446 Seiten lang liest man von Drogen, Scheitern, Gewalt und Sex. Was in der durchschnittlichen Hooligan-Biographie dazu führen würde, dass sich der Protagonist als der größte Hecht im Karpfenteich fühlt, wird bei Mark Lanegan komplett anders aufgezogen. Klar, auch Langean geht darauf ein, warum er so ist, wie er eben ist. Seine Sozialisation war keinesfalls problemfrei, ein Einzelgänger und Sonderling war er von klein auf. Mit Drogen und Gewalt kam er bereits früh in Berührung, sein großes Ziel war schon früh, seine Heimat Ellensburg zu verlassen und alle Brücken hinter sich zu verbrennen.
Die Band Screaming Trees bietet ihm als Sänger diese Möglichkeit, die nächste Station heißt Seattle. Die dort aufkeimende und Anfang der 90er explodierende Grunge-Szene katapultiert auch die Screaming Trees ans Licht der Öffentlichkeit. Trotz ihres Überhits Nearly Lost You vom Soundtrack des Filmes Singles und zahlreicher TV-Auftritte bleiben die Trees stets im Schatten von Bands wie Nirvana, Soundgarden, Pearl Jam oder Alice In Chains.
Mit einigen anderen lokalen Musikern verbindet Mark Lanegan mehr als nur eine Freundschaft. Ob Kurt Cobain, Layne Staley oder Courtney Love - sie alle hängen mit dem hochcharismatischen und völlig unberechenbaren Lanegan an der Nadel. Heroin, Crack, Alkohol, Kokain - es gibt kaum etwas, was Langean seinem Körper nicht angetan hat und es grenzt an ein Wunder, dass der Musiker noch lebt.
Mark Lanegan macht kein Geheimnis daraus, dass er dem Tod mehr als nur einmal von der Schippe gesprungen ist. Sowohl bei der Drogenbeschaffung als auch beim Konsum selber stand es des Öfteren Spitz auf Knopf. Als Außenstehender fällt es schwer zu verstehen, wie man sich und seinem Umfeld (Band, Freunde, Management,...) so etwas über Jahre hinweg antun kann und wieso es niemand ernsthaft versucht (geschweige denn: schafft), so auf Lanegan einzuwirken, dass er einen Entzug mit allen Konsequenzen in Erwägung zieht.
In seiner Biographie reiht Mark Lanegan mit einem zeitlichen Abstand von ungefähr 20-25 Jahren seine schwärzesten Momente aneinander. Eine Chronologie des Schreckens, der Verzweiflung, des Scheiterns. Viel Dunkel, wenig Licht. Und man wartet darauf, dass der Protagonist eines Tages elendlich verreckt - wohlwissend, dass er immer noch unter uns weilt und musikalisch noch immer zu den Schwergewichten zählt. Auch wenn Lanegan kommerziell nie zu den ganz Großen gehörte, so war er doch meist Liebling der Fachpresse, seine Stimme einzigartig. Ob er sich im Musik-Business mit seiner Biographie viele Freunde gemacht hat, weiß ich nicht. Zwar hat er wohl alle, die er hier als drogensüchtig bezeichnet (oder gar outet) im Vorfeld um Erlaubnis gebeten, doch auch darüber hinaus teilt Lanegan ordentlich aus. Besonders amüsant ist sein Rundumschlag über drei Seiten gegen Oasis-Frontmann Liam Gallagher, den er als Großmaul und Feigling darstellt.
Die Lektüre ist kräftezehrend, verursacht manchmal regelrecht Schmerzen und ist trotzdem - oder: genau deswegen? - ein Erlebnis. Schon erstaunlich, wie viele Möglichkeiten es gibt, Drogen von A nach B zu transportieren oder sie sich in den Körper zu pumpen. Trotz des düsteren Thematik gelingt es Lanegan, zu keiner Zeit langweilig oder ermüdend zu schreiben. Und ja: Es gibt ein Happy End...
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