(ms) Eine Band, die mich total nervt, ist U2. Deren Musik ist mir total egal, man kennt zwangsläufig den ein oder anderen Song. Doch das Nervige daran ist halt Bono. Und darin ist man sich ja irgendwie einig. Leider kann ich auch nicht genau sagen, was mich an Bono so furchtbar abnervt. Vielleicht ist es die orangene Brille. Doch vielmehr ist es sein Auftreten und dass er sein Geld gerne mal in der kleinen Steueroase Holland behält. Das machen die Rolling Stones übrigens auch. Bono nervt.
Eine Band, zu der ich überhaupt keinen Draht und auch überhaupt keine Ahnung darüber habe, ist Muse. Ich kenne so zwei, drei Songs. Mehr nicht. Hat mich irgendwie nie besonders interessiert. Lustigerweise mag ein Freund vom mir die gerne. Und wenn wir bei ihm sind und seine Musik in Shuffle läuft, frage ich immer nach, wenn mir an einer bestimmten Stelle was gefällt. Es ist immer Muse. Aber das habe ich danach vergessen.
Eine Band, die ich wirklich unglaublich mag, sind die Editors. Seit Jahren schon. Eine weitere Band, denen ich zu Füßen liege, sind Tall Ships. Leider haben sie sich aufgelöst, aber mit Impressions ein enormes Werk hingelegt.
Wenn man die jetzt alle zusammenpackt, kommt da irgendwo die norwegische Band Vonheim bei heraus. Von U2 die Stimme (und keine Wertung!), von Muse, den Editors und Tall Ships der Sound.
Wobei... ein wenig muss man gedanklich an einigen Stellen die Gitarren raus- und eine wunderbare Andächtigkeit reindrehen!
Kommende Woche, am 8. Mai, erscheint ihr neues Album In The Deep. Neun Tracks sind darauf vorhanden. Es müssen auch gar nicht mehr sein. Es gibt ja keine Mindest- und Maximalanzahl an Liedern pro Album, keine Industrienorm. Welch Glück.
Doch dieses Album hat ein Problem. Und das sind die altbekannten zwei Seiten einer Medaille. Oder besser: eines Songschreibverfahrens. Denn das ist hier oft auf dünnem Eis, weil man zum Ende hin beinahe den Wecker danach stellen kann, wann ein bestimmter Effekt eintritt: In The Deep besteht aus zwei Teilen. Meistens aus der ersten Hälfte jeden Songs und aus der zweiten Hälfte jeden Songs. Diese ersten Hälften sind durchaus oft ruhig, dicht im Sound und mit einer nebulösen Dramatik ausgestattet. Die zweiten Hälften vieler Tracks bersten vor Energie, Dynamik und Verausgabung. Diese ersten Hälften nutzen sich im Laufe des Hörens ein wenig ab, weil sie so vorhersehbar sind. Das könnte man für die zweiten Hälften jetzt auch behaupten, ist Geschmackssache. Aber die Art und Weise, wie diese zweiten Hälften ausgebaut sind, treffen total meinen Nerv. Da ist sie, die Dramatik, die man gerne bei den Editors findet. Diese pure Leidenschaft.
So ist das gesamte Album ein Kommen und Gehen. Die Ruhe kommt und wird hinaus getrieben. Ebbe und Flut. Wenn die Gitarren aufdrehen. Wenn der Bass mehr treibt. Wenn das Schlagzeug wilder wird. Wenn der Gesang energischer wird. Wenn zusätzliche Instrumente einsetzen und den Sound maßgeblich mitbestimmen.
Leider gibt es auch ein, zwei Lieder wo es keine zweite Hälfte in dem oben skizzierten Sinne gibt. Moving On und Fragile (All Alone) sind für meinen Geschmack zu ruhig für diese Platte, die an so vielen Stellen enorme Stärken beweist. Und 'leider' kommen sie auch direkt hinter dem ersten Übertrack! Denn die Platte startet mit dem gleichnamigen Lied. Sachter, nebulöser Beginn. Ab Minute 1:35 jedoch wird hier Fahrt aufgenommen und sie lässt dem Hörer keine Ruhe mehr, treibender Bass, dichte Stimmung. Dazu ein eindringlicher Hintergrundgesang, der den Refrain saustark macht. Hui! Die beiden 'schwächeren' Lieder danach, ließen Zweifel aufkeimen, dass am Anfang das ganze Pulver verschossen wurde. Glück gehabt - stimmt nicht. West Coast ist so ein Lied nach dem oben beschriebenen Rezept: Unscheinbarer Start, extrem überzeugende zweite Hälfte, die es sich wirklich lohnt sehr laut zu stellen!
Solche Überraschungsmomente häufen sich: Der plötzliche Indierocksound auf Dark Night Of The Soul, wo man auf die Folter gespannt wird, wann es endlich wieder ausbricht. 4:37 Minuten, die sich auszahlen, da der Track immer besser wird. Oder die wunderbaren, passenden, im Hintergrund agierenden aber dennoch fein akzentuierten Bläser in This Is It (kein Michael Jackson Cover!).
Diese vielen Stärken und die seltsamen Schwächen machen es beeindruckend schwer, zu einem abschließenden Urteil zu In The Deep zu gelangen. Ja, überzeugen tut das Album. Aber nicht auf ganzer Länge. Sondern immer weider mal. Und es funktioniert (mal wieder) hervorragend als Ganzes. Als schönes Gegenbeispiel zum spotify'esken Playlisten-Hören.
Also!
(sb/ms) Heute ist Freitag, der 24. April. Logisch. Sonst würde dieser Text auch nicht erscheinen. Seit ein paar Jahren wird an dieser Stelle selektiert. Gut ist das. Spaß macht das.
Jedoch war gestern auch der 23. April. Und das ist an dieser Stelle noch ein bisschen wichtiger. Denn der 23. April ist jedes Jahr der Tag des Buches. Herrlich. Ein ganzer Tag, der der Literatur gewidmet ist. Was lest ihr derzeit? Spannendes, Informierendes, Unterhaltendes, Romantisches?
Nun. Der 23. April kann aber noch mehr. Es ist auch internationaler Tag des Bieres. Jaha. Das stimmt. Was trinkt ihr derzeit? Hier steht eine Kiste Weizenbier. Supergut. Das ideale Getränk bei steigenden (und dann hohen) Temperaturen. Mit und ohne Alkohol. So viel erwachsene Weitsicht muss sein.
Folgende Frage stellt sich nun: Wer hat sich ausgedacht, beide schöne Ereignisse auf ein und denselben Tag zu legen?! Warum? Für jedes Gut bräuchte es einen ganzen Monat, um gebührend abgefeiert zu werden! Und was tut man nun? Saufen und lesen? Irgendwann geht das nicht mehr gut. Nur lesen. Okay. Nur saufen. Okay. Aber zusammen?! Ich weiß ja nicht. Frage an den Schwarm: An wen kann man sich wenden, um das auseinander zu dröseln?! Ich bin um jeden Hinweis dankbar.
Musik ab. Haszcara
(ms) Kommen wir unumwunden zum Punkt: Wir brauchen mehr richtigen guten Female Rap. Die HipHop-Kultur ist so dermaßen mit Testosteron vollgepumpt, dass einem schnell mal übel wird. Ich bin nicht so unheimlich gut informiert, habe aber den Eindruck, dass sich in den letzten zwanzig Jahren schon eine Menge getan hat. Über die Gangsta-Rapper kann man nur noch (zu Recht) lachen und Rap ist insgesamt ein bisschen schlauer geworden, gewitzter, selbstironischer. Gut so. Glücklicherweise kamen dann nach und nach - mehr oder weniger bekannte und erfolgreiche - Rapperinnen zur Geltung. Sehr gut so. Da helfen wir gerne mit. Haszcara habe ich schon ein paar Mal live gesehen und sie hat ein ungeheuer erfrischendes Auftreten, null Attitüde, humorvoll, ernst, absolut glaubhaft. Auch/Insbesondere wenn sie davon berichtet, wie gern sie mit ihren Mädels Shisha rauchen will. Doch auf ihrer brandneuen (VÖ: heute!) EP Hautnah sind auch weniger unterhaltsame Songs enthalten. Manchmal geht es auch in die Magengrube oder kommt richtig tief aus der Seele. Es lohnt sich sehr diese vier Tracks aufmerksam anzuhören. Die Inhalte der Lieder werden dem EP-Titel sehr gerecht. Das geht hautnah! Herzerwärmend: Sie bedankt sich bei allen Wegbereiterinnen!
Danzig
(sb) 1,60 Meter geballte Energie, Sänger der legendären Band The Misfits, Mitbegründer des Genres Horrorpunk und aufgrund der tiefen und kehligen Stimme der Spitzname "Evil Elvis" - das ist Glenn Danzig. Der durchaus streitbare Musiker, der in seiner Karriere für den ein oder anderen Skandal sorgte, wird im Juni 65 (!) Jahre alt, an die Rente denkt er aber noch nicht, sondern veröffentlicht heute (digital, der physische Release folgt am 08.05!) sein neues Album, mit dem er sich ein lang gehegten Wunsch erfüllt. Danzig sings Elvis - ja, er tuts wirklich und es steht ihm gut! Die stimmliche Nähe ist unverkennbar und Danzigs Attitüde verpasst den unverwüstlichen Songs des King einen zumindest unterbewusst einen ungewohnt düsteren Anstrich. Always on my mind, Fever, One Night, Loving Arms etc. offenbaren dadurch mitunter bislang verborgene Facetten, ohne dabei ihre Ursprünglichkeit zu verlieren; die Songs werden nämlich keinesfalls neu erfunden oder arrangiert, sondern lediglich durch den "Elvis from Hell" neu interpretiert. Tolles Projekt, interessantes Album, wobei es sicherlich auch spannend gewesen wäre, die Klassiker im eigentlichen Danzig-Style, also in Richtung Punk, zu hören. So klingt es stellenweise so, als habe man Glenn dabei aufgenommen, wie er in einer Karaoke-Bar seine Lieblingssongs von Elvis singt - aber vielleicht war das ja genau so beabsichtigt.
Malta Mina
(ms) Fernweh ist an sich ja schon hart, wenn man dem Alltag so nachgeht. Ein, zwei herrliche Sonnenstrahlen, die durchs Fenster dringen und man wünscht sich ans Mittelmeer. Drei, vier deftige Brisen, die einem ins Gesicht peitschen und man wünscht sich an die raue See. Fünf, sechs Bilder von ganz anderen Orten und es wird einem schwer ums Herz. Jetzt mitunter noch viel mehr, wo der Sommer und die schönen langen Wochenenden anders gestaltet werden müssen. Sebastian Witte schlägt mit seinem Projekt Malta Mina und dem aktuellen Song The Tide genau in diese Kerbe. Ein Lied, das nicht nur bildnerisch mit dem Wellengang arbeitet, sondern auch im Sound. Elektronischer Indie-Pop bildet das Fundament, darüber legt sich seine furchtbar angenehme Stimme. Eine Kombination, die die Hörenden schnell aus den eigenen Vier Wänden zieht. Mindestens in Gedanken. Das ist eine äußerst gelungene Kombination. Wasser, Licht und Luft. Sie können berauschend schön und bedrohlich beklemmend sein. Lässt man sich auf den Track ein, wird das klar.
Und dann kommen noch diese Wellengänge aus Island dazu...
Slut
(sb) Ja Wahnsinn, dass wir das noch erleben dürfen! Ein neuer Track von Slut, unfassbar! Wir hatten ja mit viel gerechnet, aber dass die Ingolstädter nochmal neue Songs veröffentlichen, hielten wir quasi für ausgeschlossen. Wo wir gerade dabei sind: Was macht eigentlich Tobias Kuhn aka Monta derzeit?
Aber zurück zu Slut: Die vergangenen Jahre sind scheinbar nicht spurlos an der Band vorbeigegangen und scheinbar mussten sie den Verlust ihrer Gitarren verkraften. Anders ist der deutlich veränderte Sound kaum zu erklären, auch wenn sie bei Youtube versichern, dass die zukünftig auch wieder zum Einsatz kommen werden. Gott sei Dank, ist man geneigt zu sagen, denn so groß die Freude über das Comeback der Herren um Sänger René Arbeithuber auch ist, so ernüchtert sind wir dann doch über For The Soul There Is No Hospital. Der Song als solcher ist sicher kein schlechter, aber sind das wirklich die selben Slut, die uns einst so begeisterten? Oder nennt man sowas Weiterentwicklung? Hörts Euch am besten mal selber an...
Matija
(sb) Bis 2016 waren Matija unter ihrem vorherigen Namen The Capitols in erster Linie in ihrer bayerischen Heimat bekannt, seitdem hat ihre Karriere aber Fahrt aufgenommen und die Münchner durften u.a. Wanda und The 1975 supporten. Trotzdem musste man seit ihrem 2017er-Album warten, bis endlich wieder frische Töne aus Monaco City in die Welt verbreitet wurden. Dank absolutelynothing(today) (VÖ: 17.04.) darf das Comeback jedoch als gelungen bezeichnet werden, die bittersüße Ballade trifft den Zeitgeist ziemlich gut. Musikalisch ist das Quartett wohl am ehesten im klassischen Pop anzusiedeln, wobei gelegentlich auch Alternative-Elemente einfließen - und ein gewisser Hipster-Habitus ist der Band sicher auch nicht abzusprechen. Wir warten auf mehr und halten Euch auf dem Laufenden.
Shirley Holmes
(sb) Fangen wir mit dem Fazit an: Selten hat mich ein Album so unentschlossen zurückgelassen wie Die Krone der Erschöpfung (VÖ: heute!) von Shirley Holmes. Warum? Die Diskrepanz zwischen den einzelnen Songs ist mitunter so gravierend, dass man sich beim Anhören fragt, ob die wirklich alle von der gleichen Band stammen können. Dabei geht es gar nicht mal so arg um den Stil, denn da zeigt sich das Trio durchaus variabel, was ja begrüßenswert ist, sondern vielmehr um die Qualität der Tracks. Mal ist es musikalisch und texlich einfach nur geil, sodass man den Volume-Knopf noch über das Limit hinausdrehen möchte und nur wenige Minuten später setzt ein Fremdschämgefühl ein und der Finger sucht sehnsüchtig und verzweifelt nach der Skip-Taste. Wahrscheinlich künstlerische Freiheit oder so, ich weiß es nicht. Wenn ich mich nun aber ausschließlich auf die positiven Aspekte des Albums beschränke, so muss ich gestehen, dass die Berliner(innen) mit ihrer Mixtur aus Punk, Indie und Alternative meinen Nerv durchaus treffen und die weibliche Stimme eine sehr willkommene Abwechslung in dieser männerdominierten Szene darstellt. Und so ganz nebenbei haben Shirley Holmes mit Wieder Sehen schon vor Monaten unfreiwillig eine Corona-Hymne geschrieben, wobei die Bandszenen des Videos just einen Tag vor dem Lockdown gedreht wurden.
Ben Lukas Boysen
(sb) Elektronische Musik ist in der luserlounge ja seit jeher unterrepräsentiert und in der Regel ist das auch gut so, weils uns halt einfach ned kickt. Wir verfahren jedoch auch nach dem Motto "Qualität setzt sich durch" und so kommen wir am neuen Album von Ben Lukas Boysen einfach nicht vorbei. Wer? Nie gehört? Ging mir auch so, aber wenn man sich mal mit der Vita des Künstlers auseinandersetzt, erkennt man doch recht schnell, dass der Künstler alles andere als ein unbeschriebenes Blatt ist. Bereits seit 2003 veröffentlichte Boysen unter dem Pseudonym Hecq Musik, sein erstes Album unter seinem bürgerlichen Namen folgte 2013 und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. 2018 war er zusammen mit dem Komponisten und Cellisten Sebastian Plano gar bein Academy Awards nominiert - es war das erste Mal, dass sich ein Videospiel-Trailer für einen Oscar in der Kategorie „Best Animated Short“ qualifiziert hatte. Und selbst in die Wissenschaft hat Boysens Werk mittlerweile Einzug gehalten, denn anhand seiner Musik werden an der Londoner Goldsmiths University Verbindungen zwischen Klang und Bewusstseinszuständen untersucht. Mirage (VÖ: 01.05.) ist ein sehr sphärisches und progressives Album, das sich Zeit lässt, das es nicht einsieht, sich treiben zu lassen, sondern stets das Heft in der Hand behält und das Tempo der Umgebung bestimmt. Es ist dabei keineswegs aufdringlich - ganz im Gegenteil: man kann die Scheibe bestens nebenher anhören und sich ganz den Tönen und Stimmungen hingeben. Mein Favorit auf dem Album ist eindeutig der Track Clarion, der mit einer vertrauten Piano-Melodie startet, ehe luserlounge-Liebling Anne Müller mit ihrem Cello einsetzt und der Song langsam Fahrt aufnimmt. Ganz, ganz großartig!
Waving The Guns
(ms) Ja, wie bereits vorhergesagt: Der ganze Festivalsommer ist abgesagt. Das war's dann mit drei, vier Tagen zwischen Dosenbier, Sangriaeimer, stinkenden Dixis, überteuertem Bier auf dem Gelände, verstaubten Äckern, Sonnenbrand gegen Mittag und komplette Abmallung genau danach. Eskapismus müssen wir uns dann anders schaffen, kreativ werden. Und geduldig bleiben. Denn klar ist: Das ganze geht vorüber, vieles ist ja schon absehbar.
Umso besser, dass unsere Lieblingsrapper aus Rostock, Waving The Guns, dieser Tage neue Live-Termine für den Herbst angekündigt haben. Gerade weil derzeit das Herz so blutet, da nix mehr geht auf und vor den Bühnen sind das herausragende Nachrichten. Sechs Mal durfte ich mich von extremen Qualitäten an den Turntables und am Mikrophon überzeugen. Sechs Mal wurden sie so dermaßen übererfüllt, kaum zu glauben. Lines ballern, austeilen, Quatsch reden... Es hätte so ein schöner Abend werden können... Ja, das prescht im Oktober wieder durch die Boxen in diesen Städten:
09.10. - Bielefeld, Nr Z.P.
10.10. - Köln, Gebäude 9
16.10. - Bremen, Schlachthof
17.10. - Dresden, Tante Ju
29.10. - Tier, Mergener Hof
30.10. - Saarbrücken, Kleiner Klub
31.10. - Marburg, KFZ
Jónsi
(ms) Es gibt unterschiedliche Ebenen von guten Nachrichten aus dem Musikkosmos. Da sind Ankündigungen von unbekannten Bands, die neugierig machen und dann überzeugen. Das sind immer schöne Momente, neu Angeworbenes auch gut zu finden. Dann kommen Ankündigungen bekannter Bands, die stabil abliefern und das Herz erwärmen, da man jahrelang dran hängt. Und dann kommt Jónsi. Er ist nicht nur ein Ausnahme-Solokünstler sondern auch der Sänger und Kopf von Sigur Rós. Und wer diesen Blog etwas länger verfolgt, weiß, dass diese isländische Band für mich das Non-Plus-Ultra ist. Für mich schafft es keine andere Band einen derartig betörenden, packenden, hoch emotionalen, eindringlichen, puren, wilden, anrührenden Sound zu kreieren. Ist es enorme Dynamik und Energie. Jedes Mal aufs neue erstaunlich. Nun hat Jónsi den ersten Solo-Track seit zehn Jahren veröffentlicht. Direkt mit Video dabei. Exhale ist prinzipiell ruhig. Und anders als mit Band singt er auf Englisch. Man muss den Text nicht verstehen - doch wenn man es tut, tun sich Welten auf. Er wandelt klangtechnisch auf den experimentellen Sigur Rós-Pfaden der Liminal-Reihe. Wie das Lied dann Fahrt aufnimmt, so kann es nur Jónsi. Ja, ich vergöttere ihn für sein musikalisches Können, das gebe ich unumwunden zu.
Der Track ist eine Kooperation mit dem Elektronik-Künstler A. G. Cook, was eindeutig zum Ende hin zu hören ist. Und doch so harmonisch. Damit hat er sich zum eigenen Geburtstag am Donnerstag beschenkt. Wie schön! Ob darauf ein Album folgt... wer weiß?! Ob es nochmal neues Material von Sigur Rós gibt... wer weiß?! Dieses Lied ist zum Glück mehr als ein Trostpflaster.
(ms) Bevor hier Alles Wird Ganz Schlimm von Dino Paris & Der Chor Der Finsternis zurecht abgefeiert wird, weil schräg, lustig, verschwurbelt und irgendwie innovativ, muss ausgeholt werden.
Denn Dino Paris, der mit bürgerlichem Namen Jan Preißler heißt, hatte ursprünglich mal vor vermehrt Kinderlieder zu schreiben, da er von ihrer melodiösen Einfachheit und ihrem Zauber begeistert ist. Als Pädagoge total nachvollziehbar.
Teils ist das in betörend guter Form auch auf dem Album zu hören. Doch: Seit vielen, vielen Jahren wird in regelmäßigen Abständen eine Reihe unter dem Namen Unter Meinem Bett veröffentlicht. Dazu haben die unterschiedlichsten auch von uns sehr bewunderten Künstler und Musikerinnen Kinderlieder beigesteuert (so Enno Bunger, Bernd Begemann, Olli Schulz, PeterLicht oder Kevin Hamann). Dazu veranstalten sie dann in wechselnder Besetzung auch Konzerte, die natürlich auf die Kinder ausgerichtet sind. Aber Hand auf's Herz. Das ist eine Reihe und das sind Gigs, die ausschließlich für die Erwachsenen da sind. Die finden die Idee irgendwie progressiv, toll, hip, doch sie drehen sich nur im Kreis. Man feiert sich selbst ab, dass man das neue Kinderschlaflied halt auch privat hört. Es sind Lieder und Ideen, mit denen Kettcar in Die Straßen Unseres Viertels so herrlich abrechnen. Logischerweise traten sie auch auf dem A Summer's Tale Festival auf; dem Treffpunkt für die sehr gut verdienenden, junggebliebenen Akademiker, die Streetfood abfeiern und die eigenen in vegane Modemarken gehüllte Kinder mitbringen.
So. Sorry für die kleine Hasstriade. Aber musste sein.
Zurück zu Dino Paris. Er hat alles richtig gemacht. Outfit und Name machen schnell klar, dass er aus dem Käpt'n Peng-Universum kommt. Ja, er ist Teil von Vögel Die Erde Essen und der Künstlername stammt von einem ehemaligen Weggefährten, der meinte: Wenn Du ein Schlagerstar wärst, ist das dein Name. Starke Idee.
Morgen veröffentlicht er bei Kreismusik (Pengs Heimat) seinen Erstling. Es sind 11 Tracks, die irre, unterhaltsam und unheimlich groovy sind.
Schauen wir uns das mal von Nahem an! Die Leitlinie von Preißler: "Alles ist immer noch merkwürdiger, als ich es mir vorstellen kann." Im Sinne von: Es gibt nichts, dass es nicht gibt. Warum das nicht mal etwas überspitzt in Musik transformieren?! Gedacht - getan. Das Ergebnis ist ungeheuer gut und kurzweilig geworden. Aus dem Schmunzeln kommt man eh nicht mehr heraus. Und das auf mehreren Ebenen.
Beispielsweise gleich zu Beginn. Nachtrag ist ein Sammelsurium aus echten Grabsteininschriften. Dazu lässiger Gitarren-Indie-Sound, sehr locker, schön eingängig. Doch da macht sich schon irgendwas in seiner Stimme bemerkbar, dass die permanente Doppelbödigkeit untermauert. Ist es latente Selbstironie oder Unglaube, dass sich wer solch Sprüche als Andenken hat einmeißeln lassen?! Wer weiß...
Dino Paris schwenkt auch zu sarkastischer Gesellschaftskritik. In Softeis feiert er die großartigen Vorzüge des Klimawandels ab: Wir brauche keine Waffen mehr / Nur noch Wasserpistolen. Deutlich zu hören ist, wie gerne er mit dem Klang experimentiert. Die meisten Instrumente hat er selbst eingespielt und gerne auch Küchenutensilien genutzt (Shaban lässt grüßen). Auch für Autotune im Hintergrund ist er sich nicht zu schade. SUV ist ein thematisch ähnlicher Song, ein sexy Liebeslied, das sicher bald bei extra3 läuft!
Klang und Bild kommen beim Albumtitel gebenden Track am besten durch (unbedingt Video oben anschauen und genießen). Selten habe ich einen so heiter-beschwingten deprimierten Track gehört; zudem im Gewand vom 20/30er Chanson. Das wird sicher bald von Max Raabe gecovert! Große Klasse! Genauso wie Dialektisch. In diesen Liedern zeigt Dino Paris sein ganzes Können. Musikalisch und insbesondere textlich. Bei diesem Lied will man gar nicht spoilern. Das ist so klug, catchy, schräg und Banane zugleich und in einem bestechend prophetischen Klang gehüllt. Alles hat mindestens einen zweiten Sinn, sing er. So wahr, so pur, so schön.
Ja, die aktuelle Zeit lässt vorher geschriebene, anders intendierte Lieder neu mit Sinn befüllen. Der Song heißt Viren. Ja. Ist so. Neben dem inhaltlichen Aspekt, fragt man sich schon, zu welchem Genre man das denn irgendwie schieben soll?! Ganz ehrlich - das ist doch komplett egal. Hier ist so viel Kreativität mit musikalischem Witz gepaart, da braucht es kein Label für.
Auch die anderen Lieder lohnt es zu entdecken. Beim ersten Hören kommt das alles gar nicht zu Geltung. Dabei ist Alles Wird Ganz Schlimm nicht sperrig, verkopft, pseudointellektuell. Es ist einfach nur brilliant. Punkt. Empfehlung. Ganz große!
Hoffen wir, dass man das bald live erleben kann, bislang steht Folgendes fest:
26.11. Hamburg - Goldener Salon/Hafenklang - weitere Daten im Herbst/Winter in Vorbereitung -
(ms/sb) Rezeption von Kunst. Sie kann so unheimlich unterschiedlich sein. Und für mich persönlich gibt es einen riesigen Unterschied zwischen Buch und Musik. Wenn mir ein Album nicht gefällt, höre ich nach ein paar Songs auf, es zu hören. Erst herrscht der gute Wille und der vermeidliche Gedanke, dass es doch nicht kacke ist, dann kommt die Überzeugung. Bei Literatur ist es gänzlich anders, da ziehe ich das durch. Das habe ich in den letzten Wochen leidvoll durchexerziert. Der Griff zu diesem Buch war mehr als spontan. Stern 111 von Lutz Seiler lag prominent präsentiert bei der wunderbaren Buchhandlung meines Vertrauens und ich dachte mir: Wieso nicht. Immerhin auch Buchpreisgewinner. Da muss ja was dran sein. Was dann folgte, war eine reine Qual. 520 Seiten lang. Ab Seite 200 kam schon der Wunsch auf, dass das bitte ganz schnell rum geht. Mit der Sprache konnte ich mich nicht arrangieren. Und auch nicht mit dem beinahe nicht vorhandenen Plot. Es lief auf fast gar nichts hinaus. An sich ist das kein Problem, aber das kann man doch besser schildern. Wäre ich Jurymitglied, hätte ich mein Veto eingelegt. Hatte die Hausbesetzerszene um die Wende in Berlin nichts Besseres, Erzählenswerteres zu bieten? Als Panorama wird es beschrieben. Ja, das schon. Aber extrem dünn, blutleer und ohne Anhaltspunkte, dass man wissen will, wie es weiter geht. Ich mag dem hinzufügen, dass ich kein literarischer Banause bin. Aber nun gut. Ein Glück ist das rum. Braucht es wer?!
Ein noch größeres Glück, dass es hier um Musik geht. Luserlounge. Freitag. Selektiert. Abfahrt:
Kalthauser
(sb) Was bringt man mit Chemnitz in Verbindung? Also so ganz spontan mein ich... Klar, hieß mal Karl-Marx-Stadt, Kraftklub, Kummer, den CFC und seine politisch sehr zweifelhaften Fans, die Ausschreitungen im Sommer 2018, eventuell noch die Band Blond und zukünftig womöglich auch Kalthauser. Ob das gelingt, steht natürlich in den Sternen, eine gewisse Massentauglichkeit ist dem Quartett jedoch keinesfalls abzusprechen, obwohl es sicher nicht so ist, als würde die Band auf Teufel komm raus gefallen wollen. Im Gegenteil: Textlich präsentieren sich Kalthauser sehr persönlich und mitunter auch verletzlich, doch von den Melodien und der instrumentalen Begleitung her ist die Abgrenzung zum Mainstream recht fließend. Ich persönlich stehe dem selbstbetitelten Debütalbum (VÖ: 08.05.) sehr zwiegespalten gegenüber: Einerseits imponiert mir die Gradlinigkeit der Band, dieses bedingungslose Verfolgen der eigenen Philosophie, andererseits ist mir das Ganze insgesamt zu poppig und glatt, sodass mir weitestgehend die direkten Berührungspunkte fehlen. Nichtsdestotrotz solltet Ihr mal reinhören und Euch ein eigenes Urteil bilden.
Laut Fragen
(ms) Kein Vergeben. Kein Vergessen. Das muss oberste Maxime unserer Gesellschaft sein und bleiben. Es kann nur mit klarer antifaschistischer Linie gehen. Auch in der selbsterklärten Mitte eben jener Gesellschaft. Die rechte Szene ist äußerst aktiv, hortet Waffen, dringt in politische Kreise oder sogar Gewerkschaften ein. Tagtäglich müssen wir uns vor Augen halten, was passiert ist und unsere Lehren draus ziehen. Antifa heißt jeden Tag das Ganze hinterfragen!
So ist es. Das Duo Laut Fragen hat sich genau das zur Aufgabe gemacht. Und noch viel mehr. Ich persönlich kenne mich null mit der innerösterreichischen Aufarbeitung des Dritten Reiches aus; komme halt aus NRW. Maren Rahmann und Didi Disko haben sich dies jedoch auf die Fahnen geschrieben, sammeln Texte aus dem österreichischen Widerstand gegen die Nazis und vertonen diese. Sie agieren als Musik- und Performancegruppe und legen mit 6434 einen beeindruckenden musikalischen Beweis ans Tageslicht, was man daraus machen kann. Der Text zum Lied stammt von Gösta Duchham (Hans Schlesinger), der fast vier Jahre in Buchenwald leiden musste. 1945 hat er einen kleinen Gedichtband herausgebracht unter dem Titel Ich Hasse Nicht: Dichtungen aus Buchenwald. Allein darin steht große Menschlichkeit. Laut Fragen haben sich den Text 6463 zur Vertonung ausgewählt; seine Häftlingsnummer. Mit einem Mix aus dem Sound von DAF, Die Krupps und Egotronic versehen, bekommt das ein durchaus aggressives Gewandt. Stark. Hut ab.
The Streets
(sb) Wahnsinn, jetzt ist es auch schon wieder zwei Jahre her, dass ich die luserlounge auf Betriebsausflug nach London begeben hat, um The Streets in der Brixton Academy zu sehen. Seitdem hat sich bei uns einiges getan, nur Mike Skinner macht noch immer das, was er am Besten kann: lässig sein und es, wenn er denn mal nen neuen Track rausbringt, auf den Punkt bringen. Auch mit seinem neuesten Streich trifft er textlich mal wieder den Nagel auf den Kopf und stellt eine ganze Generation bloß. Die bedeutungsschwangere Zeile "You'd worry less about what they thought if you knew how little they did." ist zwar lediglich die Abwandlung eines Zitats des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace ("You’ll Worry Less About What People Think of You When You Realize How Seldom They Do."), doch spätestens mit "You know I'd give you my kidney.Just don't ever take my charger." entlarven The Streets all die Möchtegern-Wichtigen dieser Welt, die ohne Likes und Klicks nicht leben können. Special Guest auf Call My Phone Thinking I'm Doing Nothing Better sind übrigens Tame Impala und das darf durchaus als bemerkenswert bezeichnet werden, da sich die Australier bislang jeglicher Kollaboration verwehrt hatten. So und jetzt schauen wir mal, ob und wann The Streets doch nochmal ein neues Album veröffentlichen...
Ira Atari
(ms) Bestellungen direkt an der Quelle oder in deren Dunstkreis sind nicht nur aktuell eine gute Maßnahme, um das Geld direkt an die richtigen Menschen zu bringen, sondern immer. Zum Beispiel bei Audiolith. Da kann man bedenkenlos einkaufen gehen. Irgendwann bekam ich mal Post von denen - paar Jahre her - und nicht nur der bestellte Artikel war dabei, sondern auch das Album Shift von Ira Atari. Das war natürlich supergut. Also das Geschenk und selbstredend auch die Platte. Ein bisschen giftig, extrem basslastig, elektronisch, tanzbar. Auf Moment wurde Ira Göbel, so ihr bürgerlicher Name, etwas poppiger, aber nicht weniger catchy.
Heute legt sie mit Berlin Berlin nach. Ein Beat, der wie der Punkt bei Karaoke keine Pause macht und direkt in die Beine geht. Der Song ist nicht nur eine Hymne auf die Hauptstadt, sondern auch Verarbeitung der Trennung von Freund und nun Ex-Bandmitglied. Berlin, Berlin, you make me feel like a queen! A pretty fucked up queen, but a queen is a queen. So liest sich das. Im besten Sinne eingängig. Alter, warum sind denn jetzt die Clubs geschlossen...?! Dann tanzen wir halt zu Haus dazu! Versprochen!
JD Eicher (sb) Er ist ein wahrer Entertainer, der JD Eicher - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Der Mittdreißiger aus Ohio hat sich auf die Fahnen geschrieben, sein Publikum zu unterhalten, es abzuholen, zum Lachen und Weinen zu bringen und dann wieder sicher im Heimathafen abzuliefern. Und was live bestens funktioniert, bringt der Amerikaner auch bestens auf Platte, wie man auf seiner neuen EP Court Street (VÖ: 09.04.) bestens vor Augen geführt bekommt. Irgendwo zwischen Pop und tanzbarem Soul hat Eicher seine Nische gefunden und hat damit durchaus (und zurecht!) Erfolg, wie Touren mit Coldplay, der Dave Matthews Band, Rod Stewart oder Bryan Adams beweisen. Okay, ich gebe ja zu, dass das eher abschreckend klingt, aber lasst Euch davon nicht irritieren: JD Eicher zaubert die ein oder andere Pop-Perle aus dem Ärmel und kann Stimmungen nicht nur bestens einfangen, sondern diese auch gefühlvoll in seinen Songs transferieren. So sollte Radiomusik klingen!
Lorenzo Senni (ms) Alitalia - und nach den Alpen nur das Glück. Ja, Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys haben da einen Meilenstein an Musik hingeblättert. Doch es gibt zur Beruhigung aller auch eine gänzlich andere Musikkultur zwischen Venedig und Palermo. Eine Tanzbare, Eigenwillige, in der man sich verlieren kann, die irgendwie aneckt und dennoch kurzweilig ist. Die nach Sommer und Lounge klingt. Die nach Zukunft und Retro schmeckt. Nach Eisessen morgens um sechs, wenn man den Club verlässt und in der Dämmerung auf dem Rad volltrunken vor Zufriedenheit nach Hause düst. All das lässt sich auf dem neuesten Werk von Lorenzo Senni finden. Heute in einer Woche (VÖ: 24.04.) veröffentlicht er sein fünftes Album, das auf den Namen Scacco Matto hört: Schachmatt! Minimalistischer, verspielter Electro. So könnte man vielleicht sagen. Der Mailänder hat schon sowohl für zahlreiche Kulturorte Musik geschrieben, als auch für Filme. Wenn man in das Album eingestiegen ist, kann man das mehr als verstehen. So ganz ohne Gesang, erscheinen vor dem inneren Auge ganz automatisch die abenteuerlichsten Landschaften. Gut für Zeiten, in denen jeglicher Urlaub in weite Ferne rückt!
Eivør
(ms) Ab und an braucht es gar nicht so viel, um mich soundtechnisch in den Bann zu ziehen. Mitunter bin ich leicht verführbar. Beispielsweise wenn die isländische Sprache aufploppt. Dann werde ich hellhörig und neige schnell dazu, das gut zu finden. Selbst mit etwas Abstand betrachtet, ist es das dann oft tatsächlich noch. Erstaunlich! Bestes neues Beispiel: Eivør. Okay, sie singt auch auf Färöisch. Oder Englisch. Aber. Diese nordischen Sprachen haben einen ganz eigenen Zauber. Die 36-Jährige bedient kein klares Genre. Klassik, Folk, Jazz; Hauptsache irgendwie mystisch und in den Bann ziehend. Das kann sie. Ihr neues Album Segl erscheint am 18. September und anschließend geht sie auf Tour. Derzeit sieht es ja so aus, als ob das im Herbst stattfinden wird. Drücken wir ihr die Daumen. Denn wenn man sich ein bisschen reinhört und verzaubern lässt, schleicht sich direkt eine enorme Lust heran, sie schnell live zu sehen. Die Auswahl der Locations zeigt, dass sie gerne an speziellen Orten spielt. Hin da! Denn so klingt sie:
The Opium Cartel
(sb) Wir begeben uns mit The Opium Cartel auf eine Zeitreise in die 80er Jahre, eine Dekade, in der Roxy Music, das Alan Parsons Project und Camel ihre Spuren hinterlassen haben und deren Einfluss sich nun im dritten Album der multinationalen Band widerspiegelt. Valor (VÖ: 05.06.) ist ein Album über mutige, aber naive Träume, den Optimismus, den Kinder und Jugendliche ausstrahlen, weil sie sich der Widrigkeiten der Welt oft noch nicht ausreichend bewusst sind. In ihren Träumen wird alles so kommen, wie sie es sich vorstellen, Zweifel sind ihnen fremd. Umso überraschender werden sie dann durch Rückschläge getroffen, die zwangsläufig erfolgen und das bis dahin so makellose Weltbild erschüttern. Bandleader Jacob Holm-Lupo und seinem internationalen Ensemble gelingt der angesprochene Zeitsprung scheinbar mühelos, teilweise opulente Instrumental- und Synthesizer-Parts bekommen ihren Platz ebenso wie ausgedehnte Gitarrenparts. Um das Gesamtbild abzurunden, wurde das Album-Cover von Glen Wexler gestaltet, der in dieser Funktion in der Vergangenheit auch schon für Größen wie Van Halen oder Rush tätig war.
Gregor McEwan
(ms) Ach Folk-Pop. Mit kaum einem anderen Genre stehe ich seit Jahren so auf Kriegsfuß wie mit dir. Oft klingst du so gähnend beliebig, das macht mich regelrecht aggressiv. Letztens sah ich Will Church live. Das war eine Zumutung. Das ist jedoch - wir bleiben schön differenziert - nur die eine Seite der Medaille. Denn die andere glänzt ganz gewaltig. Da sehe ich Bands wie Honig, bei denen mir das Herz aufgeht. Oder auch Gregor McEwan. Der hat heute (!) seine Spring Forward EP veröffentlicht. Vier Songs sind darauf, die sich so schnell in ein Genre gar nicht fassen lassen. Während I Got U und Fwd: Spring schon eher gitarrenfolkpoppig und gänsehaut-hymnisch sind und die Trompete ab und an glänzt, kommt ₲ΛLΛX¥ dem Schriftbild auch klanglich recht nah. Plötzlich taucht da eine elektronische Tanznummer auf, die vom mäandernden Bass getragen wird. Oh, ich mag so einen Abwechslungsreichtum, bei dem der rote Faden dennoch zu erspüren ist. Auch A 000000 Times kommt anders, getragener, herzschmerziger herüber. Nur vier Lieder und so immens breit gefächert. Das ist Wahnsinn. Das macht ungeheure Laune. Das ist richtig, richtig gut. Das ist eine ganz warme Empfehlung von uns!
Ron Sexsmith
(sb) Wo wir schon bei Folk-Pop sind: Auch der kanadische Ausnahmekünstler Ron Sexsmith war jahrelang in diesem Genre zuhause, ehe er sich musikalisch etwas öffnete und auf seinem sechsten Album im Jahr 2003 plötzlich auch Synthesizern ihren Raum ließ. Auf seiner neuesten Scheibe Hermitage (VÖ: heute!) ist hingegen wieder handgemachte Musik zu hören und der Meister höchstpersönlich hat alle Instrumente mit Ausnahme des Schlagzeugs eingespielt - absolut bewundernswert! Auffällig ist, dass der 56-Jährige die ihm so vertraute Melancholie in Text und Melodie des Öfteren beiseite legt und fast schon fröhlich und lebensbejahend erscheint. Müssen wir uns Sorgen machen? Keinesfalls! Eher sollten wir uns mit Sexsmith freuen, dass er privat in seiner zweiten Ehe offenbar das große Glück gefunden hat und bereit ist, es in seiner Musik mit uns zu teilen. Großes Gefühlskino auf einem richtig starken Album.
(ms) Skandinavien und seine Vorurteile. Da kommt man einfach nicht umher. Auch nicht, wenn man sich Musik anschaut. Da ist das Hirn schon so gepolt, dass beim Stichwort Norwegen eher Dimmu Borgir oder Immortal aufpoppen statt beispielsweise Erlend Øye. Gegen dieses Vorurteil muss angeschrieben werden. Die ewige Wand aus nicht enden wollender Nacht und einer verträumten Verklärung der atemberaubenden Landschaft muss durchbrochen werden. Wir brauchen ein anderes Narrativ statt dunklen Tod. Wir brauchen Tempo, Gitarre, Synthieflächen und energiegeladene Tanzbarkeit. Wir brauchen auch etwas unkonventionelle Leidenschaft und neu entdeckte Liebe zur Musik, die nicht um alles in der Welt und jeden Preis in den Feuilletons behandelt wird wie das Beispiel Erlend Øye, sondern auch einfach mal für sich steht. Das fehlt natürlich nicht nur der norwegischen Musik, sondern jedem Genre. Ein bisschen Abstand zur zwingenden Vermarktung und dem unbedingten Willen, davon leben zu wollen; Selbstverwirklichung. Man muss es nicht immer so wahnsinnig kompliziert machen und die Dinge auf einer Eso-Ebene verschieben. Man kann es auch einfach aus Bock machen. Bock auf gute Musik. Fertig. Kompromisslose Passion. Die findet man unter anderem beim Trio Great News aus Bergen. Wie schon beim Erstling Wonderfault von vor zwei Jahren, muss erneut darauf hingewiesen werden, was das für ein toller Bandname ist. Großartige Neuigkeiten. Ja, so ist es. Denn die gibt es auch jetzt am 17. April. Da heißt das Motto Now And Them und erscheint erneut beim Label Eget Selskap. Der Sound ist nicht mehr so wahnsinnig psychedelisch wie beim Vorgänger, doch es kann vom ersten bis zum letzten Ton überzeugen!
Now And Them startet mit einem sphärischen Synthie-Intro, das schon einen klanglichen Eindruck der Platte vermittelt. Die effektgetränkte Gitarre steht nicht mehr so, so sehr im Vordergrund, aber ihre Rolle ist stark. Ich bin ein ganz schlechtes Mainstream-Indie-Lexikon, doch die ersten dreißig Sekunden von Never Going Back klingen für mich wie eine Mischung aus The Killers und MGMT (mag auch ganz anders sein), es sind unter anderem die elektronischen Drums, die bei mir für diesen Eindruck sorgen. Doch danach geht's ab beim Trio aus Bergen: Tempo, breiter Sound, klarer Gesang. Poppiger Einstieg in das Album, wo die Hook vom Keyboard und die Strophe elektronisch getragen ist. Auf der ersten, sehr nachvollziehbar ausgewählten Single Greedy Little Thing (s.o.) geht es um die Vorteile vom Minimalismus, also direkter Gesellschafts- und Konsumkritik, die zu gefallen weiß. Klar, das ist sehr modern, aber halt auch sinnvoll. Der Klang hier ist etwas glatter als beim Debut, aber keinesfalls beliebig; wäre ja auch öde, wenn man zwei Mal die gleiche Platte macht. Sehr energiegeladen und tanzbar! Reality Show (s.u.) ist auch super groovy und lässt schnell den Kopf nicken und den Fuß wippen. Wenn man wieder darf, will ich dazu draußen oder drinnen die wunderbaren Sommernächte durchtanzen. Doch so ein fading-out am Ende habe ich schon lange nicht mehr wahrgenommen. Wieso nicht?!
Ja, es herrscht eine gute, urlaubige, ausgelassene, lässige Stimmung auf dem Album. Doch die Themen des Albums haben durchaus einen melancholischen, nachdenklichen Beigeschmack. Sänger und Texter Even Kjelby verarbeitet auf den elf Songs den Moment, als er wusste, dass seine Beziehung zuende geht. Das ist hart. Dieses Bewusstsein. Dann dachte er an all die lieb gewonnenen Leute, die ihm einst viel bedeutet haben, zu denen er aber irgendwann keinen Kontakt mehr hat. Das kennt jeder.
Der 'neue' sehr ausgefeilte, definierte und elektronische Indie-Pop-Rock kommt auf TV sehr gut zur Geltung. Es ist wuchtig, dynamisch und nach vorne preschend! Für den hymnischen Charakter auf Restless Eyes bin ich ja sehr schnell zu haben und sofort angefixt: Trommelwirbel an den richtigen Stellen gepaart mit breit angelegten Synthie-Flächen. Ja, das erinnert stark den den prägenden Sound der 00er Jahre! Wundervoll! Great News!
Das Thema des Albums macht sich dann noch bemerkbar in Someone Good. So ein einfacher und wahrer Titel für ein Lied. Und ein sehr guter Track, der zum nahenden Ende des Albums nochmal atmosphärisch auftrumpft!
Now And Them ist ein extrem rundes Album. Ohne überflüssige Pausen. In einem Rutsch. Es geht sehr oft direkt in die Beine und zu den richtigen Momenten in den Kopf. Die Spielzeit liegt auch nur grob über einer halben Stunde. Perfekt für das Genre, das sie selbst Daze-Pop nennen. Meinetwegen. Ich weiß nicht was das ist. Aber ich weiß, dass das hier ein extrem gutes Album ist!
(ms) Erstens: Electric Guitar!
Für das sehr, sehr große Genre Indie ist es das maßgebliche Instrument. Die (elektrisch verstärkte) Gitarre. Als Melodie- oder Rhythmusinstrument, kommt drauf an, wie viele SpielerInnen in der Band sind. Oder abwechselnd beides. Oder geloopt, geht ja auch. Bei jedem Konzert ist es schön zu sehen, wenn die MusikerInnen auf die Bühne steigen, die Instrumente stehen schon von den fleißig helfenden Händen eingestimmt am richten Ort, dann werden sie umgehängt und die ersten Töne erklingen. Wie die gewisse Ankündigung, dass in den nächsten Minuten oder Stunden Großes passieren wird. Dabei sind es im Endeffekt nur sechs Saiten. Plus beliebig viel Effektgedöns. Mit der linken Hand der Akkord, mit der Rechten wird hoch und runter geschrammelt oder gezupft und schon geht das Herz auf. Zurecht haben Tocotronic der Gitarre eine würdige Hymne geschrieben. Der Klang des Instruments als Ausdruck eines Lebensgefühls. Die Gitarre als helfender Freund, dessen Sound man seine Geheimnisse anvertraut, die in Liedern besser klingen als 'nur' gebeichtet. Ein Gefährte, mit dem man es (besser) schafft der Provinz zu entfliehen. Ich erzähle dir alles und alles ist wahr.
Zweitens: Reinheit.
Schnörkellose, pure Musik. Oft sehnt man sich danach. Auf das Wesentliche konzentriert. Kein Tamtam. Die Besinnung auf das, was man wirklich braucht. Das, was man bei gelegentlichen unplugged-Konzerten so sehr mag. Einige Klänge bedarf es gar nicht, ohne sie wirkt manch Lied definierter, mehr im Fokus. Zudem wird die Hörkonzentration automatisch stärker auf den Text gerichtet. Eine direkte Auseinandersetzung mit dem Gesungenen scheint unvermeidlich. Kann Segen und Fluch sein.
Beides zusammen ist Pleil. Marco Pleil. Ein unermüdlicher Musiker, der nicht anders will und/oder kann als mit seinem Instrument Lieder zu singen. Seit vielen Jahren. Erst mit seinen Bands Strange und Cloudberry. Immer auf Englisch, doch seine markante Stimme war dort schon unumgänglich; positiv. Zudem gab es Support-Gigs für Therapy? oder Nada Surf.
Nun solo. Seit neun Jahren spielt er hier und da, unermüdlich. Und erstmals auf Deutsch. Vor wenigen Jahren gab es das erstmals auf CD. Eine Single. Wie aus der Zeit gefallen. Zum Glück nur im Format. Nie in der Art und Weise.
Am 10. April erschien nun seine erste Solo-Platte. Sie heißt Die Spur des Kalenders, umfasst 12 Tracks und dauert gut eine halbe Stunde. Perfekte Musikhörvoraussetzungen sind also geschaffen.
Es sind Lieder bestehend aus elektrischer Gitarre und Gesang. Punkt. Das verlangt dem Hörenden natürlich auch eine Menge ab. Starke Konzentration, denn nebenbei kann diese Platte so mir-nichts-dir-nichts nicht laufen. Dabei offenbart sie viele Stärken und ein paar Schwächen. Fangen wir mit den Schwächen an: Mitunter wird es monoton und die halbe Stunde kann sich eventuell in die Länge ziehen. Ich persönlich höre gerne Musik nebenbei, ich muss mich nicht immer zwangsläufig mit dem Text beschäftigen, auch wenn er auf Deutsch ist. Die permanente Konfrontation damit kann anstrengend sein. Doch das muss natürlich auch jedeR für sich entscheiden.
Doch die Stärken sind ganz klar auf der anderen Seite derselben Medaille. Pleils Texte sind mitunter abgründige Collagen aus dem Alltag, aus Gedanken, Erfahrungen, Wünschen, Sehnsüchten. Eindeutig sind sie nur selten. Man kann sie oft für sich stehen lassen oder intensiv interpretieren. Doch wird sind hier ja nicht an der Uni. Komisch ist es, wenn derzeit Lieder erscheinen, die in gänzlich anderen Zeiten entstanden sind und durch die aktuelle Situation einen neuen Anstrich erhalten (Bleibt alles anders). Das Abgründige und stets Ehrliche in den Liedern macht sich in Menschenzoo bemerkbar, der Titel eine Dystopie, die Geschichte dahinter lädt zum Grübeln ein: Geht es um eine lange nicht gesehene Ex-Bekanntschaft? Um lang gefühlte Distanz?
Auch neue Metaphern werden von Marco Pleil herangezogen. Das Leben nicht mehr als Hamsterrad sondern als Parcour. Als häufig gewünschten Traum, dass ein Erdbeben kommt, um das (eigene) Leben wieder zu gewinnen: Tausche Katastrophe gegen Struktur.
Allzu häufig bleibt beim Hören (für mich) eine irre Sammlung an herrlichen Einzelzitaten übrig wie Das Flasche wird dich formen / Und das jenseits aller Normen aus Melanchronik. Das kann dann erstmal so stehen bleiben. Damit kann man auch arbeiten, weitergrübeln.
Ein paar Songs verlieren sind auch in ihrer Vielschichtigkeit. Doch es ist mehr als gut, dass man mit so einer Platte mal wieder herausgefordert wird. Hinhören. Nachdenken. Auseinandersetzen. Ein differenziertes Urteil finden. Nicht alles sofort gut oder schlecht finden. Die Spur des Kalenders von Pleil ist kein einfaches Werk, obwohl die Rahmenbedingungen (Instrumentierung) den Anschein erheben. Doch es bietet einem die wunderbare Möglichkeit sich mit den Grundbestandteilen von Musik zu beschäftigen. Allein das ist wahrlich nicht leicht. Und gelingt nur den allerwenigsten.
(ms/sb) Schon kurios, was alles an Ton auf CD gepresst wird. Und wir sprechen jetzt nicht davon, dass ein gewisser Matthias Schweighöfer sich unter den Musizierenden befindet und kürzlich Neues hervorgedudelt hat. Das ist an sich schon schlimm genug. Dass auch Töne, die - ganz ohne Ironie - nicht zwingend als Musik gelten, Reaktionen beim Menschen hervorrufen, ist klar. Ich denke da an Geräusche aus dem Wald oder Meeresrauschen. In ihrer wundervollen Monotonie, kann das sehr meditativ wirken. Und ja, natürlich habe ich das mal ausprobiert. Es gibt Seltsameres. Zum Beispiel das, was mein Auge dieser Tage in den geschlossenen Schaufenstern erblickt hat. Aufnahmen von Vogelgezwitscher an sich finde ich schon problematischer als oben Genanntes. Doch muss man das zwingend 'Piepshow' nennen?! Also wirklich.
Klar, wir brüsten uns damit, uns auf kein Genre festzulegen. Doch das ist eine andere Hausnummer.
Lyra Pramuk
(ms) Aus verschiedenen Gründen lese ich gerne die taz. Zum Einen mag ich den leicht provokanten Stil im Politischen, sodass man sich immer etwas konfrontiert sieht. Nicht allem stimme ich zu, ich komme durchaus ins Grübeln. Zum Anderen ein außergewöhnlicher Kulturteil. Natürlich wird aus der linken, bunten Welt berichtet. Doch die ist so spannend, wild und reichhaltig, dass ich regelmäßig erstaunt zurück bleibe. Beispielsweise bei Lyra Pramuk. Ihr Album Fountain erschien am 20. März und ist eine beeindruckende Demonstration an Looping-Technologie. Es ist sofort hypnotisierend, hat überhaupt keinen Text, es sind gesungene Melodien auf einem Rhythmus oder Ton, die sich nach und nach übereinander legen. Unterstützende Musik ist nur nebenbei wahrzunehmen. Eher breite Synthie-Flächen tragen durch das Album, darüber entwickelt ihre Stimme eine ungeheure Kraft und viel, viel Schönheit. Musik der etwas anderen Art, ab geht's:
Lion's Law
(sb) Wenn man an französische Musik denkt, fällt einem wohl zunächst Chanson ein oder Künstler wie Phoenix, Air, Daft Punk, Not Scientists, SoKo oder The Teenagers. Dass es in unserem Nachbarland aber auch etwas härter zugehen kann, haben im vergangenen Jahr u.a. die großartigen Lysistrata unter Beweis gestellt und an den Oi!-Legenden Lion's Law führt ohnehin kein Weg vorbei. Letztere veröffentlichen am 24.04. ihr neues Album The Pain, The Blood And The Sword und vermischen dort klassischen Oi! mit Streetpunk und Hardcore. Recht viel authentischer kann man Working Class kaum vertonen und vor allem die französischsprachigen Tracks (auf die man lange verzichtet hatte) definieren den Sound der Pariser neu und öffnen der Band neue Horizonte. Steht ihnen gut, muss man sagen! Bereits ihre Cut The Rope-EP Ende letzten Jahres wusste zu gefallen, der Longplayer setzt indes noch eins drauf und manifestiert die Ausnahmestellung von Lion's Law.
Drens
(sb) Als "Surfpunk" bezeichnen die Drens selbst ihre Musik und wenn man Pet Peeves (VÖ: 15.05.) mit der Musik der Szenegrößen á la Agent Orange vergleicht, dann kann man diese Einschätzung durchaus nachvollziehen. Dass man für dieses Genre nicht zwingend aus den Surfhochburgen wie Kalifornien, Hawaii, Bali etc. kommen muss, ist eh klar, aber vielleicht ist mir auch nur entgangen, dass Dortmund - denn daher kommt die Band - der Surf-Hotspot der Saison ist. Die Debüt-EP der Drens ist jedenfalls ordentlich gefüllt mit Garage- und LoFi-Elementen und gefällt mir nach mehrmaligen Durchhören doch deutlich besser als beim ersten Eindruck. Die sechs Tracks ergänzen sich sehr stimmig, textlich bewegt man sich stilsicher zwischen der Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation und dem wachen Blick auf die schönen Seiten des Lebens. Wer kennt es nicht?
L'Impératrice
(ms) Es war schon eine harte Woche: Das Wetter zum Bersten genial und man muss schon eine gewisse Zeit zu Hause bleiben. Ich fand Zeit, um mein Rad wieder auf Vordermann zu bringen und bin einige Kilometer durch die Gegend geprescht. Was dann halt super wäre: Mit guten Menschen abends draußen zum Weizenbiertrinken treffen! Und lässig-entspannte Musik laufen lassen. Beispielsweise mit etwas savoir-vivre der Franzosen von L'Impératrice. Das künstlerische Sextett legte in dieser Woche eine neue Single bereit: Fou ist funky, disco, sommerlich, unaufdringlich und geht unbewusst schnell in die Beine. Herrlich. Vielleicht gibt es ja bald noch mehr Höreindrücke, die so gut zum Sonnenschein passen, bevor es dann wieder in den Herbst geht... kaum auszudenken.
Gleichzeitig erschien auch eine englischsprachige Version unter dem Titel Exit. Obwohl mich der Französischunterricht damals nachhaltig vergrault hat, ist das Frankophone doch wesentlich schöner als das beinahe beliebig klingende Englisch! Alors:
TESA
(ms) Sehe ich Bands mit verhältnismäßig wenig Mitgliedern, frage ich mich, wie sie ihren mitunter komplexen Sound auf die Bühne bekommen. Letztes Jahr war ich unter anderem erstaunt, wie gut das bei An Horse geklappt hat; nur zu zweit. TESA aus Lettland sind zu dritt. Bass, Gitarre, Drums. Auf ihrem neuen Album Control ist erstmals kein Gesang der Band zu hören. Ist auch gar nicht wirklich nötig. Mit den ersten Takten wird der geneigte Hörer direkt komplett erschlagen. Eine irre Wand aus massivem Krach macht sich breit, nimmt Tempo auf und lässt einen nicht mehr los. Rein instrumentale Musik mit ungeheurer Kraft, dicht im Klang, dunkel in der Wirkung, phasenweise Bedrückend. Es kommen Bilder von heißer, schwerer Industrie vor Augen, die durch menschliche Arbeit immer wieder angekurbelt werden muss. Die sechs Tracks wurden der Einfachheit halber auch schlicht durchnummeriert. Wer braucht schon einen Titel, wenn er/sie diese pure Dynamik haben kann?!
Dieses sechste Album des Trios aus Riga erscheint am 24. April und der Kauf wird euch hiermit wärmstens ans Herz gelegt. Was ein riesiges Brett!
Art Brut
(ms) Vinyl ist immer noch das schönste Musikhörmedium. Ich mag das Haptische, die Liebe zur Gestaltung, das Originelle. Dennoch höre ich meist über den Rechner. Und daran ist in den letzten Wochen häufiger die gute, alte externe Festplatte mit meinem persönliche Musikarchiv angeschlossen. Was da so alles verborgen liegt... unglaublich!
Was ich sagen will: Momentan ist viel Zeit zum Musikhören! Altes und Neues werden mitunter dabei verwoben. Wie bei unseren Lieblingen von Art Brut. Mit Sänger und Kopf Eddie Argos durften wir letztens schon ein Interview führen und heute erscheint die Reissue von Bang Bang Rock & Roll inklusive der starken Mein Kleiner Bruder-Neuauflage auf Deutsch! Eine energiegeladene, schrammelige, kompromisslose Indierockplatte von meiner Lieblingsband, die (ursprünglich) aus UK kommt. Ist so.
Die ursprünglich für in zwei Wochen geplanten Konzerte zum Album müssen natürlich auch verschoben werden. Im Oktober rasten wir dann komplett zu Modern Art aus!
24.10.2020 - Franz Club, Berlin (Support Shybits)
25.10.2020 - Molotow, Hamburg (Support Shybits)
Hellhead
(ms) Ob und wenn ja es eine Beziehung zwischen einer geographischen Lage und dem Sound einer Band einen Zusammenhang gibt, wurde unter anderem im Buch Sound Of The Cities besprochen. Natürlich ist das eine sehr ambivalente Ausgangsfrage und sie ist nie leicht zu beantworten. Würde man fragen, wie die deutsche Nordseeküste klingt, wären folgende Antworten möglich: Turbostaat, Santiano, Karl Müllenhoff (erste Vertonung von Dat mu min Leevsten büst) oder auch Feine Sahne Fischfilet. Alles möglich, alles ambivalent. Hellhead aus Wilhelmshaven kann man da also auch einreihen. Rau, wild, energiegeladen, temporeich. Das Quartett weiß, was diese Attribute bedeuten und nutzen sie gekonnt. Sie spielen einen Mix aus schnellem Alternative-Rock und Punk und vertreten auch die Haltung dieses Genres. Bei Meuterei kommt das vielleicht nicht ganz so durch, doch jegliche pauschale Kennzeichnung als Onkelz-Derivat ist aus der Luft gegriffen. Hier wird sich ganz klar und unmissverständlich positioniert. Diese Botschaft ist laut und kräftig auf Attacke zu hören. Also: Keine Handbreit rechter Hetze / Bund und laut ist was uns liegt!
Daði Freyr
(ms) Wir reden derzeit ja viel über Verzicht. Und was wahrer Luxus ist. Tatsächlich kann man auf eine Menge verzichten. Habe mich selbst beobachtet, dass die wesentlichen Geschäfte meiner Stadt, die ich auch sonst aufsuche, immer noch geöffnet haben. Die Buchhandlung hat sich was Gutes einfallen lassen. Na klar, da hängen auch Existenzen dran. Das ist logisch.
Was wir in jedem Fall dieses Jahr vermissen, ist der Eurovision Song Contest. Ihr seid hier immerhin auf der ESC-Fanseite Numero Uno! Ebenso vermissen wir mindestens seit dem Ketchup Song einen einfachen, massentauglichen Mittanz-Tanz. Okay, sagen wir nach Olli Schulz' Bibo.
Abhilfe kommt aus Island! Wer hätte das gedacht. Endlich mal keine mystisch-andächtige Musik aus einer anderen Sphäre, sondern für die Hüfte und die Kurzlebigkeit. Memento Mori! Daði Freyr ist der Heilsbringer dieser Tage, der mit seinem Hit Think About Things für seine Heimat angetreten wäre. In meinen Fachaugen ein sicherer Sieger. Schnell mal alle Indie-Konventionen ablegen und das bitte einfach nur gut finden. Beschwingte Eurodance-Mukke aus dem hohen Norden für die Tage in Isolation. Das haben wir wirklich gebraucht, wenn man ehrlich ist.
Wann und wo gibt's diese Pullis?!
(ms) Zwei Geschichten zur Band:
Sie sind laut. Irre laut.
Vor 14 Jahren (meine Eltern mussten mich fahren) habe ich sie zum ersten Mal live gesehen. Zusammen mit den Bolzplatz Heores, wer sich erinnert... Im Rahmen der legendären Visions Partys. Haben 6€ Eintritt gezahlt! Glücklich und mit einem irren Tinnitus ging es heim. Gleiches vier Jahre später im Haus 73, Hamburg. Herrlich kleiner Laden; bis zum Bersten wurden die Boxen strapaziert. Ein Jahr später im alten, tollen Amp in Münster auch. Was für eine Wucht. Was für eine Energie. Was für eine Demonstration an Lautstärke und Wumms. Was für ein Bild: Aydo wie versunken am Mikro, Kurt und Carlo Riesen an Bass und Gitarre und Mario wie ein wild Gewordener an den Drums! Was für eine Band! Blackmail!
Und: Sie sind unglaublich sympathisch. Dass man die Donots im westfälischen Münster mal trifft, ist eigentlich nichts Besonderes. Ibbenbüren ist ums Eck. Lange Zeit habe ich in Münster gekellnert, dort sind sie auch mal vorbei gekommen. Eines Abends saßen sie bei uns im Biergarten, waren eh super nett, haben große Biere und große Salate bestellt. Doch sie waren nicht alleine. Kurt Ebelhäuser saß auch mit am Tisch. Ein Hüne von Mensch mit einer imposanten Erscheinung und einem ganz friedlich wirkenden Wesen. Der musikalische Kopf von Blackmail, Scumbucket und Leiter des eigenen Tonstudios 45 war doch erstaunt, als ich mit Nerdwissen auftrumpfen konnte (Studio in Koblenz). Eine herrliche, flüchtige Begegnung. Ursympathisch. Nur bei Aydo... da haben sich schon immer die Geister geschieden.
Was schlussendlich auch der Anfang vom Ende gewesen ist. Nichts gegen Mathias Reetz: Doch die beiden letzten Alben Anima Now! und II kamen soundtechnisch und auch gesanglich nicht an die vorherigen, zurecht extrem in die Höhe gelobten Vorgänger heran.
Und das ist es, was die am 24. April (Also: Ostergeld sparen und in zwei Wochen ausgeben!) erscheinenden Veröffentlichungen so sinnvoll machen (gehen wir mal davon aus, dass es nicht darum geht, sich mit Rereleases die Taschen voll zu machen). Zum Einen sind es Bliss Please und Friend Or Foe?, die neu remastered veröffentlicht werden. Seit Jahren sind beide Platten als Vinyl komplett vergriffen. Also nicht nur was für Nostalgiker, sondern auch für Sammler - na gut, so oft unterscheiden sich diese beiden Gruppen nicht voneinander.
Für mich persönlich ist Friend Or Foe? das Schlüsselalbum zur Band, obwohl ich selbst erst mit Aerial View eingestiegen bin. Der Vorgänger ist viel definierter, größer, härter, unermüdlicher, kompromissloser. Und was ist Friend bitte auch für ein unglaublicher Track?! Neun Minuten pure Energie, die sich keinen Stillstand erlaubt. Das sind Lieder, die auch nur mit voll aufgedrehter Anlage erst funktionieren. Sicher war es auch die Zeit, in der Mario Matthias, Kurt und Carlo Ebenlhäuser sowie Aydo Abay am besten harmoniert haben, ihre größten Reputationen einholten und das erzeugten, was einen jetzt so wehmütig klingen lässt.
Es war die Zeit, auf die man heute blickt und sagt: Eine ganz wichtige Band für die deutsche Musiklandschaft!
Es war aber auch die Zeit, in der Bands vor Veröffentlichung einer neuen Platte mp3's verschenkt haben! Einfach so. Zum Runterladen der Datei mit Rechtsklick öffnen. Solche Links wurden unter anderem beim Tonspion gesammelt, man konnte sich einfach so bedienen. Damit kommen wir zur dritten Veröffentlichung von Blackmail am 24. April: Neben einem Best-Of ihrer gesamten Karriere erscheint eine Platte mit zehn seltenen Liedern. Vermeintlich. Denn Mad World, Dare Defender, Love Like Blood, The Day The Earth Stood Still oder das als Bonustrack von Aerial View erschienene Today stammen aus der Zeit, als mp3's verschenkt wurden. Doch gesammelt auf einer separaten CD und auch für Nicht-Nerds ist das eine tolle Sammlung an Nischentracks!
Klar, manch Fan schwelgt bei der Ankündigung und dem darin mündenden Musikgenuss in Erinnerungen und Sehnsucht. Doch diese muss getrübt werden. Vor sieben Jahren erschien mit II ihr letztes Album. Eine offizielle Beerdigung der Band hat nie stattgefunden, über Facebook verlinken sie unregelmäßig ältere Songs oder verweisen auf Kurts Arbeit im Tonstudio 45. Doch meines Erachtens ist jedes gut nachvollziehbare Verlangen, dass diese Band nochmal neues Material zur Welt bringt oder gemeinsam auf einer Bühne steht, illusorisch.
Vielleicht sind die Wiederveröffentlichungen und die Rückschau auf ihr Wirken der Schlusspunkt, das ist nur Spekulation. Irgendwas in mir meint, dass Neues von Scumbucket wahrscheinlicher ist als von Blackmail.
Also: Drehen wir die Anlagen richtig auf. Lassen ihre brachiale Musik laut ertönen und freuen uns, dass es sie gibt!
(sb) Wie
sangen Guns N' Roses einst so treffend: „It's been 14 years of
silence, it's been 14 years of pain...“ - und tatsächlich dauerte
es 14 lange Jahre, bis Sparta endlich wieder ein Album aufgenommen
haben. Trust The River erscheint am kommenden Freitag (10.04.) und
obwohl Sparta seit 2006 und Threes keinen vollständigen Longplayer
mehr veröffentlicht haben, ist die Band in den letzten Jahren des
Öfteren aus der Versenkung aufgetaucht. Zwar legten sie 2008
offiziell eine Pause ein, als Ex-At
The Drive-In Gitarrist Jim Ward sich
auf sein neues Projekt Sleepercar konzentrierte, doch bereits 2011
hatte er wieder einige Shows mit Sparta gespielt und im letzten
Jahrzehnt hat die Band sogar einige Songs
veröffentlicht.
Nun
folgt also das offizielle Comeback und das fällt durchaus
überraschend, weil deutlich ruhiger als erwartet und gewohnt aus.
Mitunter fließen gar einige Alt-Country-Einflüsse ein, was den
Hörer zwar verwundern mag, das Album als Gesamtes jedoch spannender
machen, da sie das Repertoire der Band um eine Facette erweitern, die
man so bislang nicht kannte.
Foto: facebook.com/spartatheband
Über
die erste Singleauskopplung sagt Ward: „Believe ist ein Song, der
seit 10 Jahren auf meinem Schreibtisch liegt. Ich habe zahlreiche
Versionen aufgenommen, hatte aber nie das Gefühl, er sei jetzt
fertig. Sobald das Songfundament stand, habe ich es meinem Freund
Carlos Arevalo von Chicano Batman geschickt, damit er es mit der
Gitarre aufpolieren kann und war überglücklich über seinen
Beitrag. Ich könnte mir keinen besseren Song von Trust the River
vorstellen, um dieses neue Kapitel zu beginnen.“
10
Songs, 34 Minuten und etliche Überraschungen, das ist das neue Album
von Sparta, die vermutlich nie zugänglicher waren und phasenweise am
Mainstream kratzen – und das ist keineswegs negativ
gemeint, sondern als Verneigung davor, dass Ward und seine Kollegen
dem Lauf der Zeit und den veränderten Begleitumständen Tribut
zollen. Dass
seine melancholische Seite nun auf den Sound seiner Jugend stößt,
war "ein ganz natürlicher Prozess, der
sich für mich schon lange angedeutet hat",
so
Ward. Zur langen Bandpause äußert sich der Musiker wie folgt: "Mir
war immer wichtig, eine Band nie wirklich aufzulösen. Denn wenn man
sich meine Karriere anguckt, war die immer nur von vielen 'On-Off-Projekten' bestimmt. So sehr ich es in der Hand habe, versuche
ich keine Permanenz in meinem Leben zu haben."
Gute Einstellung, gute Band, gutes Album. Hört unbedingt mal rein und vergleicht Trust The River dann auch gleich noch mit den älteren Alben der Band - es lohnt sich!
(ms/sb) Eine kurze Geschichte über Nostalgie und Trauer. Ich gehe wirklich gern raus. Einfach spazieren. Wiesen, Wald, Natur, gerne mit Sonnenschein. Schlechtes Wetter hält mich davon nicht ab. Joggen ist mir zu schnell, Wandern zeitlich im Alltag nicht immer möglich. Dabei sitzen gern Kopfhörer auf den Ohren. Vor zehn Jahren habe ich mir sehr Gute der Firma Teufel gekauft. Sie haben damals einen tollen Klang erzeugt und tun das heute noch. Doch nach und nach schlich sich ein irrer Wackelkontakt ins extra dafür passige Kabel. Vor wenigen Tagen hat's mir dann den Hörgenuss beim Naturgenuss zerlegt. Nichts geht mehr. Mist! Und dann die Nachricht des Kundenservices, dass es dieses Kabel leider nicht mehr gibt. Die Krux an sehr guten Produkten, die lange halten. Also: Welche On-Ear-Kopfhörer sollte ich mir zulegen?! Schreibt mir!
Wir schreiben auch. Immer dort. Oft hier. Gerne freitags. Bis dahin wurde Neues selektiert. Bitte:
Love A
(ms) Wir verbreiten ja wirklich gerne gute Nachrichten. Nicht nur insbesondere jetzt, sondern generell. Gute Nachrichten über gute Musik. Und über Jubiläen. Love A reihen sich dort nun ein. 10 Jahre Love Academy aus Trier! Nur ein Jahr nach Gründung die erste Platte Eigentlich, die direkt bei dem von uns sehr geschätzten Label Rookie Records erschien! Zuletzt war es Nichts Ist Neu; ein Punkalbum, das regelmäßig bei mir läuft und immer wieder ungeahnte Energien hervor ruft! Live durfte ich sie aus unerfindlichen Gründen erst ein Mal sehen und es war eine direkte Offenbarung. Sie haben sich selbst als Turbostaat vorgestellt. Klar, der Klang ist relativ ähnlich, aber wer das auch für den Inhalt behauptet, hat nicht hingehört. Ich mag die Band insbesondere, da sie so nahe, extrem gut zugängliche (nicht zu verwechseln mit 'beliebige') Texte mit sehr viel Energie verbinden. Immer ein bisschen melancholisch, durch Tempo und Wucht aber näher am Pogo! Und davon dürfen wir uns im Spätherbst wieder überzeugen. Gehen wir mal davon aus, dass dann alles wieder normal ist. Dann geht's rund. 10 Jahre Love A. Auf die nächsten 10!
(sb) Wir verfolgen die Karriere des norwegischen Künstlers Simen Lyngroth ja bereits seit 2017 und freuen uns folglich sehr, dass am 03.04. endlich sein zweites Album erscheinen wird. Die zehn Songs auf Looking for the Spark Just Around the Corner erkunden eine märchenhafte und dennoch moderne Umgebung, in der sich die Hauptfigur auf die Suche nach dem „Funken“ (spark) macht. Das Album ist als Geschichte geschrieben und konzipiert; um dies zu verdeutlichen, hat Lyngroth mit der New Yorker Schriftstellerin Celia Pain und dem norwegischen Illustrator Thomas Emil Jacobsen zusammengearbeitet. Und gerade das macht das Album zu etwas ganz Besonderem, denn parallel zum Anhören der Musik kann man die dazugehörige Geschichte lesen und sich die passenden Illustrationen ansehen. Das Album wurde von Simens Lieblingsmusiker Kristoffer Lo (Ex-Highasakite; auch er ist in der luserlounge kein Unbekannter) produziert, dem es gelang, Lyngroths melancholischem Sound einen zusätzlichen Hauch von Magie zu verleihen.
Celeigh Cardinal
(sb) Alter Verwalter, was ne Stimme! Das war mein erster Gedanke, nachdem ich ca. eine Minute von Stories From A Downtown Apartment (VÖ: 17.04.), dem neuen Album von Celeigh Cardinal gehört habe. Generell sind Soul und Blues nicht meine bevorzugten Genres, der Kanadierin gelingt es jedoch von Beginn an, mein Interesse zu wecken und zieht das über die gesamte Spielzeit von 34 Minuten durch. Thematisch bewegt sich die indigene Sängerin/Songwriterin auf bekanntem Terrain: Mit Liebe, Trauer, Begehren und Loslassen macht man in der Musik vermutlich nie etwas falsch, die Verpackung ist bei der Meisterin der sanften Töne jedoch besonders stimmig und man kann nur hoffen, dass sie ihre für Mai/Juni geplante Europa-Tour bald möglich nachholen kann.
Furious Monkey House
(sb) Was habt Ihr so mit 16 gemacht? An der Playsi gezockt? Oder zumindest Sport getrieben? Oder seid Ihr gar in der Musik aufgegangen und habt in ner Band gespielt? Denn ja, es gibt tatsächlich noch Teenager, die Bock drauf haben, geile Rockmusik rauszuhauen und dabei nicht als allererstes darauf aus sind, bei InstaSnapchatTikTokFacebook besonders cool rüberzukommen und Klicks en masse zu sammeln. Die jungen Damen und Herren aus Pontevedra (Spanien) präsentieren sich dabei überraschend authentisch, das Video zu ihrer Single Echoes (Re-Release: 24.04.) ist eine Hommage ans Jung-Sein und der Sound macht einfach nur verdammt viel Lust aufs 2019er-Album Love, Scum & Dust. Und irgendwann kommen Furious Monkey House sicher auch mal auf Tour in unsere Gefilde - vorausgesetzt, die Eltern erlauben es...
Krakow Loves Adana
(ms) Es macht unheimliche Freude, Bands über einen längeren Zeitraum zu beobachten, aufmerksam zu hören und sich in unserer kleinen Hobby-Tätigkeit Worte dazu auszudenken, die hoffentlich passen. Seit einiger Zeit ist das beim Hamburger Duo Krakow Loves Adana der Fall. Deniz und Robert sind nicht nur ein Paar, sondern auch eine Band. Da kommen natürlich zahlreiche Fragen auf: Geht das immer gut? Befruchten sie so ihren künstlerischen Prozess besser als andere? Wo liegt die Trennung zwischen Band und privat? Gibt es sie? Ist das wichtig?
Bei den beiden ist eine Menge in Bewegung. Haben sie einen Großteil auf dem eigenen Label veröffentlicht, sind sie nun bei Italiens Do It Better aus Los Angeles unter Dach und Fach. So eine internationale Vernetzung ermöglicht natürlich viel mehr, unter anderem eine europaweite Tour im letzten Jahr. Und auch Verbindungen zum Produzenten und Labelchef Johnny Jewel, der sie ins Boot geholt hat. Mit Young Again erschien nun ein neuer Track, der elektronischer, verträumter und textlich noch markanter ist, wenn man Zeilen wie "Baby When I Want Something It Gets Physical" liest. Stark. Schnell wirkt der Sog, den der Song verströmt. Deniz sagt dazu, dass es um vergangene Beziehungen in der Jugend ging, die bittere Lehren nach sich zogen, von denen man bis heute aber lernen konnte. Ja, wer kennt das nicht?! Also: Ab dafür!
Gehen wir mal davon aus, dass im Sommer alles wieder normal ist, dann spielen sie hier; hingehen!
22. - 26. April - c/o pop Festival, Köln
16. - 19. September - Reeperbahnfestival, Hamburg
Mei River
(ms) Irgendwie ist es ja auch beruhigend, dass aus Schweden nicht nur brettharter Metal und Indierock-Perlen kommen. Sondern auch ein paar groovige, sehr kluge, melodische Töne. Dazu gehört Mei River. Dahinter steckt der Musiker und Produzent Frederik Eriksson. Seine erste Single Her ist so verdammt entspannt und gut produziert. Beim beginnenden Ukulele-Sound hatte ich noch ein wenig Angst, dass es Richtung abgegriffenem Folkpop geht. Dann setzen aber der Beat und insbesondere die schön dominierenden und gleichzeitig reduzierten Klaviertöne ein, dass man sofort mitschwingt oder zwischen Bad, Schlaf- und Wohnzimmer hin und her tanzt. Mir unterläuft das ja auch oft beim Zähneputzen! Der Song klingt ganz einfach; mit Sicherheit ist er das nicht. Im Text verhandelt er diese Frage: Warum fällt es so verdammt leicht, sich so verloren zu fühlen? Das darf gerne jeder selbst für sich beantworten. Der Track mag eine Hilfe sein.
Glücklicherweise gibt es zur heute erschienenen Single Peter Parker kommende Woche auch Video-Nachschlag!
Albrecht Schrader & Das Paradies
(ms) Wenn sich zwei von uns sehr geschätzte Musiker zusammen tun, dann kann nur Gutes dabei herausspringen. Albrecht Schrader und Das Paradies beweisen das genau an diesen heutigen Freitag mit einem tollen Song! Einem Frühlingssong. Einem Sonnensong. Ein Maisong. Einem Liebessong. Und gleichzeitig einem Cover von Manfred Krug; genau - dem Schauspieler. Wenn's Draußen Grün Wird ist ursprünglich ein etwas wildes Lied. Schrader und Das Paradies haben daraus eine wundervolle, leichtfüßige, elektronisch angehauchte Indiepopnummer gemacht. Die darf auch einfach mal so für sich stehen. Und soll gehört werden. Bitte sehr:
Spectres
(sb) Da hörst Du Dir 2020 brandneue Musik an und hast das Gefühl, mitten in der Hochphase von Joy Division oder New Order gelandet zu sein - und das Gute daran: Es klingt genau so großartig wie die Pioniere und lässt den Zuhörer auf einer Nostalgiewelle dahingleiten und die im Vergleich zu damals doch deutlich bessere Soundqualität genießen. Wobei: Auch die Klassiker gibts ja mittlerweile digitally remastered... Die Spectres aus Vancouver haben am 13.03. mit Nostalgia ihr bereits viertes Album veröffentlicht und schießen nun die Single When Possessed Pray nach. Melancholie, die Frage nach dem Sinn des Lebens und was von uns bleibt - es sind die großen Themen, die die Kanadier in ihrem Song behandeln und das auf eine sehr hörenswerte Art und Weise.
John Carroll Kirby
(ms) So Begriffe wie Achtsamkeit oder Entschleunigung finde ich ja wahnsinnig dämlich. Da wird mehr oder weniger künstlich etwas aufgebauscht, was es schon längst gibt und als großstädtisches Lifestyle-Gefühl vermarktet, was dann auch noch in und cool ist und mit dem man sich unglaublich brüsten kann. Das ist mir zuwider. Wie wäre es mit Ruhe, Entspannung, Gelassenheit und meinetwegen auch Meditation?! Gibt es seit Ewigkeiten und hat eben nicht den Touch des Pseudointellektuellen. Gerade jetzt. Wir als Musiknarren brauchen dafür natürlich auch einen Soundtrack und der findet sich dieser Tage idealerweise bei John Carroll Kirby. Das gestern überraschend erschienene Album umfasst acht Tracks und dauert gut 40 Minuten, die wie im Fluge vergehen, die Zeit rausdrehen und auch irgendwie gute Laune heraufbeschwören. Geplant war dieses Album nur so halb, denn am 24. April erscheint als reguläres Album My Garden. Conflict - der Name der jetzigen Veröffentlichung - ist wunderbar reduziert und harmonisch. Es dominieren langsame, melodiöse Klavierklänge, die ab und an durch Bass oder Flöte ergänzt werden. Es passt in den Frühling. Es passt in diese Zeit. Es passt in die eigenen vier Wände. Es passt ganz wunderbar.
Pascal Finkenauer
(ms) Durch die Hamburger Musikszene geistert seit Jahren ein Phantom. Es tritt nur hin und wieder auf. Selten gibt es konkret Neues, oftmals eher ein Update, dass zum Beispiel relativ weit fortgeschrittene Ideen wieder verworfen wurden oder glücklicherweise ein Gedicht, das direkt packt! Und dann doch wieder mal ein Album. Und spontan neue Lieder. Es geht um Pascal Finkenauer, ein sehr geschätzter Musiker mit großer Reputation, der aber nur hin und wieder sich wirklich zeigt. Doch wenn er das tut, dann stark und klar. Ab und an läuft sein 2009 veröffentlichtes Album Unter Grund bei mir, dann verlor ich ihn irgendwie aus dem Fokus, jetzt hat er es ganz deutlich wieder dort hin geschafft und irgendwie bin ich dankbar dafür! In dieser Woche präsentierte er dann den neuen Track Mich Beschleicht Das Gefühl. Ein typischer Finkenauer-Songname. Elektronische Drums, gezupfte Gitarre, leichte Melancholie und seine unverwechselbare Stimme, viel Selbstreflektion, Fragen, die man sich auch gerne selbst stellen kann. Diese Fragen machen einen möglicherweise kaputt, aber man verdrängt ja halt so gerne. Danke, Pascal Finkenauer. Ich freue mich sehr, mal wieder ein Konzert besuchen zu dürfen!