Mittwoch, 3. Dezember 2025

Tom Smith - There‘s Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light

Foto: Edith Smith
(Ms) Am 18. Juni 2007 erschien die Single Smokers Outside The Hospital Door von den Editors. Bis heute hat der Track, sicher nicht nur für mich, wenig an Energie verloren. Die Gitarren, die Energie, der Text. Und natürlich die Stimme! Die Stimme von Tom Smith prägt seit gut zwanzig Jahren den Sound dieser britischen Band. Bei all dem Wandel in ihrem Sound blieb sie und glänzt immer wieder, bei den elektronischen und bei den analogen Tracks.
Das oben genannte Stück war das erste, das ich von dieser Band hörte, ich sah sie öfter live und habe viel gestaunt. So ein Bandleben macht natürlich auch etwas mit ihren Mitgliedern. Zusammen mit Andy Burrows hat Sänger Tom Smith bereits zwei Alben abseits der großen Band herausgebracht. Nun folgt diesen Freitag die erste Platte, die nur seinen Namen trägt, an dessen Klang er weitgehend alleine gewerkelt hat. There Is Nothing In The Dark That Isn‘t There In The Light heißt das Werk, das 10 Tracks und gut 40 Minuten Spieldauer aufweist. Der Titel hat eine dezente Ying-und-Yang-Atmosphäre, oder?

Wie dem auch sei… Es geht ruhig zu auf diesen Liedern. Viel Akustikgitarre, ein bisschen Bass, hier und da mal Streicher und Bläser, wenig Schlagzeug, viel Stimme. Dadurch entsteht auch viel Nähe. Und Ruhe. Etwas, was in diesen Tagen, die vor Trubeligkeit nur so platzen, stark vonnöten ist.
Nah am Herzen ist diese Musik gebaut. Musikalisch als auch inhaltlich. Es geht um Verbundenheit, Trennung, die großen Fragen des Lebens, Liebe, genutzte und verpasste Chancen. How Many Times ist zum Beispiel ein toller Track, der zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns gegenseitig Halt geben. Dass wir in guter Art und Weise voneinander abhängig sind. Dazu ist dieses Lied wunderbar arrangiert, es kommt immer eine Ebene hinzu und am Ende strahlt es hell und leuchtend! Eine großartige Hymne aufs Leben ist Life Is For Living. Egal, wie es läuft, es gilt unsere limitierte Zeit auf dieser Erde zu füllen. Mit Gutem, für all die Menschen, die für uns da sind inklusive Gänsehautgarantie, wenn die Streicher erklingen, ein Chor singt und Tom Smiths Bariton sein volles Volumen darbietet - wow! Lights Of New York City ist ein schmerzhafter Blick zurück in eine Zeit, die nicht mehr aufgewickelt werden kann. Sehnsucht, Melancholie, Nostalgie, abgeschlossene Vergangenheit - garniert mit tollem Trompetensound! Saturday, das letzte Stück, ist eine tolle filmische Szene. Eine Bühne, Rampenlicht, Applaus. Doch das einzige, was das lyrische Ich will, ist mit seinem nahen Gegenüber, seiner Liebe (?), zu reden, bis man endlich zu Hause ist. Mit dem Versprechen, dass das Ich zuhört. Hach… wie schön!

Die Stärke dieses Albums ergab sich in meinen Ohren nicht direkt beim ersten Hören. Dafür fehlt mir etwas Energie im Sound. Das Reduzierte ist schön, packt mich aber nicht. Doch die Tiefe der Texte packt mich, sie sind im besten Sinne einfach gehalten, sodass sie ganz unmissverständlich sein können. Tom Smith legt hier abseits des großen, wummernden Sounds der Editors eine tolle Platte hin, die Verletzlichkeit und Menschlichkeit in den Mittelpunkt rückt und dadurch glänzt - Hut ab!

11.03.2026 Köln - Kulturkirche (ausverkauft)
13.03.2026 Schorndorf - Manufaktur
19.03.2026 AT-Wien - Simm City
25.03.2026 Berlin - Passionkirche (ausverkauft)
26.03.2026 Hamburg – Christiankirche (ausverkauft)


Montag, 1. Dezember 2025

Stainer & Madlaina - Nah Dran

Foto: June Fischer
(Ms) Hinhören. Zuhören. Zwei Fähigkeiten, die vielen Menschen in unserer Zeit zunehmend abhanden kommen. Letztens las ich Momo von Michael Ende. Das Buch ist aus den 70ern. Es könnte auch eine phantastische Fabel auf unsere Zeit sein. Wer setzt sich denn schon hin und hört den anderen zu? Insbesondere denen, mit denen man nicht übereinstimmt. In der Regel wird verbal draufgehauen und die eigenen Hörkanäle werden blockiert. So kommen wir nicht weiter. Zuhören also. Gesellschaftlich wichtig.

In der Kunst genauso. Denn je aufmerksamer wir der Kunst lauschen, desto größer werden die Welten, die sich in ihr verbergen. Und wir können eintauchen und anfangen zu staunen. Ist das nicht eines der schönsten Dinge auf der Welt?! Ja, oder? Gut, dass es Steiner & Madlaina gibt. Ihr neues Album Nah Dran gehört mit zum Schönsten, was dieses Jahr an neuer Musik erschienen ist. Anfang November kam diese Platte ans Tageslicht. Sie ist textlich groß und musikalisch breit und ein großer Beweis von wahrem Künstlerinnentum!

Es geht sehr puristisch los. Da Bist Du heißt das erste Stück, nur Stimme und Klavier. Und die Stimme singt einen Text, der direkt den Atem stocken lässt. Ein Lied über die Liebe, ein Lied über das, was Menschen zusammen hält. Ein Lied übers Ich-bin-für-dich-da. Auf der einen Seite zart und zerbrechlich, auf der anderen Seite voller Stärke und Halt. Wow, der erste Treffer sitzt! Zuhören lohnt sich auch bei Hend Mir Nur Wele Glücklich Si? Ich finde es so toll, dass die beiden immer wieder auf Schweizerdeutsch singen. Als in NRW Geborener und nun im Norden zu Hause-Seiender verstehe ich so gut wie kein Wort. Aber es lässt sich dieses und jenes erahnen, mitlesen ist ganz hilfreich. Was mich hier aber stark begeistert, ist der wundervoll arrangierte Refrain. Das Stück ist eher leise und melancholisch gehalten. Der Refrain lebt von Energie und Dringlichkeit. Wow, wie toll ist das denn bitte gemacht?! Gänsehautgarantie dank Kontrabass und Bläsern! Ich Hab Alles Und Die Liebe Satt ist ein herrlich-schmerzvoller Track über das Gefühlschaos am Ende einer Liebe. Das lyrische Ich läuft durch die nächtliche Stadt und mäandert zwischen Sehnsucht und Endgültigkeit. Wer kennt es nicht?!
Vor Stell Sie Mir Vor gilt es den Hut zu ziehen. Dieser Text ist großartig. Ein wenig nebulös und voller interpretatorischer Tiefe. Ich glaube, es geht auch um die Liebe und all den Seiten, die da mitschwingen. Stolz, Kummer, Zweifel. Außerdem ist auch dieses Stück einfach meisterlich arrangiert. Mit Kinderchor, Streichern, großen Gefühlen und sehr viel musikalischem Sachverstand. Man kann sich nur vor Nora Steiner und Madlaina Pollina verneigen - was für Künstlerinnen! Apropos Arrangement! Fairplay ist auch so ein Hammer - ein Stück aufgebaut wie ein großes Crescendo. Was holen die beiden nur raus aus dem musikalischen Werkzeugkoffer?! Uh La La Träum Von Dir ist nicht nur ein toller Beweis, dass die beiden auch die Gitarren knallen lassen können, sondern auch ein ganz seltenes Fundstück, dass es durchaus sehr gut möglich ist, mit der deutschen Sprache Intimität zu zeigen. Und wie! 

Logisch, Nah Dran ist ein Album, bei dem es viel um die Liebe geht. Aber nicht verträumt und naiv. Es ist kaum zu glauben, wie klug die beiden Musikerinnen hier texten. Vor diesem musikalischen Werk gilt es, sich auf die Knie zu senken und dankbar zu sein, dass es solche Lieder gibt. So stark arrangiert. Textlich so tief und groß aufgestellt. Diese Platte gehört sicher zu den Schönsten und Schlausten, was seit langem veröffentlicht wurde! Zuhören… es lohnt sich!


Sonntag, 30. November 2025

Orbit - Countless Feelings But So Few Words

Foto: Marc Bischoff
(Ms) Es gibt Genres, die hier aus unerfindlichen Gründen wenig repräsentiert sind. Fast alles Elektronische beispielsweise. Ich kann es mir nicht erklären, aber es ist so. Dabei wohnt Techno, Electro oder wie man das auch immer nennen mag, so viel Kraft inne. Insbesondere wenn es nicht ganz so sehr einer Spielart verfestigt ist.

Damit sind wir beim Bremer Künstler Orbit, der Mitte November sein erstes Album veröffentlicht hat. Countless Feelings But So Few Words. Allein dafür sollte man ihn über alle Maßen loben. Was für ein schöner Titel. Ja, was wenn all den Emotionen die Worte fehlen?! Und das nicht, weil man sich nicht ausreichend damit auseinandersetzt sondern weil es sie einfach nicht gibt. Oder nur begrenzt. Das Fühlende benennen, entzaubert ja auch die Magie. Und magische Momente sind auf diesem Album einige vorhanden. Summertime, der Opener, beginnt gar mit sanfter Gitarre bis er sich immer weiter aufbaut. Ja, es ist super Sommer-Abhäng-Musik, doch sie funktioniert in der dunklen Jahreszeit genauso gut. Bei einem Track namens Berlin ist klar, dass Großstadtvibes kommen. Doch es sind eher die, die den Großstadtlärm von einem fern halten. Viel mehr lässt sich damit als Soundtrack herrlich gut das Treiben beobachten, von dem man nicht Bestandteil ist. Clever - und geht auf! Das Kernstück der Platte ist Youth, weil es den wunderbaren Rausch der elektronischen Musik in Perfektion darbietet. Behutsam baut sich der Track zusammen, gewinnt an Größe und strahlt dann einfach nur noch in all seiner Pracht. In diesen Melodien, in diesem Rhythmus möchte ich versinken und erst morgens früh wieder aufwachen. Magie! Auch auf Formula verbindet der Bremer Soundtüftler analoge Gitarrenklänge mit Synthieüberbau. Das ergibt ein wunderbar organisches Gesamtbild, zu dem Träumen ein Muss ist! Cato hingegen eröffnet auf unter drei Minuten nochmal einen gewaltigen Rausch - pure Hingabe!

Dabei wird es nie derbe auf den 40 Minuten. Es bleibt alles sehr rund, sehr harmonisch, sehr sanft mitunter. Das zeichnet einen Typus von elektronischer Musik aus, der vielfältig hörbar ist, kaum an einen Ort oder eine bestimmte Situation gebunden ist. So offen muss Musik erstmal sein. Dieses Album ist nichts anderes als ein kleines, schwelgendes Wunder!

01.12.2025 Wien, WUK
02.12.2025 München, Muffathalle
03.12.2025 Stuttgart, Im Wizemann
04.12.2025 Köln, Live Music Hall
10.12.2025 Hamburg, Übel&Gefährlich
11.12.2025 Berlin, Huxleys
13.12.2025 Bremen, Modernes

Freitag, 28. November 2025

KW 48, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / Shuvo.Das
(Ms) Die Frage der letzten Tage und Wochen war ja: Bei welchem Black Friday Angebot soll ich zuschlagen? Wo spare ich so richtig viel? Wo schießt mir das Shoppingdopamin so richtig derbe durch die Adern?
Ja, eigentlich nur bei den Dingen, die einen langfristig glücklich machen, oder? Klar, die ein oder andere Turbosünde ist auch geil oder ein Getränk mehr trinken als geplant. Aber shoppen um des Shoppen Willens ist doch irgendwie bescheuert, oder? Nirgends habe ich irgendwas gekauft. Außer frischen Grünkohl, aber der war auch nicht im Mega Sale. Der hat nur charmante 3,33 Euro gekostet. Ein ganzes Kilo, also auch ein super Angebot! Naja. In der Familie schenken wir uns nichts (mehr) zu Weihnachten und ich freue mich eigentlich immer „nur“ auf die nächste Platte oder das nächste Buch. Da sind Rabatte vergeblich. Aber die Momente, die mir die Kunst schenkt, sind umso intensiver. Wie diese hier:

Grey Flamingo
(Ms) Vielen Dank an alle Bands, die uns anschreiben. Es ist schlichtweg unmöglich, alles zu hören und noch unmöglicher, über all das zu schreiben. Uns erreichen rund 100 Mails pro Woche mit neuer Musik. Eine davon kam letztens von der Band Grey Flamingo. Kurz und knapp, aber sehr freundlich war sie gehalten. Irgendwas hat mich daran neugierig gemacht. Gut möglich, dass es der Name war. Hey Poul heißt deren aktuelle Single und es ist ein total verrücktes Lied. Es befinden sich ganz viele kleine Elemente darin, die ein richtig schönes, sehr, sehr rundes Hörerlebnis erzeugen. Wunderbare Synthie-Melodien, leichte Schlagzeugbegleitung, ein wenig Gitarre. Es wird immer mehr, aber es ist nie zu viel, alles bleibt stets sehr harmonisch! All das in einem herrlich schleichenden Prozess. Der Track dauert 3 Minuten und 4 Sekunden und es ist wertvoll geschenkte Zeit für wundervolle Musik. Bitte anhören. Mehrmals!


Ecca Vandal
(Ms) Setzt euch hin für diesen Track - dann fallt ihr nämlich um! Und das geht nach einem einfachen, aber sehr wirkmächtigen Rezept! Zutat Nummer 1: Eine wunderbar schief klingende Gitarre, die in dieser Schiefheit sehr viel Wucht entfacht. Zutat Nummer 2: Eine Stimme, die alles gibt. Eine Stimme, die die Musik als Offenbarung feiert. Wer so schreit und ruft, dem ist die Kunst wahrlich wichtig. Zutat Nummer 3: Ein weiterhin top arrangierter Track, der in seiner Dringlichkeit auf den Punkt wirkt. Es geht um Ecca Vandal und ihre aktuelle Single Molly. Die in Australien lebende Südafrikanerin sollten alle, die es mit Punk, Rock, Leidenschaft und Elementen des Jazz halten, auf dem Schirm haben. Sie ist bald mit Limp Bizkit unterwegs, kommt nächstes Jahr zu Rock am Ring und sollte sich in den kommenden Jahren ebendort einen recht späten Slot erspielt haben. Wollte es nur gesagt haben.


My Own Sphere
(Ms) Vor zwölf, dreizehn Jahren habe ich elektronische Musik belächelt. Mein versnobtes, studentisches Ich war von der elektrischen Gitarre ein wenig zu sehr überzeugt. Was habe ich alles an starken Tracks und Alben verpasst?! Denn gut eingesetzte Synthies können eine enorme Wucht entfalten. Können hypnotisch sein. Tief ballern. Einen phantastischen psychedelischen Rausch entstehen lassen. Die Leipziger Band My Own Shpere weiß diese Instrumente sehr gut zu bedienen. Wer dazu nicht allzuschnell tanzt oder zumindest den Körper im Vibe der Musik bewegt, ist ein Banause. Das ist Fakt! Kommende Woche veröffentlicht die Band ihre erste, nach dem eigenen Namen benannte Platte raus, die mich beim ersten Hören schon ganz doll abgeholt hat! Ganz viel Leichtigkeit. Ganz viele Tracks, die geheimnisvoll und unglaublich gut poppig sind. Oder darkwavig, je nach Song. Das wird sehr gut:


Karwendel
(Ms) Weihnachten im Pop ist ein zweischneidiges Schwert. Oder gar dreischneidig. Zum Einen gibt es die ganz großen Superpoptracks, die wirklich geil sind. Wer was gegen Last Christmas hat, ist ein Banause. Das ist Fakt. Dann gibt es so gewollte Weihnachtslieder. Das ist die andere Seite. Die schmerzt, die tut weh, das muss wirklich nicht sein. Und dann gibt es eine Dritte. Charmante Lieder, die alle Seiten der Festtage beleuchten. Erdmöbel sind ganz groß darin. Auch die Hamburger Band Karwendel spielt in diese Kerbe. Kommende Woche erscheint die EP Das Fest, die mit wunderbaren, sanften, unterhaltenden Liedern aus der Weihnachtszeit überzeugen kann. Alles Was Ich Will ist der Vorbote, der vielen - mir auf jeden Fall - aus dem Herzen spricht, wenn Sänger Sebastian Król singt: „Alles, was ich will, ist meine Ruhe.“ Oh ja! Doch sie besingen auch die wahrhaft schönen Seiten der festlichen Tage, hört die Musik unbedingt! Denn die Band weiß mit ihren Instrumenten einen ganz wohligen Klang zu erzeugen. Das liegt am Kontrabass, am weichen Sound der Wurlitzer- und Rhodes-Pianos und an den schönen kleinen Geschichten!


The Notwist
(Ms) Vor Kurzem sah ich das erste Mal The Notwist als Pocketband. Sie spielten die Tracks ihrer frühen Alben. Roh, derbe, wuchtig, schnell. Ihr Schaffen aus den letzten Jahren sollte bekannt sein. Am 13. März erscheint ihre neue Platte, sie wird News From Planet Zombie heißen und geht klanglich eindeutig Schritte in ihren Sound der 90er Jahre. X-Ray heißt die erste Single, die seit dieser Woche zu hören ist und hui… es knarzt, es ist in Schieflage, mehr Moll als Dur. Dringlichkeit, Tempo, Niedergang. Es empfiehlt sich, das Stück aus einem ruhigen Zustand heraus zu hören, sonst kann es durchaus anstrengend werden. Doch The Notwist wären nicht The Notwist, wenn nicht mindestens der Refrain einen Hoffnungsschimmer durchblicken ließe. Der Albumtitel kann natürlich als phantastische Erzählung begriffen werden, aber auch als Metapher unserer gesellschaftlichen Gegenwart. Dann ergibt der Sound auch wieder Sinn. Viel Schieflage, aber in all dem Düsteren auch helle Lichtblickt! Man darf sehr gespannt sein, was diese Platte noch mit sich bringen wird! 

Mittwoch, 26. November 2025

Wenn Konzerte nicht so kicken…

Foto: luserlounge
(Ms) Über Erwartungen. Über verzerrte Berichte. Über Emotionen. Über Identifikation. Über Überraschungsmomente.

Was, wenn ein Konzert nicht so kickt? Nicht so begeistert, wie man es sicher erhofft hat? Nicht so mitreißt? Was, wenn der Funke nicht überspringt? Was, wenn man sich wie ein Englishman in New York fühlt?

Klar, in erster Linie passiert dann gar nichts, weil es ja auch „nur“ um eine schöne Freizeitbeschäftigung geht. Aber Musik ist für viele, wie für mich, einfach auch etwas anderes. Es ist mehr. Es hat unmittelbar mit dem eigenen Leben zu tun. Sie ist Kraftquelle und vor allem Ort der Katharsis. Daher sind die Erwartungen oft recht hoch. Nicht nur bezüglich der musikalischen Qualität, des Sounds, der Lichttechnik. Sondern eine Erwartung, dass ich danach mit einem anderen Gefühl nach Hause fahre. Aufgetankt. Glücklich. Verändert.
Manchmal kickt es nicht. Dennoch - und da lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und spreche für viele - sagen wir danach: „War super, hat richtig Spaß gemacht, gute Energie.“ Auch wenn es gar nicht stimmt. Nur um dem Besonderen einen besonderen Geist zu vermitteln und das Mittelmaß oder die Enttäuschung gar nicht zu akzeptieren. Leugnung gewissermaßen.
Da springen die Emotionen nicht so richtig an. Das mag am eigenen Tag liegen. Am Sound. Am Club. Vielleicht hat die Band auch ausnahmsweise nicht so viel Power. Vielleicht zündet der Rausch auch einfach nicht so sehr. Ist so. Nichts ungewöhnliches. Ein Grund kann auch sein, dass die Verbindung zur spielenden Band nicht so groß ist, die Lieder mir nicht so bekannt. Dann mag auch die Identifikation fehlen.

Das ist mir zuletzt zwei Mal passiert. Zum Einen Anfang des Monats bei Anda Morts. Hier fehlte mir auf jeden Fall die Verbindung. Ich kannte wenig Lieder der Wiener Band. Ich war neugierig, was sie so können, wie es knallt, was passiert. Wollte mich überraschen lassen, fand es dann aber überraschend fad. Die anderen 399 Leute sahen das anders. Englishman in New York. Ich bin sogar früher gegangen. Das zweite Mal war am Wochenende in Münster. Die Donots luden zum großen Slam, Halle Münsterland, riesengroß, 3 Euro Becherpfand! Schon Heisskalt kickten mich nicht so sehr. Das lag aber eher vermutlich an der großen Halle und es war definitiv noch nicht laut genug. Danach haben Großstadtgeflüster gespielt und das war einfach nur enorm! Enorm geil! Was haben die denn da bitte abgerissen?! Anschließend die Gastgeber. Ich fand es von Anfang an öde. Mir war das zu sehr Ekstase auf Knopfdruck. Mir war das zu gewollt. Vielleicht war es auch nicht mein Tag und die Donots sind jetzt auch nicht eine meiner Top 10-Lieblingsbands. Dennoch. Ich bin erneut früher gegangen. 

Ja, das passiert. Völlig normal. Doch schade ist es jedes Mal. Mir fehlen dann auch die Ideen, über solche Abende zu schreiben. Vielleicht ist ein wenig realistische Einordnung auch oft hilfreich, um weniger enttäuscht zu sein.

Aber das nächste Mal knallts bestimmt!

Freitag, 21. November 2025

KW 47, 2025: Die luserlounge selektiert

Quelle: flaticon.com / riajulislam
(Ms) Logisch, Konzerte sind das allerschönste auf der Welt. Sich dort verlieren, in Klang und Sphären abdriften, Katharsis, Verbundenheit und Liebe. Ausrasten, Party, Rausch. Nicht unwichtig ist jedoch der richtige Rahmen dafür. Ich habe den Eindruck, dass bestuhlte Konzerte für gewisse KünstlerInnen und Bands immer mal wieder auftauchen. Mehr als noch vor ein paar Jahren. Klassische Konzerthäuser und so. Klar, tolles Ambiente. Aber. Es kann auch echt richtig träge werden. Man sitzt dann da so rum, oft darf man in die Räume keine Getränke reinbringen. Und es ist kaum möglich, auszurasten. Schunkeln - heiheihei… Wenn nun für das kommende, bereits richtig tolle Konzertjahr Spielstätten angezeigt werden, die bestuhlt sind - ich werde nicht hingehen. Das ist mir zu lahm. Oft ist es dort auch viel teurer. Ich will stehen, mich bewegen können, den Körper durchdringen lassen vom Klang, vom Beat, von den Emotionen.

Momcore
(Ms) Ich bin großer Freund unseres gesellschaftlichen Fortschritts. Trotz (oder genau wegen) aller Kräfte, die viel daran setzen, diese aufzuhalten und in ein idealisiertes Gestern zu verschieben. Welche Band hat es sich denn schon mal zur Aufgabe gemacht, Musik explizit aus Sicht von Müttern zu machen ohne nach Bastelspaß zu klingen?! Eben. Jetzt ist sie da. Sie nennen sich Momcore und machen extrem tanzbare und zugleich super raffinierte Popmusik. Johanna Amelie und Stephany von Wolf & Moon stecken dahinter, die die Zeit ihrer Elternschaft als kreativen Prozess aufgegriffen haben und daraus Musik erschufen. Stark! Oxitocyn heißt ihre erste Single, die richtig viel Spaß macht! Kommendes Jahr erscheint ihre erste Platte und im Dezember spielen sie ein paar Support-Gigs für Die Höchste Eisenbahn:

04.12.2025 – Faust, Hannover
05.12.2025 – Sputnikhalle, Münster
19.12.2025 – Huxleys Neue Welt, Berlin


Grim104
(Ms) Die Geschichte ist natürlich grandios: Grim104 bekam vor zwanzig Jahren Hausverbot beim Zeteler Markt. Zetel liegt im Nirgendwo zwischen Oldenburg und der Nordsee. Der Zeteler Markt scheint aber ein wahres Saufhighlight zu sein. Nun kam er zurück, um im Festzelt ausgebuht zu werden. Veni, vidi, vici. Nie So Cool heißt seine neuste Single, die er auf dem Volksfest zum Besten gab und die für alle anderen nun auch zu hören ist. Grim104 keift wie eh und je und zieht eine klare Grenze zwischen Ihr und Ich. Gänsehaut. Damit einher geht die Ankündigung eines neuen Albums. No Country For Old Grim wird die neue Platte heißen, die im nächsten Jahr erscheint und mit der er dann auf Tour geht. Ich sah ihn im Sommer beim Watt En Schlick, ein Steinwurf entfernt von Zetel, und möchte sagen: Geht da unbedingt hin. Es wird äußerst intensiv, den Grim104 gibt alles! Versprochen!

17.04. - Hamburg, Knust
18.04. - Leipzig, Conne Island
23.04. - Bremen, Lagerhaus
24.04. - Hannover, Faust
25.04. - Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld
26.04. - Dortmund - JunkYard
30.04. - Nürnberg, Club Stereo
01.05. - München, Ampere
02.05. - Frankfurt, Zoom
09.05. - Berlin, SO36


Fjørt
(Ms) Die Spatzen pfiffen es schon von den Dächern und nun ist es endlich soweit! Fjørt haben nicht nur eine Tour für kommendes Jahr angekündigt, nun folgen auch die ersten neuen Töne seit ihrer letzten Platte. Rau klingt der Gesang, angekratzt - es wird nicht nur geschrien! `43 heißt die Single, die nun samt Video anzuschauen ist. Dass die Aachener Band keine Kompromisse in ihrem Sound machen, sollte allen klar sein, die es mit dieser Band halten. Doch dieses Stück weist durchaus einen neuen Grad der Härte auf. Hui, das knallt aber außerordentlich gut. Bitter der Text jedoch. „Wir leben in Harkenkreuzzeiten / La Résistance, Zeit, Euch zu zeigen / zeigt euch.“ Ja, nichts haben wir begriffen in dieser Gesellschaft, wenn eine Nazi-Partei beinahe die Umfragewerte anführt. Die Wut, die Eindeutigkeit dieses Liedes sind absolut von Nöten, um wach zu bleiben in diesen Zeiten! Am 20. Februar erscheint dann auch eine neue Platte, sie wird Belle Èpoque heißen und alle Boxen und Kopfhörer zum Beben bringen! Huiiiiii, das wird gut! 

11.03.26 München, Technikum
12.03.26 Jena, Kassablanca
13.03.26 AT - Wien, WuK
14.03.26 Leipzig, Werk 2
18.03.26 Berlin, Festsaal Kreuzberg
19.03.26 Wiesbaden, Schlachthof
20.03.26 Dortmund, FZW
21.03.26 Hamburg, Gruenspan
25.03.26 Bremen, Schlachthof
26.03.26 Hannover, Capitol
27.03.26 Stuttgart, Im Wizemann
28.03.26 Köln, E-Werk


Anna Ternheim
(Ms) Dies ist kein neuer Track, aber egal. Er ist wunderschön und verdient einen Platz hier! Der Kollege SB kennt sich wesentlich besser aus mit Anna Ternheim, ich kenne so gut wie keinen Track der schwedischen Künstlerin. Schande auf mein Haupt. Als ich am Mittwochmorgen zur Arbeit wollte, spielte Deutschlandfunk Kultur (ganz viel Liebe für diesen Radiosender) ihren Track What Have I Done und um kurz vor sieben wurde ich mit so viel musikalischer Schönheit durchströmt, dass sie mich durch einen langen, anstrengenden Tag getragen hat. Ich knie nieder vor dir, du wunderbare Kunst!

Dienstag, 18. November 2025

Nagelschmidt & Lambert - Nur Für Mitglieder

Foto: Andreas Hornoff
(Ms) Kein Hörbuch. Kein Musik-Album. Keine Buchvertonung.
Ja, was ist das hier?!

Im September hat Thorsten Nagelschmidt sein neues Buch Nur Für Mitglieder veröffentlicht. Anfang November kam dazu eine musikalische Veröffentlichung zusammen mit Lambert heraus. Und das ist wirklich ein richtig spannendes Produkt eines kreativen Schaffens. Sieben Tracks, 31 Minuten Spielzeit. Diese Eckdaten machen schon mal klar, dass das kein Hörbuch sein kann. So schnell kann keiner 230 Seiten vorlesen.

Für den Genuss dieses Hörerlebnisses ist es nicht notwendig, das Buch gelesen zu haben. Die Handlung ist schnell erklärt: Der Ich-Erzähler flieht vor Weihnachten und fliegt nach Gran Canaria, um in einem Hotel alle Staffeln von The Sopranos zu schauen. Genialer Plot! Und sicher auch ein guter Hinweis, wie die ach-so-feierlichen Tage zu begehen sein könnten. Feierstimmung auf Knopfdruck klappt halt nur bedingt. Die Geschichte ist mit viel Ironie des Zwischenmenschlichen und Allzumenschlichen gespickt.

Nun sind sieben Tracks zu hören. Doch was genau, erwartet einen da?! Was zuerst überrascht, ist, dass die Musik von Lambert keineswegs so verträumt-mystisch ist wie seine letzte Platte. Sie ist zu großen Teilen ziemlich elektronisch, viel Beat, viel Bass, viele Synthies. Weitere Überraschungen lassen nicht lange auf sich warten. Thorsten Nagelschmidt schafft es, (sicher) prägnante Stellen des Buches - ich habe es (noch) nicht gelesen - auszuwählen und als Spoken Word vorzutragen. Das heißt, er liest nicht nur, sondern spielt durchaus mit Melodie in seiner Stimme. Er spickt sogar einzelne Zeilen raus, um sie als Refrains umzubauen. Das ist super genial und eine ganz großartige, selten zu betrachtende Kunstschleife. Mir ist wirklich kein Pendant bekannt, das nur ansatzweise so erschaffen wurde. Es macht äußerst viel Spaß, diesem Hörerlebnis zu lauschen. Es macht auch Lust auf das Buch, da ja einige Stellen fehlen. Aus meiner Sicht macht es auch am meisten Sinn, diese halbe Stunde am Stück zu genießen, damit der rote Faden ersichtlich ist. Einzelne Songs in eine Playlist zu packen, finde ich aus Gesamtkunstperspektive gesehen, wenig verlockend, klappt aber auch.

Nur Für Mitglieder ist definitiv eine außergewöhnliche Veröffentlichung im Zwischenbereich von Literatur und Musik - oder ein genial verbindendes Element. Im Dezember gehen die beiden damit auf Tour und es dürfte sehr spannend werden, wie sie einen Abend füllen werden. Liest Thorsten Nagelschmidt noch etwas? Gibt es Muff Potter-Stücke zu hören? Legt Lambert noch ein Set ein? Werden kollektiv Lebkuchenhäuser gebastelt oder Urlaubspläne geschmiedet?! Dies kann nur hier erlebt werden und ein Besuch sollte sich lohnen:

08.12.2025 Köln, Gloria
09.12.2025 Hamburg, Kampnagel
10.12.2025 Bremen, Schlachthof
11.12.2025 Dortmund, Domicil
12.12.2025 Wiebaden, Museum
13.12.2025 Darmstadt, Centralstation
14.12.2025 Neunkirchen (Saar), Stummsche Reithalle
15.12.2025 Münster, LWL Museum
16.12.2025 Erfurt, Haus Dacheröden
17.12.2025 Berlin, Peter Edel
20.12.2025 München, Deutsches Theater
21.12.2025 Leipzig, Conne Island