Das ist keine Euroskeptikerpartei mehr. Das ist keine Professorenpartei mehr. Das sind keine Menschen mit Argumenten mehr. Das ist seit einiger Zeit eine astreine Faschopartei! Ausländerfeinde mit knallharten Verbindungen ins gewaltbereite, militante Rechtsextremistenmilieu. Als Stammwählerschaft wird das nun schon postuliert. Fünf Millionen Nazisympathisanten hierzulande? Lassen wir WTG den Abschluss singen: "Ich hab' in meinem Leben ein paar Nazis verprügelt. Aber bin nicht stolz darauf, weil das noch lange nicht genügt."
Stimming x Lambert
(sb) Den Pianisten Lambert habe ich in den vergangenen Monaten dank seiner Zusammenarbeit mit Anna Ternheim für mich entdeckt und bin schwerstens entzückt. Zu meiner Schande muss ich jedoch gestehen, dass mir Stimming bis dato völlig unbekannt war. Gut, verwundern tut es mich nicht, denn er ist im Genre Deep House verankert, das bei mir ungefähr so angesehen ist wie Rosenkohl. Aber man soll ja alles mal probieren und mit einer Prise Lambert schmeckt Stimming sogar richtig toll. Also im übertragenen Sinne natürlich... Das Album Positive (VÖ: 15.10.) ist dabei keineswegs die erste Kollaboration der beiden Künstler, die - trotz der konträren musikalischen Ansätze - bereits seit Jahren miteinander musizieren und 2018 eine vielbeachtete EP veröffentlichten. Ihrem neuen Werk sollte man dennoch völlig unvoreingenommen gegenübertreten. Da ich - wie oben erwähnt - Stimming nicht kannte, hatte ich mich auf einen klassischen oder maximal neo-klassischen Ausritt gefreut, bekam stattdessen aber elektronische Töne zu hören. Beim ersten Listening hatte ich dafür keinen Nerv. Also aus. Die Stunde des Albums schlug dann aber am vergangenen Samstag auf der morgendlichen Busfahrt vom Bodensee nach München. Kopfhörer drauf, Positive rein und genau mit dieser Stimmung an der Hackerbrücke wieder aussteigen. Perfekter Soundtrack. Gefällt sehr und inspiriert. Symbiose pur!
Juse Ju
(sb) Es tut mir ja im Herzen weh, dass JuNi, das neue Album von luserlounge-Liebling Juse Ju mangels zeitlicher Ressourcen "nur" in der Selektion landet. Ich nehme es vorweg: Es hätte einen eigenen Artikel erwähnt, in dem wir dem Künstler, seiner Musik, seiner Einstellung, seinen Ideen und generell seiner Art und Weise huldigen. Ja, wir mögen Juse Ju schon sehr und sind immer wieder erstaunt, wie er es schafft, noch besser zu werden, wenn wir ihn doch gerade erst für sein bis dahin bestes Album gelobt haben. Aber es ist nun mal so... Auf JuNi übertrifft Juse sich mal wieder selber, auch wenn es etwas seltsam erscheint, Tracks auf einem neuen Album zu hören, die man aufgrund der innovativen Veröffentlichungsstrategie des Künstlers schon seit vielen Monaten kennt. Aber who fucking cares, wenn man die Tracks nochmal neu und im Kontext des ganzen Albums wiederentdecken darf? Eine kleine Frage, Gleisbett, Legit, Mittelschicht Männers, Der Gargoyle - das ist einfach wahnsinnig stark, was Juse Ju da in den Ring schickt. Und auch seine Gäste, u.a. Milli Dance und Fatoni, tragen ihren Teil dazu bei, um JuNi zu einem herausragenden Werk zu formen. Absolut ein Kandidat für die Bestenlisten zum Jahresende!
Calman
(sb) Erst ein fantastisches Album über Verantwortung, jetzt eins über Freiheit. Calman packt die großen Themen an und er macht das gut. Unaufgeregt. Der Rapper lebt in Berlin. Er erlebt in Berlin. Den Wandel, jeden Tag. Er fühlt sich eingeschränkt durch die Mietzahlungen und schätzt doch die Freiheiten, die ihm die Multimillionenstadt bietet. Die ihn so sein lässt, wie er ist. Die Anonymität und Individualität gleichermaßen fördert. Auf Drei Liter (VÖ: 29.10.) präsentiert sich Calman einmal mehr als aufmerksamer Beobachter, als Geschichtenerzähler, der es nicht nötig hat, sich eine Maske vors Gesicht zu halten. Extrem wortgewandt zeichnet er ein Bild seines Umfelds, der Gesellschaft mit all ihren Facetten. Der politische Exkurs Kann nich will nich werd nich darf dabei gerne als Höhepunkt erkannt werden, denn jede einzelne Aussage in diesem Track bringt es unumwunden auf den Punkt. Natürlich wird auch das Thema Freiheit auf Beziehungsebene auf diesem großartigen Album behandelt und spricht wohl dem ein oder anderen aus der Seele. Tut mir einen Gefallen: Kauft dieses Album, es lohnt sich!
Lina Maly
(sb) Ich mag Lina Maly ja sehr gerne. Für mich hebt sie sich positiv aus der Masse der deutschsprachigen Sängerinnen/Songwriterinnen ab und ich kann noch nicht mal genau beziffern, woran das liegt. Vermutlich einfach Geschmackssache und ihr sympathisches, unprätentiöses Auftreten. Auch ihr neues Album Nie zur selben Zeit (VÖ: 29.10.) unterstreicht diesen Eindruck und festigt ihre Position. Die Liebe blüht, Wo sind die Jahre hin - großartig! Auch Jeder weint, die Kooperation mit Disarstar, ist ein Highlight. Und trotzdem: Zu 100 % überzeugt mich das Album leider nicht, weil einige Tracks dann halt doch ins Belanglose abdriften und zu sehr aufs Mainstream-Radiopublikum abzielen. Vermutlich noch nicht mal bewusst, aber da fehlt mir das Maly'sche Alleinstellungsmerkmal. Vielleicht hatte ich aber auch nur zu sehr gehofft, dass ein bisschen mehr vom Spirit der Zusammenarbeit mit Dead Rabbit ins Album einfließt...
Liotta Seoul
(sb) Wer hat nochmal gesagt, Grunge sei tot? Der- bzw. diejenige kennt auf jeden Fall Liotta Seoul nicht, denn die Band, die 2017 in Koblenz gegründet wurde, klingt wie straight outta Seattle Anfang der 90er. Sprich: leider geil! Ihre Cool EP (VÖ: 01.10.) umfasst zwar nur vier Songs, aber die haben es in sich. Mein persönlicher Favorit ist der Abschlusstrack Airplane, der an Melodramatik kaum zu toppen, von Emotionen durchzogen, aber schlicht und ergreifend auch eine verdammte Rock-Hymne ist. Ein würdiges Ende für eine unverschämt eingängige EP, die sich wochenlang im Gehörgang festsetzt. Mitsingen, Tanzen und Kopfnicken garantiert!
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