(sf) Was hat
man zu erwarten, wenn sich einige Mitglieder von NO DOUBT (die Älteren unter
Euch werden sich erinnern: „Don’t Speak“, "Just A Girl" und so…) und der Sänger von AFI
zusammentun, um miteinander zu musizieren? Der Begriff „Supergroup“ geistert
bei solchen Konstellationen in der Musikpresse immer ziemlich zügig durch den
Raum, aber wird das Quartett dieser Bezeichnung auch nur ansatzweise gerecht?
War NO DOUBT nicht in erster Linie Gwen Stefani, deren Schaffen auf Solopfaden
einfach nur als grausam zu bezeichnen ist und wo man froh ist, dass man von der seit längerer Zeit nicht mehr musikalisch belästigt wird? Oder standen die Herren Kanal,
Dumont und Young völlig zu Unrecht lange im Schatten ihrer Sängerin?
Klar ist: im
Hintergrund befinden sich die drei Musiker nachwievor, denn mit dem
charismatischen Frontmann Davey Havok (AFI, Blaqk Audio, XTRMST) ist die
Leaderrolle doch recht eindeutig besetzt, Überraschungen gibt es aber dennoch
reichlich. Doch dazu später mehr…
Die Frühphase
einer Band hat stets etwas sehr Romantisches. Die ersten musikalischen Schritte
sind meist von einem Gefühl der Unschuld, von Optimismus und allgemeiner
Verwunderung geprägt. Im Sommer 2014 begannen die No Doubt-Mitglieder Tony
Kanal (Bass), Tom Dumont
(Gitarre) and Adrian Young
(Schlagzeug) zusammen mit Sänger Davey
Havok Songs zu schreiben und Demos aufzunehmen. Ohne einer Menschenseele
(mit Ausnahme ihrer Lebensgefährtinnen) etwas davon erzählen, verzogen sich die
vier Musik klammheimlich in einen winzigen Proberaum in Los Angeles und
schraubten gemeinsam jenes gemeinsame Vehikel zusammen, das nun unter dem Namen
DREAMCAR an den Start geht.
Dumont erinnert
sich: „Es hat mich an die Anfangszeit von No Doubt erinnert, als wir in einer Garage in Orange County
gejammt haben. Es war dasselbe Gefühl von Freiheit - ohne Label, ohne Manager,
ohne Agent und ohne Roadies“.
„Eineinhalb
Jahre lang waren es nur wir vier, und wir machten Musik“, ergänzt Kanal. „Wir hatten die Chance, wieder
eine ganz neue Band zu sein. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Wir machten
nur Musik um des Musikmachen Willens.“
Als Havok die ersten vier Demos hörte, war
er sofort Feuer und Flamme. Der Sound versetzte ihn in jene Zeit zurück, als
von der New Romatic-Bewegung fasziniert war. „Es war sehr lustig, denn die
Songs griffen einen Aspekt meiner kreativen Inspiration und musikalischen
Sozialisation auf, der so direkt noch nie zuvor aufgegriffen worden war“, gibt Havok zu. „Einige der bedeutsamsten
musikalischen Momente in meinem Leben bescherten mir die ersten Kassetten, die
ich mir selbst kaufte, von Duran Duran und Culture Club.“
Insofern ist es
kein Wunder (und da sind wir bei den vorhin angekündigten Überraschungen), dass
das Debütalbum Vollgas auf der New Wave-Schiene abfährt, die man bei der
Bandbesetzung sicher nicht erwartet hatte. Die schimmernden Gitarren-Licks, der
perkussive Slap-Bass, die bombastischen Drums und die verträumte
Dancefloor-Seligkeit im unterkühlten Neonlicht sind Dreamcars Hommage an das Jahrzehnt von Boy George und „Back To The
Future“, betrachtet durch das Kaleidoskop von jahrzehntelanger Erfahrung im
Bereich Musikkreation und Fanbindung.
Schon der
Bandname bringt die Ambitionen der Vier auf den Punkt. „Dreamcar kündet von Nostalgie, doch genau, wie es sich der
Vergangenheit zuwendet, so sehr geht der Blick auch in Richtung Gegenwert und
Zukunft”, erklärt Havok. „Der
Name spiegelt Hoffnungen, Ambitionen und den Wunsch wieder, das Unerreichbare
zu erreichen. Es wäre toll, wenn die Songs das gleich täten.“
Aber tun sie das?
Die erste Single „Kill For Candy”
begeistert schon beim ersten Hören mit überschwänglicher Energie und bewusst
zuckersüßen Refrain. „Meine Texte sind immer von großer Ehrlichkeit“, erklärt Havok. „Dieser hier handelt möglicherweise
von der gefährlichen und ungesunden Sucht nach den süßen Dingen des Lebens.“
Das Album
pendelt zwischen nicht ganz salonfähigen Spoken-Word-Passagen im Stile von
Frankie Goes To Hollywood (wie z.B. bei dem Song „On The Charts“) und zarter Sehnsucht (wie bei dem
Synthesizer-umspülten „Slip On The
Moon“, auf dem Havok
fleht: „Just look for me, I will look for you“). „Born To Lie“ steigert sich von einer gehauchten Strophe zu einem
großen, hymnischen Refrain, der Opener „After
I Confess“ kombiniert hypnotischen Gesang mit luftigen
Soundlandschaften. „‘After I Confess‘ bringt
die Soundfarbe der Band auf den Punkt und sagt: ‘DAS ist Dreamcar’”, so Young. „Es war der erste Song, den Davey eingesungen hat.“
Man merkt der
Band ihren Enthusiasmus förmlich an, die Freiheit, das Losgelöstsein von
musikalischen Zwängen. Natürlich muss einem das Ergebnis nicht zwingend
gefallen und wenn man auf Rockmusik steht, wird man vermutlich enttäuscht sein.
Wenn man jedoch
gerne The Killers und Ähnliches hört, dann ist man hier genau richtig, denn die
Pop-Attitüde von DREAMCAR ist nicht nur radiotauglich (wird dort aber mit
Sicherheit nie gespielt werden), sondern zu keiner Zeit aufdringlich und dennoch
unterhaltsam.
Ich gebe es
ehrlich zu: ich hätte mir das Album nie gekauft, bin aber froh, es nun zu haben,
denn im Hintergrund läuft das Ding wahnsinnig gut durch und bietet durchaus den
ein oder anderen Mitsing-Ohrwurm à la „Kill For Candy“.
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