Donnerstag, 19. Dezember 2024

Live in Bremen: Oum Shatt

Foto: luserlounge 
(Ms) Ein Abend für den Rhythmus! Ein Abend mit Klängen aus dem Orient, Lateinamerika, Südeuropa. Ein Abend, in dem leicht anders gestimmte Gitarren, tanzender Bass und ein abgezocktes Schlagzeugspiel im Mittelpunkt standen.

Letzter Mittwoch, 11. Dezember. Es war richtig ungemütlich und kalt draußen, die Arbeitstage zehrten und zerren. Bald ist Urlaub, aber das Gefühl, mal raus zu wollen, ist sehr dominant. Ein Glück, dass eine richtig gute Band auf Tour ist und in Bremen Halt macht: Oum Shatt! Vor gut sieben oder acht Jahren wurde ich auf die Gruppe aufmerksam - Power To The Women Of The Morning Shift. Super Song, super Titel! Dieses Jahr haben sie ihr neues Album veröffentlicht. Opt Out war im Januar draußen und elf Monate später sind sie an der Weser. Es war eine spontane Entscheidung, hinzugehen. Und sie hat sich enorm gelohnt!

Rein in die Bahn und vom Bahnhof zu Fuß ins Viertel. Ab zum Lagerhaus. Um kurz vor acht war noch nicht viel los, 40 Leute waren vielleicht da. Circa das dreifache sollte es noch werden. Alle MusikerInnen, die noch auf der Bühne stehen würden, hätte ein Vielfaches an Aufmerksamkeit verdient. Von einem Support wusste ich erst vor Ort und der Name Saturno 4000 hat mich direkt angesprochen! Das internationale Quartett aus Berlin trug orientalisch anmutende Kleider, waren trashig geschminkt, versetzten das Publikum dann aber in Ekstase. Sie sangen auf Englisch, Französisch und Spanisch. Der Bass tanzte voller Leidenschaft, die Gitarre verzauberten die Ohren und das Schlagzeug hielt alles zusammen. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus - solche Musik habe ich noch nie gehört. Am ehesten erinnerten sie mich an Los Bitchos. Insgesamt gab es wenig Text, sie ließen ihre Instrumente singen. Wem das nicht direkt in die Hüfte geht, der ist ein waschechter Banause! Enorme Band, toller Auftritt, sollte man unbedingt abspeichern!

Starke Rhythmen und ein ganz hohes musikalisches Niveau sollten auch danach folgen. Man könnte bei leicht orientalisch angehauchter Musik ja durchaus über kulturelle Aneignung diskutieren. Man könnte das auch einfach lassen und die Klänge genießen, das ist ja viel einfacher! Und Genuss wurde groß geschrieben beim Auftritt von Oum Shatt! Insbesondere das Schlagzeugspiel von Chris Imler war ausgesprochen beeindruckend! Ohne solch versierte und versunkene Art des Rhythmus‘ wäre ihre Musik live sicher nicht möglich. Und so entfachten sie eine Menge Energie, das Publikum kam immer ein Stückchen näher und ließ sich wiederum immer mehr gehen. Das hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, wobei den Musikern auch anzusehen war, wie konzentriert sie bei ihren Songs waren. Da kann man sich auch schon mal verspielen… So sehr kenne ich mich mit den beiden Alben von Oum Shatt gar nicht aus, das war aber auch nicht so wichtig, denn das, was sie live abgeliefert haben, war einfach irre. Und schreit in jedem Fall nach einer Wiederholung. Ich freue mich auf die nächste Gelegenheit!


Dienstag, 17. Dezember 2024

Live in Hamburg: Tristan Brusch

Foto: luserlounge
(Ms) Ist er der letzte große Chansonnier? Oder der erste einer gänzlich neuen Generation von Musik und Text? Ist das Pop? Ist das der Rest? Ist das der Wahn?

Das, was Tristan Brusch künstlerisch darbietet, ist in jedem Fall sehr viel. Sehr umfangreich. Enorm intensiv. Mitunter auch verstörend. Aber vor allem ist das sehr, sehr gut. Allzu oft tritt er gar nicht auf. Hier und da ein paar Tourblöcke und der letzte zum aktuellen Album Am Wahn ging am Wochenende in Berlin und Hamburg zu Ende. Die Elbe ist nicht so weit weg, also ein ideales Ziel für ein Wochenendtrip!

Tristan Brusch also. Ohne ihm zu nahe treten zu wollen - er sieht ja schon etwas gruselig aus. Doch das Leopardenhemd stand ihm unglaublich gut. Doch fangen wir vorne an. Oder eher: außen. Am Samstag spielte er im Gruenspan. Ja, schon an der Großen Freiheit gelegen, aber der große Rummel liegt auf der anderen Straßenseite. Vielleicht ist der Gruenspan die schönste Konzertlocation, in der ich in den letzten Jahren war. Der geschichtsträchtige Ort ist hoch, toll gestaltet mit seinen Säulen und dem Oberrang (der an dem Abend aber geschlossen war). Berühmt war der Ort immer schon für seine Akustik. Das sollte sich auch am Samstagabend bemerkbar machen.

Recht früh, um viertel vor acht betrat Tristan Brusch ganz allein die Bühne, nahm die Akustikgitarre und versetzte die gut 500 Leute (amateurhaft geschätzt) ins Staunen. Oder in einen Schockzustand. Je nach dem… Ab diesem Zeitpunkt verströmten zwei Parameter einen ungeheuren Zauber: Seine Texte und seine Stimme. Die Texte sind enorm breit gefächert, kommen ohne viele Worte aus. Die, die da sind, sind aber extrem pointiert, erzeugen sofort eine Situation und verschiedenste Gefühle. Staunen, Schrecken, Glück. Seine Stimme, ein tiefer Bariton, weiß der Künstler genau einzusetzen! Nur wenige Male holte er die ganze Kraft aus ihr hervor. Doch in diesen Sekunden herrschte absolute Stille - das war enorm einnehmend, phantastisch! 
Sein Konzert war wirklich sehr kunstvoll. Das machte auch die Instrumentierung des Abends klar. Es fehlte: Ein Schlagzeug. Es gab kein klassisches Rhythmusinstrument, keine Percussion. Dafür zauberten seine drei Mitmusiker aus ihren Instrumenten aber die höchsten Töne. Was hat Tristan Brusch ein Glück, so eine niveauvolle Band zu haben! Sie spielen Kontrabass, Saxophon, Keyboard, Querflöte, Bassklarinette. Zu viert stellten sie ein kleines Kammerorchester dar. Der Clou: Der Rhythmus wurde reihum gegeben. Prädestiniert dazu ist in dieser Auswahl natürlich der Bass. Doch bei einem Stück hat auch das Saxophon den Takt vorgegeben. Das ist musikalisch absolut genial und sehr kenntnisreich arrangiert! Hier ließ sich große Kunst genießen und bestaunen!
Tristan Brusch ist aber auch Entertainer. Nicht alle Lieder sind schauderhaft, traurig oder tragisch. Es steckt mitunter auch Leichtigkeit, Witz und Nahbarkeit darin (Baggersee, Theo, Seifenblasen Platzen Nie). Auch ein Stück, das er zusammen mit Oehl geschrieben hat, sang er an dem Abend. Sie haben sogar ein Album aufgenommen, ich hoffe sehr, dass es irgendwann noch erscheinen wird.

Sehr gut kann ich verstehen, dass Tristan Brusch immer wieder in bestuhlten Hallen auftritt. Im Nachhinein hätte ich mir das auch gewünscht. Ja, das Publikum war schon sehr aufmerksam, aber es wurde schon etwas getuschelt. Sitzend, in einem Theater, wäre das sicher noch weniger geworden. Stille im Publikum, das hätte ich mir gewünscht. Das würde der Musik vorne noch mehr Kraft verleihen. Aber klar, wer mitsingen will, singt mit. Ist ja auch gut so,

So bleibt ein großartiger Konzertabend voller tragischer, schauriger, trauriger, toller, großartig getexteter Lieder und einem enormen musikalischen Niveau auf der Bühne!

PS: Ja, es gab auch einen Support. Das war Siggi. Sehr sympathisch, aber musikalisch wird bei mir nichts haften bleiben.

Sonntag, 8. Dezember 2024

KW 49, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: pngtree.com
(Ms) In den letzten Wochen habe ich American Psycho von Bret Easton Ellis gelesen. Und musste alle paar Kapitel fast zwischen die Seiten kotzen. Natürlich ist diese exzessive Art der Gewaltdarstellung ein großes Spiel und auch eine Analyse des American Dream, wenn auch sehr schräg und ekelhaft. Zwischendurch habe ich mich durchaus gefragt, warum ich das eigentlich noch weiterlese, denn so viel Handlung hat das Buch ja gar nicht. Es dreht sich ständig im Kreis: Ausführliche Schilderung von Kleidung und Markennamen, inhaltslose Smalltalkgespräche über die neusten Restaurants und den eigenen Wohlstand, eine völlige Abstumpfung, es geht um gar nichts mehr, weil man ja schon alles hat. Und dann halt als Gegenpol, als ultimative Spitze, das unendliche Massaker an meist jungen Frauen mit allerhand Werkzeugen und in einem irren Blutrausch. Puh, ich bin froh, dass das erstmal hinter mir liegt. Happy Advent!

Tunng
(Ms) Obacht, das hier ist richtig gut! Diese englische Band ist mir mit ihrem letzten Album zum ersten Mal über den Weg gelaufen und hat mich auf zauberhafte Weise mitgenommen. Die Musik von Tunng ist sehr klug. Aber nicht oberlehrerhaft oder unzugänglich. Im Gegenteil. Das Sextett macht zum Teil recht verschachtelte Musik, doch sie ist zugleich sehr eingängig. Das ist klug. Kluges Songwriting, in dem das Level des künstlerischen Schaffens gar nicht so offensichtlich ist, aber es dennoch auf sehr hohem Niveau geschieht. Nun veröffentlichen sie am 24. Januar ihr neues Album Love You All Over Again und es gibt schon diverse Singles. Everything Else kam diese Tage raus und es besteht aus vielen kleinen musikalischen Details, die sich übereinander legen und ein unglaublich wohlig, warmes Ganzes ergeben. Die Musik ist weich und umarmend, obwohl ein paar Geräusche gerne mal knarzen. Toll arrangiert! Dieses Album und diese muss man für das kommende Jahr auf jeden Fall auf dem Schirm haben - versprochen!



The Ocean & SIERRA
(Ms) Als ich Anfang September auf dem Hellseatic-Festival in Bremen war, wusste ich nicht, wie sehr mich dieses Wochenende nachhaltig beeindrucken würde. Natürlich kommt man auch mit ein paar Leuten ins Gespräch und so wurde mir The Ocean empfohlen. Tatsächlich habe ich diese Empfehlung ein klein wenig vergessen, bis mir eine Mail über die Band reinflatterte. Die Berliner Post-Metal (was auch immer das ist) Band arbeitet seit kurzer Zeit mit SIERRA zusammen, gegenseitig remixen sie ihre Songs und die Ergebnisse sind durchaus hörenswert! SIERRA hat sich dem Track Boreal angenommen und ihm eine satte, elektronische Tiefe verpasst! Klar, man könnte schnell an so Künstler wie Skrillex denken, aber das hier ist irgendwie weniger überbordend gemacht, sondern bleibt im Kern des ursprünglichen Liedes. Das ist richtig schlau gemacht, sehr feinfühlig und bedacht trotz (oder gerade wegen) aller Härte, die darin steckt!


Yann Thiersen
(Ms) Mal wieder auf der Suche nach Begriffen. Zahlreiche Male habe ich mich hier an Genre-Bezeichnungen aufgerieben. Zum Einen sind sie völlig wertlos, weil sie kaum eine Information mit sich bringen, zum Anderen helfen sie, Musik einzuordnen. Wenn dann ein Künstler in ein Genre eingeordnet ist, kann man ja einschätzen, ob das zu den eigenen Musikhörpräferenzen passt. Seit einigen Jahren lasse ich mich von allem mitreißen, was unter dem Namen Neo-Klassik erscheint. Die Klangpalette, die sich dahinter verbirgt, ist enorm! Es sind nicht nur einfach etwas modernere Etüden. Es ist ein Spiel. Oft ein Spiel mit dem Klavier und seinen Möglichkeiten. Hauschka zum Beispiel. Wie breit das Genre ist, zeigt Martin Kohlstedt auf beeindruckende Weise. Sind einige seiner Platten sehr ruhig, will ich live dazu tanzen, da es dann in Richtung Electro geht. Beides zusammen bringt jetzt Yann Thiersen. Und das auf ebenso eindrucksvolle Art - auf einem Album! Rathlin From A Distance | The Liquid Hour kommt am 4. April raus und ist ein zweigeteiltes Werk, wie der Titel schon vermuten lässt. Die eine Seite ist ein melodischer Ausflug auf den sanften Saiten (haha) des Klaviers, die Andere geht satt in die elektronische Tiefe und ist zum Teil etwas ungemütlicher. Beide Facetten auf einer Platte. Das bringt zusammen, was der Franzose seit vielen Jahren macht. Wieso nicht auf Platte?! Eben, wird die beeindruckende Antwort sein.




Donnerstag, 5. Dezember 2024

Thees Uhlmann - Sincerely, Thees Uhlmann - Das Beste Von Tomte Bis Heute

(Ms) Lieber Thees Uhlmann,

Wir kennen uns nicht persönlich. Doch ich bin dir schon zahlreiche Male begegnet. Sowohl in deinen Liedern als auch live. Seit gut 30 Jahren machst du Musik, ich bin gerade mal 34 Jahre alt. Dennoch begleiten mich deine Texte seit einiger Zeit. Meistens tragen sie mich oder sie intensivieren einen bestimmten Moment. Dafür möchte ich dir hier, anlässlich zu deiner Werkschau, Danke sagen!

Einmal, nach einem Marcus Wiebusch-Konzert im Bürgerhaus Stollwerk, Köln, sprach ich dich an. Einfach nur so. Und du antwortest: „Bevor man sich duzt, muss man sich erstmal siezen.“ Das hat mich an diesem Abend ganz schön verwirrt, aber es ist auch so ein typischer Uhlmann-Satz: Es ist nicht ganz klar, ob das ernst gemeint ist oder ob danach ein keckes genial kommt. In dem Moment wirkte es aber schroff, ich war irgendwie perplex, konnte aber gut damit umgehen und siezte danach ein paar Künstler, mit denen ich sprach, bis ich merkte, dass der Satz völlig bescheuert ist. Das war am 3. Mai 2014, zehn Jahre her.
Am 1. Januar 2024 warst du auch im Knust als Gast bei Kettcars Neujahreskonzert. Wir standen schräg vor dir und ich munkelte, ob ich dich danach ansprechen könnte. Aber ich habe es gelassen. Nicht aus dem oben genannten Verwirr-Grund, sondern… ach, ich weiß es gar nicht so genau. Ich wollte doch nur Danke sagen. Danke für die schöne Musik, Danke für die tollen Texte. Dann hole ich das halt hier nach.

Zum Buchstaben Über Der Stadt-Album gab es schon ein Booklet anbei, das mit wunderbaren Geschichten und Gedanken zugedruckt war. Ich habe es damals in meinem Kinderzimmer gelesen und es hat mich sehr berührt. Jetzt darf ich als Hobby-Schreiber in deine Worte zu deiner Werkschau reinlesen, sitze im Eigenheim und merke, dass in der Zwischenzeit doch eine Menge geschehen ist. Damals habe ich mir alle Maxi-CDs gekauft, heute sind es Vinyl-Werkschauen, zwischendrin auch noch mp3-Downloads. 

In all der Zeit war und ist deine Musik da. Recht früh hat mich Die Bastarde, Die Dich Jetzt Nach Hause Bringen gepackt. Fand ich direkt gut. Ein Lied über die Sehnsucht und das Ungewisse. Als Student, und heute auch noch, fuhr ich oft nach Hamburg. So drei, vier Mal pro Jahr. Entweder für Konzerte oder für St. Pauli-Spiele oder beides. Gerne hörte ich Wie Sieht‘s Aus In Hamburg, wenn der Metronom aus Bremen kommend in den Hamburger Hauptbahnhof einfährt. Ein schönes Gefühl. 
Die Freundschaft zu Casper habe ich nie ganz verstanden, muss ich ja auch gar nicht. Er spielte mal bei einem Fest Van Cleef im Bielefelder Ringlokschuppen, ein Act der irgendwie nicht ins Line-Up passte, aber ihr passt zusammen und das ist doch genial! Übrigens kommt er nicht aus Bielefeld, sondern aus Bösingfeld, so viel Zeit muss sein!

Das erste Solo-Album habe ich noch sehr intensiv gehört, danach habe ich irgendwie den Anschluss verloren und ich weiß gar nicht warum. Vielleicht haben sich kurzzeitig meine Hörgewohnheiten geändert. Doch letztens, auf einer längeren Autofahrt lief dann dein Live-Album von 2022. Und da kam alles zusammen: Nicht nur deine wunderbaren Zeilen, die so voller Aufrichtigkeit, Liebe, Sehnsucht, Ehrlichkeit und Verletzlichkeit sind. Sondern auch deine Ansagen, deine Entertainer-Qualitäten! Da ist - ganz ohne Pathos und ungelogen - ein familiäres Gefühl. Tomte- und Solo-Lieder haben sich anscheinend so in mein Unterbewusstsein eingebrannt, dass sie ganz tiefliegende Gefühle bewegen. Das muss Musik ja auch erstmal schaffen. Vielen Dank!

29 Lieder aus deinem eigenen musikalischen Schaffen hast du nun zusammengestellt. Es ist eine großartige Zusammenstellung. Von den schief gesungenen, frühen Tomte-Songs bis heute. Und da lege ich mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass ich bei weitem nicht der einzige bin, dem es so geht mit deiner Musik. Lieder als Zuhause. Ich finde, dass kann ein ganz gewaltiges Kompliment sein! Vielen Dank für die Musik, lieber Thees Uhlmann! Ich freue mich auf alles, was da noch kommt!

Die Werkschau Sincerely, Thees Uhlmann - Das Beste Von Tomte Bis Heute erscheint am 6. Dezember 2024.

Sonntag, 1. Dezember 2024

KW 48, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: pngtree.com
(Ms) Heute morgen habe ich mich gefreut! Es lag nicht am adventlichen Zauber (ja, doch, auch, aber darum geht es hier nicht) und auch nicht am schönen Frost draußen (ja, doch, auch, aber darum geht es hier nicht). Für ein gemütliches Frühstück wollte ich den Tisch decken, Kaffee kochen, was dazu gehört. Nun bin ich ein großer Freund von Stempelkannen (wer Frenchpress sagt, hat verloren). Daraus schmeckt mein Lieblingskaffee am besten. Stark, rund, wirkmächtig. Leider war aber die Spüle noch von Kram von gestern belegt und ich kam mit dem Wasserkocher nicht an den Hahn. Klar, den Kram wegräumen ginge auch. Wollte ich aber nicht. Und dann habe ich mich gefreut. Ich freut mich doll über diesen herausziehbaren Wasserhahn, damit ich das Wasser direkt in den Wasserkocher füllen konnte. Genial! Ein Moment purer Freude! Der Kaffee hat sehr gut geschmeckt, die Spüle ist aufgeräumt.

The Weather Station
(Ms) Mit ihrem Album Ignorance hat mich Tamara Lindemann recht kraftvoll in ihren Bann gezogen. Das ist nun auch ein paar Jahre her und die nächste Platte steht in den Startlöchern. Ihr musikalische Name ist The Weather Station und ich bewundere ihre Musik für diese sehr kunstvolle Art, ihre Lieder zu schreiben und zu arrangieren. Humanhood erscheint am 17. Januar und Window ist ihre neue Single aus diesem Werk. Es ist ganz ungewöhnlich, denn es ist erstens verhältnismäßig kurz, unter drei Minuten Spielzeit. Außerdem startet es direkt, es gibt keine Anlaufzeit, es wird nichts aufgebaut, es ist sehr unmittelbar. Und schlängelt sich so auch komplett durch das ganze Lied, das furios eingespielt wurde. Sie ließ ihre Band das Lied drei Mal übereinander spielen, nur einzelne Töne variierten, so entsteht viel Dichte. Es geht um Flucht, ums Entkommen und die Musik untermalt diese Gefühle auf grandiose Art! Hach, das kommende Album könnte wieder großartig werden!

26.02. Hamburg, Nochtspeicher
28.02. Berlin, Silent Green


Dope Lemon
(Ms) Das, was Angus Stone solo oder mit seiner Schwester Julia zusammen macht, ist immer etwas besonderes. In meinen Augen beherrschen beide eine sehr gute Technik des Musikschaffens. Oft sind ihre Tracks gar nicht mal so prägnant, stechen gar nicht mal so heraus. Oft entfalten sie über wunderschöne Melodien ihren Zauber. Bei seinem Solo-Projekt Dope Lemon kommt eine gewisser Kiffer-Lässigkeit dazu. Seine neue Single heißt Golden Wolf und ist viel mehr Indie als einige seiner vorherigen Tracks. Klar, auch diese Single besticht durch ihren Sog, durch die wundervolle Eingängigkeit. Und auch durch ihren Text. Denn Angus Stone fragt sich, wie viel von uns in einem möglichen weiteren Leben bleiben wird. Vielleicht gibt es ja doch einen Kern, an dem man sich irgendwie erinnern kann. Es ist ein toller, leichtfüßiger Track, der noch mehr Neues für das kommende Jahr ankündigt.


Herrenmagazin
(Ms) Wie gut, dass sie wieder da sind. Klar, es gibt viele deutschsprachige Indierockbands. Aber Herrenmagazin sind doch etwas Einzigartiges. Zum Einen sind sie wohl mit die sympathischste Band des Landes, zum Anderen liegt den Texten von Deniz Jaspersen doch eine ganz besondere Wucht inne. Er findet Worte für Situationen und Gefühle, die oft ganz klar sind. Oft geht es duster zu in seinen Geschichten, aber er schafft es immer wieder der ganzen Dunkelheit einen Schimmer Hoffnung zu verpassen. Und die brauchen wir doch ganz dringend, oder?! Eben! Auch im Privaten und darum geht es im neuen Track Fragment. Es ist die erste frische Musik nach zehn Jahren. Dass die Menschen hinter der Musik sich geändert haben, ist klar. Über die Veränderung geht es auch im Lied. Es ist besser, sie zu akzeptieren anstatt immer wieder dagegen an zu kämpfen. Das ist erschöpfend und wirklichkeitsverzerrend. Gut, dass diese Band wieder da ist, ihr neues Album Du Hast Hier Nichts Verloren erscheint am 28. März, anschließend sollte man sie hier live bestaunen:

11.04.25 Frankfurt, Nachtleben
12.04.25 Stuttgart, JuHa West
01.05.25 Hamburg, Uebel & Gefährlich
02.05.25 Hannover, Bei Chéz Heinz
03.05.25 Berlin, Bi Nuu
17.10.25 Dresden, GrooveStation
18.10.25 München, Kranhalle
20.10.25 Leipizg, Naumanns
21.10.25 Kassel, Goldgrube
22.10.25 Essen, Zeche Carl
23.10.25 Köln, Gebäude 9
24.10.25 Bremen, Tower


Oehl
(Ms) Die „Tour Der Guten Hoffnung“ sollte schon längst stattfinden. Jetzt, in diesen Wochen. Doch Ariel Oehl hat diese Konzerte ins Frühjahr 2025 verschoben. Das hat gute Gründe und sogar einen richtig Freudvollen! Zum Einen hat er am Theater Linz die Musik für das Stück Tom Auf Dem Lande geschrieben und vor Ort mitgewirkt. Zum Anderen ist in der Zwischenzeit viel neue Musik entstanden. Eine EP erschien, viele andere Lieder haben das Licht der Welt erblickt. Was tun?! Genau - ein neues Album veröffentlichen. Es wird Lieben Wir heißen und am 14. März bei Grönland Records erscheinen. Ich vermute, es wird viel ruhiger und reduzierter sein, dezenter im Klang. So erscheinen zumindest die letzten Stücke, die er veröffentlichte. Passend zur Albumankündigung erschien nun Ein Echtes Lachen über die Suche nach der Sprache, wie man sich denn aus einer Liebe verabschieden könnte. Was für eine große Herausforderung - Ari Oehl meistert sie wie immer sehr poetisch! Auch die anderen Stücke des Albums werden von der Liebe handeln. In all seinen Facetten. Ein spannendes Projekt, was schon oft gut gelungen ist - beispielsweise bei Love von Get Well Soon. Ich bin äußerst gespannt!

20.03.2025 Köln, Gebäude 9
21.03.2025 Frankfurt, Brotfabrik
22.03.2025 Stuttgart, Schräglage
23.03.2025 München, Ampere
26.03.2025 AT-Graz, PPC
27.03.2025 AT-Salzburg, Rockhouse
28.03.2025 AT-Villach, Kulturhof
29.03.2015 AT-Innsbruck, Treibhaus
02.04.2025 Leipzig, Moritzbastei
03.04.2025 Hannover, LUX
04.04.2025 Hamburg, Bahnhof Pauli
05.04.2025 Berlin, Säälchen
11.04.2025 CH-Zürich, Exil
12.04.2025 AT-Dornbirn, Spielboden


Waving The Guns
(Ms) Die Spatzen pfiffen es von den Dächern - es gibt eine neue Platte von Waving The Guns! Eine große Überraschung war das nun nicht mehr, immerhin wurden vor Wochen schon neue Tourdaten veröffentlicht, dann mit Klebrig eine neue Single und nun ist auch bekannt, wie die Scheibe heißen wird: Zwischen Wand Und Tapete erscheint am 28. Februar natürlich bei Autiolith Records! Passend dazu gibt es auch noch einen neuen Track. Bigotterie ist seit ein paar Tagen draußen und der Beat ist mal wieder überragend. Der Text knallhart, wach, auf den Punkt! Tatsächlich musste ich auch einmal kurz nachschauen, was das überhaupt bedeutet. Hier die Aufklärung: Scheinheiligkeit! Ja, so geht es da draußen zu. Milli Dance hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Liedern den Kapitalismus immer wieder zu sezieren und den Kampf anzusagen. Es ist ein weiteres Mal gelungen! Das ist immer auch ganz schön bitter, aber das muss es auch sein. Für offene Augen braucht es auch den Schmerz - den gibt es hier! Und live dann auf all diesen Bühnen:

13.03.2025 Rostock - M.A.U. Club (Zusatzshow)
15.03.2025 Rostock - M.A.U. Club (Ausverkauft)
20.03.2025 Dresden - Tante Ju
21.03.2025 Wien (AT) - Flex
22.03.2025 Graz (AT) - p.p.c.
23.03.2025 Innsbruck (AT) - P.M.K
25.03.2025 Zürich (CH) - Dynamo
26.03.2025 Stuttgart - Lehmann Club
27.03.2025 München - Strom
28.03.2025 Nürnberg - Z-Bau
29.03.2025 Jena - Kassablanca
03.04.2025 Dortmund - Junkyard
04.04.2025 Frankfurt - Das Bett
05.04.2025 Heidelberg - Karlstorbahnhof
10.04.2025 Hannover - Kulturzentrum Faust
11.04.2025 Köln - Stollwerck
12.04.2025 Bremen - Schlachthof
17.04.2025 Hamburg - Markthalle
25.04.2025 Leipzig - Werk2
26.04.2025 Berlin - Huxleys neue Welt

Donnerstag, 28. November 2024

Live in Oldenburg: Niels Frevert

Foto: luserlounge
(Ms) Eineinhalb Stunden Auszeit in einer wuseligen Zeit, deren Nachrichten und Entwicklungen einen oft in die Enge treiben. Eineinhalb Stunden einfach mal rauskommen. Zuhören. Mitgenommen und unterhalten werden. Eineinhalb Stunden träumen und schwelgen in Bildern, die mit ganz wenigen Worten erzeugt werden. Eineinhalb Stunden Niels Frevert und seinen Liedern zuhören.

Das ist derzeit möglich, denn er befindet sich auf kleiner Trio-Tour. Kein Schlagzeug, alles ein wenig heruntergefahren, leiser, direkter, unmittelbarer. Wenn dann noch der Rahmen passt, stehen alle Ampeln auf grün, dass das ein toller Abend wird. So gestern in Oldenburg. Bis auf die Umbaubar hat Oldenburg in meinen Augen kaum eine richtig schöne Konzertlocation für einen kleinen Abend. Also einen Ort, wo es auch gemütlich werden kann, zum Wohlfühlen gewissermaßen. Da muss man schon ein wenig nach links und rechts gucken. Und das tat Niels Frevert wohl schon seit vier, fünf Jahren. So lange wollte er schon im Theater Laboratorium spielen. Eine ausgezeichnete Wahl - ein kleines, privates Theater, das für seine exzellenten (und hier spreche ich aus Erfahrung) Puppenthaterstücke bekannt ist. Ein urgemütliches Gebäude, bestuhlt. Eineinhalb Stunden Auszeit.

Dafür sind seine Texte wie gemacht! Oft braucht er nur ganz wenige Worte, um die Situation einer Geschichte sofort zu eröffnen. Dazu passt auch oft die Harmonie und man befindet sich entweder direkt am Abgrund oder auf den höchsten Höhen. Mit Rachmaninow ging es los, eine Autofahrt mit entsprechender musikalischer Untermalung. Die zarte Instrumentierung des Abends machte sich direkt bezahlt - es klang ganz wunderbar! Weitere Stücke seines aktuellen Albums Pseudopoesie folgten: Weite Landschaft, Waschbeckenrand, Klappern Von Geschirr, später auch das tolle Fremd In Der Welt. Doch auch „Klassiker“ waren dabei wie Wann Kommst Du Vorbei, Du Kannst Mich An Der Ecke Rauslassen oder Ich Würde Dir Helfen Eine Leiche Zu Verscharren. Für den Genuss des Abends hat auch das Publikum gesorgt, das sehr aufmerksam war, sehr still. Ich saß ganz vorne und so hörte man das Anschlagen des Plektrums, das Klackern der Pedale, den Anschlag des Keyboards. Das war schon sehr nah, sehr direkt. Niels Frevert selbst war gut drauf, erzählte ein paar kleine Geschichten, die Stimmung war gut. Eineinhalb Stunden Auszeit. Sie tat richtig gut. Wunderbar sanfte Musik an einem wunderbar gemütlichen Ort. Vielen Dank!

PS: Ich hoffe, dass die Keyboardsoundprobleme an den kommenden Abenden nicht mehr auftreten!

28.11. - Moers
29.11. - Flensburg
30.11. - Kiel
19.12. - Berlin
24.01. - Reutlingen
25.01. - Geislingen
26.01. - Düsseldorf

Mittwoch, 27. November 2024

Ben Lukas Boysen - Alta Ripa

Foto: Fiona Garden
(Ms) Sind Zuhause und Heimat das Gleiche? Das hängt meines Erachtens ganz davon ab, ob man immer noch in dem Ort wohnt, wo man groß geworden ist oder halt nicht. Für mich ist die Heimat der Ort, wo ich als Kind war, wo ich zur Schule gegangen bin, meine Jugend verbracht habe. An unterschiedlichen anderen Orten war ich schon zu Hause. Da bleibt eine ganz sonderbare Verbindung. Zum Einen bin ich sehr froh, nicht mehr dort zu leben. Dort war halt nie so viel los. Zum Anderen ist es halt die Gegend meiner Kindheit. Wie prägend sie ist, wissen wir alle. Also: Seltsames Verhältnis. Meistens lässt sie sich so zusammenfassen: Ich bin gerne da, aber auch gerne wieder weg. Ich unterstelle jetzt einfach mal ganz vielen Menschen, dass es denen ähnlich geht. Da bleibt ein ganz starkes, oft bizarres emotionales Band.

Wie genau es Ben Lukas Boysen in Altrip ging, weiß ich natürlich nicht. Ob er Berlin nun als Heimat oder auch „nur“ als Zuhause sieht, weiß ich auch nicht. Aber es scheint ein wenig ähnlich zu sein. Denn dem Ort, in dem er aufgewachsen ist, widmet er seine neue Platte. Sie trägt den alten, lateinischen Namen Alta Ripa. Altrip liegt südlich von Mannheim, direkt am Rhein und ist von viel Wasser umgeben. Knapp 8000 Menschen wohnen da, also auch nicht besonders viel los. Doch Ben Lukas Boysen erinnert sich an eine Jugend, die elektronisch geprägt war. Sampler- und Synthie-Musik war damals schon ein enormer Bestandteil seiner Jugendkultur. Heute ist es ihm möglich, die Musik zu machen, die er damals gerne gehört hätte. Was für eine unglaubliche Entwicklung. Was für eine tolle Aussage! Die zehn neuen Tracks haben eine Spielzeit von einer Dreiviertelstunde und sind diesem Ort gewidmet.

Um diesen Text zu schreiben, hörte ich Alta Ripa auf einem Spaziergang durch den Ort. Und es ploppten direkt viele Bilder und Assoziationen auf. Klar, was der Künstler selbst damit meint, bleibt im Verborgenen. Aber ich kann mir dieses Album aneignen und meine eigene Geschichte damit weben. Und das hat unglaublich viel Spaß gemacht! Im Gegensatz zu seinen vorherigen Projekten schrieb und spielte Ben Lukas Boysen alle Tracks alleine ein, keine Gäste, ganz pur. Ours, so heißt der erste Track. Könnte eine Musik sein, die im Elternhaus lief, oder? Eine satte Bassfläche, ein paar tänzelnde Töne darüber, es klingt sehr rund, sehr ausgewogen, harmonisch. Was lief wohl damals im Hause Boysen? Kraftwerk? Cluster? Can? Die Stärke dieses Tracks ist, dass die Töne immer intensiver werden, ein sehr kräftiges Crescendo, ein toller Start in diese Platte. Mass ist viel schneller, viel verwobener, antreibender. Sofort ist eine Bewegung da. Altrips Sportverein? Eine Tartanbahn? Ein hektischer Lauf aus Mannheim zurück nach Hause? Zwischendurch wird kurz durchgeatmet und dann geht‘s weiter! Abends rasen die Lichter an einem vorbei. Der Titeltrack ist sehr ausdrucksstark und untermauert eventuell meine Annahmen. Denn Alta Ripa ist sehr ruhig, sehr bedächtig, fast ein bisschen düster. Die Straßen sind leer, ein bisschen Sehnsucht liegt in den Menschen, aber es ist auch alles gut so wie es ist. Wie ein warmer Mantel umhüllt einen dieser Song. Aber nur so lange, bis Nox erklingt. Die Nacht. Sie ist wuchtig, dunkel, aber auch voller Energie. Ein Track, den ich sofort lauter stelle, da die Dynamik ansteckend ist. Hier wird getanzt, vielleicht ist es auch ein bisschen rau. Satter Bass donnert durch die Boxen. Vielleicht geht da doch was in dem kleinen Ort?! Ein tolles Stück! Vineta klingt sehr weltraumig. Es erinnert stark an die elektronischen Spielereien der 70er und 80er Jahre. Ist es ein Blick in die Sterne? Es klingt sehr offen, sehr freundlich, obwohl etwas Unbekanntes in den Melodien liegt. Wer mit solchen Tönen solche Bilder erzeugen kann, ist ein ausdrucksstarker Künstler. Auf der Hälfte des Tracks ist tatsächlich auch ein Summen zu hören. Herrlich mystisch, großartig arrangiert! Fama hingegen arbeitet mit vielen verschiedenen Klangebenen. Es ist viel direkter, griffiger, präsenter, unaufhaltsamer. Nach knapp fünf Minuten ist eine Pause zum Innehalten da. Sie tut gut, doch der Track könnte auch endlos weiter gehen, so viel Schönheit liegt darin. 

Wie schön, dass der letzte Track Ours Forever heißt und die Melodie vom Anfang wieder aufnimmt. Das rahmt dieses großartige Album auf ganz phantastische, wenn auch einfache Weise. Alta Ripa ist ein umwerfendes Werk, es spricht mich enorm an. Die Arrangements sind zum großen Teil sehr weich, ja, gefühlvoll. Ben Lukas Boysen kann enorm gut mit Energie und Dynamik umgehen und diese Platte ist ein beeindruckendes Zeugnis davon!

21. Februar - München, Backstage