Donnerstag, 30. April 2015

Willkommen in der GefühlsLOTterie!


Privat
(sf) LOT? Nie gehört, oder? Dann habt Ihr aber den Konzertbericht von Olympique in Lustenau nicht wirklich aufmerksam gelesen, denn dort waren Lothar Robert Hansen und seine Band Support der Luserlounge-Lieblinge und wussten zu überzeugen. Kürzlich wurde der Spieß umgedreht und die Salzburger begleiteten die Leipziger als Vorband auf deren Album-Release-Tour quer durch Deutschland. "200 Tage" stieg prompt auf Platz 100 der Charts ein und das dürfte nur der Anfang des Aufstiegs sein.

Mit seinen 31 Lenzen zählt LOT-Mastermind Hansen zwar nicht mehr zu den ganz jungen Hüpfern im Business, bringt dafür aber viel musikalische Erfahrung mit und hat, wenn man sich seine Vita mal zu Gemüte führt, auch Einiges zu erzählen. Zu Beginn wurde ich in Lustenau nicht so wirklich warm mit der Art des Künstlers, doch im Endeffekt überzeugte mich dann doch das musikalische Potenzial und "200 Tage" wurde zum Pflichtkauf.

Nun ist das Album also da und siehe da: zum Vinyl mit superstylischem Cover wurde direkt noch die CD mitgeliefert. Das nenne ich mal nen tollen Service, denn diese in der Regel beigelegten Download-Codes (wenn überhaupt!) nerven auf die Dauer schon a bisserl... Dafür also schon mal einen Daumen nach oben!


http://www.intro.de/images/1/5/9/5/1/cover-lot-200-tage-main_image.jpg
Einsteiger ist das richtig starke "Du führst Krieg", dessen Video wir auch schon in der Luserlounge gepostet hatten. Die Thematik der gescheiterten Beziehung zieht sich wie ein roter Faden durch "200 Tage", wirkt aber zu keiner Zeit aufdringlich, ausgelutscht oder gar nervig. Im Gegenteil: LOT verstehen es, Gefühle facettenreich auszudrücken und den Zuhörer Teil des Ganzen werden zu lassen.

Bei "Es geht nie vorbei" und "Ich schlag mich durch" gibt sich Hansen kratzbürstig und kämpferisch und diese Rolle steht dem Leipziger, der in seinen Hochzeiten in mehr als zehn Bands gleichzeitig aktiv war, richtig gut.

Selbstmitleid ("Messer im Rücken") wandelt sich in Euphorie ("Warum soll sich das ändern") und erreicht in der Albummitte den Höhepunkt, der auch live richtig gut beim Publikum ankam und zum Tanzen animierte.

Diese Stadt, diese Nacht, durchgemacht -
warum soll sich das ändern?
Das Gefühl, wenn Du lachst, wenn Du weinst -
alles ist im LOT!
Warum soll sich das ändern?

Einem schmerzhaften Ausflug auf den "Ponyhof" folgt einer erneute Abrechnung mit einer Ex; "Lass es brennen" spricht das aus, was sich wohl jeder nach einem Liebes-Aus schon mal gewünscht hat: einfach mal alle Erinnerungen in Flammen aufgehen lassen, um die Angelegenheit endgültig zu beenden.

"Packe meinen Kram" beschreibt eine Mischung aus Flucht und Aufbruch, "Roter Teppich" hingegen spendet Trost und klingt dennoch irgendwie boshaft.

Zum Abschluss haben LOT "Kein Bock mehr auf traurig" und präsentieren den wohl persönlichsten Song des Albums. Die erste Strophe zieht ein Resümee des bisherigen Lebens von Lothar Robert Hansen, die zweite hingegen wirft einen Blick auf die Gegenwart und Zukunft und die soll dann bitteschön doch rosig sein.

Es sei Lothar und seinen Jungs gegönnt, denn "200 Tage" ist ein abwechslungsreiches, tanzbares, textstarkes und insgesamt durchgehend überraschend starkes Album. Ich hatte einiges erwartet, wurde aber in der Tat noch positiv überrascht.






Mittwoch, 29. April 2015

Vierkanttretlager - "Krieg & Krieg"

vierkanttretlager.de
(ms) Moin Moin. Der raue Norden. Steife Brisen. Sturmflut. Wasser peitscht ins Gesicht. Schiffe, Boote, rudern, steuern. Fischbrötchen. Dialekt. Gemütlichkeit. Teetied. Kluntje. Nordsee. Ostsee. Urlaub. Friesengeist. Strand, Meer, Wellen. Unendliche Weite. Shantychor. Jever. Flens. Norden der Welt. Fällt noch jemandem spontan was zu Norddeutschland ein? Hm, Helmut Schmidt vielleicht.
Oder Husum. Oder Vierkanttretlager.
Stark, nicht beim Schreiben vertippt. Was ist das für ein Name? Ein Vierkant Tretlager kann man ans Fahrrad schrauben als Umsetzung vom Kettenantrieb zum Rad als solches. Richtig erklärt?
Vor drei Jahren haben sie - damals noch zu viert, jetzt zu dritt - mit ihrem Erstling "Fotoalbum" auf sich aufmerksam gemacht, bei Raab gespielt, Touren, Clubs und Festivals abgeklappert.
Mit "Krieg & Krieg" ist seit drei Wochen ein neues Album zu haben. Wir haben es Song für Song durchgehört:

1. "Krieg & Krieg": Direkt zu Beginn die volle Wucht. Starke Gitarren und gute Texte kommen entgegen. Die etwas melancholisch-rockige Marschroute ist vorgeschrieben. Starker Einstieg zum Album, wenn dein Feind dich zart berührt! Unter drei Minuten Rock-Brett mit etwas rauem Gesang.


2. "Lass uns den Verstand verlieren": Woher haben die das Gitarrenriff kopiert? Ich komme nicht drauf. Erinnert an Findus' "Hafen City". "Bis wir tot sind leben wir für immer": schlaue Anmerkung oder stumpfe Parole? Ich kann mich nicht entscheiden. Auf jeden Fall geht's laut weiter!

3. "Blumenkränze und Applaus": Jetzt wird zurückgerudert. Klaviertöne, etwas Ruhe. Kommt zu einem guten Zeitpunkt. Die Thematik Tod und Leben zieht sich weiter durch die guten und feinsinnigen Texte, die etwas nah am menschlichen Wesen haben: sehr zugänglich, viele Sprüche zum tätowieren.

4. "34 Narben": Guter Beat, geht nach vorne mit treibenden Drums und durchgehenden Gitarren, zudem leichte Synthie-Einspieler. Zwischen Küssen und der Definition von Glück bewegt sich hier ein toller Indiepop-Song!

5. "Kaktusblüte": Die zweite Single aus dem Album, die auch ein Video bekommen hat, beide Male hat Jonas Vahl Regie geführt. Es herrscht wieder Ruhe und die Stimme von Max Richard Leßmann steht markant im Vordergrund. Ein Song zwischen Verzweiflung, Einsamkeit und Hoffnung auf die neue große Liebe. Der Ort der Kaktusblüte als neuer Ort, wo der Pfeffer wächst?

6. "Wer tot ist": Die schnelle Essenz und Erkenntnis: "Wer tot ist, der gewinnt." So makaber und düster ist die Musik gar nicht. Hier darf man sich die Frage stellen, was den Texter treibt. Todessehnsucht à la Ingeborg Bachmann? Es bleibt Spekulation.

7. "Butterfahrt nach Camelot": Hier finden Sie den besten Titel eines deutschsprachigen Indiesongs seit langem! Hier werden sowohl Erich Kästner und Johann Wolfgang von Goethe zitattechnisch umgedichtet und erweitert. Gute Gitarrenwände, aber schleicht sich gerade eine gewisse Eingängigkeit ein? Mit dem Riff am Ende auf keinen Fall!

8. "Der letzte Satz der Welt": Es geht zurück zur klassischen Aufmache eines Songs mit allem was dazugehört: Solo, Gitarre, Bass, Schlagwerk, Gesang. Der leise Verdacht, dass der Songs Füllmaterial ist, aber vollkommen okay. Kann mir vorstellen, dass er live gut kommt.

9. "Jetzt für immer": Etwas holperig kommt der vorletzte Track daher. Inhaltlich ein Mix aus Eskapismus und Endzeitapokalypse. Die musikalische Brüchigkeit ist dabei mit Sicherheit beabsichtigt.

10. "Schweigen": Der letzte Song steht ganz in der Tradition nordischer Textkunst à la Element of Crime, Uhlmann oder Wiebusch: intensiv, gefühlvoll, persönlich, direkt und das Ganze mit der Akustikgitarre begleitet. Ein sanfter Abschluss eines gelungenen Albums! Sehr abwechslungsreich, die Stärken in den Texten und den lauten Songs. Man kann nur hoffen, dass die drei die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen!

Montag, 27. April 2015

Calexico - "Edge of the Sun"

casadecalexico.com
(ms) Als ich mitbekommen habe, dass Calexico via einem meiner Lieblingslabels, CitySlang, ein neues Album rausbringen werden, habe ich mich irre gefreut. Seit ein paar Jahren haben die Herren aus Kalifornien, Mexiko und ja, Deutschland mich mit ihrem Mariachi-Folk-Polka-Gitarrenpop gepackt und in ihren Bann gerissen. Letztes Jahr habe ich sie endlich beim Juicy Beats in Dortmund live sehen können und war total begeistert. Nicht nur musikalisch top und in etwa so, wie ich es mir vorgestellt habe, sondern einfach auch irre sympathisch, man hat in ihren Gesichtern gesehen, wie viel Spaß beim musizieren sie haben.
Vor ein paar Wochen kam nun mit "Edge of the Sun" das siebte richtige Studioalbum raus, nebenher haben sie immer in unterschiedlichen Projekten und in anderen Konstellationen Tonträger veröffentlicht, doch der Name Calexico blieb haften und damit haben die offiziell sieben Männer einen festen Platz im internationalen Business gesichert, immerhin sind sie jetzt auch seit zwanzig Jahren im Geschäft. Aber keinerlei Anzeichen, sich zur Ruhe setzen zu wollen. Innovation steht stattdessen im Vordergrund, etwas mehr herumexperimentieren und ein paar neue Klangfacetten ins Werk einfließen lassen. Denn wenn wir ehrlich sind, dann kann man ein relativ einfaches Rezept für einen klassischen Calexico-Song oder -Album aufbauen: sanfte Gitarre, leichte Percussion, irgendwann setzt Gesang ein, dann Trompeten, irgendwann singt wer auf Spanisch, es klingt nach einer langen Autofahrt in der Wüste: ein bisschen gewöhnlich, ein bisschen spannend und geheimnisvoll, voller Weite und mit einem Hauch Exotik.


Und so ähnlich klingt auch der neue Silberling, oder wer Glück hat, eine farbige Vinyl erwischt hat; laut meinem Plattendealer sei diese Extended Version recht schnell beim Label ausverkauft, was auch den aktuell höchsten Einstieg der Band in die deutschen Mediacontrol-Charts mit Platz 6 beweist.
Doch die große Vorfreude auf das Album wurde nach dem ersten Hördurchgang getrübt. Es fehlt im Gesamteindruck an Flow, Drang, Dramatik, etwas strengeren Rock-Gitarren. Zu viel seichter Folkpop, zu wenig Trompeten, zu wenig Dunkles und Geheimnisvolles im Klang. Und das fast schlimmste: elektronische Einspieler, die die Bläser an einigen Stellen komplett oder zum Teil ersetzen. Nein, das musste nicht sein, damit schneidet man sich ins eigene Fleisch.
Das soll nicht heißen, dass die Platte eine komplette Enttäuschung ist, das auf keinen Fall. Sie hat auch ihre Stärken und Sternstunden, doch eben auch einiges, das ich einfach mal als Füllmaterial kennzeichnen würde. Die Single "Falling from the Sky" bedient zwar den elektronischen Ausflug, hat aber Groove und ein schönes, verwirrendes, außergewöhnliches Video mit José Gonzales in der Hauptrolle, dem ein seltsamer Außerirdischer im Hotelzimmer begegnet: klassischer Calexico-Song! "Bullets & Rocks" kommt auch noch gut daher, schöne Gitarrenlinien! Doch beim dritten Titel mit "When the Angels played" angekommen, tritt das oben geschilderte ein. Bei "Tapping on the Line" hört man tatsächlich so ein Beat-automatisches-Schlagzeug-Ersatz-Gerät, puh! "Cumbia de Donde" läd zum Tanzen ein, doch dieses Getute aus dem Sythesizer nervt ein bisschen. Mit "Beneath the City of Dreams" und "Miles from the Sea" liefern sie aber noch starke Songs, die es zu entdecken lohnt. Enden tut "Edge of the Sun" mit "Follow the River". Wie, wer denkt denn da an Lykke Li? Ich zumindest nicht; kleiner Musik-Scherz. Aber mit dem Titel schleppt sich das Album dem Ende entgegen.
Puh, naja. Man hätte auch die wirklich starken Songs zu einer EP versammeln und über das neue Konzept nochmal nachdenken können. Irgendetwas haben sich die Desert Rocker dabei aber gedacht. Es bleibt ein kleines Trostpflaster, dass sie wahrscheinlich live immer noch große Klasse sind.

Doch Stopp!
Hast Du dir eventuell auch die Doppel-Vinyl mit den sechs Bonus-Songs geholt? Dann weißt Du ja, dass auf diesen sechs Liedern die gesamte Stärke, der Druck und die Leidenschaft und ein grober Eindruck zum Gesamtschaffen der Band zu hören ist. Nicht nur ein Must-Have für Fans, sondern eine wirklich lohnenswerte Investition!


Sonntag, 19. April 2015

Record Store Day - Der Tag danach

Quelle: recordstoredaygermany.de
(ms) Mein Plattenladen des Vertrauens macht in der Regel am Samstag um 11 Uhr auf. Eine super Zeit, wer will denn auch früher raus? Doch gestern war nicht nur das etwas anders. Um halb zehn konnte man die heiligen Hallen von Green Hell (Münster) betreten: Es war Record Store Day. Wir müssen euch sicherlich nicht erklären, was das ist; zu den Pros und Contras kommen wir später noch.
Ich war gegen 10:20 Uhr anwesend und sah draußen eine Schlange bestehend aus fünf, sechs Leuten. Ich fragte, ob noch es geschlossen sei oder voll ist? Die Antwort war: Voll. Aber sowas von! Der Laden an sich ist schon nicht besonders groß, dafür aber sehr gut sortiert von HipHop über Indie, Hardcore bis Metal. Also hieß die Devise warten, immer einer raus und dann einer rein. Als es dann geschafft war musste man sich natürlich wie ein wildes Tier stürzen auf das, was angeboten wurde. Darauf haben die Läden nämlich keinen Einfluss. In meinem Fokus war die Kettcar Werkschau mit allen Alben auf Picture-Vinyl, natürlich ein Sammler- und Liebhaber-Stück: Leider nicht mehr vorhanden, Pech gehabt. Dabei konnte man aber zahlreiche Leute - überwiegend Männer zwischen Mitte zwanzig bis Mitte vierzig - sehen, die genüsslich die immer leerer werdenden Kisten durchstöberten, es ist immer wieder ein schönes Gefühl, das Spotify einem niemals bieten kann! Dennoch wurde ich mit der Olli Schulz- und der Wanda-Single glücklich, die für den gestrigen Tag gepresst worden sind.
Was mich etwas verwundert hat, war, dass keine großen Diskussionen oder Gespräche unter den Schatzjägern aufgekommen sind. Vielleicht war es das stille Staunen über den Andrang und den Zauber ein paar Habseligkeiten entdeckt und für sich gesichert zu haben...

Glücklich!
Na klar, es gibt viel Kritik am Record Store Day, der auch hierzulande 2007 das erste Mal abgehalten worden ist. Auf der einen Seite sind die Longboad fahrenden Rauschebartträger, die nur noch Vinyl hören, weil man das in Kreuzberg so macht (oder so) und auf der anderen Seite einfach große Freunde der Musik, Fans, Sammler, die es genießen eine gute Platte über eben jenen Spieler ablaufen zu lassen und sich dafür die nötige Zeit nehmen, nach einigen Minuten die Platte wenden, sich drüber freuen, wenn sie farbig oder in einer Special Edition erschienen ist, am besten limitiert, damit man zu den fünfhundert komischen Menschen gehört, die dieses Stück besitzen, wovon die meisten Ottonormalverbraucher noch nie gehört haben: Egal! Über eine bessere Hörqualität von Vinyl kann man streiten, die CD ist immer noch ziemlich tot, Downloads haben sich nicht wirklich durchgesetzt und die Streamingdienste erfreuen sich großem Zulauf, aber keiner Rendite. Der Vinyl-Markt hingegen steigt seit ein paar Jahren wieder, ist aber immer noch Nische.
Mit einem Tag im Jahr auf eben jene physischen Musikträger aufmerksam zu machen, ist doch prinzipiell eine gute Idee. Und auch, dass dafür extra ein paar neue Sachen erscheinen. Wobei: wenn man sich die Liste der Veröffentlichungen für dieses Jahr ansieht, dann gibt es doch einen großen Teil an Wiederveröffentlichungen (David Bowie, Pulp, Bee Gees, Bob Dylan, Frank Sinatra, ...). Viele kritisieren hier, dass eben diese Platzhalter die wenigen Vinylpresswerke mit Aufträgen überhäufen und kleinere Labels und Bands hinten anstehen. Ja, das mag sein, aber liebe Leute, das ist nur ein Mal im Jahr so. Als ob es zu Weihnachten immer einen kratzigen Pulli von Oma geben würde...
Noch mehr Kritik: Warner, Sony und Universal sind dieses Jahr Partner des Record Store Days. Hier berechtigt, muss man sich aber nicht drüber aufregen, kleinere Labels kommen ebenso zum Zug.

Also: Der Record Store Day ist eine schöne Einrichtung, wo jedes Jahr alle kleinen Plattenläden zum Mekka der Musikindustrie mutieren. Ein schönes Gefühl. Und an all die, die das doof finden: Ihr müsst ja nicht hingehen!

PS: Die Kettcar-Werkschau gibt's auch noch beim Grand Hotel van Cleef zu ordern!

Samstag, 18. April 2015

Fiva & Olympique: This Is The Reason I Came

(sf) Als ich mir Ende Januar mein Ticket für das Fiva-Konzert im Lindauer Club Vaudeville kaufte, war von Olympique als Vorband noch keine Rede. Wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt, war die Freude meinerseits natürlich riesig, als die Österreicher bestätigt wurden, denn eine recht viel geilere und sympathischere Kombination ist kaum vorstellbar. Und ich wurde nicht enttäuscht: großartig wars und selbst jetzt, Stunden nach dem Konzert, hab ich noch ein fettes Smiling im Gesicht und den Kopf voller Melodien.

Keine Ahnung, wie lange ich den Club Vaudeville schon kenne, aber 20 Jahre sind es bestimmt. Gestern war ich dann endlich das erste Mal selber da und habe mich von Anfang an wohl gefühlt. Politik ist allgegenwärtig und man kann sich sicher sein, keine rechten Spacken um sich zu haben, was die Laune augenblicklich hebt. Langsam aber stetig füllte sich der Barbereich (dieses Fidelio von der Härle Brauerei aus Leutkirch ist übrigens ein geiles Zeug...) und nach Öffnung der Halle strömten die knapp 500 Besucher rüber in die Halle, wo Olympique um 21 Uhr ihr Set begannen.

Flashback 1: Februar 2015, Lustenau - die Salzburger rocken den Carinisaal in Lustenau, überzeugen musikalisch, menschlich und haben eine sehr geile Videoinstallation am Start, die perfekt zur Musik passt und die Stimmungen ideal unterstützt. Ein überraschendes und überragendes Konzept für so eine Newcomer-Band!

Diesmal müssen Olympique ohne Leinwand auskommen, haben nur gut 30 Minuten Zeit und müssen
ein Publikum für sich gewinnen, das nicht ihretwegen da und eher rap-affin ist. Als wenn es nichts wäre, gelingt es der Band aber, die Leute zum Mitwippen zu bewegen und erntet weit mehr als nur wohlwollenden Applaus. Die Jungs habens einfach drauf und hätten sicherlich einige Shirts verkauft, wenn diese nicht im Schweizer Zoll hängengeblieben wären. Es ist schon erstaunlich, wie viele potenzielle Hits die mittlerweile zum Quartett gewachsene Band bereits jetzt im Repertoire hat und mit welcher Leidenschaft sie bei der Sache ist. Ich kanns nur immer wieder sagen: die können es auch international schaffen. Da verzeiht man Sänger Fabian sogar gerne, dass er Lindau mit Lustenau verwechselt...

Nach einer kurzen Umbaupause setzt der Beat ein, Nina, DJ Radrum und ihre tolle Band entern die Bühne und von der ersten Sekunde an herrscht Euphorie. Ich weiß nicht, wie Fiva das jedes Mal wieder schafft, aber man nimmt ihr die Freude einfach ab und zweifelt nicht einen Moment daran, dass sie ein riesigen Spaß an dem hat, was sie da macht.

Flashback 2:September 2014 - ein regnerischer Tag in Oberschwaben und ausgerechnet da fand das Umsonst & Draußen in Weingarten mit Fiva als Headliner statt. Lange haben wir überlegt, ob wir uns den Matsch, die Nässe und die Kälte antun sollen, fuhren dann aber doch und waren pünktlich da, als Nina die Bühne betrat. Und siehe da: der Regen hörte auf und die Party konnte starten.

Auch dieses Mal verwandelt Fiva den Saal in eine Partymeile, genießt jeden Augenblick und zieht das Publikum in ihren Bann. Man begegnet sich auf Augenhöhe und trotz reichlich Erfahrung im Business (Musik, Poetry Slam, Radio, TV) hat man zu keiner Zeit den Eindruck, Nina sehe sich als Star. Ganz im Gegenteil: sie verlässt zeitweise sogar die Bühne in Richtung Zuschauer, fordert zum Tanz auf, klatscht ab, lacht über sich selber und ist einfach bezaubernd. Ihr geniales Phantom Orchester hält ihr dabei 90 Minuten lang den Rücken frei, rockt den Club Vaudeville vom Allerfeinsten und brilliert, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen.

Man lacht mit Nina, vergießt bei "Dein Lächeln verdreht Köpfe" Tränen der Rührung, beim (aus meiner Sicht) Überhit "Phoenix" herrscht aufgrund der Thematik respektvolles Schweigen bis über den letzten Ton hinaus und bei "Einen Sommer lang nur tanzen" wird genau das getan wie lange nicht. Als bei der letzten Zugabe auch noch Julia Viechtl, ihrerseits einst Mitglied der Band Fertig, Los! die Bühne betritt und mit Nina ein Duett singt, ist das Glück perfekt! Schon damals sind wir ganz gut miteinander ausgekommen und ich habe mich riesig gefreut, sie nach Jahren - und dann auch noch so unverhofft - wieder zu treffen.

Nach dem Konzert wurde der Merch-Stand geplündert (Vinyl!) und auch beide Bands gaben sich ein Stelldichein, was von zahlreichen Besuchern zum netten Plausch genutzt wurde. Ich finde es jedes Mal wieder sehr toll, wenn sich Musiker nach dem Auftritt die Zeit nehmen, sich mit ihren Fans zu unterhalten und das auch noch über das bloße Signieren von Alben oder Shirts hinausgeht. Auch in dieser Hinsicht sind Olympique und Fiva etwas ganz Besonderes, denn alle Künstler waren mindestens eine halbe Stunde in Gesprächen beschäftigt, bevor sie sich ganz unprätentiös unters Partyvolk mischten.

Das Beste ist noch nicht vorbei und wir sehen uns wieder. Vielen Dank für diesen ganz besonderen Abend!


Sonntag, 12. April 2015

Live: Deichkind in den Westfalenhallen Dortmund

(cg) Gestern Abend fand das Deichkind Konzert im Rahmen der 'Niveau, weshalb, warum' Tour in den Dortmunder Westfalenhallen statt. Natürlich war die Luserlounge am Start und wir haben uns nicht lumpen lassen reichlich Bilder zu schießen und Eindrücke zu sammeln. Da blieb kein Körperteil trocken. Unseren Artikel über ihr neustes gleichnamiges Album findet ihr hier







Schon auf dem Weg zu den Westfalenhallen war klar, wer hinfährt und wer nicht. Unbeteiligte Passanten wunderten sich auf den Straßen und in der U-Bahn über die Flut an bunt bemalten, blinkenden und verkleideten Konzertgänger. Da kann man auch schonmal bei Regen und Sturm die LED-Sonnenbrille tragen.

Die Show war ausverkauft, dementsprechend war die Halle prall gefüllt und die Lufttemperatur nahm tropische Ausmaße an. Dichtes Gedränge, erste Bierlachen, Laute Stimmen, Brezel für 3€. Auf einer großen Leinwand auf der Bühne lief ein Film mit epischen Naturaufnahmen. Grüne Landschaften, Luftaufnahmen über tiefen Canyons und Tropische Pflanzen und Tiere. Dann die Deichkinder mit Dreieckshüten und viel Bier, Party Videos und Tourfotos. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, die Spannung stieg und dann, wumms, dröhn, Auftakt.


Jemand springt auf die Bühne, die ersten Beats von 'So ne Musik' erklingen und die Menge begann sich zu bewegen. Das Bühnenbild ist noch sehr schlicht, genau wie die Stimmung, die nicht so recht aufkommen will. Alles wirkt ein bisschen lieblos, die Band leiert die Songzeilen runter und es folgt das zweite Lied, 'Denken sie groß', einer der stärkeren Songs der neuen Platte.

Dienstag, 7. April 2015

Egotronic, "Egotronic, C'est moi"


(ms) Der zum scheitern verurteilte Versuch Torsun Burkhardt mit dem Sonnenkönig Ludwig XIV zu vergleichen oder gleichzusetzen. Nerdiges Geschichtswissen kombiniert mit nerdigem Indie-Musikwissen. Wir machen es trotzdem, denn es gibt guten Anlass, sich diesem Experiment zu widmen: Egotronic bringen ein neues Album raus, aber irgendwie tun sie das doch nicht.
Fakten zu Ludwig XIV: bekanntester französischer absolutistischer Herrscher, gelebt im 17. und 18. Jahrhundert, hat Frankreich zentralistisch ausgebaut, war privat wohl ein ziemliches Scheusal, war relativ machtgeil, dachte, er seit Gott.
Fakten zu Torsun Burkhardt: bekannter deutscher Electro-Punker, lebt seit dem 20. Jahrundert, hat den Electropunk geboren, feuert regelmäßig große Hits für die linke Szene aus dem Sprachrohr, privat sicherlich nicht ganz einfach, denkt, er ist Punk.

Egotronic sind seit Jahren eine feste Institution der Electro-Indie-Szene. Und das völlig zurecht; immer zwischen Partygesellschaft und antideutschen Parolen. Begonnen mit C64 Sounds sind sie jetzt im Punkrock gelandet. Oder waren sie das nicht immer schon? Torsun selbst, Kopf, Mastermind, Texter, Egotronic in persona, war in seiner Jugend schon Punk: schräge Kleidung, gefärbte Haare, das ganze Programm. Jetzt startet er den Versuch zu seinen großen Vorbildern musikalisch aufzuschließen. Und dieses lange aber konsequente Projekt lebt seit gut vier, fünf Jahren, als die ersten Songs mit lauter Gitarre aufgenommen wurden, statt sie rein am Rechner zu produzieren.
Letztes Jahr kam dann "Die Natur ist dein Feind" raus, komplett mit Band eingespielt.


2015: Neues Album. Staunen überall. Was ist da passiert? Arbeitswut? Workoholic Torsun?
"Egotronic, C'est moi" ist gewissermaßen ein Best of aus den ersten Jahren der Bandgeschichte. Es finden sich die großen Kracher, die eben auch live in den Bann ziehen, der Alben "Die richtige Einstellung", "Egotronic", "Lustprinzip", "Macht keinen Lärm", "Ausflug mit Freunden". Eingespielt wurde dieses Punk-Brett in den Brighton-Electric Studion, wo unter anderem auch The Cure oder Nick Cave Alben aufgenommen haben. Reihen sich die Wahlberliner in dort ein?
Das wäre zu weit gegriffen. Zum Teil ist auch diese Werkschau wie alle anderen Egotronic-Alben: Manche Songs sind Füllmaterial, andere sind so dermaßen stark, dass man nicht zu viel kriegen kann. "Maybe someday", "Berlin Calling" oder der Megahit "Raven gegen Deutschland" sind eher schwach, zu wenig Wumms. Dafür brettert der Bass, donnert das Schlagzeug und knallt die Gitarre mit den wummernden Synthie-Sounds neben Torsuns knarziger Stimme bei "Was solls", "Von nichts gewusst" und insbesondere bei "Pilze" so fett, dass man es dringend live sehen muss.

Was ist also davon zu halten?
Es ist ein konsequenter Schritt alte Songs im neuen Gewand rauszuputzen, nichts anderes ist schließlich auch Ziel dieser Platte gewesen. Es macht Bock, Laune, regt zum Moshen an, zu Hause oder in einem verschwitzten Club. Egotronic 2015, so laut wie nie! Erscheinen wird es am 17. April via Audiolith.

Anmerkung: Der Titel stimmt doch irgendwie ein bisschen. Egotronic war immer ein Soloprojekt, viele seiner Weggefährten wie Hoerm oder Endi haben es lange mit Torsun ausgehalten, aber sind dennoch ausgestiegen. Es ist zu hoffen, dass Chrü, Max, Reuschi und Kilian länger dabei bleiben.

Live geht's hier rund:
09.04 Heidelberg - Häll
10.04 Zürich - Stall 6
11.04 Chur - Selig
16.04 Hannover - Café Glocksee
17.04 Hamburg - Knust
18.04 Münster - Gleis 22
25.04 Berlin - Lido
30.04 Dresden - Scheune
01.05 Frankfurt - Zoom
02.05 Köln - Gebäude 9
15.05 Leipzig - Täubchenthal
16.05 Nürnberg - Club Stereo
22.05 Hünxe - Ruhrpott Rodeo
03.06 Paderborn - AStA Sommerfest
06.06 Hallau - GrüschFang
13.06 Hof - In.die Musik Festival
27.06 Chemnitz - Kosmonaut Festival
04.07 Oberhausen - Druckluft
11.07 Stade - Müssen alle mit Festival
24.07 Rostock - Rostock Rockt