Freitag, 29. November 2019

KW 48, 2019: Die luserlounge selektiert

Quelle: xyzapk.com
(ms/sb) Diese Woche ereignete sich folgende Begegnung in der Bahn: Ich war auf dem Weg nach Hause, der Arbeitstag war ziemlich okay. Die kleinen Erledigungen für zu Hause auf dem Schirm, holte ich allein im 4er mein Buch heraus (Ocean Vuong - Auf Erden waren wir kurz grandios) und freute mich in diese schaurige Geschichte einzutauchen. Eine bildstarke Handlung von Nachkommen Überlebender des Vietnamkrieges. Zwischen Liebe und Gewalt schreibt der Protagonist an seine Mutter. Und ich frage mich stets beim Lesen - völlig ummantelt von Stereotypen - ob es eine bestimmte asiatische Art des Wortgebrauchs gibt, bis.... ja... bis ich die Töne des Reisenden vor mir gehört habe, die aus seinen In-Ear(!)-Kopfhörern ballerten. Eine mir wohl bekannte Melodie, die vor einundzwanzig Jahren Platinstatus hatte. Dööp DöpDöp DöDöö DöpDöp DööDööö... Es war Narcotic von Liquido. Dachte ich. Bis der Track nach einer halben Minute noch unerträglicher wurde, indem ein irrer Technobass einsetzte, das Tempo sich erhöhte und im Abteil Clubatmosphäre herrschte. Mein Gott. Was für ein Riesenschrott. Oder wie es bei uns heißt: Turboscheißdreck3000! 4000! 5000!

Zurück zu den guten Tönen. Den Lauten und Leisen. Es ist Freitag. Du bist bei der luserlounge. Wir haben für dich selektiert! Lass dich treiben.... döpdöpdödöö...

The Chemical Brothers
(ms) Als das Album Surrender von The Chemical Brothers erschien, war ich neun Jahr alt. Neun! Das heißt, ich bin gerade in die dritte Klasse gegangen. Keine Ahnung, was ich zu der Zeit cool fand. Vom Electro-Duo und ihres Meisterwerkes war ich jedoch mit Sicherheit weit entfernt. Tom Rowlands und Ed Simons hatten vorher auch schon zwei Alben veröffentlicht, doch Surrender war dann halt der Durchbruch. Man braucht nur Hey Boy Hey Girl oder The Sunshine Underground erwähnen. Das Beeindruckende: Sie bleiben bis heute super erfolgreich! Glücklicherweise konnte ich sie im Sommer als Headliner vom Deichbrand Festival sehen und war total baff! Da standen die beiden Herren Ende vierzig auf der Bühne zwischen tausenden Applikationen und aus den Boxen ballerte es nur so heraus! Sie haben die norddeutschen Äcker im Nu in eine riesige Tanzfläche verwandelt. Das gefiel mir nach viel Gitarrenmusik an dem Tag extrem gut.
Letzte Woche - mea culpa - erschien die Jubiläumsausgabe von Surrender. Alles ein bisschen aufpoliert und massiv Extramaterial: Von Remixen, unveröffentlichten Titel, Live-Mitschnitten auf DVD bis zu Kunstdrucken; natürlich auch auf Vinyl. Sollte man in der Plattensammlung haben!



Sleep Token
(sb) Alter Verwalter, was ist das denn Geiles? Wenn das musikalische Spektrum eines Albums von Bon Iver über die Editors bis hin zu Killswitch Engage reicht, handelt es sich normalerweise um eine Compilation, in vorliegendem Fall stammen sämtliche Tracks jedoch von einer Band: Sleep Token sind genau so ein Rätsel wie ihre musikalische Einordnung und dieser Umstand macht das Künstlerkollektiv natürlich nochmal einen Hauch mysteriöser und spannender. Die anonyme Band um ihren stets maskierten Frotmann Vessel weiß in jedem gewählten Genre zu überzeugen und lässt den Hörer mit ihrem Album Sundowning (VÖ: 22.11.) nicht nur verblüfft, sondern extrem fasziniert zurück. Der Albumtitel bezieht sich dabei übrigens auf das Sundown-Syndrom, ein neurologisches Phänomen, das bei Patienten mit Demenz oder Delirium mit zunehmender Verwirrung und Unruhe einhergeht. Bei Betroffenen treten abends bzw. bei Sonnenuntergang vermehrt eine Vielzahl von Verhaltensproblemen auf - ein weiteres Mysterium also, aber wie viel passender könnte der Titel gewählt sein? Abwechslungsreich, überraschend, kraftvoll, verletzlich, laut, leise, schnell, gemäßigt: das alles ist Sleep Token und das Ergebnis ist herausragend.


The Offenders
(sb) Punkrock aus Italien, jedoch (leider) auf Englisch - größtenteils zumindest, denn sprachliche Barrieren stellen für die Veteranen aus Cosenza, die mittlerweile nach Berlin umgesiedelt sind, ebenso wenig ein Hindernis dar, wie musikalische Genres. Punk, Ska, Folk, Reggae - The Offenders bedienen sich aus mehreren Schubladen und picken sich dabei die Rosinen raus. Auf Class Of Nations (VÖ: heute!) geht es (natürlich) hochpolitisch zu - etwas anderes war von dem Quartett aber auch nicht zu erwarten.
"Die Rosenblüte überragt einen grünen Stängel mit scharfen Auswüchsen, die im Allgemeinen als Dornen bezeichnet werden. Die Blüte wird in der Regel von der dominierenden, herrschenden Gesellschaftschicht gepflückt, also von den Reichen. Für den Rest von uns bleiben die Dornen übrig, die scharf genug sind, um in die Haut einzudringen. Solange soziale Gerechtigkeit und Gleichheit nur hohle Phrasen in Wörterbüchern sind, werden wir diese Dornen nicht los."
Eine treffende Metapher, oder? Musikalisch kommt Class Of Nations - wie beschrieben - recht abwechslungsreich daher, die textlichen Aussagen stimmen auch und doch ist mir das Album an manchen Stellen fast schon etwas zu party- und massentauglich. Bestes Beispiel dafür ist der Track Marchez, der multilingual diverse Widerstandsparolen aufgreift und unters Volk bringt. Das klingt leider ziemlich plump und ist der tollen Offenders irgendwie unwürdig.


Lion's Law
(sb) Punkrock aus Frankreich, jedoch (leider) auf Englisch. Da kann ich aber sehr gerne darüber hinwegsehen, denn die Cut The Rope EP von Lion's Law ist deutlich mehr als nur ein Appetizer für das im Frühjahr erscheinende Album The Pain, The Blood & The Sword, sie funktioniert auch als eigenständiges Werk mit ihren leider nur zwei Tracks hervorragend. Aus meiner Sicht sind Punk und Politik untrennbar miteinander vereint und auch die Band aus Paris scheint dieser Meinung zu sein und schickt ein deutliches Statement in Richtung der gewählten Volksvertreter. Dass die Aussage des Tracks in den Kommentaren auf YT dann leider komplett umgedreht wird und des Öfteren gefordert wird, man möge den Strick doch bitte beim ein oder anderen Politiker anwenden, lässt jedoch tief blicken und dürfte nicht im Sinne der Musiker sein. Starker Song und wachsende Vorfreude auf den Longplayer!


Bock auf Kultur
(sb) Unsere Europareise setzen wir in Österreich fort: Dort veranstaltet das Flüchtlingsprojekt Ute Bock in Wien jährlich ein Benefizfestival namens Bock auf Kultur und präsentiert dort nicht nur Musik vom Feinsten, sondern natürlich auch seine eigenen Aktivitäten. Den Initiatoren geht es darum, eine Stimme für Menschen zu erheben, die per Gesetz keine eigene Stimme haben, darum, aufzustehen für Menschen auf der Flucht. Es geht um Solidarität, um soziale Verantwortung, darum, eine Bewegung der Menschlichkeit zu unterstützen. Es geht darum, sich gegen die drohende soziale Eiszeit und gegen die politische Abgrenzung zu stellen, denn die Krise sind niemals die Menschen - die Krise sind die Ressourcen und wie man sie verteilt.
Zum diesjährigen Festival (09.-30.11.) gibt es für 15 € zzgl. Porto einen äußerst hörenswerten Charity-Sampler, mit dem auch Ihr die Initiative unterstützen könnt. Zahlreiche österreichische Acts haben sich versammelt und sind auf diesem limitierten, ausschließlich auf Vinyl erschienenen Schmuckstück vertreten. Mit dabei sind u.a. Bilderbuch, Granada, Mavi Phoenix, Friedberg und als musikalischer Höhepunkt die großartige All-Ladies-Supergroup My Ugly Clementine, nähere Informationen findet Ihr HIER und HIER - Klicken lohnt sich!


Oehl
(ms) Die Wege des Herrn sind unergründlich. Vom Duo Oehl habe ich zum ersten Mal in der Vorberichterstattung zum Reeperbahn Festival gehört. Leider war ich an einem anderen Tag da, sonst hätte ich sie mir gern angehört. Und genau dafür liefern sie sehr viele gute Anregungen. Der neuste Streich: Wolken. Genauso wie das Video, ist der Track schön verspielt. Ganz angenehmer Beat, dazu leichte Synthie-Flächen, sympathischer Bass plus Gesang bilden ein ziemlich catchyiges (kann man das so sagen?) Hörerlebnis. Nochmal zum Video: Das ist ästhetisch so dermaßen ansprechend, schräg und wunderbar. Man kann viel staunen! Schön auch, dass es irgendwie nicht zum Text des Liedes passt. Denn trotz seiner leicht melancholischen Zeilen, bleibt ein eher positiver Eindruck zurück!
Das Duo war beim RBF als Newcomer nominiert. Entsprechend erscheint am 24. Januar ihr erstes Album Über Nacht bei Groenland Records. Der lässig-elektronische Indie-Pop stammt aus der Feder vom Wiener Ariel Oehl (auch Gesang) und dem isländischen Komponisten Hjörtur Hjörleifsson. Extrem spannende Mischung.
Die Musik ist der kluge Gegenentwurf zu den ganzen aufkommenden Sprösslingen, die ihren Bandnamen mit Der/Die/Das garnieren. Das ist ein Lob!
Die Band geht im Frühjahr auf Tour, wir schauen da auch vorbei!

14.02.2020 München, Milla
15.02.2020 Stuttgart, Club Cann
18.02.2020 Nürnberg, Stereo
19.02.2020 Bremen, Lagerhaus
20.02.2020 Hamburg, Hafenklang
21.02.2020 Berlin, Kantine im Berghain
05.03.2020 AT-Innsbruck, p.m.k.
06.03.2020 AT-Dornbirn, Spiegelboden
07.03.2020 AT-Salzburg, ARGE
13.03.2020 AT-Graz, Orpheum Extra



June Cocó
(ms) Ja, wir sind der Neoklassik-Schiene komplett verfallen. Nicht weil es in irgendeiner Hinsicht cool und modern ist und auch ein bisschen avantgarde. Nein. Weil es einfach so wunderwunderschön ist und funktioniert. Klar, June Cocó gehört jetzt nicht zu diesem Genre dazu, ist ein bisschen poppiger, aber ebenso wohlklingend. Die Pianistin singt und spielt und die neuste Single Letter weiß schnell ins Ohr zu gehen. Das Klavier klingt ein wenig wie bei Hauschka, das Arrangement wie bei Hanne Hukkelberg und doch ist der Gesamteindruck nicht so sperrig, sondern sehr fein zugänglich. Man meint ja, dass das eine Schwäche sei. Mitnichten! Der Track vermittelt eine grundlegend mystische Atmosphäre, aber ein Funken Hoffnung ist in jedem Takt zu spüren! Die Dame mit Wahlheimat Leipzig (jaja, das neue Berlin...) veröffentlicht heute (!) ihr neues Album, das auf den Titel Fantasies & Fine Lines hört. Absoluter Tipp!
June Cocó ist auch auf Tour und macht hier Halt. Ihr auch?

29.11.19 Hamburg - Hebebühne
30.11.19 Berlin - Privatclub
26.02.20 Göttingen - Apex
27.02.20 Magdeburg - Moritzhof
28.02.20 Rostock - Helgas Stadtpalast
02.03.20 Mainz - Schick & Schön
04.03.20 Tübingen - Sudhaus
05.03.20 Stuttgart - Club Cann
06.03.20 Heidelberg - Karlstorbahnhof
07.03.20 Bonn - Waschsalon




So, Ihr müsst jetzt alle ganz stark sein, denn wir tun es wirklich: Wir rezensieren Weihnachtsalben! Freiwillig, auch wenn's hart ist, sowas im November anzuhören und generell ja eh schon. Aber was tut man nicht alles...

The Great Collections
(sb) Ein paar einleitende Worte, bevor ich zur Musik komme: Christmas for Everyone (VÖ: 15.11.) ist nicht irgendeine beliebige Scheibe, sondern das Debüt von The Great Collections und zudem gleich auch noch ein Doppelalbum. Das alleine ist ja schon ungewöhnlich und irgendwie cool, aber auch musikalisch hat das gute Stück einiges zu bieten. 39 neue Tracks und 2 Coverversionen umfasst der Longplayer der siebenköpfigen Band, die als Session-Gruppe der LAVA-Studios zueinander fand und bereits auf zahlreichen Filmmusikproduktionen zusammen musizierte. Lasst es Euch nochmal auf der Zunge zergehen: 39 neue Weihnachtslieder! Oida, was für ein Output! Gott sei Dank blubbert das Album nicht so vor sich hin, sondern bietet reichlich Variation: Swing, R'n'B, County, Funk, Blues etc. finden ihren Platz und bieten eine angenehme Alternative zu den Weihnachtsklassiker á la Winter Wonderland oder Last Christmas. Klar ist aber auch: Nach den Feiertagen wird das Ding eingemottet und nie wieder rausgeholt - trotz der doch sehr ansprechenden Hymne Beer for X-mas... Eins noch: Lasst Euch von der wirklich furchtbaren Singleauskopplung (siehe Youtube) nicht abschrecken - schlimmer wirds auf dem Album nicht mehr. Versprochen!


Robbie Williams
(sb) Geldnot wirds nicht sein. Verzweiflung? Verblassender Ruhm? Langeweile? Warum um alles in der Welt tut Robbie Williams das? Weils jeder macht? Ich bin ja bekennender Robbie-Sympathisant, habe ihn auch schon live gesehen, finde ihn extrem cool und liebe seine Stimme, habe aber immer gehofft, dass der Welt ein Robbie-Weihnachtsalbum erspart bleibt. Und da isses nun...
Gut, einmal durchatmen und unvoreingenommen an The Christmas Present (VÖ: 22.11.) rangehen! Also, los gehts: 24 Songs auf zwei CDs, viele auch hierzulande bekannte Weihnachtsklassiker, mal mehr mal weniger inspirierte Interpretationen, einige Eigenkompositionen und namhafte Gäste wie Rod Stewart, Bryan Adams, Jamie Cullum oder , äh ja, Helene Fischer - zugegebenermaßen ist das alles schon sehr stimmig und wird sich völlig zurecht prächtig verkaufen. Der Mann weiß halt, wie es geht und wie er sein Publikum unterhält. Kann gut sein, dass das Album auch bei meinen weihnachtlichen Familienfeiern laufen wird. Aber hey, mal ganz ehrlich: brauchts des wirklich?

Freitag, 22. November 2019

KW 47, 2019: Die luserlounge selektiert

Bild: 47nord.de
(sb/ms) Über gescheiterte Promotion:
Der Bereich des Hamburger Verkehrsverbundes (hvv) wird ausgeweitet. Das freut viele Pendler, da es wahrscheinlich günstiger wird. Ich bin auch davon betroffen. Eine Stunde lang war ich vom Gegenteil überzeugt, bin vom einem Preisanstieg ausgegangen. Das lag an gescheiteter Promotion. Innerhalb der Woche waren fleißige Promo-Bienchen in der Provinz unterwegs, um von Vorteilen der Änderung zu plaudern. So fragte ich nach, welch dolle Verbesserung mir das bringt. Die Antwort war: "Ähh, bis zu Ihrem Halt kostet das jetzt x." - "Wieso? Ich zahle derzeit zwanzig weniger als x, da muss ich ja schon mehr zahlen. Woran liegt das?" - "Das liegt hieran [zeigt auf markierten Bereich der Verkehrszonen]." - "Aha." - "Ja, da kann man wohl nichts machen." - "Ja, großer Riesenmist." Wollte ich nicht so wirklich glauben, hab die Servicehotline angerufen, die - etwas überzeugender - meinten, dass ich 30 weniger (!) zahlen müsse als nun. Ich habe mich schnell entschieden, wem ich glaube. Nicht der gescheiterten Promotion.

Themenwechsel.

Gelungene Promotion zeigen wir Euch an dieser Stelle. Können wir ja auch nicht leugnen. Machen wir aber gern, da wir vom Zauber der Musik überzeugt sind. Hier ist die luserlounge. Hier wird freitags selektiert.

Nada Surf
(ms) Ja, sie gehören zu den ganz Großen! Nada Surf sind immer noch die Könige des Indie-Lovesongs und einfach wahnsinnig gute Menschen. Da muss man nicht lang um den heißen Brei herum reden. Vom Lovesong haben sie sich ein wenig entfernt, haben ja auch unzählig Wunderschöne geschrieben. Folgt man der Band auf den sozialen Kanälen, wird insbesondere die musikalische Politisierung von Sänger Matthew Caws deutlich. Das macht sich nun auch deutlich immer allerneusten Streich. Denn: Es gibt neue Musik und ihr freut euch sicher genauso doll wie wir! Something I Should Do ist der erste Vorgeschmack auf die Platte Never Not Together, die am 7. Februar erscheinen wird. Die Single ist ein Gegenmanifest zur autoritären Verstumpfung und ein gitarrenlastiger Aufruf zur Empathie: We Have To Hold On On That Hippie-Part Harder! Wie wunderbar, wie wahr. Was für eine Aufforderung. Klar, man will auch wieder etwas klingen wie Popular, aber die Nachricht ist ja eine ganz andere. Hui, das wird ein spannendes Album! Und wir werden Euch damit definitiv auf dem Laufenden halten!
Einige Tourdaten für das kommende Jahr gibt es auch schon!

27.02.2020 - Köln, Live Music Hall
06.04.2020 - Stuttgart, Im Wizemann
09.04.2020 - München, Muffathalle
11.04.2020 - Berlin, Metropol
12.04.2020 - Hamburg, Fabrik

Mehr oder weniger unverständlich als Support von Madsen hier unterwegs (sollte ja - wenn überhaupt - bitte anders herum sein):

03.04.2020 - Hannover, Swisslive Hall
04.04.2020 - Leipzig, Haus Auensee
10.04.2020 - Berlin, Columbiahalle
17.04.2020 - Bremen, Pier 2
18.04.2020 - Dortmund, Warsteiner Music Hall



Nicole Sabouné
(ms) Es ist ja auch nicht unwichtig, wer etwas empfiehlt. Über Nicole Sabouné bin ich nicht durch eine Promo-Mail gekommen, sondern über Anna von Hausswolff. Da ist Qualität und guter Geschmack garantiert. Denn die in Schweden lebende Dame mit dem frankophil anmutenden Namen hat am 15. November eine neue EP herausgebracht, die gehört werden will. Es offenbart sich ein dunkler, mystischer Sound auf Come My Love. Breite Klangflächen werden ummantelt von Percussion und ihrer tollen Stimme. Lässt man sich ein wenig in ihrer Musik treiben, so ist eine spannende Entwicklung zu bemerkten. Hat sie auf früheren Veröffentlichungen rockiger und mit mehr hörbarer Band gespielt, so tapert sie nun in dunklen Gefilden. Beides ist wirklich großartig. Hört rein in For Us und lasst Euch von dieser Musik verzaubern.
Sollte Nicole Sabouné in unseren Gegenden unterwegs sein, werden wir diese Info verbreiten!



Anne Müller
(sb) Ich kann das jetzt nicht empirisch verifizieren, aber Anne Müller dürfte schon einer der häufigsten Namen in Deutschland sein, oder? Umso schöner, dass die Cellistin dieses Namens so erfreulich aus der Masse herausragt und mit ihrem Debütalbum Heliopause (VÖ: heute!) ein Werk vorlegt, das nicht nur über die komplette Spielzeit bestens unterhält, sondern auch eine ungemein beruhigende Wirkung hat - und das ist ausschließlich positiv gemeint. Ich persönlich hatte bereits am vergangenen Freitag Abend die Möglichkeit, mir das Album erstmals anzuhören - nach einer extrem stressigen Arbeitswoche, in der zudem auch noch meine Frau und mein Sohn krank waren. Land unter also, körperlich und mental ziemlich am Boden. Normalerweise ist dann ein Weißbier der erste Schritt zur Besserung, diesmal aber war es Anne Müller und sorgte bei mir für eine innere Ruhe, wie ich sie seit Wochen nicht mehr verspürte. Neo-Klassik at its best! In den vergangenen Monaten kollaborierte die Wahl-Berlinerin bereits mit auch von uns sehr geschätzten und immer wieder gerne gefeatureten Szene-Größen wie Nils Frahm, Agnes Obel und Ólafur Arnalds, nun startet die Cellistin endlich solo durch - und das ist wörtlich zu nehmen, denn Müller hat alle Tracks selber geschrieben, aufgenommen, produziert und arrangiert. Nachdem die Künstlerin seit 2007 bereits an über 60 Veröffentlichungen anderer Musiker/-innen mitgewirkt hatte, ist dies nun der logische und längst überfällige nächste Schritt. Ganz, ganz großartig!

Live:
14.02. Hamburg, Nachtasyl
15.02. Hannover, Feinkost Lampe


Earth Moves
(sb) Du magst es laut? Du magst es wild? Und vielleicht auch ein bisschen dreckig? Wenn Du jetzt an irgendwelche Schmuddelseiten im Internet denkst, sei es Dir verziehen, ich beziehe mich aber ausschließlich aufs neue Album der Earth Moves namens Human Inticracy (VÖ: 15.11.). Versprochen! Aber hey, das Ding ist ein gewaltiges Brett irgendwo zwischen Black Metal und Screamo und bietet in ruhigeren Passagen sogar herrlich abwechslungsreiche Shoegaze-Elemente. Manch Song erinnert auch an Paradise Lost zu Draconian Times-Zeiten, v.a. dann wenn es hymnisch oder gar episch wird - nicht die schlechteste Referenz. Und obwohl das Album insgesamt recht brachial daherkommt, erkennt man im Songwriting überraschende Elemente, die nicht zuletzt der mannigfaltigen musikalischen Herkunft der Briten geschuldet ist. So studiert Komponist Sam Ricketts beispielsweise klassische Musik - man darf also auch in Zukunft viel erwarten von den Earth Moves!

Und weils uns gar so gut gefällt, wollen wir Euch teilhaben lassen und verlosen Human Inticracy unter allen Lesern, die die Earth Moves bis zum 29.11. (23.59 Uhr) in der Kommentarspalte dieser Selektion auf Facebook markieren. Haut in die Tasten!


envy
(sb) Nach über fünf Jahren veröffentlicht Japans einflussreichste und bekannteste Post-Hardcore-Band envy endlich wieder ein Album - und selbst dieser Release stand auf Messers Schneide, waren sich die Musiker doch persönlich und kreativ ordentlich in die Haare geraten. Nach drei Jahrzehnten stand die Band vor dem Aus, raffte sich dann aber doch nochmal zusammen und klingt frischer und tatendurstiger denn je. Auf The Fallen Crimson (VÖ: 07.02.2020) gelingt es den Japanern, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, die Gegenwart zu erforschen und bereits Ausblicke in die Zukunft zu werfen - die Bandgeschichte wird so quasi zum Credo eines Albums, das wie ein Donnerschlag beginnt und sich dann bis zum finalen Klimax kontinuierlich hochschaukelt. Sicherlich nicht jedermanns Sache, aber durchaus beeindruckend, v.a. auch wenn man bedenkt, aus welchem kulturellen Umfeld envy stammen.


Goldroger
(sb) Klar, der Name war schon bekannt, aber trotzdem war Goldroger bei mir im Bereich Hip Hop eher so ein B-Promi, für den ich mich auch nur so semi interessiert habe, sprich: wenn mir zufällig was zu Ohren kam, hab ichs gerne mitgenommen, aktiv danach gesucht habe ich aber nicht. Umso besser, dass unser Email-Postfach nun den ersten Teil seines neuen Albums Diskman Antishock empfing und siehe da: sehr nice! Weitestgehend sehr runde Flows und Lyrics, die sich angenehm vom Charts-Rap abheben. Aber wie war das vorher? Erster Teil des Albums? Richtig gelesen, denn am 29.11. erscheinen lediglich die ersten sieben Tracks des Logplayers, der Rest folgt dann am 24.04. - interessantes Konzept, das aber durchaus funktionieren kann, da das Prelude richtig Bock und neugierig auf mehr macht.


Church Girls
(sb) Kennt Ihr noch The Donnas? Nicht? Egal! Auf jeden Fall erinnern mich die ersten paar Songs auf The Haunt (VÖ: 07.02.2020), dem neuen Album der Church Girls stark an den Sound der Kalifornierinnen. Lasst Euch übrigens durch den Namen nicht blenden: die Indieband aus Philadelphia besteht nämlich keineswegs nur aus Girls. De facto ist lediglich Mariel Beaumont (Gesang & Gitarre) weiblich, prägt mit ihrer Stimme das Erscheinungsbild doch deutlich. Wie so oft gilt auch hier: Wenn die Welt gerecht wäre, wären die Church Girls deutlich bekannter und erfolgreicher und dürften auch in größeren Locations spielen. So aber bietet sich Euch die tolle Gelegenheit, herausragenden Garage Rock in intimer Atmosphäre genießen zu können. Von den Locations ihrer bevorstehenden Europa-Premiere kenne ich zwar nur den Laden in Dachau aus eigener Erfahrung, aber der ist wirklich genauso mini wie genial. Klasse Wirt, super linkes Publikum und - wenn man mag - richtig gutes Essen.

27.11. Wien (AT), Rhiz
28.11. Steyr (AT), Röda
29.11. Wiener Neustadt (AT), Triebwerk
30.11. Dachau (DE), Gramsci
01.12. Offenbach (DE), Hafen 2
03.12. Hamburg (DE), Astra Stube
05.12. Berlin (DE), Tief
06.12. Marburg (DE), Q
07.12. Freiburg (DE), Swamp
08.12. Immeldorf (DE), Weißes Ross
09.12. Bamberg (DE), Live Club
12.12. Klagenfurt (AT), Wohnzimmer
13.12. Feldbach (AT), Club Glam
14.12. Leitersdorf (AT), Roter Gugl
15.12. Haag (AT), Böllerbauer
17.12. Paris (FR), L'international

Leider gibt's vom neuen Album noch kein Video, aber so ganz ohne geht's halt auch nicht...


Turbostaat
(sb) Ja, wir sind große Fans. Und ja, wir können den 17.01.2020 kaum erwarten, da an diesem Tag das neue Turbostaat-Album Uthlande erscheinen wird. Der Vinyl-Version wird übrigens eine CD im Pocket Pack beiliegen - auf diese Kombi steh ich ja schon sehr! "Rundum-Sorglos-Paket Hilfsausdruck", würde der Eberhofer Franz (sollte ihn jemand kennen...) sagen. Nach dem sehr geilen ersten Single-Release Rattenlinie Nord folgt heute Auskopplung Nummer 2: Ein schönes Blau!
Da der Longplayer ja für Weihnachten zu spät kommt, sollte man sich zumindest in Form von Konzerttickets beschenken lassen. Lasst Euch das nicht entgehen - und zwar hier:

13.02. Jena, Kassablanca
14.02. Köln, Kantine
15.02. Mainz, KuZ
19.02. Hamburg, Markthalle
20.02. Berlin, Festsaal Kreuzberg
21.02. Berlin, Festsaal Kreuzberg (ausverkauft)
22.02. Dresden, Tante Ju
03.04. Bremen, Schlachthof
04.04. Düsseldorf, Zakk
05.04. Aschaffenburg, Colos Saal
07.04. Marburg, KFZ
08.04. Wien, Werk
10.04. Leipzig, Conne Island
11.04. Rostock, M.A.U. Club
30.10. Hannover, Capitol
31.10. Münster, Sputnik Halle


Point No Point
(ms) Hilfe, es gibt Musik, die so dermaßen ein Jahreszeitengefühl verkörpern, das ist irre. Was ist das aktuelle Jahreszeitengefühl? Der Herbst ist in voller Fahrt, doch die schöne, blätterfärbende Seite ist schon vorbei. Was bleibt ist nie endende graue Suppe am Firmament. Tage, an denen es gar nicht mal hell wird und die Arbeit einen beinahe auffrisst. Insbesondere im Dunklen am Schreibtisch zu sitzen, ist wenig motivierend.
Na gut, so richtig motivierend für den Workload dabei Point No Point zu hören, ist es jetzt auch nicht. Aber es trifft den Nagel auf dem Kopf! Es ist ähnlich dunkel wie Sabouné (s.o.), aber die Multiinstrumentalistin Jana Sotzko, die hinter dem Namen steckt, entwickelt in ihrer Single Drift eine wunderbar andere Dynamik. Denkt man zu Beginn des Songs, er trägt sich gut vier Minuten über verzerrten Bass, gedämpfte Stimme und gezupfte Gitarre, so nimmt er immer mehr Energie und Kraft auf. Das schön Bedrückende darin ist das Jahreszeitengefühl. 6 Tracks sind auf ihrem heute erscheinenden Debut, das auf den gleichen Namen wie die Single hört; experimentell und wunderschön! Dabei sind die anderen fünf Songs eher minimalistischer, aber doch extrem vielschichtig - klingt widersprüchlich, aber vielleicht könnt ihr das erahnen, wenn man reinhört. Hier lauert Großes!

Dienstag, 19. November 2019

Kettcar - ...und das geht so

Foto: Andreas Hornoff
(ms) Liebe Leserin, lieber Leser. In diesem Text über das Live-Album ...und das geht so (VÖ: 29. November) der Hamburger Musikgruppe Kettcar wird eine Menge relativiert. Denn der Schreiber ist äußerst parteiisch aber in diesem Fall auch sehr kritisch.
Denn Kettcar ist eine der größten Bands überhaupt für mich. Ich sah sie bislang 27 Mal live und es dürfte keine Platte in meinem Regal fehlen, obwohl ich seit dem letzten Umzug die So lange die dicke Frau noch singt...-EP schmerzlich vermisse. Glücklich schätze ich mich auch über die Picture-Vinyl-Box, die vor zwei Jahren zum Record Store Day erschien. Schönes Sammlerstück. Seit der Veröffentlichung von Ich vs. Wir ist bei den fünf Hamburgern eine Menge passiert. Das Album ist extrem klug, das Storytelling auf einem neuen, höheren Niveau, der Erfolg überraschend und absolut berechtigt. Ausverkaufte Konzerte am laufenden Band. Hallen, die eine vorher noch nicht geahnte Größe aufwiesen. Allein seit dem 2017 beginnenden Konzertschwung war ich zehn Mal dabei. Kleinere Läden wie das Flensburger Max aber auch große Hallen wie das Mehr! Theater in Hamburg waren dabei.
Es gibt für mich persönlich also auf dem gut eineinhalb stündigen Album keinerlei Überraschungen. Das länger nicht gespielte Lattenmessen und auch die allerneusten Stücke wie Scheine In Den Graben habe ich live gehört. Selbst die zweite Strophe von Balkon Gegenüber  - die zweifelsohne wunderschön und unheimlich passend ist - ist für mich nicht neu. Ja klar, bei meinem Kettcar-Pensum ist eine Überraschung halt auch nicht drin. Selbst die Ansagen, die man nun im Wohnzimmer hören kann, sind bekannt.
Foto: Andreas Hornoff
Für die, die das aus nachvollziehbaren Gründen nicht sagen können, sind das mit großer Sicherheit tolle Höreindrücke. Absolut.
Schön sind die nahen Auswirkungen durch die Orte der Aufnahme. Viele Songs wurden in Oberhausen aufgenommen, was sich unmittelbar bei Balu (Wanne-Eickel...) und Der Tag Wird Kommen ("Ruhrgebiet, seid ihr mit mir?!") auswirkt.
Dieser Live-Mitschnitt ist natürlich auch eine ganz besondere Erinnerung für die Band. Ob es das aktuelle Studioalbum überhaupt geben sollte, stand für Lars, Marcus, Reimer, Christian und Erik lange auf der Kippe, zu unsicher war die Zukunft der Band. Die letzten Jahre waren ein eindrucksvolles Gegenbeispiel. Dieses Jahr waren sie mit den Bläsern Philip Sidny, Sebastian Borkowski und Jason Liebert unterwegs. Sie sind an vielen Stellen stimmungsvoll zu hören.
Womit wir bei dem nächsten Punkt sind. Ein Live-Album ist immer eine schwierige Sache. Das liegt zum Einen an dem Grund dafür. Bei Kettcar kann man sagen, dass es das Zeugnis einer phantastischen Zeit ist, die die Band genossen hat. Aber auch ein Vorab-Best-Of, denn die nächste längere Pause kommt nach der anstehenden Tour (s.u.). Sie haben aber auch mal gesungen: Es muss immer alles komplett verwertet werden, wenn es komplett verwertet werden kann. Und diesen Beigeschmack kann ich hier - Lieblingsband hin oder her - nicht neutralisieren. Zu wenig Besonderheit schwingt damit. Und dazu gehört auch die Qualität der Aufnahme. Die hakt an einigen Stellen. Nein, es schrammelt nirgends, es knistert auch nicht. Doch dieses Jahr erschien eine Live-Platte, die die Erwartungen irre hoch geschraubt hat: Nachtbrot von Turbostaat. Dieses Album ist perfekt. Die Instrumente sind so gut eingespielt, da ist kein Schlagzeugbeat verschluckt, kein Bass lediglich zu erfühlen, Jan Windmeiers Stimme ist so klar und deutlich zu hören, das kann man bei Marcus Wiebusch hier nicht immer behaupten. Auch die Energie, die zwischen Publikum und Band entsteht, schwappt spürbar aus den Boxen, wenn Turbostaat abgespielt wird. Sind es bei Kettcar die Hallen, die (zu) groß sind? Ich habe keine Ahnung. Denn: Live ist es ja genau anders herum. Regelmäßig stehe ich dort mit Tränen in den Augen und geballten Fäusten, vollgepumpt mit Freude und Dynamik.
So freue ich mich wie immer auf die kommende Tour, bei der ich an mindestens zwei Terminen dabei sein werde. Doch ...und das geht so wird bei mir leider nicht so häufig laufen. Vorerst. Mal gucken, ob sie in der anstehenden Pause nicht doch ein Lebensretter sein wird.

25.01. - Braunschweig, Staatstheater
26.01. - Düsseldorf, Stahlwerk
27.01. - Nürnberg, Z-bau
28.01. - München, Muffathalle
29.01. - Mannheim, Capitol
30.01. - Dresden, Schlachthof
31.01. - Bremen, Pier 2
01.02. - Lübeck, MuK

Samstag, 16. November 2019

Live in Hamburg: Hannes Wittmer

Foto aus Osnabrück, Quelle: facebook.com/hanneswittmer
(ms) Wo anfangen nach so einem nahen, berührenden Abend?!
Am besten bei den Fakten: Hannes Wittmer ist derzeit auf Tour. Solo, aber nicht allein. Zum einen hat er sein sehr, sehr gutes Album Das Große Spektakel im Gepäck, zum anderen einen grünen Klappstuhl. Dazu gleich mehr.
Am Mittwoch machte er Halt in seiner alten Wahlheimat Hamburg, im Nachtasyl. Das befindet sich im/über dem Thalia Theater, eine wahnsinnig tolle Location! Alleine das Treppenhochlaufen macht neugierig, wenn man vorher noch nie da gewesen ist.
Bis zum Vormittag wusste ich noch nicht, ob ich hinfahre, der Tag war so schon lang, die Arbeit frisst Zeit und Energie ohne Ende, doch als ich nachts glücklich und mit einem Lächeln im Gemüt ins Bett gefallen bin, wusste ich: Das hat sich gelohnt! Die Spontaneität konnte auch erst dadurch garantiert werden, da das Konzert auf pay-what-you-want-Basis läuft, wie alle seine Auftritte seit einiger Zeit. Um viertel vor sieben warteten schon gut zwanzig Kälteausharrende auf dem Bürgersteig und wurden rasch rein gelassen. Um halb neun ungefähr ging das kleine Spektakel los.
Zum Einen war es natürlich die Musik. Der unterhaltsame Kniff: Hannes spielte seine Lieder in chronologischer Reihenfolge, vom ersten Punkversuch bis zu den aktuellen, sehr bedachten Texten und Klängen. Dass er dabei seinen Werdegang erklärte, war keineswegs aufdringlich, sondern extrem hörenswert. Mit den Liedern und den kurzen (oder längeren) Ansagen dazu, ließ sich die Wandlung, Reifung eines Künstlers ganz nah verfolgen. Erstes Toll!
Zweites bis x-tes Toll: Die Sache mit dem grünen Klappstuhl. Der stand nämlich auch auf der Bühne, neben Hannes. Vor dem Stuhl: Ein Mikrophon. Für wen? Für alle, die Lust haben. Eine Frage stellen, eine Anekdote erzählen, Widerspruch zu äußern, mitzusingen, da zu sein. Ein unglaubliches Experiment mit eben so unerwartetem Ausgang. Das anfängliche Zögern war erwartbar, niemand wusste, was passieren kann. Was die Angst nahm, ist, dass ja hinter dem anderen Mikrophon und der Gitarre um den Hals in irre aufgeschlossener, freundlicher, emphatischer, kluger, witziger, reflektierter Mensch steht.
Mit dem ersten Besuch ging es dann los. Geschichten wurden ausgetauscht, erzählt. Über gemeinsame Bekannte, die über Licht philosophieren wurde berichtet. Über die Frage, warum Hannes wieder zurück nach Würzburg gezogen ist. Warum Hamburg so toll und so abschreckend sein kann. Über Lieder, die die Menschen im Publikum tragen, begleiten, berühren. Über Identifikation in den Zeilen und Klängen. Lieder wurden mitgesungen. Es wurde sehr nah und persönlich. Ich saß hinten und war jedes Mal ungeheuer neugierig, was der nächste Besuch zu erzählen hat. Und ich habe sehr, sehr gerne zugehört. Vielen Dank an dieser Stelle.
Was Hannes Wittmer so geschafft hat: Eine Teilhabe an der eigenen Musik. Er hat den Raum der Bühne als Raum des Künstler gebrochen und ihn für jeden aufgeschlossen. Er hat Räume geöffnet für die Gedanken und Gefühle, die jeder während eines Konzertes fühlt und höchstens seinem Nachbarn mitteilt. So haben alle etwas davon! Und: Alles kann, nichts muss.
Hätte ich mich auch auf den Stuhl gesetzt? Darüber habe ich lange während des Konzertes und danach nachgedacht. Jeder - und das wurde an diesem Abend mehr als klar - hat eine großartige Geschichte zu erzählen. Mein Tag jedoch war so voll, gut und abwechslungsreich, dass ich nach viel Reden einfach zuhören wollte.

Hannes Wittmer spielt noch vier Konzerte in den kommenden Tagen.
Liebe Menschen, geht da bitte hin! Ihr geht glücklich nach Haus!

17.11. - Leipzig, Werk 2
20.11. - Köln, Arttheater
22.11. - Mannheim, Forum
23.11. - Frankfurt, Brotfabrik


Freitag, 15. November 2019

KW 46, 2019: Die luserlounge selektiert!

Quelle: logowiki.net
(sb/ms) "Alles zieht vorbei, alles zieht vorbei..." singt Fatoni. Und wie so oft hat er Recht. Statt der eigenen Karriere und der verschwindenden Kindheit und Jugend, ein kurzer Ausflug in die Schnelllebigkeit des Musikgeschäfts.
Man wird ja nicht nur im Radio zugeballert mit Neuigkeiten. Auch online ist das nicht anders. Mix der Woche bei Spotify, Deutschrap Hotlist bei YouTube. Da dudeln für ein paar Tage die brandneuen Töne durch, einige haben das Glück und bleiben, die anderen verschwinden irgendwo im Orbit. Und niemand wird ihnen gerecht. Das ging mir dieser Tage so mit dem aktuellen Niels Frevert-Album Putzlicht. Nach wie vor bin ich stark davon überzeugt, dass das eine ganz herausragende Platte ist. Sie kam erst vor zwei Monaten raus. Anfang September scheint aber schon wieder eine Ewigkeit her zu sein. Ich bin kein wehmütiger Mensch und erst recht kein Nostalgiker. Worum es geht: Um die lang anhaltende Wertschätzung von musikalischem Genie. Das fällt schwer. Manchmal braucht es Wochen, Monate, eventuell Jahre um einen Song erst zu verstehen oder wenigstens für selbst eine passende Interpretation gefunden zu haben. Dafür muss man tief in den Text gehen, die Magie zwischen den Takten spüren und vor allem eines haben: Geduld und Muße. Rar aber wertvoll.
Wir sind (dennoch) die luserlounge und präsentieren euch natürlich Neues. Es ist Freitag. Hier ist die Selektion!

Memoriez
(ms) Problem: Vorschusslorbeeren. Sie schrauben die Erwartungen irre hoch. Nur selten werden die dann auch erfüllt. Doch man braucht ja Vergleiche, um Neues schmackhaft zu machen. Fällt der Name Damon Albarn wird es nochmal happiger. Doch, keine Sorge: Joachim Zunke wird diesem Vergleich mit einer irren Leichtigkeit gerecht. Der gebürtige Hamburger lebt nun in Los Angeles und veröffentlicht mit seiner Band Memoriez am 20. Dezember das zweite Album HOLYMODERNNOTHING. Ja, alles groß geschrieben. Die Musik klingt genau nach dieser rotzigen Lässigkeit, die stets das Werk von Albarn auch ausmacht. Leicht verzerrte Gitarren, die Stimmung erzeugen, aber nicht nerven. Ein etwas schrammelig, aber sympathisches Schlagzeug. Ein Mix aus Indie, Wildwest, Country und eine genügende Portion Eigentümlichkeit. Das klingt so locker, dass es fast schon überhört werden kann. Doch wir raten: Unbedingt mehrmals durchhören! Ist groß!!!



FKJ
(ms) Thema Lässigkeit, Runde 2! Dass Namen abschrecken können, darüber haben wir schon mal referiert. Heutiges Beispiel: French Kiwi Juice. Und weil das so dermaßen beknackt klingt, hat sich der Künstler kurzerhand dazu entschlossen eine Abkürzung zu nutzen: FKJ! Der Mann dahinter: Vincent Fenton. Der Franzose macht alles selbst: Arrangements, Produktion und natürlich auch den gesamten Sound. Was dabei herauskommt ist ein unbestimmbarer Mix aus Soul, Neo-Klassik, Jazz und Ambient Pop. Es schwingt zwischen Meditation, lässiger Lounge-Musik und Eskapismus. Irgendwie großartig. Diesen Dienstag kam seine neue EP Ylang Ylang auf den Markt. Die sechs Tracks sind angenehm abwechslungsreich und schööön entspannt. Die große Frage ist nur, wo das wohl läuft? Auf den großen Pop-Wellen ja kaum. Bei den Kultursendern vielleicht oder halt bei euch zu Hause via Streaming. Das macht er nämlich recht erfolgreich, Millionen Streams darf er sein nennen, die Währung hier im Netz. Überzeugt euch, gebt Geld dafür aus. Es ist gut investiert!



Leitkegel
(sb) Schluss mit "entspannt", hier kommen Lichtkegel: Und ja, fuck, sie haben mich mit ihrem Songtitel Tocotronic darf niemals siegen getriggert. Während der luserlounge-Kollege ms ja Fan der Hamburger ist, war mir das immer zu verkopft und Herr von Lowtzow kann einfach nicht singen. So, nun aber zurück zu Leitkegel und ihrem Album Wir sind für dich da (VÖ: 13.12.): Beim ersten Anhören ungemein schwierig, weil ich was ganz anderes, deutlich ruhigeres, erwartet hatte. Stattdessen bricht das Quartett regelmäßig aus, driftet phasenweise fast schon in den Hardcorebereich ab, bevor es wieder in den heimischen Indie-Hafen zurückkehrt. Wichtig: Unbedingt auf die Texte achten, denn die Tracks haben nicht nur aufsehenerregende Titel (z.B. Ich hab 99 Probleme und das Mädchen hat mich oder OJ Simpson (Waffen töten keine Menschen)), sondern größtenteils auch sehr unterhaltsame und intelligent durchdachte Lyrics. Alles in allem ist das Album aber sehr komplex und bedarf der ganzen Aufmerksamkeit des Hörers. Das ist nichts für nebenher oder zwischendurch - das ist für hier, jetzt und ganz.


Julian le Play
(sb) Extreme und uneingeschränkte Radiotauglichkeit, Support für die unsäglichen Revolverheld und James Blunt - ich gebe zu: ich bin mit sehr großer Skepsis an die Sonne Mond Sterne EP (VÖ: heute!) des österreichischen Sängers Julian le Play herangegangen. Nach mehrmaligen Durchhören fällt das Urteil nun aber sehr mild aus, denn die Songs sind weit mehr als nur "nicht so schlimm wie erwartet". Nein, die EP ist wirklich unterhaltsam, die Tracks schmiegen sich geradezu an, verleihen Wärme wie ein gemütlicher Mantel und sind doch von der jahreszeittypischen Nachdenklichkeit geprägt, die wir alle doch nur zu gut kennen. In Österreich hatte der 28-Jährige bereits drei Zop 5-Alben, hierzulande wird der ganz große Durchbruch noch folgen und diese EP ist ein weiterer wichtiger Schritt dazu.


Talco
(ms) Über diese italienische Erscheinung muss eigentlich nicht viel gesagt werden. Talco sind der Beweis, dass unsere Freunde im schönen Süden keineswegs nur Schnulzen als musikalischen Exportschlager in petto haben. Talco sind Wucht, Haltung und eine Riesensause, wenn man sie live sieht. Und genau dafür gibt es hierzulande im Dezember noch genau zwei Möglichkeiten, die man wahrnehmen sollte. Ich weiß noch gut, dass beim Open Flair letztes Jahr ein Kumpel seiner Freundin seine Brille zugesteckt hatte und wie nicht gescheit in den tanzenden Mob hineinsprang. Fand er gut. Fand sie nicht gut. Doch bei Talco kann man nicht anders. Die Bläser. Der Gesang. Das Schlagzeug. Der Bass. Die Gitarren. Der Livebeweis hier sollte genügen zum Ticketkauf!

06.12. - Berlin, Huxley's Neue Welt
07.12. - Hamburg, Große Freiheit 36

Montag, 11. November 2019

Live in Bremen: Herrenmagazin

Obacht, Foto aus 2015 aber so ähnlich sah es Samstag aus. Quelle: facebook.com/Herrenmagazin
(ms) Man wird ja nostalgisch. Dabei sind wir ja jung. Zumindest im Herzen. Samstag Nachmittag schaute ich in meine Konzert-Chronik und war erstaunt, dass ich vor zehn (in Zahlen: 10!) Jahren die Gruppe Herrenmagazin das erste Mal live gesehen habe. Es war die glorreiche Zeit der Visions Partys in Bielefeld. Eine bis dato unbekannte Band aus Alaska spielte nach Herrenmagazin. Heute haben Portugal. The Man einen Grammy gewonnen.
Deniz Jaspersen - Texter und Sprachrohr der Band - meinte damals auf der Bühne: "Kann mich bitte jemand erschießen? Ich bin so furchtbar besoffen!"
Mit dieser Aussage und dem großartigen Songwriting der Band habe ich die Gruppe schnell in mein Herz geschlossen. Nach längerer Pause war das 11. Jubilärum des Debuts Atzelgift ein triftiger Grund, um eine Tour zu spielen. Samstag hielten sie im Bremer Tower und haben feinste Gitarrenmusik zum Besten gegeben.
Als Einstimmung hat die Hamburger Band Ulf - genialer Name - Punkrock in Reinform abgeliefert. Persönliche und an den richtigen Stellen plakative Texte haben Bock auf mehr gemacht. Haben Bock auf Herrenmagazin gemacht.
Auf die Uhr habe ich nicht geschaut. Keine Ahnung, wie lang sie gespielt haben. Ist auch völlig egal. Denn es war ein Fest. Die Basis der Feierlichkeit lag schon auf den älteren Liedern. Kein Wunder, denn sie haben mehr Schmackes, mehr Energie, Druck und Dynamik als die Lieder von Sippenhaft. Vielleicht lässt sich auch damit der textliche Hänger bei Frösche erklären. Smiley. Währenddessen hat das tolle Publikum auch lieber mit der Band gelacht als den Song mit Text zu füllen. Was sich schwer erklären lässt: Die Verrenkungen von König Wilhelmsburg bei der Bearbeitung der Gitarrensaiten. Gut aber, dass er um diese sympathische Eigenart weiß und den Leuten vorne die Angst nahm, von der Bühne zu fallen.
Nach Hits, nie veröffentlichtem Material und dem wundervollen Rausschmeißer Keine Angst war Schluss. Ein großes Lächeln im Gesicht, Bier in der Blutbahn und viel Zufriedenheit insgesamt zeigten mir, dass es gut ist, dass diese Band wieder auf der Bühne steht. Denn ich bin fest davon überzeugt: Wenige Gruppen, die jetzt neu anfangen Alben zu veröffentlichen, würden so tolle Musik machen!

Freitag, 8. November 2019

KW 45, 2019: Die luserlounge selektiert!

Quelle: eaststreetarts.org.uk
(sb/ms) Wir wären nicht die luserlounge, wenn wir nicht ab und an unseren Hobbyhorizont jenseits der Musik mit Euch teilen sollten. Nicht nur Bier und Fußball gehören dazu (boah, klingt das nach Männerklischee), sondern auch Kabarett und Theater (boah, klingt das nach Antimännerklischee). In letzterem, der Bremer Glocker, wurde letzten Freitag zweieinhalb Stunden ein Feuerwerk des Blödsinns abgefackelt. Und es gibt nicht viele Künstler in unserer Kulturlandschaft, die das so inbrünstig und ohne sich zu verstellen durchziehen wie Oli Dittrich. Seine Figur Dittsche ist eine lebende Legende. Alleine auf der Bühne stand dieses Alter Ego noch nie. Nun war es soweit. Stilecht mit Schumiletten, roter Jogginghose, abgeschmackeltem Hemd, Aldi-Türe und dem bekanntesten Bademantel nach dem Dude betrat er die Bühne und hat pausenlos sinnlosen Quatsch erzählt. Von Schildkröte, Jenser, Ingo, Kriechfett, Brokattischen, Tapetenrollen und natürlich vom Ehepaar Karger. Große Klasse. Irrer Quatsch. Es gibt noch ein paar Termine, schaut mal, ob ihr Tickets bekommt, es lohnt ungemein.
Doch kommen wir zurück zum Kerngeschäft. Luserlounge. Freitag. Selektion. Ab geht's!

CocoRosie
(ms) Musikalische Avantgarde ist auch in den weiten Feldern der Pop-Musik zu finden. Dafür stehen die Schwestern Bianca und Sierra Casady mit ihrem Namen: CocoRosie. Sie wollen es dem Hörer partout nicht einfach machen, bei keiner ihrer Platten. Oft ist ein roter, musikalischer Faden schwer zu finden, aber sie verzetteln sich nie in den Breiten des Experimentierens. So wirft auch ein neuer, extrem vielschichtiger Song die Schatten eines neuen Albums voraus: Smash My Head. Der Track ist nicht nur - wie gewohnt - musikalisch anspruchsvoll, wenn ihre beiden Stimmen Gegensätze bilden, Synthie-Sounds den Beat brechen oder plötzlich eine E-Gitarre reinbricht. Die beiden sind ganzheitliche Künstlerinnen und so erscheint das Lied natürlich mit einem bildgewaltigen Video. Zwischen Weite auf dem Feld und Enge auf dem Fixierbett ist alles dabei. Großartig. So steigt bereits vier Monate vor Veröffentlichung (6. März) des neuen Werks Put The Shine On die Vorfreude auf ein Album, das es intensiv zu entdecken gilt.



Anna Depenbusch
(ms) Ein leichtes Dröhnen liegt in der Luft, es stört nicht, es macht viel mehr neugierig. Eine Dame im grünen Kleid geht auf Stöckelschuhen durch ein großes, festliches Treppenhaus, hält vor einer geschlossenen Tür, zieht die Schuhe aus und tritt ein. Es ist Anna Depenbusch in ihrem neuen Video zum Lied Eisvogelfrau. Eine Künstlerin, deren Name ich wie so oft schon irgendwo gehört habe, aber nie recht zuordnen konnte. Allein mit Klavier singt sie nun dieses wunderbare Lied über die Eisvogelfrau, die den Chor überstrahlt, aus ihm heraustreten muss, um ihrer Energie vollen Raum auf der Bühne zu bieten. Das Lied ist Teil des neuen Albums Echtzeit, das am 28. Februar auf ihrem eigenen Label Landlied erscheinen wird. Sie bezeichnet sich selbst als Liedermacherin, ihre Musik schwingt zwischen Chanson, Alin Coen und Singer/Songwriter. Tolle, zarte und positive Musik. Und gerade das ist eine wunderbare Abwechslung in gesellschaftspolitisch zittrigen Zeiten. Mit diesen Tönen kann man das alles mal hinter sich lassen und den Moment genießen. Die große Tour startet ab März, über das Album werden wir passend zur Veröffentlichung auch noch berichten.

12.03.20 - Fulda, Orangerie
13.03.20 - Ravensburg, Konzerthaus
14.03.20 - Karlsruhe, Tollhaus
20.03.20 - Halle, Händel Halle
21.03.20 - München, Prinzregententheater
22.03.20 - Freiburg, Jazzhaus
24.03.20 - Ludwigsburg, Scala
25.03.20 - Essen, Lichtburg
27.03.20 - Oldenburg, Kulturetage
28.03.20 - Wolfsburg, Hallenbad
02.04.20 - Hannover, Pavillon
03.04.20 - Berlin, Admiralspalast
04.04.20 - Jena, Volkshaus
05.04.20 - Augsburg, Parktheater
06.04.20 - Reutlingen, franz.K
07.04.20 - Darmstadt, Staatstheater
24.04.20 - Hamburg, Laeiszhalle
25.04.20 - Lübeck, Kulturwerft Gollan



Adrian Sutherland
(sb) Ein Protestsong, ein Hilferuf: Politician Man (wurde bereits im Oktober veröffentlicht) setzt sich mit der doch sehr konfliktbeladenen Geschichte Kanadas im Umgang mit seinen indigenen Völkern auseinander und fordert alle Beteiligten auf, aufeinander zuzugehen und einander zuzuhören. Adrian Sutherland kommt bei der Thematik zugute, dass er selbst fernab der Großstädte in der Attawapiskat First Nation aufwuchs und so einen authentischen Einblick in die Nöte und Ängste der Indigenos gewinnen konnte.
"Manchmal klingt Versöhnung wie eine leere Phrase und ist frustrierend. Man versucht, ständig voranzukommen, aber immer wieder erwarten einen neue Herausforderungen und Hindernisse. (...) Wir alle müssen unseren Beitrag leisten - und genau das ist die Botschaft hinter Politician Man."



Hector Savage
(sb) Mal wieder Lust, dezent angeschrien zu werden? Dann seid Ihr bei Hector Savage an der richtigen Adresse, denn die machen das nun sogar auf Deutsch, um ihr Anliegen besser verdeutlichen zu können. Heute erscheint Es sieht nicht gut aus, das Debütalbum des Quartetts und ist ein ordentlicher Tritt in den Arsch. Neun Tracks pure Energie, überraschende Wendungen und Texte, die eine gewisse Anti-Haltung gegen alles und jeden nicht leugnen können. Läuft.

Live:
08.11. Köln, Privat
14.11. Frankfurt, Klapperfeld
15.11. Hamburg, Störtebeker
16.11. Berlin, K19
30.11. Lüdenscheid, AJZ (Midsummer Fest)


ANIIML
(ms) Klar, R'n'B ist nicht das Genre, das wir hier häufig unterbringen. Aber ANIIML gibt ein eindrückliches Gegenbeispiel, den eigenen Horizont zu erweitern. Doch die Amerikanerin mit deutschen Wurzeln macht keinen eingängig-langweiligen Radio-Wisch. Es ist Pop, Gospel, verspielt, breit, elektronisch, hörbar bedacht, dennoch wild und bedient wohl auch ein Genre, das Witch-Pop genannt wird, unter dem ich mir aber absolut nichts vorstellen kann. Auf der Bühne soll es wohl hexenmäßig zugehen!
Hört man ihr Album Oh Awe weiß man gar nicht mehr, wohin. So viele unterschiedlichste Eindrücke prasseln durch die Boxen und es wird von Track zu Track immer offensichtlicher, warum das eher nicht im Radio läuft, zumindest nicht auf den großen Pop-Wellen. Hört da bitte unbedingt rein!
Als Einstiegsdroge: Handle Me, die Singleauskopplung. Hier geht es hörbar poppig zu und das mit einer tollen Aussage. Das Video steht für sich, das schreibe ich jetzt nicht tot, schaut mal rein!
Und wenn die Eindtiegsdroge noch nicht zündet. Bitte am Ball bleiben und das ganze Album hören. Denn: Selten so eine irre Abwechslung gehört! Großartig das!


Faber
(sb) Blicken wir zurück ins Jahr 2017: Quasi aus dem Nichts tauchte Faber auf und legte mit Sei ein Faber im Wind ein Album vor, das einschlug wie eine Bombe und nicht nur in meinen persönlichen Jahrescharts ganz oben landete. Das war provokativ, musikalisch und textlich was Neues und rundherum einfach nur stark.
Und jetzt? I Fucking Love My Life (VÖ: 01.11.) heißt das neue Werk von Herr Pollina und es knüpft nahtlos da an, wo das Debütalbum aufhörte. "Never change a winnig team" könnte man meinen - und doch ist der neue Longplayer weit mehr als ein Sequel! Die Texte sind noch einen Hauch pointierter, die Spitzen zielen noch ein bisschen genauer ins Herz der Gesellschaft und Fabers Stimme transportiert seine Verachtung, seinen Ekel gefühlt noch ein Stück authentischer als bislang.
Faber despektiert Oberflächlichkeiten, positioniert sich politisch eindeutig und tut dies auf eine Art und Weise, die ihm nicht zum ersten Mal Rassismus- und Sexismusvorwürfe einbrachte. Wenn der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten wird, dann trennt sich die Spreu vom Weizen und man erkennt umso deutlicher, wer Faber intellektuell folgen kann und will. Selbstverständlich sind die Texte in vielen Passagen nicht wortwörtlich zu interpretieren, aber das Risiko des Missverständnisses geht der Künstler bewusst ein und gerade diese provokative Note hebt Faber von seinen Mitstreitern ab.
Ich habe Sei ein Faber im Wind geliebt - aber I Fucking Love My Life ist noch besser und es tut mir im Herzen weh, dass es aus Zeitmangel leider "nur" zu einer Kurzrezension in der Selektion gereicht hat, obwohl das Album es verdient hätte, ganze Seiten zu füllen. Unbedingt kaufen!
Auch live ist Faber ein Ausnahmekünstler, wie die luserlounge bereits selbst erleben durfte; demnächst gibt es wieder Gelegenheit, den Schweizer auf der Bühne zu erleben:

28.02. Hannover, Capitol
29.02. Leipzig, Haus Auensee
01.03. Hamburg, edel-optics.de Arena
03.03. Berlin, Columbiahalle
05.03. Köln, Palladium
06.03. Wiesbaden, Schlachthof
07.03. Stuttgart, Liederhalle
09.03. Wien, Arena
11.03. München, Tonhalle
12.03. Zürich, X-tra
13.03. Zürich, X-tra
12.08. Wien, Arena Open Air


Ásgeir
(ms) Letzte Woche bereits gab es extrem gute Neuigkeiten. Und das über einen schönen Weg: Die E-Mail. Den Newsletter. Eine vom Aussterben bedrohte Möglichkeit sich mitzuteilen. Der Isländer Ásgeir nutzt sie und ließ mein Gemüt langsam aber sicher glücklich, zufrieden und ruhig werden. Die Ankündigung: Neue Musik! Und mit welcher Schönheit und Wucht schlägt Youth bitte ein?! Schon schnell nach Beginn des Stückes wird das Geheimnisvolle, das Erhabene, zittrig Perfekte seiner Musik klar. Mit diesem Track bewegt er sich leicht zu seinem Debut In The Silence, das 2014 erschien. Leichte Gitarre, treibende Percussion, sein wunderbarer Gesang und irgendwann scheint eine Trompete hindurch wie Sonnenstrahlen nach einem dieser diesiger Herbsttage und gibt Hoffnung! Was für ein tolles Lied. Es ist der erste Vorbote zum neuen Werk Bury The Moon (VÖ: 7. Februar) und es könnte großartig werden! Extrem bedacht und reif klingt die Musik des 27-Jährigen! Und wir können uns glücklich schätzen, dass er im Frühjahr auch hier spielt:

28.02. - Hamburg, Mojo Club
29.02. - Berlin, Passionskirche

Donnerstag, 7. November 2019

Live in Rotenburg: Lisa Hoppe's Third Reality

Foto: Gaya Feldhheim Schorr
(ms) 1. Von Jazz habe ich keine Ahnung, obwohl ich vor gut zehn Jahren selbst Jazz gespielt habe. Aber nach gestern Abend steht fest: 2. Von Jazz habe ich überhaupt keine Ahnung.
3. Musik greift dann, wenn die Worte das Ausdrückbare übersteigen (womit wir streng genommen auch schon in der Mystik sind).
4. Damit sind wir beim gestrigen Abend und dem Konzert von Lisa Hoppe's Third Reality (das Deppenapostroph sei an dieser Stelle verziehen).

Erste logische Frage: Wo?! In Rotenburg! Aber nicht die Stadt des Kannibalen, sondern an der Wümme, zwischen Bremen und Hamburg. Ländlich beschreibt es ganz gut. Zweite logische Frage: Wer? Lisa Hoppe und ihr Trio Third Reality. Hoppe kam zurück nach Hause, daher waren im Heimathaus nicht nur ihre Familie sondern auch Wegbegleiter aus Schulzeiten anzutreffen. Nach Studium in Bremen und der Schweiz, pendelt sie heute zwischen New York und Hamburg, spielt Kontrabass und komponiert. So. Das ist die Ausgangslage.

Wie wenig ich von Jazz verstehe wurde mir ab dem ersten Takt bewusst. Das, was die Drei (später Sechs) dargeboten haben überstieg jedes Jazz-Klischee. Gut so. Doch wie um Alles in der Welt soll man beschreiben, was dann passierte? Mit David Leon am Saxophon und Tal Yahalom an der Gitarre fing sie an zu zaubern. Ihre Lieder heißen zum Beispiel: Mauerbauertraurigkeit, 8 Hungry Birds & A Sick Weasel oder The Weirdness Of You.
Völlig irre, welch Witz sie in die Musik bringt. Ihre Kompositionen sind komisch und verrückt. Anstrengend und neugierig machend. Extrem lässig und herausfordernd. Genauso David Leon am Saxophon; den Schalk, den er im Blick hat, hat er auch im Spiel: virtuos, schräg, genau. Tal Yahalom war das Grinsen aus dem Gesicht nicht zu nehmen, so sehr hat er es genossen. Und Lisa Hoppe selbst: Die Ruhe in Person, die mit einer Leichtigkeit ihrem großen, schönen, warmen Instrument die verschiedensten Töne entlockte. Die Ergänzung um Yumi Ito ("Gesang"), Tom Millar (Piano) und Phelan Burgoyne (Schlagzeug) machte es noch irrer.
Das ist Avantgarde. Das ist Hochkultur. Das ist pure Unterhaltung. Das sind Bilder im Kopf.
Und da mir die Worte fehlen, diese musikalisch herausragende, außergewöhnliche Darbietung zu beschreiben, hier mein Bild im Kopf aus den ersten zwei Stücken:

Ein Mensch geht durch eine Großstadt. Durch verregnete Straßen, die von großen, unpersönlichen massiv-grauen Häusern begrenzt ist. Das Bild ist schwarz-weiß. Er ist klassisch im Dreiteiler gekleidet, trägt Hut. Was um ihn herum passiert ist unwichtig, doch es herrscht leichte Hektik, von der er aber nicht direkt betroffen ist. Autos fahren vorbei, andere Passanten queren seinen Weg. Es ist nichts zu hören. Unser Mensch geht dennoch schnell, ist etwas getrieben.
Dann bricht das Bild.
Mit einem großen, unvorhersehbarem Knall wird die Szenerie mit Farben gefüllt: BAM! Gelb, pink, hellblau! Es knallt an jeder Ecke. Es ist grell, unruhig und sticht direkt ins Auge. Wie auf Droge. Das Tempo vervielfacht sich. Es wird laut, wirklich hektisch, leicht angsteinflößend. Der Sprung des Bildes ist ein Blick in seine Gedanken. Das Bild verzerrt sich von oben bis unten, doch Umriss und Setting bleiben erkennbar.
Cut. Aus.

Lisa Hoppe's Third Reality spielen heute noch in Essen im Goethebunker.
8.11. - Bern, SonarraumU64
9.11. - Zürich, Rechberg

Freitag, 1. November 2019

KW 44, 2019: Die luserlounge selektiert!

Quelle: ontvtonight.com
(ms/sb) Stichwort neue Musik. Oft ist die Auswahl, die wir hier jeden Freitag präsentieren dem Zufall zu verdanken. Wir schnappen was auf oder klicken die richtige Mail an und werden überrascht, überwältigt und müssen es euch mitteilen. Oder die Gruppen, die wir eh seit neustem oder vielen Jahren verfolgen, versorgen die Welt mit neuen Tönen und Terminen.
Doch vieles bekommen wir ja auch nicht mit, ist klar. Oder klicken wir auch gar nicht an. Das ist auch Zufall. Bis zu einem gewissen Punkt. Dass wir über Peter Maffay, Silbermond, Matthias Reim oder die Kelly Family nicht berichten, ist klar, obwohl es uns angeboten wird. Hinzu kommt eine weitere Kategorie: Junge Bands, die mit Die ... anfangen. Das ist definitiv ein Wink zu pseudointellektuellem Megaschrott. Beispiele: Die Kerzen, Die Quittung oder Die Cigaretten. Sie nehmen das Geniale des 90er-Jahre deutschsprachigen Gitarrenrock à la Die Sterne oder Tocotronic und machen einen furchtbaren Hipsterschrott daraus; schrammelnde Gitarren oder 80er Synthiesound. Weiteres Erkennungszeichen: Schlimme Videos; auch bei diesen Gruppen zu finden.
So. Eine kleine Provokation. Muss ja auch mal sein.
Nun servieren wir die Auswahl der Woche. Hier ist die Luserlounge. Wir haben selektiert!

Turbostaat
(ms) Eine irre Herausforderung. Bestechend viel Energie. Geballte Fäuste. Gitarren, Bass, Schlagzeug, Gesang. Wirklich viel Köpfchen dabei. Ungefähr so kann man die Texte von Turbostaat beschreiben. Was dauert es oft, diese in Gänze zu verstehen? Ja, es geht auch kryptisch zu, aber zu einem Großteil so sehr um die Ecke gedacht, dass die tatsächliche Genialität der Lieder erst spät klar wird. Der Sound ist ja eh immer ungeheuer mitreißend. So auch auf Rattenlinie Nord! Große Vorfreude, dass es neues Material und ein neues Album gibt. Uthlande erscheint über PIAS am 17. Januar und wird nicht nur uns wegblasen, davon gehen wir aus. Über den Inhalt des Songs könnt ihr auch woanders nachlesen, wir möchten nur äußern, dass hier eine der allerbesten deutschsprachigen Bands - ja, genreübergreifend - ein neues Werk ankündigt! Insbesondere das dieses Jahr erschienene Live-Album Nachtbrot ist so irre gut, dass Uthlande nur überwältigend werden kann. Erwartungen: Groß! Wahrscheinlichkeit, dass sie übertroffen werden: Noch größer!
Natürlich halten wir Euch mit einer Review und allem drum und dran auf dem Laufenden. Auf die Tour sei auch hingewiesen, denn: Berlin Nr. 1 ist schon ausverkauft!

13.02.20 - Jena, Kassablanca
14.02.20 - Köln, Kantine
15.02.20 - Mainz, Kuz
19.02.20 - Hamburg, Markthalle
20.02.20 - Berlin, Festsaal Kreuzberg (Zusatzkonzert)
21.02.20 - Berlin, Festsaal Kreuzberg (ausverkauft)
22.02.20 - Dresden, Tante Ju
03.04.20 - Bremen, Schlachthof
04.04.20 - Düsseldorf, Zakk
05.04.20 - Aschaffenburg, Colosaal
07.04.20 - Marburg - Kfz
08.04.20 - Wien, Werk
10.04.20 - Leipzig, Conne Island
11.04.20 - Rostock, M.A.U. Club
30.10.20 - Hannover, Capitol
31.10.20 - Münster, Sputnikhalle



Agnes Obel
(ms) Pssst. Nehmt euch mal eben mindestens fünfeinhalb Minuten Zeit. Handy lautlos, Fenster und Türen zu, vielleicht Kopfhörer aufsetzen, Licht ausmachen um einen möglichst hohen Grad an Isolation zu erschaffen. Den, viel Ruhe und Aufgeschlossenheit braucht es, um die neue Single von Agnes Obel zu genießen. Island Of Doom ist so zart, beinahe zerbrechlich, dass der Track beinahe mit Samthandschuhen angefasst werden sollte, sonst zerschellt er in der Hektik des Alltags. Ganz zurückhaltende Klaviertöne, Chor im Hintergrund und ein wenig Experimentierfreude mit der eigenen Stimme lassen einen beeindruckenden Song entstehen. Worum es geht? Die schmerzliche Erkenntnis, dass man mit jemandem, der einem lieb ist aber verstorben ist, nicht mehr reden kann. Was hätte man alles wissen wollen?! Was wären noch für bleibende Momente da gewesen?!
Das dazugehörige Album Myopia - zu Deutsch Kurzsichtigkeit - erscheint am 21. Februar bei Deutsche Grammophon. Man ahnt, auf welchem Niveau hier Musik gemacht wird. Bitte vormerken!

29.02. Köln, Carlswerk Victoria
01.03. Mannheim, Capitol
02.03. Hamburg, Laeiszhalle
04.03. Wien, Arena
05.03. Zürich, Samsung Hall
16.03. Berlin, Admiralspalast
17.04. München, St Matthäus Kirche



Kele
(sb) Was bisher geschah: Kele Okereke ist in erster Linie bekannt als Kopf von Bloc Party und hat mit seiner Band einige großartige Alben aufgenommen. Als Solokünstler konnte er mich bislang selten überzeugen, mit 2042 (VÖ: 08.11.) unternimmt der Sänger einen neuen Anlauf - und hurra, mir taugts! Die politische Komponente kommt nicht zu kurz, die Tatsache, dass Rassismus im Jahr 2019 präsent wie eh und je ist und selbst (oder gerade?) erfolgreiche dunkelhäutige Menschen diesem ausgesetzt sind, verfolgt Kele auf seinem Album konsequent. Musikalisch beeindruckt vor allem die extreme Bandbreite, die von gefühlvollen Balladen über elektronische Klänge bis hin zu treibenden, Bloc Party-ähnlichen Rhythmen reicht. Erstaunlicherweise hat Kele mit Jungle Bunny, Between My And My Maker und Guava Rubicon bisher ausgerechnet die drei Tracks ausgekoppelt, die mir auf 2042 am wenigstens zusagen - und selbst die fangen einen irgendwann ein. Sehr starkes Album!



Cold War Kids
(sb) Gefühlt schwirren die Cold War Kids ja schon eine Ewigkeit durch meinen Musikkosmos, immer wieder poppt der Name irgendwo auf - und doch habe ich mich bisher noch nie so richtig mit der Band aus Kalifornien auseinandergesetzt. Entsprechend überrascht bin ich jetzt tatsächlich, was meine Ohren zu Hören bekommen. Ich hatte da was anderes erwartet, etwas deutlich Härteres. Hm, viel Pop, wenig Rock, ganz wenig Indie... Da muss ich mich jetzt erstmal dran gewöhnen, der erste Eindruck nach ein paar Mal Durchhören ist jedoch eher durchwachsen, zu austauschbar erscheint mir das Ganze mit ganz wenigen Ausnahmen. Mitunter erinnert es fast ein wenig an Friska Viljor, wobei das ja bekanntlich nicht die schlechteste Referenz ist. Hört Euch New Age Norms, Vol. 1 (VÖ: heute!) einfach mal und entscheidet selber! Die Scheibe stellt übrigens den Auftakt einer geplanten Album-Trilogie dar, man darf also gespannt sein, wie es weitergeht - Hipstermodus oder Indie?


Nosoyo
(sb) Tanzbarer Elektropop mit Attitüde: Willkommen in der Welt von Nosoyo! Mit Glitter schmettern die beiden Wahl-Berliner eine Hymne ans Selbstwertgefühl in die Welt, die Hüften und Beine zum Wackeln bringt. Die Message ist klar: Glaub an Dich, lass Dich nicht von Deinem Weg und Deinen Träumen abbringen. Auch der Rest der famosen Glitter To My Sisters EP (VÖ: 06.12.) fällt qualitativ keinen Deut ab und macht das niederländisch-deutsche Duo zu einem heißen Tipp für die Vorweihnachtszeit. Wer sich das anhören möchte, der hat vorab bereits live die Möglichkeit dazu:

03.11. Leipzig, Täubchenthal
04.11. Berlin, Privatclub
06.11. Zürich, Exil
07.11. München, Muffatcafé
08.11. Wien, Werk
10.11. Köln, Studio 672


Hannes Wittmer & Clara Jochum
(ms) Über Preise berichten wir so gut wir gar nicht. Ab und an mal über den Preis für Popkultur. Diesbezüglich ist die Folge Fest & Flauschig mit Deichkind hörenswert, wo es ein ganz kleines bisschen über Muster bei der Vergabe geht.
Doch hier geht es jetzt um einen anderen. Um einen, den die Ausgezeichneten auch nicht auf sich zukommen sahen: Hannes Wittmer und Clara Jochum. Wittmer ist/war bekannt als Spaceman Spiff und macht nicht nur Musik, sondern sich auch Gedanken über die Wertschöpfungskette Musikbusiness und entzieht sich dieser auf beeindruckende und irre sympathische Art. Für das Stück Das Hirn Ist Ein Taubenschlag am Hamburger monsun.theater haben sie die Musik geschrieben und in den Aufführungen auch gespielt. Äußerst dilettantisch muss ich zugeben überhaupt nicht zu wissen, worum es in dem Stück geht. Egal. Ich möchte hier nur verkünden, dass diese wunderbaren Musiker den Theaterpreis Hamburg für Herausragende Komposition und Musik gewonnen haben. Und es sei ihnen von Herzen gegönnt. Ein Preis für Hochkultur, der den beiden zeigt, auf welchem Niveau sie eigentlich agieren.
Wahrscheinlich spricht Hannes davon auch auf seiner anstehenden Solo-Tour, die wie immer auf Pay-What-You-Want-Basis läuft. Wir sehen uns!

09.11. Osnabrück - Kleine Freiheit
10.11. Haldern - Pop Bar
11.11. Langenberg - KGB
12.11. Hannover - Lux
13.11. Hamburg - Nachtasyl
14.11. Dortmund - Kino im U
15.11. Berlin - Monarch
17.11. Leipzig - Werk 2
20.11. Köln - Artheater
22.11. Mannheim - Forum
23.11. Frankfurt - Brotfabrik



Grim104
(ms) Wie billig ist es eigentlich eine schaurig-gruselige EP am 31. Oktober zu veröffentlichen?! Sehr! Und das hat die Hälfte von ZM mit der Engelsstimme, grim104 überhaupt nicht nötig. Seit gestern könnt ihr die EP Das Grauen, Das Grauen beim Streamingdienstleister eures Vertrauens hören und als Picture-Vinyl erwerben. Satte 10 Titel bietet die Platte, sehr untypisch für eine EP. Einschränkung: Es gibt 3 Skits, Kurzlieder, je nach dem wie man es nennen will, sodass die Netto-Track-Anzahl für eine EP immer noch stark ist. Und worum geht es?! Die Songs machen dem Titel alle Ehre, es geht zum Teil wirklich übel zu. Nicht nur großer Hass auf Berlin und das moderne Leben (Das Grauen) kommen zur Geltung. Sondern vor allem Abel'19 ist hart. Es geht tatsächlich darum, wie der Protagonist in eine Schlägerei gerät, durch physische Gewalt bewegungslos auf dem Boden liegt und schließlich...
Gewohnt aggressiv, vulgär und extrem pointiert. Diese EP ist ein Knaller! Der Release zu Halloween (oder wie wir hier im Norden sagen: Reformationstag) ist nichts als ein PR-Gag, die Songs hart, direkt, teils angsteinflößend. Selten solch eine Art von Musik gehört!

27.11.2019 -  Berlin, Berghain Kantine (ausverkauft)
09.01.2020 - Hamburg, Uebel & Gefährlich
10.01.2020 - Leipzig, Naumanns
11.01.2020 - Wien, Flex Café
12.01.2020 - Nürnberg, Desi