Mittwoch, 20. August 2014

The Gaslight Anthem. Get hurt. Gefallene Helden?


Quelle: universal.de
(mb) Gaslight Anthem ist meine Lieblingsband. Spätestens seit ihrer zweiten LP „The 59  sound“. Diese rotiert  seit Ihrem Erscheinungsdatum in Endlosschleife auf allen meinen Devices. Komisch, wenn man über das neue Album der Lieblingsband, die eigentlich machen kann was Sie will und immer überzeugte, Folgendes konstatieren muss : „It just ain´t great“.

Mit regelmäßiger Verlässlichkeit betonte die Band bereits in den Monaten vor Releasedate, man habe sich verändert und probiere Neues aus, schließlich haben dies alle großen Bands die man bewundere, es so getan. So gesehen stellte die Band sich selbst auf eine Stufe mit den „ganz großen Bands“. Freilich grenzt das an Blasphemie. Denn The Gaslight Anthem wollte sich schon mit Album Nummer drei „American Slang“ auf die Stadionbühnen hieven. Es ist seither nicht gelungen. Die Luft im Rockhimmel ist dünn und es gilt sich zu unterscheiden, denn auch ein Engel im Himmel fällt niemanden auf.  Es ist  wie bei jungen Talenten im Fußball, die als der nächste Superstars angepriesen werden und dann als ewiges Talente jedes Jahr zu einer neuen mittelklassigen Mannschaft verliehen werden und schließlich mehr für Ihre Ekszesse als für Leistungen in den Medien gehuldigt werden. Die Band um Brian Fallon will Springsteen und Pearl Jam zugleich sein, etwas rockiger, poppiger, 80ies lastiger. Dabei verliert man die eigene Identität ein wenig,  kann sich schlussendlich dann aber doch nicht entrinnen. Die Gefahr an erzwungener Veränderung ist die, dass man  blind für sein bevorstehendes Unheil ist. Zu gewollt ist eben noch lange nicht gekonnt.

quelle: universal.de
Ich sage nicht, dass es wieder und wieder ein „59 sound“ werden soll, dass wäre musikalisch ohne jeden Zweifel vermessen. Man merkt, dass die Band sich verkopft hat. Das neue Album wirkt steif, fast kühl. Einfach spielen, rausgehen, Spaß haben hätte man sollen. Frei nach Kaiser Franz. Die neuen Eindrücke werden zwar mit simpler Rhetorik eingängig verpackt, melodisch verzettelt man sich allerdings in allzu vielen, nicht passenden Neuerungen. So passiert es, dass „Stay vicous“ ein zu sehr gewolltes Rockbrett geworden ist. Die schrammenden Gitarren animieren eben nicht zum Luftgitarre spielen, sondern der Audiotune Gesang – ganz ehrlich WTF! – wirkt abschreckend. SKIP. „1000 Years“ dümpelt im 80ies Kostüm vor sich hin, textlich süß, zündet aber einfach nicht. „Get hurt“ vermag durchaus zu überzeugen, bevor in weiterer Folge sich ein belangloser Song an den nächsten reiht. Hätte man The Gaslight Anthem so nicht zugetraut. Vor allem „Underneath the ground“ grenzt an Fremdscham und ist unaussprechlich schlecht geraten. Doch das Glück des Albums liegt in Ihren späten Tracks und liefert in der zweiten Hälfte die langersehnten Perlen. „Rollin and Tumblin“ ließ ohnehin schon vorab hoffen, „Selected Poems“ ist zwar ohne Zweifel ein wenig platt dennoch umreißt es ganz geschickt die mittlerweile zehnjährige Bandgeschichte. Ein absoluter Kracher ist dann schon die Ballade „Break your heart“. Geht unter die Haut, sehr emotional und fesselnd. Manchmal ist Liebe eben auch, diese zu verweigern, da man nur so glücklich sein kann. Nobel, wahr, selten akzeptiert. „Dark Places“ hat dann diese typische Hymnenhaftigkeit, die an melancholische Vorgänger ala  „Backseat“ erinnern. Verstärkt werden diese Mutmacher durch die drei Bonustracks, die dank der glatten Songstruktur zeigen, dass gerade hier nicht so viel versucht wurde sondern einfach der Spaß am Musizieren im Vordergrund stand: Gefällt!

Dennoch, die Band bleibt meine Lieblingsband. Ich habe zu den Songs geweint, gefeiert, gelacht, gesungen – alles immer höchst emotional. Das neue Album schafft es größenteils nicht mich mitzureißen. Trotzalledem werde ich weiterhin die Konzerte besuchen und versuchen die Band zu supporten. Unberechtigterweise löste auf Facebook die Werbemaßnahme der Band einen Shitstorm aus, als diese ihre Lieblingssongs als Soundtrack einspielten und dann Track by Track den Fans mit Video und anschließenden Downloadlink für das Audio bereitstellten – kostenpflichtig. Der Fehler: Man hätte es als Promotionstool nützen sollen, also kostenfrei. Dass die Reaktionen dann so negativ ausfielen und die Band es gesamthaft wieder offline nehmen mussten ist wohl vielmehr als Kritik am neuen Album als die Abneigung gegen den Mainstream und die Musikindustrie im Allgemeinen zu verstehen. Ein fader Beigeschmack bleibt, vor allem von sogenannten "Fans".
Eine Sakralisierung von Künstlern ist pubertär. Sie sind auch nur Menschen und keine gehaltvolle Lebenssinn Projektionsfläche, sondern müssen auch ihre Miete zahlen. Dass diese dann auch musikalisch etwas versuchen, damit sich scheinbar (weiter)entwickeln aber dennoch scheitern ist nur allzu menschlich. Die Toleranzgrenze bei den Fans ist eben nicht so hoch, denn there are plenty much more fish in the sea in the music industry Haifischbecken. In diesem Sinne wäre eine Rückbesinnung zu den Wurzeln, und nicht die Adaption der musikalischen Idole, vielleicht das Beste: sink or swim.

Montag, 18. August 2014

Taubertal Festival 2014. Gelebter Eskapismus.



(mb) Rothenburg ob der Tauber. Ein paradoxer Schauplatz, denn alljährlich verwandelt sich das Tal unterhalb des schnieke herausgeputzten Weltkulturerbe Städtchen zu einer Festivalwahnsinn  Tollwiese, bei der Heavy – Mettler zu Casper springen und graue Mäuschen bei Enter Shikari den Mosh Pit stürmen. Das Taubertalfestival. Sagenumwoben, als schönstes, idyllischstes Festival angepriesen, gemütlich und zugleich verrückt, so wurde es an meine Luser getragen. Und es stimmt was Sie über dich sagen.
Ich habe das vergangene Wochenende mal aufgenommen, press play:

Schwarze Becksverkäufer ohne Weed


Ankunft am Freitag. Die eingefleischten Fans waren vorab etwas erbost, da nicht wie üblich bereits am Mittwoch angereist werden konnte. Lärmschutz und so, Fucking Political Correctness ist echt überall. Wir brauchen alle mal wieder eine Meinung sag ich euch! Eine polarisierende, vor allem! Für mich als Taubertal Jungfrau war die Anreise stressfrei, Quechua Zelt elegant aus den Händen fallen lassen, erstes Dosenbier geöffnet und schon macht jeder Schluck Glück Glück Glück. In weiterer Folge haben wir konträr den ganzen veganen Hipster Trend den Grill ordentlich mit Kohle befeuert, dass unsere gierigen Schlünde ausschließlich Fleisch heruntergeschlangen. Daraufhin gab´s ca. zehn Bier, Details würde sämtliche Jugendschützer auf den Plan rufen. Gestartet hat das Festival mit dem Abstieg ins Tal vor pittoresker Kulisse und hochjubelnden Gefühlen bei Jimmy Eat World. Melancholische Erinnerungen aus Pickel pubertärer Vorzeit zogen bei „The Middle“ wie ein Film durch meinen Kopf, als  SkatePunk auch in bayrischen Vorstädten einzog, in denen niemand dir die Vorfahrt nimmt und die Jugend etwas frivoler und freier machte. Wieder zurück zur Story.
Schwarze Becksverkäufer jagten derart wuselig über das Gelände, das zu vermuten ist, dass ihr Gehalt nur mit einer adäquaten Menge verkaufter Becher rentabel ist. Anyhow, Me and the boys never had an empty glass of beer. Atemlos ging es weiter durch die Nacht, ehe der weite Aufmarsch zum Steinbruch uns doch ein wenig ermüden ließ, aber wenigstens war der Kaffee noch warm, verdammt.

Maulscheißvogel und Anker


Donnerstag, 14. August 2014

Open Flair 2014: Zum Geburtstag einen Brief


(ms) Liebes Open Flair,

Schon letztes Jahr habe ich dir einen Liebesbrief geschrieben. Bitte seh Dir diesen Text als die logische Fortsetzung an. Wie Du weißt, habe ich mir direkt nach dem Ende des letzten Flairs eine Karte für dieses Jahr besorgt. Also waren die Bestätigungen immer eine große und spannende Tüte voller Überraschungen. Viele davon waren etwas ernüchternd, andere haben mich glatt vom Hocker geboxt! Die Munkeleien über den Überraschungsheadliner, der sich bekanntlich als Rise Against entpuppt hat, waren extrem abenteuerlich. Für Dich, liebes Flair, freut mich diese europaweit exklusive Bestätigung natürlich sehr. Ich persönlich kann mit der Band wenig anfangen, aber Musik ist glücklicherweise Geschmackssache und so ist auch der Rückblick auf ein Festival stets ein subjektiver. So finde ich es nicht so schlimm, dass die Monsters of Liedermaching nicht gespielt haben, für andere ist das ein Schlag ins Gesicht. Und so geht das bei jeder Band weiter…

Fangen wir am Donnerstag an.
Wir haben nur Madsen um halb eins gesehen, aber das hat sich dermaßen gelohnt. Ein grandiose Liveband, die genau weiß, wie man das Publikum mit Ansagen, starken Songs und Spielereien auf ihre Seite zieht. Freundliches Gepoge, Springen und kräftiges Mitgegröhle bieten einen idealen Start in ein tolles und noch sehr trockenes, sonniges Wochenende.

Annenmaykantereit im E-Werk
Und so steht man einigermaßen fit und ausgeschlafen morgens wieder auf mit Dosenfutter und –bier. Der Baggersee lädt mal wieder zum Verweilen ein bis wir uns gegen zwei Uhr auf den Weg machen. Jetzt kommt’s: Ich wollte immer schon zum Comedy-Programm und hab es dieses Jahr erstmals geschafft. Aber viel besser ist fast, dass auf dem Vorplatz des Kleinkunstzelts eine Zweimannkapelle mit einer Horde Gänsen unterwegs waren, die eifrig gefolgt sind. Finde ich super! Im Zelt war die Luft – vorsichtig ausgedrückt – nicht sooo gut. Dafür hat Markus Barth für Krämpfe der Lachmuskulatur gesorgt. Danach haben Kmpfsprt eher ein bisschen enttäuscht (Thema Geschmackssache!). Nach dem Grillen stand eine üble Entscheidung auf dem Plan. Vorweg: Broilers wollte ich sowieso nicht sehen. Aber gleichzeitig traten Spaceman Spiff, Jupiter Jones und Florian Schröder auf. Nach Zögerei haben wir uns für den werten Spiff entschieden und der Besuch im schönen E-Werk bei mittelgroßem Publikum hat sich gelohnt! Ein tolles Konzert, das leider etwas verspätet anfing. Thema Casper: Entweder mag man ihn oder nicht. Ein Zwischending kaum vorstellbar. Ich mag ihn nicht und fand den Auftritt entsprechend mies. Wobei die Show an sich schon nicht verkehrt war. Für Labrassbanda wollten wir uns nicht in die extrem lange Anstehschlange stellen, was sicher keine gute Idee war, nach dem was man so gehört hat…

Maxim auf der Freibühne im Baumkreis
Samstag das erste Mal das Fast Forward Theatre gesehen. Ich mag Impro-Theater und entsprechend gut hat mir das gefallen bevor ich das wohl beste Konzert auf dem Open Flair innerhalb von sechs Besuchen gesehen habe. Man schrieb Samstag, 17 Uhr, E-Werk. Eine beachtlich große Menge an Menschen wollten die großartigen Annenmaykantereit sehen. Zurecht. Der Sänger hat mit seinen Anfang Zwanzig eine Tom Waits-ähnliche Stimme. Wahnsinn! Dazu noch diese Texte! Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus! Nächstes Jahr bitte Mainstage, Leute! Danke für dieses Booking!
Der gute Eindruck hatte auch einen langfristigen Effekt, denn Maxim war relativ enttäuschend, der Sound nicht so gut und die Lieder doch sehr eingängig. Dafür dass er früher mal Reggae gemacht hat, hätte er für mehr Stimmung sorgen können.
Aber dafür sind S 3 E D – Seeed – aus Berlin ja gekommen. Mit einem wahnsinnigen Bühnendesign und einer ebensolchen Show sind sie ein würdiger Headliner für den Samstag gewesen. Nachdem die Open Flair-Besucher Peter Fox bereits solo gesehen haben, war die Bestätigung von Seeed eine gute Wahl. Danach noch KAKKMADDAFAKKA. Einfach eine geile Band, die Bachgroundtänzer sind eben schon zwei heiße Typen. Da kann man nix sagen. Leider hat man währenddessen Steel Panther verpasst, die nach Hörensagen schon sehr amüsant und unterhaltsam gewesen sein sollen.

Rise Against als würdiger Abschluss auf der hr2-Bühne

Nach dem Aufstehen schmerzt es schon ein wenig, dass schon wieder der letzte Tag ist. Was soll denn das? Das geht mir alles zu schnell. Daher möchte ich Dich nochmals loben. Für die tolle Organisation. Für die wunderbaren, verrückten Menschen, die du anlockst. Für die phantastische Stimmung, die nicht ablässt. Für die Stadt, die einfach mitmacht. Für das abwechslungsreiche Programm. Für die Etablierung der Seebühne. Für die besten Securities, die kleinen, schmalen Mädchen aber auch großen, breiten Männern helfen. Oder sich über sie lustig machen. Beides voll okay. Klar auf das Wetter am Sonntag hast du leider (noch) keinen Einfluss. Daher war es bei Feine Sahne Fischfilet noch angenehm. Und das Konzert war ein Kracher, die Band offen antifaschistisch, wasted in Jarmen und komplett im Arsch. Und betrunken. Danach ging einfach für zwanzig Minuten die Welt unter und es hat Apologies, I have none leider getroffen mit dem Stromausfall. Passiert, kann man nix machen. Gesehen haben wir dann noch Jimmy Eat World, die ich extrem langweilig fand, die aber auch nicht mit dem Publikum kommuniziert haben. Schlussendlich haben Rise Against den Sack zu gemacht. Obwohl die Band mir persönlich eher unbekannt ist, haben sie eine gute Show geliefert, angereichert mit politischen Statements. Und vor der Bühne ging es richtig ab! Das beste war natürlich deren Geste, dass sie zur Zugabe in Deutschland-Trikots wieder aufgetaucht sind. Was für ein tolles, faires und sportliches Zeichen!

Dann ging es mit durchnässten Schuhen, schmerzenden Gelenken und einem gefühlten Leberschaden wieder nach Hause. Winke Winke! Open Flair, Eschwege, ich mag dich echt. Und wir sehen uns nächstes Jahr wieder, ganz gewiss. Dass 16 Stunden nach Ende schon ein Viertel der Karten für kommendes Jahr weg sind, macht jetzt schon Laune!

Bis nächstes Jahr,
Deine luserlounge!