Mittwoch, 10. Januar 2018

Feine Sahne Fischfilet - Sturm und Dreck

Foto: Bastian Bochinski
(ms) Feine Sahne Fischfilet. Die Band mit dem eigenwilligen Namen. Die Band aus dem Osten. Die Politpunks. Die mit dem dicken Sänger. Die mit dem Pfeffi-Fass auf der Bühne. Die, die auch tagsüber Pyro abfackeln. Die, deren Sänger letztens erst freigesprochen wurde. Die bislang wohl erfolgreichste und größte Band des Wahnsinnslabels Audiolith aus Hamburg, das dieses Jahr 15 Jahre jung wird. Die, die letztens Vorband der Toten Hosen waren. Die, die sich offen und stark in Mecklenburg-Vorpommern gegen Rechtsradikalismus und Nazis stellen. Die Band, die in Jarmen schon zwei Mal ein eigenes Open Air haben stattfinden lassen, bei denen beide Versionen relativ schnell ausverkauft waren. Die mit dem riesigen Komplett-im-Arsch-Tattoo-Banner auf der Bühne. Die, die im Bericht des Verfassungsschutzes standen und stolz drauf sind. Die, die sich 2007 formiert haben und zehn Jahre später die großen Hallen füllen. Die, die im Theater Rostock für 16 ausverkaufte Vorstellungen sorgten. Die, die gesellschaftspolitische Fragen in ihr musikalisch-künstlerisches Selbstverständnis mit großen Lettern eingebrannt haben. Diese Gruppe aus dem Rostocker Umland bringt diesen Freitag mit Sturm & Dreck ihr fünftes Album auf den Markt. Zwölf Lieder sind darauf, die die Bläser erklingen und die Verstärker aufdrehen lassen. Bei uns hat insbesondere die Information, dass die Scheibe von Tobias Kuhn - Monta, Miles (!) - produziert wurde, große Erwartungen geschürt.

Nun. Das erste, zweite, dritte und auch vierte Durchhören des neuen Materials ist mehr als eine herbe Enttäuschung. Und das liegt nicht an der musikalischen Qualität. Dass sie sauberen Trompeten-Punk ohne Schnörkel aber auch ohne qualitative Ausreißer nach oben machen, war vorher klar und gehört sicherlich auch nicht zum eigenen Anspruch. Von einer Band, die sich so stark politisch und sozial engagiert, darf man guten Gewissens Inhaltsstärke erwarten. Das war beim Vorgänger Bleiben oder Gehen schon nicht mehr ganz der Fall.
Übrig geblieben sind Durchhalteparolen wie bei einer mittelmäßigen Fußballkommentierung, Party, Saufen, Rausch, platte Sprüche, dümmliche Ansagen und maritimes Geschwafel. Einige Zeilen lesen sich so wie ein Bingo aus einem Best Of der straßen aus zucker. Viel Plauderei über die eigene Heimat, das Zuhause (gut gemeint). Dazu ganz viel Ohh, Ohh, Ohh...
Oh, man.

1. Zurück in unserer Stadt: Party, Vollrausch und Prügelei in der Heimat und pubertäres Anpöbeln der Burschenschaft.
2. Alles auf Rausch: Hier feiern sie den eigenen Erfolg und die gesteigerte Popularität. Das ist schön und gut und sei ihnen auch ohne ironischen Seitenhieb vergönnt. Das darf man wirklich raushauen.
3. Angst frisst Seele auf: Da sind sie. Die persönlichen Alleine-Sein- und Bleib-Stark-Sprüche, die man von den Vorgängeralben kennt. Puh...
4. Schlaflos in Marseille: Ein Lied aus der Kneipe. Genau da wird es sicher auch bald gespielt, nur leider nicht in den wirklich starken Läden. Zwei, drei dicke Sprüche vom Saufen und Rauchen und etwas Ohh, Ohh, Ohh und fertig ist das Feine Sahne Fischfilet-Lied zweitausendachtzehn. Zum Glück ist das nach zweieinhalb Minuten vorbei.
5. Zuhause: Die Diskussion um Heimat, die von Rechts dominiert wird, ist angebracht, um sie aufzunehmen und dagegen zu steuern. Das Video dazu ist brutal stark. Aber im Song bitte mit mehr Tiefe und Prägnanz und nicht mit: "Zuhause heißt, wenn dein Herz nicht mehr so schreit." 
6. Alles anders: Ein ruhiger Song und mit gut fünf Minuten Spielzeit der längste des Albums. Damit haben wir auch alle wichtigen Informationen zusammen.
7. Dreck der Zeit: Bislang der einzige wirklich politische Song, der zu finden ist. Mit ordentlich Dampf. Ein schönes, raues Punk-Brett!
8. Ich mag kein Alkohol: Der Titel ist so furchtbar schlimm. Bitte schnell skippen!
9. Suruc: Ein Lied über einen Anschlag, der in der Türkei vom IS verübt worden ist. Hier geht es wohl auch um die Schnelllebigkeit von Berichterstattung. Daher heben wir ruhigen Gewissens den Daumen!
10. Wo niemals Ebbe ist: Der Song könnte auch von Santiano (gibt es die noch?) geschrieben worden sein. Fehlt nur ein Akkordeon und Möwengeschrei im Hintergrund.
11. Wir haben immer noch uns & 12. Niemand wie ihr: Ach komm, die letzten beiden Songs haben auch wirklich gar nichts mehr zu bieten.

Der bittere Schluss ist, dass mit Sturm & Dreck Feine Sahne Fischfilet als politische Punkband leider irrelevant geworden sind und jegliche Kritik in den Liedern so dermaßen oberflächlich ist, dass sie schon nicht mehr ernst zu nehmen ist. Das heißt nicht, dass ihr Aktionen und Ansagen auf der Bühne obsolet werden. Warum sie diese Energie nicht in ihre Lieder stecken, bleibt ein Rätsel.
Einzelne Stimmen sagen, dass sie dadurch ihr Understatement halt unterstreichen und den Erwartungen politisch sein zu müssen einen Saufsong entgegensetzen. Das scheint mir nur ein an den Haaren herbeigezogener Grund, der Platte was Gutes abgewinnen zu wollen.

Live spielen die Sechs demnächst hier:
01.02.2018 AT-Linz, Posthof
02.02.2018 AT-Wien, Arena
03.02.2018 AT-Graz, PPC
09.02.2018 Leipzig, Haus Auensee
10.02.2018 Hamburg, Inselparkhalle
15.02.2018 Fürth, Stadthalle
16.02.2018 München, Tonhalle
17.02.2018 Wiesbaden, Schlachthof (Ausverkauft)
22.02.2018 Osnabrück, Hydepark
23.02.2018 Heidelberg, Halle02
24.02.2018 CH-Zürich, Dynamo
01.03.2018 Magdeburg, AMO
02.03.2018 Saarbrücken, Garage
03.03.2018 Dortmund, Phönixhalle
08.03.2018 Stuttgart, Im Wizemann
09.03.2018 Köln, Palladium
10.03.2018 Erfurt, Stadtgarten (Ausverkauft)
16.03.2018 Berlin, Columbiahalle (Zusatzkonzert)
17.03.2018 Berlin, Columbiahalle (Ausverkauft)
23.03.2018 Rostock, Stadthalle
22.-24.06.2018 Scheeßel, Hurricane Festival
22.-24.06.2018 Neuhausen ob Eck, Southside Festival
29.-30.06.2018 Chemnitz, Kosmonaut Festival





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