Freitag, 30. März 2018

KW 13, 2018: Die luserlounge selektiert!

Bild: www.worldnumerology.com

(sb) Oh nein, der Kollege "ms" weilt im Urlaub und so obliegt mir die Selektion diesmal ganz alleine. Und das, obwohl er doch der Meister der aussagekräftigen, intelligenten und zielführenden Einleitungen ist... Naja, sind ja nur ein paar Zeilen und im Endeffekt kommt es dann ja eh mehr auf die rezensierte Musik an, oder? Und was soll ich sagen: auch in der letzten Woche des ersten Quartals erreichten uns wieder zahlreiche Neuerscheinungen, über die wir Euch kurz und prägnant in Kenntnis setzen wollen.
Los geht's!

George Ezra
Bereits am 23.03. erschien das neue Album von George Ezra namens "Staying At Tamara's". Dank seines Überraschungs-Hits “Budapest” wurde der Brite 2014 quasi über Nacht zum Shootingstar des Jahres. Das Debüt “Wanted on Voyage” war in Großbritannien 2014 & 2015 unter den zehn meistverkauften Alben des Jahres, wurde dort mit 4fach-Platin geehrt, erreichte auch hierzulande Gold-Status und verkaufte sich weltweit über 3 Mio. mal. An diese Erfolge dürfte der Nachfolger nahtlos anknüpfen, denn Radio- und Massentauglichkeit kann man Ezra nun wirklich nicht absprechen. Mir persönlich ist es an vielen Stellen zu belanglos, aber es ist schon erstaunlich, wie ein 24-Jähriger über weite Strecken stimmtechnisch wie ein Mittvierziger klingen kann.


Newmen
Ebenfalls bereits eine Woche auf dem Buckel hat "Delay", die neue Single der Newmen aus Frankfurt. Ganz sanft und leise geht's los, um dann krachend elektronisch über den Hörer hereinzubrechen und ihn auf die Achterbahnfahrt der Gefühle mitzunehmen, die sich zwischen Euphorie, Hochmut und dem steten Wunsch nach Geborgenheit bewegt. Dieser Appetizer macht Lust aufs Album "Soft Ware", das am 04.05.2018 folgen wird.


The Third Sound
"Nine Miles Below" heißt der neue Track des Isländers Hákon Aðalsteinsson, der seine musikalischen Zelte mittlerweile in Berlin aufgeschlagen hat und dort mit seiner Band The Third Sound sein bereits viertes Album aufgenommen hat. Auf "All Tomorrow's Shadows" erwarten Euch Garage Punk, psychedelischer 60's Groove und jede Menge dunkler Gitarrenpop. Hört man nicht alle Tage.




HER
Die Geschichte der französisch-deutschen Band ist eine tragische: bereits seit 2007 musizierten Victor Solf und Simon Carpentier zusammen, den Projektnamen HER wählten sie 2015 und mit der Werbekampagne eines iNfallsreichen US-Konzerns, die ihren Song "Five Minutes" nutzte, waren die beiden Künstler dank knapp 7 Millionen Streams auf Spotify in aller Munde und Gehörgang. Bis dahin alles bestens, doch über den Erfolg legte sich ein unendlich schwarzer Schatten, als Simon seinen über Jahre andauernden Kampf gegen den Krebs im August 2017 verlor.
Zumindest im Geiste unterstützt von seinem Freund begab sich Victor dennoch ins Studio, um das Major Label-Debüt von HER aufzunehmen, das heute erscheint. "Mir ist es nur dadurch möglich, seinen Tod zu verarbeiten. Das hier ist Musik für immer, fürs Leben."
Wie das klingt? Newer Wave meets Pop meets Soul meets Jazz - hört es Euch am besten selber an!

 
Tim Freitag
"Tim Freitag? Oh Gott, bitte nicht schon wieder so ein schwachsinniger Singer-/Songwriter-Scheißdreck á la Bendzko, Gisinger oder Forster!" Soweit zu meinem Gedankengang, als ich den Namen das erste Mal las. Der Klick auf den Youtube-Link erfolgte mit arg viel Widerwille, umso größer dann die Überraschung und Erleichterung, als ich dort keinen weichgespülten Radiopop vorfand, sondern eine Band (also gar keinen Einzelkünstler!), der es gelingt, ein discoeskes Grundgerüst mit treibendem Schlagzeug und Lyrics zu garnieren, die sowohl feinfühlig daherkommen als auch nachhaltig aufwühlen. "Hold On" ist der erste Vorbote für das Album der Schweizer, das für Frühjahr 2019(!) angekündigt ist.


 
 
Kathinka
Aus der norwegischen Stadt Bergen stammen Kathinka und servieren uns mit ihrem selbstbetitelten Album eine sehr bekömmliche Mischung aus Shoegaze und Indie. Die Stimme von Sängerin Annette Kathinka Servan jagt einem dabei ob ihrer Kälte mehr als einmal den Schauer den Rücken rauf und wieder runter. Musikalisch präsentiert sich "Kathinka" (VÖ: 27.04.2018) abwechslungsreich und ich kann mir einige Tracks wunderbar als Untermalung von skandinavischen Krimis und Thrillern à la Kim Småge, Jo Nesbø oder Anne Holt vorstellen.


Sonntag, 25. März 2018

Live: Editors in Münster

monkeypress.de
(ms) Samstag Abend. Konzert. Livemusik. Energie. Ein paar Bier. Und unheimlich gute Menschen.
Perfekter kann ein Abend fast gar nicht starten, durchgeführt werden und schließlich enden.

Dass die großartigen Editors auf ihrer aktuellen Tour zum Album Violence auch in Münster Halt machen, hat mich schon sehr überrascht aber natürlich auch immens gefreut. Denn wie schön, praktisch und gemütlich ist es denn, mit dem Fahrrad zum Gig zu fahern?! Genau!
Gastiert haben sie in der großen Halle Münsterland, in der sonst Veranstaltungen wie Apassionata stattfinden. Da geht es einem erst einmal nachvollziehbarer Weise eiskalt den Rücken runter. Hinten in der Halle waren zwar ein paar Ränge abgehängt, der restliche Bereich jedoch sehr gut gefüllt, sodass bestimmt 2.500 Besucher gekommen sind. Mit der örtlichen Nähe sind auch viele Menschen aus Holland gekommen, das hat man gehört.

Den Abend eröffnet hat die Band Public Service Broadcasting. Das ist eine Konzeptband, die aus drei Musikern besteht. Sie machen wundervolle, energiegeladene Instrumentalmusik zu der sie Videoaufzeichnungen zeigen, die sich am Besten mit dem Oberbegriff "Technischer Fortschritt" zusammenfassen lassen. Dazu hörte man Stimmen aus den dazugehörigen Fernsehbeiträgen oder Radiomitschnitte. Das klingt nach einer innovativen Idee und genauso gut ist das aufgegangen. Es hat nicht lange gedauert und diese schöne Kombination kam sehr gut beim aufmerksamen Publikum an. Sich diese Band als Support mit auf Tour zu nehmen, war eine ziemlich gute Wahl! Insbesondere dann, wenn der Bassist Trompete gespielt hat: Gänsehaut!

Bis dato war der Hauptteil der Bühne mit einem riesigen Vorhang verhüllt. Warum das klug war, sah man, als er gefallen ist. Denn das Bühnenbild war wirklich erstaunlich. Große Skulpturen aus Aluminium oder dergleichen, die ähnlich wie Spinnennetze in die Höhe schossen, flankierten den Bühnenhintergrund. Das Licht, das beim darauffolgenden Konzert ein wichtiger Faktor war, spiegelte sich darin sehr geschickt. Hut ab!
Als die fünf Briten an ihre Instrumente gingen, stiegt natürlich auch die Vorfreude. Zwei Mal habe ich sie schon live gesehen und beide waren extrem gut. Man nimmt ihnen ihre Leidenschaft sofort ab. Hallelujah (So Low) ertönte als Eröffner eines in Erinnerung bleibendes Konzertes. Die ersten ein, zwei Lieder werden ja oft genutzt, um den Ton nochmals auszuloten und anzupassen. Leider haben sie dadurch das Potential dieses Wahnsinnsliedes verspielt. Es hätte später kommen müssen, um sich insbesondere im Refrain vollständig ausbreiten zu können. Dennoch ging es gut los. Ein bisschen mussten sie sich warm spielen, bis ein Feuerwerk aus alten und neuen Hits abgeliefert wurde: Voilence, Magazine, Blood, Munich, An End As A Start, The Racing Rats, No Harm, Ocean Of Night, Papillon, Eat Raw Meat = Blood Drool, Formaldehyde, A Ton Of Love.
Tom Smith wechselte zwischen Gitarren, Synthies und Klavier, taperte so präsent und passioniert über die Bühne, dass man es auch gespürt hat, wenn man nicht direkt vor der Bühne steht. Ihre Qualität haben sie in jedem Takt bewiesen und es wurde ihnen mit ausschweifendem Applaus gelohnt.

Nur zwei Dinge kann man bemängeln. Erstens hätte es phasenweise lauter sein können. Aber nun gut. Zweitens fehlte Smokers Outside The Hospital Door. Was für ein faux-pas, diese Hymne nicht zu spielen. Es hätte ein besserer Rausschmeißer als Marching Orders sein könne. Aber nun gut. Meckern auf hohem Niveau.

Vielen Dank, liebe Editors für einen großartigen Abend!




Freitag, 23. März 2018

KW 12, 2018: Die luserlounge selektiert!

www.pinterest.at
(sb/ms) Die Iden des März haben wir größtenteils unbeschadet überstanden, die Rückkehr des
Winters hinterließ keine größeren Spuren (-5 Grad vorgestern am Bodensee!), die erste Woche nach der Veröffentlichung des großartigen Juse Ju-Albums "Shibuya Crossing" wurde mit Heavy Rotation gefeiert und auch das luserlounge-Postfach hat geglüht, um uns mit allerhand Neuigkeiten zu versorgen. Natürlich ist nicht alles so golden, wie es der jeweilige PR-Text glänzenderweise verspricht, ein paar Perlen waren aber durchaus dabei, auf die Ihr Euch in den kommenden Wochen freuen könnt. International geht's zu, also macht Euch auf was gefasst!

Kaled
Unsere Reise beginnt in der Heimat der luserlounge, in Bayern. Wahrscheinlich dürfte es auch ein Premiere sein, dass wir jemanden featuren, der in einer ARD-Show mit Florian Silbereisen sein TV-Debüt feierte, aber Kaled hat es einfach verdient, denn sein Song "Kennst Mi No" hat mit Schlager einfach nix zu tun. Starke Stimme, guter Sound, interessanter Typ, der eigentlich aus dem Hip Hop-Bereich kommt und schon mit Größen wie Moses Pelham und Harris gearbeitet hat: Kaled macht Pop-Musik der sehr angenehmen Sorte und da ich (sb) derzeit eh viel bayerische Musik höre (z.B. dicht & ergreifend, BBou, Hans Söllner, Konstantin Wecker,...), kommt mir das gerade recht. "Kennst Mi No" wurde am 16.03. veröffentlicht, das dazugehörige und gleichnamige Album des Münchners aus Überzeugung folgt im Spätsommer.



TUYS
Nächster Halt: Luxemburg. Wir hatten die vier Herren aus Differdange kürzlich schon mal auf unserer Facebook-Seite vorgestellt, am 30.03. folgt nun aber endlich auch das Album "Swimming Youth", mit dem TUYS pop-rockig zwischen den KYTES und den Wombats einfedern und sehr viel Spaß machen. Kleines Land, große Musik; hoffentlich nimmt die Musikwelt Kenntnis von den TUYS, die sich bereits aus Schulzeiten kennen und zusammen musizieren, seit sie 10 waren. Zusammen vom Kind zum Indie-Geheimtipp werden - traumhaft!



Der Butterwegge
Zurück nach Deutschland und rein in den Ruhrpott: Der Butterwegge hat nicht nur die Musikrichtung Alko Pop erfunden und betreibt eine Kneipe in Duisburg, sondern hat sich auch dem Fußball verschrieben und der wurde (und wird zum Teil immer noch) in diesem Teil des Landes vornehmlich "Auf Asche" gespielt. So heißt dann auch die Single, die heute veröffentlicht wird und die mich (sb) schmerzlich an aufgerissene Oberschenkel nach etwas zu ambitionierten Tacklings zurückdenken lässt. Dann doch lieber musikalisch auf den roten Untergrund zurückkehren, der sowohl staubtrocken als auch matschig aufgeweicht eine richtige Drecksau ist.



Lion Sphere
Wir biegen ab Richtung Osten und schlagen in Berlin auf, um Lion Sphere kennenzulernen. A bisserl Funk, a bisserl Pop, a bisserl Feelgood-Atmosphäre und schon sehnt man sich den Sommer herbei. Bis dahin müssen wir uns mit der heute erscheinenden Single "Alice At Once" begnügen, Anfang Mai wird mit dem Debütalbum "A Moving Sun" nachgelegt. Dass Lion Sphere durchaus auch für die große Bühne taugen, haben die Berliner um Sänger Joel Montagud bereits im vergangenen Jahr eindrucksvoll bewiesen, als sie als Support mit den Mighty Oaks auf Tour waren.



I Am K
So, jetzt geht's in den hohen Norden, genauer gesagt nach Kristiansand in Norwegen. Von dort stammen I Am K und werden in ihrer Heimat aktuell sehr gehyped. Melodischer Pop trifft auf raffinierte elektronische Elemente und auch der ein oder andere rockige Part darf nicht fehlen, sodass das Debütalbum "Humans" (VÖ: 20.04.) zu keiner Zeit langweilig ist. Ganz im Gegenteil:I Am K werden ihrem Ruf mehr als gerecht und überraschen mit jedem einzelnen Track und zwar immer wieder von Neuem auf sehr positive Art und Weise. Die können es auch international schaffen, keine Frage.


 
The Streets
Wir setzen über auf die Insel - heute virtuell und im April dann tatsächlich, um The Streets zu erleben. Zwei luserlounger werden Mike Skinner demnächst live sehen und angesichts der neuen Tracks, kann man nur hoffen, dass The Streets auf ihrer Comeback-Tour hauptsächlich Klassiker spielen werden. Oder wie Fatoni zu sagen pflegt: "Oi, er ist kein Musiker, er ist ein Superheld - und es hilft auch nichts, dass mir sein neues Zeug nicht mehr so gut gefällt."
 
 
 
Dlé
Zu guter Letzt geht es nochmal zurück nach Deutschland und zwar in den Westen. Also richtig in den Westen, gaaanz, ganz tief. Genau: Nach Aachen. Denn dort, im Theater Mörgens sind Dlé endlich wieder zu sehen. Nach ihrem grandiosen Rap-Mystik-Epos Der Fluch der Tantaliden geht es nun ab in die Zukunft: Android Ergo Sum heißt der neueste Streich. Die Uraufführung und die ersten Präsentationen sind schon gelaufen. Welche Tücken in der Algorithmen-Dystopie so lauern wurde unter anderem in Westworld oder Black Mirror gezeigt. Dass das auch als HipHop-Theater-Performance gelingen kann, seht ihr mindestens an diesen drei Terminen in Aachen. Wir sehen uns!
 
14. April, 20 Uhr
22. April, 20 Uhr
29. April, 20 Uhr
 
 

Donnerstag, 22. März 2018

Editors - Violence

muenchenticket.de
(ms) Sie gehören definitiv zu den Großen der 00er-Jahre-Indie-Hochzeit dazu. Und das vollkommen zurecht. Was haben wir uns nicht zu Munich, Smokers Outside The Hospital Door oder The Racing Rats in den Armen gelegen voller Energie, Gefühl und Ergriffenheit. Na klar, die Rede ist von den wunderbaren Editors. Kennzeichnend war immer schon der druckvolle Klang, der so herrlich ausgefuchst und tiefgehend war. Dazu erstrahlt in jedem Lied die nah ans Herz gehende Stimme von Tom Smith. Er ist nicht nur ein wahnsinnig gut aussehender Kerl, sondern ein ebenso herausragender Sänger, der sein Publikum live allein am Klavier genauso in den Bann ziehen kann wie im vollen Rausch der verstärkten Gitarren. Die studierten Jungs aus Birmingham wussten einfach sehr geschickt, wie man einen Rocksong schreibt, der sich nah an der Perfektion bewegt. Auch die aufkommenden Synthesizer haben dem kein Abbruch getan, so war In This Light And On This Evening mit Hymnen wie Papillon oder Eat Raw Meat = Blood Drool erst gewöhnungsbedürftig, dann genial.
Und dann ist das geschehen, was man nicht erhofft hat. The Weight Of Your Love und das bis dato letzte Album In Dream waren leider nicht mehr so stark. Die Leidenschaft und der laute Druck, der sich nie so angehört aber angefühlt hat, waren nicht mehr da. Klar, einzelne Lieder hatten den ehemaligen Glanz, aber in Gänze war es Material, dass die Band schleichend vergessen ließ.

Bis jetzt!
Denn mit Violence ist den fünf Herren von der Insel ein Brett gelungen.
Die Energie ist zu spüren, die Liebe zur Musik ebenso gepaart mit einer erstaunlichen Aktualität in den Texten ist da. Die Gitarren sind zwar in ihrer klassischen Gestalt weiter in den Hintergrund gerückt, die mitreißenden Momente werden von verzerrten Keyboard und Synthie-Sounds erzeugt und gehen voll auf! Und das lediglich in neun Tracks, die von Leo Abrahams mitproduziert worden sind. Noch erstaunlicher ist jedoch, dass Blanck Mass ihnen bei den elektronischen Parts geholfen hat. Dieser hat unter anderem beim Kveikur-Album schon mit Sigur Rós gearbeitet. Wenn man nun genau hinhört sind Ähnlichkeiten in einzelnen Takten zu erkennen, wenn weit im Hintergrund purzelnde Percussion durch die Lautsprecher rauschen.
Und wenn Tom Smith behauptet, dass ihnen diese Mischung aus bandeigenem Sound der ersten Alben und dem Hand zu Synthies noch nie so gut gelungen sei wie auf dem neuesten Werk, dann ist es ihm direkt mit dem ersten Hören zu glauben!

Der Opener Cold ist schon sehr klug gemacht. Pochend geht es los, klar die Stimme des Sängers. Ein persönlicher Text, der melancholisch anmuten mag, doch in der Klanggestalt gar nicht so daher kommt, ein schöner Kontrast. Mit Halleluja (So Low) gibt's das erste richtig große und bleibende Ausrufezeichen. Die zweite Single kulminiert in 3:55 so dermaßen viel Energie, dass es kaum auszuhalten ist. Die treibende Akustikgitarre wird im Refrain von heftig verzerrten E-Gitarren abgelöst, dass es nur so scheppert. Das muss bitte ganz laut aufgedreht werden. Man kann sich die Lichtshow, wenn es live zelebriert wird, schon in etwa vorstellen. Der Titeltrack kommt als astreiner Electro-Song um die Ecke und kommt in der zweiten Hälfte erst so richtig in Fahrt. Das macht richtig Bock! Bei Nothingness kann man auch drauf kommen, dass das Lied von SOHN stammt. Und das ist keine negative Kritik. Der Mut, den die Herren haben, sich so vom Sound ihrer ersten Alben zu entfernen, ist beachtenswert. Das heißt ja auch zum Glück immer noch, dass sie live die Klassiker spielen. Magazine ist eine gut gewählte Single, die alles mitbringt, um im großen Pop-Rock-Business durchzustarten. Dies wird noch verbunden mit einem guten politisch-gesellschaftlichen Text. Dass No Sound But The Wind dem einen oder anderen schon bekannt ist, liegt daran, dass er mal in den Twilight-Filmen lief. Nun gut. Mit dem Sechs-Minuten-Brett Belong wird der Hörer sanft aber bestimmt aus dem aktuellen, großartigen Editors-Album geschmissen.

Als langjähriger Fan war ich natürlich neugierig auf die Scheibe, habe allerdings nicht so viel erwartet, da In Dream ziemlich an mir vorbeigerauscht ist. Umso schöner, dass ein altes Feuer wieder entfacht worden ist.
Daher: Auf, auf zur aktuellen Tour!

24.03. - Münster, Halle Münsterland
25.03. - Köln, Palladium
31.03. - Hamburg, Mehr! Theater am Großmarkt
01.04. - Berlin, Tempodrom
02.04. - Leipzig, Haus Auensee
18.04. - Wien, Gasometer
20.04. - München, Tonhalle
21.04. - Zürich, Komplex 457




Freitag, 16. März 2018

KW 11, 2018: Die luserlounge selektiert!

Quelle: mrqt.net
(ms) Es gibt Situationen im Leben, die einen verrückt machen. Zum Beispiel wenn etwas so Ungeheures passiert, wie das Abbrechen der Nadel am Plattenspieler. Das ist am Mittwoch geschehen. Die auslösende Begebenheit war jedoch nach intensiver Gedanken- und Erinnerungsarbeit vor ein paar Wochen. Da legte ich mir des Abends schöne Musik auf, während ich dabei ein leckeres Getränk meiner Wahl genossen habe. Beim Drehen der Scheibe ist mir ein Unglück unterlaufen, das ich nun bedauere. Wahrscheinlich habe ich den Arm nicht wieder korrekt auf seine kleine Halterung gelegt, sodass er sich ein Mal verselbstständigt hat. Der Schaden, den er davon genommen hat, wird bei mir in Schmerz übersetzt. Nicht nur, dass ich derzeit das neue Editors-Album nicht auf Vinyl genießen kann, sondern der Preis des Ersatzteils mir Kopfschmerzen macht. Qualität hat halt seinen Preis. Ein abgegriffener und wahrer Satz.
Zum Trost meiner geschundenen Seele und zum Entdecken für Euch, haben wir Folgendes:

Mynth
Sie gehen auf Tour. Und das solltet Ihr Euch nicht entgehen lassen. Denn die österreichischen Zwillinge Giovanna und Mario vereinen ihre Unterschiede, um daraus Kraft und Musik zu schöpfen. Wie? Unterschiede bei Zwillingen? Klar, die soll es auch geben. Marios treibende Energien werden durch Giovannas Ideen gebündelt und das bringen sie dann auf die Bühne. Ihr aktuelles Album Parallels ist etwas leichter als der Vorgänger, spielt aber immer noch herrlich mit den Arten des Electropop.

17.03. - Berlin, Kantine am Berghain
18.03. - Offenbach, Hafen 2 (Eintritt frei)
19.03. - Dresden, Altes Wettbüro
20.03. - Bayreuth, Sübkültür (Eintritt frei)
22.03. - Karlsruhe, Kohi
23.03. - München, Milla



Pöbel MC & Milli Dance
Ja, wir haben sie schon hier und dort gefeatured. Aber ihr Album Soli-Inkasso ist halt so gut, dass es sich lohnt, auch das vierte Video zu präsentieren. Das Spiel im Rap ist halt manchmal so unheimlich blöd und platt und stumpf und schwer zu begreifen, dass es sich lohnt darauf einen Abgesang zu intonieren. Das machen unsere beiden Lieblingsrapper aus Rostock und kommen damit nun auf Tour. Hingehen, hingehen, hingehen. Das ist ein Befehl.

22.03. - Hamburg - Hafenklang (ausverkauft)
23.03. - Magdeburg - Knast
24.03. - Leipzig - IfZ
07.04. - Köln - AZ
20.04. - Vechta - Gulfhaus
21.04. - Schwerin - Komplex
27.04. - Oberhausen - Druckluft
28.04. - Schwäbisch Gmünd - Esperanza
29.04. - München - Sunny Red
30.04. - Chemnitz - Atomino
04.05. - Lüneburg - Anna&Arthur
05.05. - Berlin - MenschMeier    



Chefket
Ein fein minimal gehaltener Beat ermöglicht es der neuen Single von Chefket schön textlastig zu sein. Gel Keyfim Gel hat als Gast niemand geringeren als Marsi-fucking-moto an Bord, der auch auf Türkisch ein paar Zeilen ins Mikro eingesungen hat. Was das jetzt genau heißt, wissen wir natürlich auch nicht. Aber wer fragt das nach bei jedem englischsprachigen, skandinavischen, französischen Lied? Eben. Einfach mal die Boxen aufdrehen und sich von den anatolischen Melodien mitnehmen lassen.

Donnerstag, 15. März 2018

Station17 - Blick

Quelle: 17rec.de
(ms) Als Rezensent von Musik steht man manchmal vor einem Dilemma. Dieses hier könnte eines sein, deren Gedanken weit über den Ottonormalkosmos der Branche hinaus geht. Eine wichtige Frage für eine Besprechung lautet stets: Was sind die Parameter, an der ich neue Musik messe? Was sind meine Grundpfeiler, an denen ich mich orientiere, um Material zu besprechen? Als Profi ist diese Frage sicherlich noch schwieriger zu beantworten als für uns Leidenschaftler. Denn wir sind von niemandem abhängig, bekommen für unsere Arbeit kein Geld, müssen nicht zwingend jemandem mit unserer Meinung gefallen. Auf der anderen Seite können wir auch viel schneller unseren liebsten Bands ganz voreingenommen begegnen und aus den Fingern eine Lobeshymne schreiben. Ein Verriss oder ein Candystorm bleiben gewissermaßen für unsere Arbeit folgenlos - eine etwas nüchterne Bilanz, aber okay.

Als professioneller Journalist, darf man eben nicht voreingenommen sein, muss objektiv und dennoch meinungsstark sein. Eine wunderbare Herausforderung an einen wunderbaren Beruf. Und damit sind wir mitten im Thema. Lange habe ich darüber nachgedacht, wie man der Zusammensetzung von Station17 begegnen soll. Möglichkeit 1: Ich höre mich in die Musik hinein, sammle Eindrücke und Bilder, die im Kopf entstehen und lasse sie mit sachlichen Informationen zu einer Rezension verschmelzen. Möglichkeit 2: Ich lasse mich vom Gewicht der Hintergrundinfos sanft leiten und ordne darin die Musik ein.
Warum dieses Gedankenspiel?
Station17 besteht aus Menschen mit und ohne Behinderung. Zack! Schon sieht man sich in einer sozialwissenschaftlichen Diskussion: Kategorisieren oder nicht? Welchem Gewicht lasse ich dieser Information zukommen? Blende ich es aus? Darf ich die Musik schlecht finden? Wäre das angemessen? Will ich gefallen mit dem Beitrag, um nicht als reaktionär zu gelten? Lobe ich es in dem Himmel, obwohl ich damit nichts anfangen kann? Ist mir die Diskussion zu fern und ich schreibe gar nichts mehr darüber? Halte ich das Projekt für sozialromantischen Quatsch und belächle es geringschätzig? Spreche ich von Inklusion oder von Diversität?

Herrje. All diese Fragen kann man jetzt beantworten, der schönen Platte Blick ein unangemessen schweres Gewicht beimessen oder einfach das tun, was man immer tut: Hören, reindenken, Gefühle sammeln, das ganze kanalisieren und versuchen passende Worte dafür zu finden.

47 Minuten, neun Lieder. Das macht über fünf Minuten im Schnitt, nicht übel. Damit wäre man beinahe beim aktuellen Editors-Album oder fast in den Sphären von Sigur Rós. Aber okay, das betrifft wirklich nur die Länge. Die Musik, der Klang hat weder mit den Briten noch mit den Isländen im entferntesten was zu tun. Bei Berichten über Station17 kommt schnell das Wort Krautrock um die Ecke. Für die Benutzung bin ich zu jung. Ich würde es als experimentellen Indierock mit Electropop-Elementen bezeichnen.
Bei jedem Lied ist ein Gast dabei, mal einzelne Personen wie Andreas Spechtl oder Andreas Dorau und dann Kollektive wie Schneider TM oder Datashock. Und genau so abwechslungsreich ist das ganze Album in Klang und Gestalt und Text. Einige sind etwas mysteriös (Der Schimmelreiter rückwärts), andere wieder auf angenehm leichte Weise unterhaltsam (Schaust Du). Es ist eine Platte, die den Hörer fordert, denn es ist kein einfaches Material, ab und an (z.B. bei Ein Knall) wird es auch mal sperrig beim Mix aus Gesprochenem und treibenden Beats. Das macht jedoch nach mehrmaligem Hören auch richtig Laune!
Da halt auch die Sänger variieren, klingt es wie eine Kompilation. Und genau das hat System, denn Station17 existiert seit enorm langer Zeit und seit jeher in wechselnder Besetzung. Seit 1990 wird unter dem Namen Musik veröffentlicht. Herrje, da wurde ich geboren! Umso einleuchtender, dass sie im Laufe der Zeit akribisch teilnehmende Beobachter des musikalischen Wandels sind.

All das schlägt sich auf Blick nieder.
Ein Album, das man am besten in Ruhe, dann aber laut aufgedreht und mit einem guten Tropfen genießen sollte. Es ist vielseitig, tiefsinnig, bunt und schön. Und da interessiert es auch irgendwann nicht mehr, wie die Musiker leben. Das, was sie geschaffen haben, ist große Klasse!
Blick ist am 9. März auf Bureau B erschienen.

Hier sind sie bald live zu sehen:

09.03.2018 - Berlin - Kantine am Berghain
16.03.2018 - Münster - Gleis 22
17.03.2018 - Ihrhove - Limit
24.03.2018 - Esslingen - Komma
25.03.2018 - Nürnberg - Z-Bau / Galerie
06.04.2018 - Hamburg - Kampnagel
05.05.2018 - Dortmund - DortBunt! Cityfest
10.05.2018 - Mainz - Schon Schön
11.05.2018 - München - Milla
19.05.2018 - Flensburg - Volksbad
26.05.2018 - Darmstadt - Centralstation
02.06.2018 - Dannenberg - Krautfest
09.06.2018 - Bergisch Gladbach - Zesamme Open Air
25.07.2018 - Oldenburg - KulturSommer
11.08.2018 - Süderstapel - Rock an der Eider
18.08.2018 - Braunschweig - Rock an der Wabe
13.09.2018 - Peine - Forum



Montag, 12. März 2018

Juse Ju - Shibuya Crossing


(sb) „Schuld an meinem Weltschmerz waren sicherlich nicht die Bräute. Ich bin in Kirchheim geboren, aber nicht dort aufgewachsen wie meine Freunde und gehörte auch nie dorthin, aber kann mittlerweile dorthin zurückkehren und freu mich. Ich freu mich.“ Juse Ju ist seit seiner Kindheit ein Wandler zwischen den Welten: Kirchheim unter Teck, Yokohama, München, Berlin – er kennt also schwäbische Provinz genauso wie Weltstadt mit Herz und tatsächliche Metrople. All diese Erfahrungen lässt er in sein großartiges neues Album Shibuya Crossing (VÖ: 16.03.) einfließen und liefert das vermutlich beste deutschsprachige Rap-Album des noch jungen Jahres ab.

1989: In einem kleinen, grünen Holzhaus in Tokio sitzt ein 6-Jähriger aus Süddeutschland und hört zum ersten Mal in seinem Leben Public Enemy. Aufgelegt von seinem großen Bruder auf dessen Billig-Plattentellern im gemeinsamen 12qm-Kinderzimmer. Jetzt, 29 Jahre später, verarbeitet Juse Ju nicht nur dieses Erlebnis, sondern lässt auch andere Kapitel seinen Lebens Revue passieren, sei es ein Schüleraustausch in El Paso, unschöne Erfahrungen mit Marketing-Agenturen oder das Leben zwischen den Hochhausschluchten in Japan.
2001: Sprühen, Jugendhaus-Battles und Demo-Kassetten. Eine Solo-EP, eine Kollabo-EP mit seinem Partner in Crime, Fatoni, seines Zeichens bester deutscher Rapper der Welt. Zu Beginn des Jahrtausends freestyle-battled sich Juse Ju durch die Bühnen der Jugendzentren und Dorfdiskos und veröffentlicht 2009 schließlich seinen ersten Longplayer Yo, HipHop hat mein Leben zerstört. Eine Platte mitten in die Post-AggroBerlin- und Prä-Casper-Cro-Materia Ära. Kein Video, keine Berichterstattung, keine Struktur.

Foto: https://www.hai-angriff.de/
Juse bleibt ein Szeneding und steckt zudem noch in einer beruflichen Sackgasse: Er verdingt sich als Drehbuchautor und Redakteur fürs Trash TV. Da das nicht alles sein kann, wählt er das Risiko: er kündigt seinen Job, setzt sich in einen Flieger nach Japan und fängt im Tokioter Szeneviertel Shibuya an, in einem Café zu arbeiten. Wieder Japan, wieder 12qm.  Zeit zum Nachdenken.

2011: Wieder in Deutschland schafft es Juse an eine renommierte Journalistenschule in Berlin. Seine Ambitionen als Rapper liegen auf Eis, die erste Liebe muss beruflichem Pragmatismus weichen, denn irgendwie müssen die Rechnungen bezahlt werden und das klappt sicher nicht mit Rap. Doch eines Tages steht Fatoni mit einer Feature-Anfrage bei ihm auf der Matte: Vorurteile. Der Song wird ein Untergrundhit, Part II des Tracks mit der Antilopen Gang knackt beinahe die Million auf YouTube.

Juse Ju ist zurück im Business und  veröffentlicht die Mixtapes Übertreib nicht deine Rolle (2014) und Angst & Amor (2015) zum freien Download und als Vinyl.

Foto: https://rap.de
Mit Übertreib nicht deine Rolle und German Angst landet er zudem zwei Szene-Hits, erntet sehr gute Kritiken von Juice bis Spex und spielt ausverkaufte Touren mit Fatoni und der Antilopen Gang. Sein neuer Arbeitgeber Radio Fritz erkennt zudem Juses Moderationstalent und gibt ihm eine eigene Radiosendung, den "Deutschrap Nightflight". Parallel dazu baut er die Battle Rap Plattform "Don’t let the Label label you" mit auf. HipHop hat Juse wieder… oder umgekehrt.

Und jetzt… 2018: Shibuya Crossing. Juse Jus erstes richtiges Album. Die Quintessenz seiner wechselhaften Geschichte und seiner Weltsicht. Dazu namhafte Indie-Features wie Fatoni, Edgar Wasser und Danger Dan von der Antilopen Gang, eine eindeutige politische Ausrichtung, wohl gewählte Worte als Kick in die Fresse der spießbürgerlichen Wertegesellschaft. Doch Shibuya Crossing ist kein durchgehend ernstes Album, ganz im Gegenteil: Pain is Love (und nein, der Track heißt nicht Penis Love, auch wenn es so klingt…) präsentiert genau den berufsjugendlichen Juse Ju, den man auch von der Bühne kennt, während Milka Tender die Verarbeitung einer Trennung thematisiert, wie sie wohl jeder von uns schon mal erlebt hat. Einfach mal volllaufen lassen und hoffen, dass alles gutgeht.

Man kennt die zwei Singles (7Eleven und das alles überragende Lovesongs), hört in freudiger Erwartung das Album rauf, ist positiv gestimmt, genießt die zwei bereits geliebten Tracks, hört es nochmal runter, findet einen neuen Liebling (in dem Fall Shibuya Crossing), wieder durch, bleibt bei dem neuen Liebling hängen. Nochmal drüber, jetzt Propaganda im Kopf, bis man Stunden und weitere fünfmal Durchhören später bei Bordertown aus dem Mitgehen nicht mehr rauskommt. Ein Hammer jagt den nächsten. Shibuya Crossing ist der passende Titel. Von jeder Seite wird man wieder von einem Hammer-Track überrollt. Alle Ampeln auf Grün - obwohl der Ampelmann blau ist.

Nicht groß nachdenken: kaufen!





Freitag, 9. März 2018

KW 10, 2018: Die luserlounge selektiert!

Quelle: betanews.com
 (sb/ms) Mit Abgesängen auf deutschsprachige Gitarrenjungspopmusik kann man nicht aufhören. So wurde ich in dieser Woche morgens beim Radiohören kurz vorm Verlassen des Hauses auf eine Veranstaltung aufmerksam, die eine so grausame Besetzung hat, dass ich direkt auf den Fernmelder einschlagen wollte. Und ja: Hier gilt null Toleranz.
In Bocholt wird am 30. Mai ein Openair stattfinden, für das 50€ Eintritt gefordert sind. Laut örtlicher Presse waren in den letzten Jahren mal Die Ärzte, Santana oder Deep Purple zu Besuch gewesen. In diese großen Fußstapfen treten nun die Ikonen der leeren Hüllen: Max Giesinger, Johannes Oerding und Revolverheld. Ja, ich kann es insofern verstehen, dass es für eine mittelgroße Gemeinde wie Bocholt ein tolles Ereignis ist. Wir als Garanten des guten Geschmacks müssen hier aber Protest kundtun. Geschmack ist subjektiv? Oft, ja. Hier heißt es wieder mal, dass die Grenzen des guten Geschmacks fließend sind. Oder starr.
Sehr nah an Bocholt ist Rees. Dort findet seit Jahren das Haldern Pop Festival statt. Das wäre doch mal ein Ausflug wert, insbesondere da dort bei der diesjährigen Ausgabe unter anderem folgende Musiker auftreten: Fink, Jake Bugg, Kettcar, Sleaford Mods oder The Inspector Cluzo.
Was es noch an feinen Neuigkeiten gibt:

St. Michael Front
Breite Pauken, große Gitarrenwände und offener Gesang. Das hört man auf White Lights Shine der Gruppe St. Michael Front. Das Duo veröffentlicht am 20. April ihr erstes Album auf Staatsakt/Caroline mit dem tollen Titel End Of Ahriman. Dabei geht es um nichts weniger als einem eigenen Zirkel von Geschichten um den Weltuntergang. Wer sich nach dem Heiligen Michael benennt, der ja bekanntermaßen den Teufel besiegt hat, klotzt statt zu kleckern. Dunkler, hymnischer Pop paart sich hier mit Erzählungen aus der Apokalypse. Ist genauso spannend wie es klingt. Natürlich spielen sie das dann auch live:

20.03.18 Hamburg - Nochtwache
24.05.18 Köln - Blue Shell
25.05.18 Berlin - Acud
26.05.18 Hamburg - Molotow Sky Bar



The Prosecution
Irgendwie ist Bläser-Punk ja die klassische musikalische Begleitung für den Sommer. Klar, dass man dann schnell auf The Prosecution kommt. Forlon heißt die neue und bereits vierte Single aus ihrem aktuellen Album The Unfollowing. Da hört man auf den Festivalwiesen schon die Dosenbiere öffnen und spürt die warmen Sonnenstrahlen im Gesicht. Doch, Stopp! So leicht und beschwingt geht es keineswegs in dem Song zu. Einsamkeit, Depression und die häufigen schweren Entscheidungen, die man treffen muss, kegeln einen ab und an aus dem Leben. Stimmungsvoll geht es garantiert auf der kommenden, großen Tour zu:

16.03. Coburg, Toxic Toast / Akustik Show (14:30 Uhr)
16.03. Kronach, Struwwelpeter
17.03. Trier, Ex-Haus
23.03. Erfurt, Ilvers
24.03. Lübeck, Treibsand
06.04. Würzburg, B-Hof
07.04. Biberach, Abdera
13.04. Stuttgart, Universum
14.04. Düsseldorf, The Tube
20.04. Braunschweig, B58
21.04. Koblenz, Circus Maximus
11.05. Weißenburg, Heimspiel Festival
09.06. Rock The Hill, Bischofsmais
23.06. Rosslau, This Is Ska
16.06. München, Backstage // mit MAD CADDIES
30.06. Giebelstadt, Mission Ready Festival
27.07. Peißenberg, hAMMERsound Festival
11.08. Nürnberg, Eventpalast, Dropkick Murphys Open Air
27.10. Ummerstadt, Tolerance Festival



Drangsal
Ja, der Max Gruber. Vor zwei Jahren hat er mit seinem Erstling die Pop- und Indie-Welt erschüttert. Und das so nachhaltig, das nun das Folgealbum kommt. Es hört auf den Namen Zores und erscheint am 27. April auf Caroline. Turmbau zu Babel ist die erste Single, die mit Video serviert wurde. Diese erste Auskopplung lässt den catchigen 80s-Sound vermissen und klingt stimmlich extrem nach einem Mix aus Farin Urlaub und Schklagermusik. Als guter Bekannter von Casper, Konstantin Gropper (Get Well Soon) und Sam Vance-Law darf man aber sicher gespannt sein, dass Zores vielleicht noch ein ganz großer Knaller wird!



SOOMA
Deutlich härter geht's bei SOOMA zu und ich bin sehr, sehr positiv überrascht, was die drei Schweizer da aufs Parkett zaubern. Alter Verwalter, das knallt ordentlich - Garage & Stoner Rock, wie man ihn sich wünscht, deutlich hörbar inspiriert von QOTSA, Clutch, Filter, Suprasod  u. ä. und stimmlich mitunter sogar etwas an die Arctic Monkeys oder Mando Diao (besonders beim Song "Joy") erinnernd. Da wünsche ich mir sehr, dass die bald den Sprung nach Deutschland schaffen und auch hier touren. Das selbstbetitelte Album erscheint am 30.03. und rockt wie Sau. Kann man nicht anders sagen.




Editors
An den Briten kommt man bei den heutigen Releases natürlich nicht vorbei: 9 Tracks, 43 Minuten, pure Brillanz. Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass Violence auch in den Charts steilgeht und den Editors die dritte Nummer 1 im UK bescheren wird. In Deutschland steht bislang Platz 4 als Highscore - Challenge accepted!



Donnerstag, 8. März 2018

Live in Münster: Tocotronic

(ms) Tocotronic spielten gestern Abend in Münsters Sputnikhalle. Ein Ereignis, das auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Denn Münster hat etwa vierzigtausend dort lebende Studenten. Und wenn es natürlich eine intellektuell-verkopfte Band gibt, die dort gut hinein passt, dann sind es die vier Herren aus Berlin, die vor kurzem ihr neues Nummer-1-Album Die Unendlichkeit veröffentlicht hat.
So war es auch kein Wunder, dass der Auftritt relativ schnell ausverkauft war, so pilgerten an einem verregnetem Mittwochabend etwa tausend Menschen Richtung Hawerkamp. Anzutreffen waren Immatrikulierte und die, die es mal waren. Man könnte jetzt das Wort generationenübergreifend benutzen, doch das klingt so stark nach kleingemeindlichem Begegnungszentrum. Und da sind wir mit Tocotronic noch lange nicht gelandet.

Eingestimmt in den Abend hat die vierköpfige Band Ilgen-Nur aus Hamburg, die ihre eigene Musik als sad songs about growing up bezeichnen. Da der genaue Wortlaut der englischen Texte zwischen Bierholen und den Tag bequatschen etwas untergegangen ist, können wir das nicht bestätigen, glauben ihnen aber natürlich. Ihre Musik klang erschreckend nach der der Hauptprotagonisten des Abends gemischt mit dem Sound der alten Indierock-Meister aus Großbritannien. Es war eine feine Auswahl als Support und eine tolle halbe Stunde, hätte nicht irgendein Vogel "Isolation Berlin ist aber besser" reingerufen. Wie ätzend und unfreundlich ist das denn?! Und außerdem ist Isolation Berlin pseudointellektueller Schrott. Aber ist ja alles subjektiv.

Um 21 Uhr ging dann erneut das Licht aus und Jan Müller, Arne Zank, Dirk von Lowtzow und Rick McPhail betraten die Bühne, genossen den Applaus und starteten in Die Unendlichkeit. Nun ist die Sputnikhalle ein toller Club, doch nicht außergewöhnlich bekannt für ihren überragenden Sound, okay war es dennoch. Es folgte ein Streifzug durch 25 Jahre Bandgeschichte mit einem logischen Schwerpunkt auf dem aktuellen Werk. Alte und neue Fans durften sich über Drüben auf dem Hügel, Die Grenzen des guten Geschmacks 2, This Boy is Tocotronic, Zucker, Electric Guitar, Aber hier leben nein danke, Hey Du, Wie wir leben wollen, Sag alles ab, Explosion, Let there be Rock, Hi Freaks und und und freuen. Die Wucht der Präsenz auf der Bühne war eine Demonstration ihres Könnens und hat in den vorderen Reihen stehend viel Freude bereitet. Dass sie nicht abgehoben ist, was man ihnen natürlich schnell vorwerfen kann, zeigt, dass sie sich Zeit lassen, mit der richtigen Gitarre zu spielen oder an einer Stelle den Text vergessen.

Allzu schade, dass das Gastspiel relativ kurz gewesen ist. Ein wenig länger als eineinhalb Stunden. Ob das wohl am Alter liegt? Oder am vollen Tourplan? Man weiß es nicht.
Dennoch haben Tocotronic mal wieder bewiesen, dass sie immer noch eine wichtige und live extrem gute Liveband sind. Wer kann, sollte sich in den kommenden Wochen davon überzeugen:

08.03.18 Heidelberg - Halle 02
09.03.18 Erlangen - E-Werk (Ausverkauft)
11.03.18 Erfurt - Stadtgarten
12.03.18 Wiesbaden - Schlachthof
13.03.18 Köln - E-Werk
14.03.18 Hannover - Capitol
16.03.18 Hamburg - Große Freiheit 36 (Ausverkauft)
17.03.18 Hamburg - Große Freiheit 36 (Ausverkauft)
18.03.18 Hamburg - Große Freiheit 36
06.04.18 Leipzig - Werk 2 (Ausverkauft)
07.04.18 Essen - Weststadthalle
08.04.18 Stuttgart - Theaterhaus
09.04.18 Zürich - X-Tra
11.04.18 Freiburg - E-Werk
12.04.18 München - Tonhalle
13.04.18 Salzburg - Republic
14.04.18 Dresden - Alter Schlachthof
16.04.18 Berlin - Columbiahalle (Ausverkauft)
17.04.18 Berlin - Columbiahalle



Mittwoch, 7. März 2018

Pöbel MC & Milli Dace - Soli-Inkasso

Milli und Pöbel. Foto: Louise Amelie
(ms) Wo genau ist im Rap nun der Unterschied zwischen Mixtape und Album? Da wir nicht sooo tief in der Rap-Szene aktiv sind, können wir das auch nicht wirklich beantworten und halten die Unterscheidung auch eigentlich für obsolet. Die gemeinsame Scheibe (oder viel schöner halt auf Vinyl) von Pöbel MC und Milli Dance kann beides sein.
Diesen Freitag erscheint Soli-Inkasso bei den werten Damen und Herren von Audiolith und ist ein weiteres Ausrufezeichen der Rostocker, die schon oft vorher gemeinsam Texte und Beats gebastelt haben. Milli Dance ist MC und Flow-Aushängeschild der von uns sehr geschätzen Crew Waving The Guns. Pöbel MC kommt ebenfalls aus dem hohen Nordosten. Gemeinsam haben sie schon Armutszeugnis, Es war nicht alles schlecht oder Tageslicht auf den WTG-Alben zu Werke gebracht.
In den letzten Jahren waren sie auf vielen Touren und Festivalgigs zusammen auf der Bühne. Daher wundert diese Kollaboration nicht wirklich, freut aber umso mehr. Und um eine der wichtigsten Fragen direkt zu Beginn zu beantworten: Ja, WTG machen weiterhin zu viert weiter.

Auf den elf Tracks haben sieben verschiedene Akteure den jeweiligen Beat beigesteuert, die immer wieder mit Samples arbeiten. Daher ist das Album von außen gesehen schon extrem abwechslungsreich. Mal ruhig, mal textlastig und nicht zu wenig, um tanzen, pöbeln, moshen zu gehen. Politisch geht es oft zu und das auch deutlich ohne sich mit jeder linken These gemein zu machen. Neben vielen ernsten Zeilen zum Zeit- und Gesellschaftsgeschehen ist es erfrischend und unterhaltsam, dass sie sich für einen billigen Kalauer auch nicht zu schade sind. Hey, was solls. Der Rap-Thron wird gar nicht beansprucht, dann muss man auch nicht so tun als ob.

Pöbel & Dance macht direkt zu Beginn deutlich, worum es geht. Nicht immer um viel und dass es völlig okay ist, sich mal komplett wegzuballern, Eskapismus ist hier unbedingt gewollt.
Im Vergleich zu ihren vorherigen, eigenständigen Veröffentlichungen, geht es hier häufiger um die Rap-Szene an sich. Loseroptik, DWDCS, Sososo und Abgesang machen ihre Haltung zum großen Rap-Kosmos deutlich: Klischees, die man bedient, kann man auch mal hinterfragen. Das ist nicht nur einfach so richtig, sondern - ganz ohne Ironie - verdammt gutes Material für soziologische Untersuchungen. Die ganzen Pseudo-Auseinandersetzungen zwischen Rapper X und Rapper Y sind nichts anderes als postpubertäres Rumeiern auf flachen Beats mit achsokrasser Grundattitüde. Da wundert es nicht, dass sie immer wieder gern den Job von Rooz kritisch in die Mangel nehmen.

Zwei Songs der äußerst stabilen Platte sind zudem erwähnenswert. Das ist zum Einen Aufbruchstimmung, der Beat stammt von WTGs Dub Dylan. Man kann auch behaupten, dass es das Herzstück vom Release ist. Es geht um gesellschaftliche Ausgrenzung und dass Aggression und Ausschluss nicht immer von denen kommt, bei denen man es sowieso erwartet. Stark: endlich mal keine simplen Fick-die-AfD-Zeilen, sondern kluger Text mit dunklem Beat: Es marschiert nicht, sondern sickert ein. Die große Herausforderung im aktuellen im weitesten Sinne auch als politisch zu bezeichnendem Rap ist ein geschickter Umgang mit den Zeichen der Zeit. Das hier ist ein Paradebeispiel!
Zum Anderen ist Robomob ein starker Track, weil mit dem harten Beat von Pöbel MC selbst kaum zu erwarten. Große Empfehlung: Das Sample vom Anfang auswendig lernen. Denn die nächste intellektuelle Hürde für Rap ist, dass er etwas erklären muss. Nein, muss er nicht. Und das machen Milli Dance und Pöbel MC im Refrain mehr als deutlich. Auch sie haben nicht alles verstanden; immer schön auf dem Boden bleiben ist also die Nachricht.
Wir gönnen Soli-Inkasso, dass es im HipHop hierzulande breit aufgenommen und rezipiert wird. Als Außenstehender habe ich immer das Gefühl, dass dies beim Zecken-Rap nicht so recht geschieht.

Die beiden gehen demnächst hier auf Tour.
Aufgrund von persönlicher Erfahrung von WTG-Konzerten mit Pöbel MC und deren Wucht ist ein Besuch aufs Wärmste ans Herz zu legen!

09.03.2018 Berlin - Musik&Frieden
10.03.2018 Wiesbaden - Tapefabrik
07.04.2018 Köln - AZ
20.04.2018 Vechta - Gulfhaus
21.04.2018 Schwerin - Komplex
22.03.2018 Hamburg - Hafenklang
23.03.2018 Magdeburg - Knast
24.03.2018 Leipzig - IfZ
27.04.2018 Oberhausen - Druckluft
28.04.2018 Schwäbisch Gmünd - Esperanza
29.04.2018 München - Sunny Red
04.05.2018 Lüneburg - Anna & Arthur





Freitag, 2. März 2018

KW 9, 2018: Die luserlounge selektiert

dribble.com
(ms/sb) Keychange. In etwa mit Schlüsselübergabe zu übersetzen, oder dass man sich die Klinke in die Hand drückt. Unter diesem Namen haben sich 45 internationale Festivals initiativ bereit erklärt, bis zum Jahr 2022 für die Hälfte ihrer auftretenden Künstler Frauen zu bestätigen. Das ist natürlich eine spitzen Idee und mit dem Reeperbahn Festival und dem Pop Kultur Festival in Berlin sind unter den Akteuren auch zwei deutsche dabei; in Österreich macht das Waves Vienna mit.
Damit einhergehend kommt natürlich auch ein gewisses Dilemma. Denn auf dem riesigen Glitzer-Pop-Markt sind natürlich viele Damen aktiv: Lady Gaga, Pink, Rihanna, Madonna, Fever Ray, Björk. Für die großen Festivals hier in der Gegend fallen mir aus dem Stehgreif nicht viele weibliche Bands ein, die weit oben mitspielen und logischerweise für kommerziellen Erfolg sorgen könnten. Wir sind große Fans von Anna von Hausswolff, Anna Ternheim, Tice, Dear Reader, Mine, Kat Frankie, Adna oder sookee und schauen sie uns gern auf den unterschiedlichsten Bühnen an. Bei kleinen und/oder bunten Veranstaltungen wie dem Reeperbahn Festival wird das Ganze sicherlich auch kein Problem sein. Beim Deichbrand oder Taubertal sieht das wiederum anders aus.
Die Zwickmühle wird klar.
Also: Was tun? Logisch: Strukturell mehr Frauen und Mädels ermutigen und fördern, die sich eine Gitarre umhängen, ein Mikrophon schnappen, Leute um sich herum scharren und schöne Lieder singen, Texte rappen, Musik machen.
Wir haben da auch noch andere Tipps für euch:

Agar Agar
Die Suche nach einem Bandnamen erweist sich immer schwer. Das wissen alle, die selber Musik machen. Daher ist es modern einfach ein Wort zu verdoppelt; zack - fertig: Agar Agar. Ach nee, das ist ja Japanische Gelatine. Egal.
Der Name ist auf jeden Fall super. Die Musik des Pariser Duos hypnotisch und erinnert an eine dunklere, mystischere Spielart von Blondage. Dabei ist hier das Video sehr sehenswert, in dem die Schauspielerin Garance Marillier mit einer Vitrual Reality-Brille nachts auf Streifzug geht. Agar Agar haben bereits eine EP veröffentlicht, der nächste Streich soll im Herbst folgen.
PS: Wiedermal Electro aus Frankreich. Potzblitz!



Sam Vance-Law
Ja, wir haben schon ab und an über ihn gesprochen. Doch heute erscheint sein Erstling Homotopia. Mit ein paar Großen im Rücken (unter anderem Konstantin Gropper von Get Well Soon oder der Plattenfirma Caroline International als Tochter von Universal) hat er es in die breite Berichterstattung geschafft. Der offene Umgang mit Homosexualität und wie toll das klingen kann, davon kann man sich ab heute auf Albumlänge überzeugen lassen. Das wird super. Ohne das Album vorliegen zu haben, tippe ich bei Sam Vance-Law auf einen heißen Kandidaten für eine Platte des Jahres.

02.03. - Berlin, Prachtwerk
27.04. - Erlangen, Unter einem Dach
17.07. - Mannheim, Maifeld Derby
31.08. - Köln, c/o Pop
29.09. - Dortmund, Way Back When
22.10. - Leipzig, Naumanns
23.10. - München, Milla
26.10. - Berlin, Lido
27.10. - Hamburg, Nochtspeicher




Mainfelt
Aus dem schönen Südtirol kommen Mainfelt und veröffentlichen am 30.03. ihre neue EP namens Vice and Virtue. Wo sich die vier Musiker bislang eher dem Folkrock verschrieben hatten, findet man nun gefälligen Rock mit erkennbaren Pop-Elementen. Dazu eine angenehme Stimme und fertig ist das radiotaugliche Format. Klingt zugegebenermaßen negativer als es gemeint ist, denn mit dem Track Petrichor ist durchaus ein potentieller Hit vertreten, aber mir fehlt der Wiedererkennungswert, die Uniqueness. Wie angedeutet: die EP kann man sich wunderbar anhören, sie tut sicher keinem weh, ist aber auch austauschbar und bleibt deswegen leider nicht im Gedächtnis.




Donnerstag, 1. März 2018

Kaufmann - König vu dr Nacht


Foto: https://www.facebook.com/kaufmannmusic/
(sb) Was ist denn jetzt los? Solltet Ihr Euch beim Blick auf die Überschrift die Frage stellen, ob die luserlounge unter die Legastheniker gegangen ist oder ob die Tastatur kaputt ist - mitnichten! Vielmehr handelt es sich um Schweizerdeutsch, eine mitunter unfassbar charmante und lyrische Sprache, die in Deutschland völlig zu Unrecht und mit einer gehörigen Portion Arroganz belächelt wird. Wie dem auch sei: Schweizerdeutsch ist auch nicht gleich Schweizerdeutsch, die regionalen Unterschiede sind durchaus gravierend und ein Basler und ein Appenzeller klingen völlig unterschiedlich. Reto Kaufmann stammt aus der Hauptstadt Graubündens, Chur, und veröffentlichte am 23.02. sein Album König vu dr Nacht, auf das ich kürzlich rein zufällig stieß und seitdem bestimmt 25 mal angehört habe. Sososososo schön!
 
Ich muss gestehen, dass ich durch die räumliche Nähe zur Schweiz (ich wohne am Bodensee) und zahlreiche Freunde dort ohnehin ein Faible für Land und Leute habe und die Sprache inzwischen passiv auch recht gut beherrsche. Das hilft, wenn man Kaufmann verstehen möchte, doch auch ohne Sprachkenntnisse erkennt man, dass der Sänger sein Herz auf dem Album ausschüttet, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt das komplette Spektrum ausnutzt, dass er sich als aufmerksamer Beobachter seiner Umwelt zeigt und dass es ihm gelingt, seine Gedanken in wunderschöne und anschauliche Metaphern zu packen.
 
Anders als Faber, der sich ja mehr oder weniger dem Hochdeutschen bedient und so automatisch einen größeren Markt bedient, bleibt Kaufmann bei seiner Heimatsprache und gerade das macht König vu dr Nacht zu etwas Besonderem.  Dennoch liegt der Vergleich der beiden Musiker nahe – zumindest aus Sicht des ausländischen Bloggers: während sich der Zürcher Faber etwas experimenteller (Balkan Beat, Chanson) aufstellt, bedient sich Kaufmann eher des klassischen Pop/Rock-Sounds, dies jedoch auf eine sehr einnehmende Art und Weise, denn die Melodien sind ungemein catchy und haben einen hohen Wiedererkennungswert.

Der Opener Ferngstürts Auto kommt spielerisch daher, die Liebe als Motiv wird wunderbar umgesetzt und versprüht gute Laune. Es folgt die Single Lisa – das Thema bleibt das gleiche, der Blickwinkel ändert sich aber radikal. Statt Euphorie übernimmt Melancholie das Steuer und nimmt den Hörer mit auf eine Reise zu Verzweiflung und Hoffnung. Ganz, ganz groß, lieber Reto!

Mit Ja oder nei wird’s erstmal ruhiger, bevor sich Kaufmann auf den Beobachterposten zurückzieht und eine großartige Geschichte über den Lebenskünstler Fredi erzählt. So einen kennt doch jeder, aber kaum einer schafft es, so ein bezauberndes Lied darüber zu schreiben.
 
Foto: https://www.facebook.com/kaufmannmusic/
Der Titeltrack König vu dr Nacht ist eine Ode an einsame Abende und Nächte, gepaart mit der großen Lust am Leben. Passion, Gefühle, Sehnsucht – wunderbar zusammengefasst in 4 Minuten.
 
Anschließend wird’s mit Pizza und Tinder etwas schneller, bevor einen Pirat wieder erdet. Beide Songs verbindet die textliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft und doch könnten die Lieder unterschiedlicher nicht sein.
 

Es folgt Norwegischi Chroni – wow! Einfach nur wow! Dazu den ein oder anderen Drink (zu viel) und man fängt unweigerlich an zu Heulen vor Glück. Das war Liebe aufs erste Hören und für diesen Song möchte ich mich beim Künstler von ganzem Herzen bedanken.
 

Zugegebenermaßen fällt es danach echt schwer, sich auf Uf und ab zu konzentrieren, der Song ist es aber wert, denn die Metapher „das Leben ist ein Penis“ samt Erklärungen ist nicht nur amüsant, sondern beinhaltet viel Wahres, wenn man mal drüber nachdenkt. Muss man erstmal draufkommen…
 
Engel oder Tüfel  holt den Hörer dann wieder in dem Zustand ab, in dem er nach Norwegischi Chroni zurückgelassen wurde. Ein bisschen Philiosophie, die Fragen des Lebens und ganz große Gefühle. Ach, was ist das schön… 

Mit Liabi und Euphorie geht’s auf die Zielgerade, mir selber gibt der Song nicht so arg viel, aber dass dieser ebenfalls sehr hörenswerte Track für mich den Tiefpunkt des Albums darstellt, unterstreicht nur einmal mehr, wie großartig König vu dr Nacht insgesamt ist.

Dr Boda isch verstaubt beschließt die größte musikalische Überraschung seit Monaten – und da sind wir wieder bei Faber. Dessen Album Sei ein Faber im Wind traf mich damals auch völlig unvorbereitet und wurde dann zu meinem persönlichen Album des Jahres 2017. Man wird sehen, ob Kaufmann das dieses Jahr auch schafft, aktuell ist er aber gut dabei und ich würde mich sehr freuen, wenn er bald auch mal außerhalb der Schweiz auftreten würde, um seine Songs zu präsentieren.

Quelle: https://www.facebook.com/kaufmannmusic/