Posts mit dem Label Live Reviews werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Live Reviews werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 10. August 2025

Live in Oldenburg: Pöbel MC, Waving The Guns & Nanti

Pöbel MC, Foto: luserlounge 
(Ms) Der Sommer ist wieder da - wie geil ist das denn bitte?! Das muss das Team von Einfach Kultur aus Oldenburg genauso bestellt haben. Seit Mittwoch finden im Gleispark deren Sommerkonzertreihe statt und die Gummistiefel können wieder im Schrank warten. Beste Laune überall und Samstag war der erste Tag, der im Vorhinein ausverkauft war. Kein Wunder - denn niemand geringeres als Nanti, Waving The Guns und Pöbel MC gaben sich die Ehre und haben dieses unfassbar coole Areal im Laufe des Abends in einen Club verwandelt. Den Gleispark kann man sich als eigentlich irgendwie tote Fläche zwischen Bahngleisen und Parkhaus vorstellen, die ziemlich geschickt zum Leben erweckt wurde. Auf der einen Seite fahren die Züge in den Oldenburger Bahnhof ein, auf der anderen Bürogebäude, dazwischen ein Ort für reinen Eskapismus.

750 Leute kamen und um 18.30 Uhr eröffnete Nanti den Abend. Rap mit Techno-Elementen und Texte von migrantischer Biographie bis Drogengenuss - natürlich nicht ohne eine entsprechende verantwortungsvolle Einordnung der Rapperin im Vorhinein. Bei so viel Gras, wie über den ganzen Abend zu riechen war, war das eh egal. Einige Zeilen waren sehr charmant und unterhaltsam („Alle sagen Wallah, aber keiner spricht Arabisch“), aber insgesamt hat mich ihre Musik nicht so gepackt. Bei vielen war das anders - ein Hoch auf unterschiedliche Musikgeschmäcker!

Anschließend baten Waving The Guns zum Stelldichein. Milli Dance war vor ein paar Jahren schon mal dort zu Gast und es war ein reiner Abriss. Seit Jahren bin ich großer WTG-Verfechter, doch dies war sicher eines der eher schwächeren Gigs, die ich von ihnen sah. Meiner Einschätzung nach lag es vor allem am Sound, es hätte einfach alles locker etwas lauter sein können. Einige Beats kamen gar nicht mal so gut durch. Doch wie Milli Dance auf der Bühne performt ist immer noch irre! Ich mag seine Ausstrahlung und wie er Songs wie Das Muss Eine Demokratie Aushalten Können, In Diesen Zeiten Tanzen oder Gran Canaria live darbietet. Ab Herbst bis Frühjahr sind Waving The Guns erneut auf Tour und ein lauterer Club-Besuch sollte sich wieder lohnen!

So langsam war es dann auch richtig voll, aber es gab stets ein entspanntes Durchkommen zur Toilette oder Bar. Die Stimmung war eh sehr gelassen und respektvoll. Dass ein linkes Pubikum linke Parolen bei linken Gigs skandiert ist ja immer etwas wie Eulen nach Athen tragen - es ist kein Ansprechpartner da. Antifa ist und bleibt Handwerksarbeit im Alltag.

Was Pöbel MC dann gut 70 Minuten abgeliefert hat, kam definitiv von einem anderen Stern. Je länger der Auftritt ging, desto intensiver wurde er. Und das lag hauptsächlich daran, dass die Tracks immer öfter in die Multilingual Mike-Technoebene schwenkten und das Publikum hat diese Einladung gerne angenommen. Der Pogo-Kreis wurde größer und die Zeilen von der Bühne bekam immer öfter einen ach-das-lass-ich-mir-tätowieren-Anklang („Kunst ist Kacken, nicht Arschkriechen“). Ja, der Pöbel MC-Auftritt hat sehr viel Spaß gemacht und das Geniale an der ganzen Sache war, dass je später es wurde, die tolle Beleuchtung vom Gleispark immer mehr in Szene gesetzt wurde. Leichte Festivalfeelings mitten in der Stadt bei einem Abend mit drei sehr unterschiedlichen, aber auch unterschiedlich starken Auftritten im Gleispark. Dass alle drei KünstlerInnen anonym auftreten, ist eine spannende Randbemerkung…

So geht es vor Ort weiter:
12.08. - Wilhelmine, Katha Pauer
13.08. - Milliarden, Mola, Telquist
14.08. - Bruckner, Marie Bothmer
15.08. - Filly, 6Euroneunzig, Carla Ahad
16.08. - Il Civetto, Modular




Dienstag, 5. August 2025

Live: Watt En Schlick Fest 2025

Sophia Kennedy, Foto: luserlounge
(Ms) Gesprächsthema Nummer 1 am Wochenende: Das Wetter.
Gesprächsthema Nummer 2 am Wochenende: Das Line-Up.

Selbstredend hatte das 12. Watt En Schlick Fest in Dangast noch wesentlich mehr zu bieten, aber diese beiden Themen waren omnipräsent.
Von Freitag bis Sonntag wurde das kleine Dangast am Jadebusen wieder von gut 6.000 Festbesuchenden heimgesucht. Der kleine Edeka hat sich mit Regenaushaltekleidung gewappnet und auch die KuchenbäckerInnen aus dem Kurhaus haben sicher die ein oder andere Nachtschicht eingelegt - der Rhababerkuchen mal wieder ein Traum! Die gängigen Wetter-Apps liefen heiß und siehe da: Es war nicht ganz so schlimm wie erwartet. Klar, von Trockenheit keine Spur, aber immerhin kein Gewitter. Somit musste zu keinem Zeitpunkt das Gelände geräumt werden und alles konnte wie geplant ablaufen. Das Aufbauen der Zelte war in den meisten Fällen auch kein Problem und das Team hat beim Verlassen der matschigen Felder geholfen.

Was ist also das beste Outfit bei diesen Gegebenheiten- 20 Grad und wahrscheinlich viel Regen?! Es gab grob gesehen zwei Typen an Menschen, die das Gelände betreten haben. Die einen sahen aus wie beim Survivaltraining. Alles, was die Funktionskleidungsabteilung bei Decathlon zu bieten hat, befand ich am Körper. Hauptsache der Mensch war trocken und warm. Die anderen hatten zumindest mit der Nässe von unten kein Problem. Leichtes Schuhwerk oder Flip Flops und dann halt barfuß und obenrum flexibel reagierend auf die Wolkenentwicklung. Ich bevorzugte den letzteren Typ, hatte immer nasse, matschige Füße, war immer trocken von oben und mir war nie kalt. Das Watt wärmt genug - kurze Hose, perfekt!

Grim104, Foto: luserlounge 
Somit ab zu Gesprächsthema Nummer 2 vom Wochenende und dem eigentlichen Programm. Ja, ich war auch einer von denen, die sich etwas skeptisch zum Line-Up geäußert haben - hier und vor Ort. Auf der anderen Seite ist es auch sehr lohnenswert, den Veranstaltenden zu vertrauen - es hat sich mal wieder gelohnt. Ja, es gab zahlreiche Acts, die mir einfach nicht zugesagt haben. Bei einigen habe ich dennoch vorbei geschaut, andere gänzlich ausgelassen. Ich werde kein Fan werden von Hanna Noir, Madeline Juno oder Apsilon - muss ich ja auch nicht. Es waren genügend Leute da, die das abgefeiert haben. Wie cool kann es sein?! Es müssen sich ja nicht alle einig sein - wäre ja ultra langweilig.

Dafür habe ich sehr viel gesehen, was mir gänzlich unbekannt war und an diesem Punkt wird so eine Veranstaltung doch spannend!

Fangen wir also ganz vorne an: 14 Uhr am Freitag, Hauptbühne, Eröffnung und der Strand ist schon gut gefüllt! Auf der Bühne stehen drei Typen mit Kopftüchern und Sonnenbrillen und verzaubern die herbstlich anmutende Nordsee in mediterranes Flair! Dov‘è Liana aus Italien kreierten einen Sound, der etwas seichter als Justice war, aber mindestens genauso tanzbar - genial! Etwas später fanden sich zahlreiche Leute vor der Paletten-Bühne zusammen, um AUGN zu sehen. Ich bin ehrlich: Das habe ich nicht verstanden. Okay, es ist eine provokante Kunstperformance mit 100% Playback und Ansagen vom Band, aber nach 20 Minuten wurde es auch langweilig, weil die Muster sich wiederholten und die x-te Beschimpfung wurde halt öde. Ja, ist alles so geplant und Teil des Konzepts aber mehr als ein müdes Lächeln zwischendurch ist das auch nicht wert.
Von Uche Yara habe ich mir ein wenig mehr Pepp erhofft, dennoch überzeugte sie mit einer unfassbaren Stimme. Eine der ganz großen Überraschungen vom Wochenende war Sophia Kennedy! Wow - was ist da denn bitte passiert?! Ist das Dark Pop oder so? Erinnert leicht an die Dresden Dolls und daher supersuper! Das war musikalisch genial und die erste Reihe wurde gern mal angeschrien! Zum Glück kommt sie nächstes Frühjahr in den Bremer Schlachthof - Pflichttermin! Die Goldenen Zitronen sah ich von ganz hinten im Zelt, zuvor regnete es in Strömen - alles voller Matsch, aber egal. Die Herren haben ordentlich abgeliefert vor dem Höhepunkt des Festes: Zaho De Sagazan. Ich hatte ein wenig Sorge vor zu viel Chanson und wurde zum Glück enttäuscht. Das, was die Französin mit ihrer Band über eineinhalb Stunden dargeboten hat, habe ich noch nicht erlebt. Zum Einen präsentierte sie ihre große Sensibilität - auch musikalisch - zum Anderen war das eine Electroparty vom allerfeinsten! Ich kann mich nicht daran erinnern, je spontan so mitgerissen worden zu sein. Mit geschlossenen Augen barfuß im Sand tanzen und alles drumherum vergessen - das war sehr intensiv. Auf der Bühne bot die Sängerin dazu eine tolle choreographierte Show ab mit allerhand Lichteffekten und viel Tanz. Der Hype ist mehr als berechtigt!

Tropikel Ltd., Foto: luserlounge 
Der Samstag war nass. Sehr nass. Aber egal. Denn die Stimmung war wirklich überall toll. Bei der Crew, den Besuchenden, auf allen Bühnen. Die Atmosphäre vom Watt En Schlick trägt durchs Wochenende. Und um 13 Uhr standen Tropikel Ltd. bereit. Keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll, aber es war geil! Power-Synthie-Pop mit viel Augenzwinkern und unglaublich tanzbar. Das war musikalisch raffiniert und sehr unterhaltsam. Tropikel Ltd. - merken Sie sich diesen Namen. Und ist Lolo Highspeed eventuell der Bruder von Jan Böhmermann?!
Egal, denn etwas später kam es zu einem der intensivsten Gigs am Wochenende - grim104 auf dem Floß. Dauerregen inklusive, egal. Egal war das auch dem Rapper, denn er stand mitten auf dem Steg der Floß-Bühne, die noch auf dem Trockenen lag - später schwamm sie. Leider war der Sound ganz vorne sehr leise - aber nebensächlich. Grim104 hat sehr stark abgeliefert zwischen Tod, Verderben, Abschied und Apokalypse. Wow! Weiter tanzen - aber etwas fröhlicher - ließ es sich zu Rah & The Ruffcats im Zelt. Die neun Musiker auf der Bühne haben eine tolle Energie entfacht! Anschließend wurde es ebendort endlich gitarrenlastig. Erst haben Friedberg gespielt, die eigentlich letztes Jahr schon da sein wollten. Das hat sehr viel Spaß gemacht und war live halt auch irre gut. Zwischen rauschenden Rhythmus-Parts, krachenden Gitarren und Synthies-Gewitter zur neusten Single! HotWax haben klassisch Gitarre, Bass und Schlagzeug wummern lassen und das auch sehr ordentlich! Das Trio von der britischen Küste weiß halt, dass Punkrock immer geht - das wussten auch die Ohren noch am Tag danach. Ein wenig von Franc Moody schaute ich mir dann noch an - genial! - dann musste ich eine Pause machen.

Denn für Sonntag mussten mittags alle Kräfte gebündelt sein. Nicht zwingend für Bummelkasten, obwohl das auch sehr lustig war und das nicht nur für Kinder. Denn um 13 Uhr spielten Juse Ju und Fatoni im Zelt! Eskalation um High Noon?! Klar, gar kein Problem! Angeblich hat Fatoni sich selbst eingeladen, denn das Watt En Schlick ist sein Lieblingsfestival - wer mag es ihm nehmen!? So viel ich von ganz vorne sehen konnte, war das Zelt super gefüllt und der Bass kräftig aufgedreht. Es gab ein Best-Of von beiden plus ein, zwei BARWS-Tracks auch ohne Edgar Wasser. Dafür war Panik Panzer als Gast am Start - wie geil kann es eigentlich laufen?! Eben! Kurz danach kam die Sonne raus, aber so langsam verließ nicht nur mich die Energie. Das Aufraffen zu Ebow hat sich aber noch mehr als gelohnt! Und ich frage mich ernsthaft, warum sie nicht abends Headlinerin war?! Kaum ein Act hatte so viel Wichtiges zu sagen wie sie und dazu noch so gute Musik gemacht. Ich kannte die Rapperin zuvor nicht, das ist aber sowasvon abgespeichert! Diese Künstlerin hat in meinen Augen dem platten Unterhaltungszynismus von AUGN Gehalt entgegen zu setzen - aufrecht, bitter, tanzbar!
Als letzten Act des Festes schaute ich mir dann noch Bon Enfant an. Und auch hier gab es eine weitere Überraschung! Wie cool, lässig, hypnotisierend und locker war das denn bitte?! Eben!

Klar, ich hätte gern noch Lovehead, Die Höchste Eisenbahn, Team Scheisse und die Donots gesehen. Aber der Kopf konnte keine Eindrücke mehr aufnehmen und die Beine wurden langsam schwer und so ging es ab nach Hause.

Im Gepäck befinden sich viele beeindruckende Bilder, viele sehr intensive Musikrauschmomente und eine unglaublich tolle Zeit am und im Watt mit lieben Menschen. Nur einen Act, nämlich Juse Ju und Fatoni, habe ich vorher schon mal gesehen. Ansonsten war es mehr als lohnenswert, den Veranstaltenden und dem Bookingteam einfach zu vertrauen, dass die keinen Quatsch machen. Haben sie umgesetzt! Genial! 
Und ja, 195 Euro für das kommende Jahr ist sehr, sehr viel Geld! Doch das Watt En Schlick ist ein kleines, unabhängiges Fest, das mit Herz und Leidenschaft gewuppt wird. Als BesucherIn bekommt man sehr viel geboten, vor allem viele neue, phantastische Töne.

Also: Bis nächstes Jahr!

Sonntag, 15. Juni 2025

Live in Bremen: Fair Weather Fest

Fotos: Luserlounge
(Ms) Seit einer Woche ist das Fair Weather Fest vorbei - gut Ding will Weile haben. Am Freitag und Samstag des Pfingstwochenendes war das Bremer Viertel richtig gut besucht. Ja, das Wetter war nicht besonders fair, aber das Programm, das die Veranstalter hinter diesem Festival aus dem Boden gestampft haben, war großartig! Hardcore, Punkrock, Power Pop, Indie, Singer/Songwriter, Screamo, Shoegaze. Stilistisch war für alle etwas zu haben zwischen Lila Eule, Calavera und dem Lagerhaus. Und auch bei Titus, Black Plastic und im Eisen gab es auf die Ohren. Am Freitagnachmittag wurde ausverkauft gemeldet - nur zurecht bei diesem Line-Up.

Wobei ich erst im Nachhinein zu diesem Fazit kommen kann. Denn bevor ich am Freitag in Bremen ankam, kannte ich bis auf die Deadnotes keine einzige Band. Ich war neugierig und wurde reichlich belohnt!

Das erste, was ich hörte, waren die letzten zwei Song von The Pill, die das Lagerhaus gut zum Beben gebracht haben. Und schon danach kam das erste große Highlight: Between Bodies war anscheinend so etwas wie der geheime Headliner, es war schlagartig voll und nicht wenige Leute konnten bei nicht wenigen Liedern recht sicher die Texte mitsingen. Wie geil war das denn?! Obendrein war der Auftritt dieser Band wahnsinnig sympathisch und sie haben Rockmusik einfach verstanden, so einfach kann es sein. Dieser Name sollte dringend überall abgespeichert werden! Giver hingegen tendierten wesentlich stärker in einige Metal-Sphären. Ich finde es immer wieder großartig, dass die Bands mit den härtesten Tönen die humanistischsten Ansagen bereit haben! Musikalisch bleiben sie bei mir aber weniger haften. Zwischendurch dann mal ins kleine Calavera, Neugier, Neugier! Als Pluto The Racer aus Hannover dort spielten, war der Laden schon rappelvoll, auf der Treppe tummelte es sich schon. Skatepunk, so wie er klingen sollte, richtig gut! Weiter ging es im Lagerhaus mit Rauchen und bis heute weiß ich diesen Gig nicht so sehr einzuordnen. Ja, war schon irgendwie geil, aber von dem ganzen Geschrei hätte ich gern auch was verstanden. Als Smile And Burn die Bühne betraten, wurde schnell klar, dass diese Band etwas professioneller unterwegs sind. Plötzlich war der Sound viel klarer. Ohnehin leider ein Detail, das ich im Lagerhaus so gar nicht kenne, am Freitag hat es immer wieder ganz schön geschrabbelt und oft war der Sound etwas verwaschen.

Fotos: luserlounge
Einschub.
Leider konnte ich den letzten Auftritt vom Freitag nicht ganz sehen. Ich war noch angeschlagen aus den Tagen davor und wollte langsam heim. Mit der Bahn wäre das in der Regel kein Problem. Doch am ganzen Wochenende fuhr ab 22 Uhr nur noch der Bus in meine Richtung. Was für eine miese Sache. Klar, es müssen Strecken saniert werden, aber zweieinhalb mal so lang unterwegs zu sein, ist wenig geil.
Einschub Ende.

Auf dem Hinweg am Samstag ließ ich den Freitag etwas Revue passieren und kam zu keinem rechten Ergebnis. Es war spannend und cool, viel Neues kennenzulernen, aber so richtig abgeholt wurde ich halt nicht. Ein Glück, dass das am Samstag ganz anders aussehen sollte! Insbesondere das Programm in der Lila Eule ließ keine Wünsche offen! Mundane aus Schweden haben mich direkt abgeholt und halb sechs. Gitarrenlastiger Indierock genau nach meinem Geschmack, yeah! TI:ED im Lagerhaus legte durchaus wieder härtere Zähne zu, war gut, aber nicht so meins. Ebenso wie Wrong Man - sie holten mich nicht so sehr ab. Das gute in diesen ganzen Momenten war hingegen, dass zahlreiche andere BesucherInnen viel Freude und Spaß hatten - so soll das doch sein! Mein Highlight des ganzen Wochenendes war Flight Mode aus Oslo, die in der Lila Eule spielten. Erstens super sympathisch. Zweitens spielten sie feinsten Indierock à la Nada Surf oder Death Cab For Cutie - da bin ich doch dabei. Das war richtig, richtig gut! Phantom Bay, die Band, in der sich einige der Veranstalter versteckten, gehörte für mich auch zur Kategorie: hart und wuchtig, aber nicht so meins. Richtig geil wurde es noch bei Emperor X! Was war das denn bitte?! Zwischen all dem wohltemperierten Krach ein Singer/Songwriter mit soliden Deutschkenntnissen und wahnsinnig unterhaltsamen Texten und tanzbaren Effekten aus seinem Zauberkasten. Das sollte jeder Mal live gesehen haben! Dann zu The Deadnotes, die ja bekanntermaßen beim Grand Hotel Van Cleef unter Vertrag sind, aber außer großen Bühnengesten ist da echt nicht viel dabei. Gemütlicher Rock, den man schnell wieder vergisst. Anders als bei Shoreline. Die zimmerten einem nochmal richtig einen ins Gebälk!

Und wieder in den Bus.
Und verarbeiten, einordnen.

Die erste Ausgabe vom Fair Weather Fest war nichts anderes als ein großer Erfolg. Die Bands entsprangen fast allem einem großen Freundeskreis, die Stimmung war super und sehr rücksichtsvoll. Die Zeiten haben sich jedoch sehr stark überschnitten. Da könnte man etwas mehr Luft reinpacken. Denn: Nächstes Jahr geht es in die zweite Runde und Tickets sind jetzt schon zu haben. Ich hab meins, was ist mir dir!?


Donnerstag, 10. April 2025

Live in Bremen: Tocotronic

Foto: luserlounge
(Ms) Mittwochabend. Bremen. Schlachthof. 19.08 Uhr. Eine richtig lange Schlange vor dem Laden. Das habe ich an diesem Ort noch nie gesehen und ich war in den letzten Jahren öfter dort. Nun gut, es gab einen guten Grund, gestern Abend früh zu erscheinen. Denn nicht nur Tocotronic haben gezeigt, dass sie immer noch ganz genau wissen, wie eine E-Gitarre funktioniert, nein, der Abend war auch länger schon restlos ausverkauft. Zudem gab es wohl nicht wenige Leute, die gerne sitzen wollten. Doch das geschieht ohne diese Band und ohne die Veranstaltenden. Doch nach und nach…

Der Schlachthof ist in den letzten Jahren einer meiner liebsten Venues geworden. Er ist gut gelegen, sieht toll aus, hat mehrere Räumlichkeiten, faire Preise und ist einfach so großartig aufgebaut und der Sound ist stets richtig toll! So stabil muss ein Ort erstmal agieren. Ja, es war früh sehr voll und ich war froh, einen der Plätze auf der beginnenden Empore ergattert zu haben, dann ist die Sicht umso besser und der Weg zur Bar kurz. Doch je weiter der Abend voran schritt, desto enger wurde auch der, denn Menschen standen überall! Gesessen haben sie auch, als um 20 Uhr Cava die Bühne betraten und gezeigt haben, was Noiserock heutzutage so kann. Das Duo aus Berlin hatte richtig Wumms am Start - das hat sehr schnell sehr viel Spaß gemacht! Nicht nur dass die beiden Musikerinnen starke Ansagen gemacht haben, sie haben auch alle Effekte der E-Gitarre hervorragend ausgenutzt. Ich gehe stark davon aus, dass sie gestern einige neue HörerInnen gelockt haben. Hier schreibt einer davon. Merkt euch diesen Namen, nehmt euch Gehörschutz mit!

Knapp eine Stunde später sollten dann Tocotronic kommen. Nur es saßen noch immer einige Leute. Ja, mit meinen 34 Jahren habe ich den Altersschnitt sicher gesenkt, aber wer will diese Band denn sitzend sehen?! Das funktioniert vorne und hinten nicht und darauf hat dann auch ein Mitarbeiter des Schlachthofs sehr fair und freundlich aufmerksam gemacht - gutes Zeichen!
Dann betraten die Meister der Theatralik die Bühne und bewiesen für zwei Stunden, dass sie immer noch einen festen Platz auf dem deutschsprachigen Rockolymp inne haben! Die großen Gesten - Dirk von Lowtzow beherrscht sie alle! Applaus genießen, Applaus generieren, sich selbst abfeiern - kein Problem! Dabei werden die Zeichen immer kurz vor Divenhaftigkeit und Arroganz ins Unterhaltsame gezogen. Nein, ich hätte nicht vermutet, dass man so viel zu lachen hat bei einem Tocotronic-Konzert. Ist aber so! Einige der neuen Tracks von Golden Years haben sie gespielt! Über Wie Ich Mir Selbst Entkam habe ich mich sehr, sehr doll gefreut - ein großartiger Song! Das übrige Set bestand aus einem sehr ausgewogenen Mix ihrer Diskographie mit einem eindeutigen Akzent auf die früheren Stücke - das habe ich so nicht erwartet. Digital Ist Besser, Drüben Auf Dem Hügel, Sie Wollen Uns Erzählen, Let There Be Rock, This Boy Is Tocotronic, Hi Freaks, Gegen Den Strich, Aber Hier Leben Nein Danke. Eine lange Liste. Der emotionale Höhepunkt wurde aber mit Ich Tauche Auf erzielt, auch ohne Soap And Skin vor Ort. Das war sehr intim und weite Teile des Publikums haben es auch geschafft, dabei still zu bleiben.

Neugierig war ich auch, wie Felix Gebhard sich in die Band einfügt, um Rick McPhail zu ersetzen. Und siehe da - nahtlos! Ja, sie haben dort einen Engel gefunden, da hat Dirk von Lowtzow schon Recht gehabt! Wie Rock aussieht, haben sie zum Schluss auf Explosionen bewiesen. Es koppelte herrlich zurück, schrammelte, war laut und intensiv und genial! Und so richtig wollten die Menschen die Band dann gar nicht gehen lassen. Einige waren schon raus, doch es lag noch was in der Luft. Und tatsächlich haben sie nochmal zurück, um Freiburg zu spielen - genial!

Zugegebenermaßen habe ich den Rockveteranen nicht zugetraut, derart abzuliefern. Doch weit gefehlt - eine Band wie Tocotronic sollte man insbesondere live niemals abschreiben! Ein imposanter Auftritt! Im Stehen.


Mittwoch, 9. April 2025

Live in Bremen: Los Bitchos

Foto: luserlounge
(Ms) Spontaneität und positive Überraschungen stehen in direktem Zusammenhang. Genauso gestern Abend. Es war ein sonniger, herrlicher Tag und die Frage war nur: Wie lässt er sich noch so richtig gut ausklingen?!
Schon länger hatte ich das Konzert von Los Bitchos im Bremer Schlachthof auf dem Zettel, doch irgendwie konnte ich mich nicht so richtig festlegen. Was im Endeffekt eine total dämliche Idee war. Lieber Nägel mit Köpfen. Diese wurden recht spontan am gestrigen Abend zusammen gekloppt, dafür umso besser!

Die pankontinentale (so Wikipedia!) Band Los Bitchos sah ich vor ein paar Jahren auf dem Appletree Festival und es war die perfekte Musik für lockere Sommertage! Dass sie auch im Frühling funktioniert, ist logisch! Zugegebenermaßen waren die Erinnerungen an den Festivalgig nicht mehr ganz so frisch aber insgesamt als herrlich kurzweilig abgespeichert. Also ab nach Bremen in den wunderbaren Schlachthof!

Der war um 20 Uhr so luftig gefüllt, wie ich es selten gesehen habe. Es hätten doppelt so viele Leute reingepasst, also haben doppelt so viele Leute einen großartigen Abend verpasst! Denn es ging los mit Eilis Frawley über die hier letztens schon berichtet wurde. Die australische Schlagzeugerin hat vor kurzem ein tolles Album veröffentlicht und hat das ziemlich gut mit ihren beiden Mitmusikerinnen auf die Bühne gebracht. Sowieso: Eine Drummerin als Mittelpunkt einer Band - selten gesehen! Zudem war das, was sie rhythmisch dargeboten haben super spannend! Denn eben diese Rhythmen wechselten quasi ständig. Es ist ja so, dass man live ganz automatisch anfängt, mitzuwippen. Irgendwie bewegt man sich. Doch musste man beim eigenen Körper immer wieder nachjustieren, weil das plötzlich nicht mehr aufging. Das war stark, das war richtig, richtig gut!

Und genauso ging es weiter! Live bekommen Los Bitchos Unterstützung von einem Typen, der zusätzlich Gitarre spielt. Was die fünf auf der Bühne dann gezaubert haben, war irre! Instrumentale Musik kann vieles sein. Doch selten ist es so kurzweilig, locker, lustig, tanzbar und richtig gut gelaunt! Richtig spannend war es Gitarristin Serra Petale zu beobachten. Was durch ihr Gesicht an Emotionen fuhr, war irre. Die Musik, die sie mit ihrer Band macht, macht ihr eindeutig selbst unglaublich viel Spaß! Die Energie der Riffs, die sie auf den Saiten entflammt, spiegelt sich in ihrer Mimik wieder. Zudem haut sie zwischendurch immer wieder kraftvoll auf die Bongos und spielt sich selber in einen ganz eigenen Rausch! Das hat einfach wahnsinnig viel Spaß gemacht. Klar, insgesamt klingen die Songs dieser Band alle recht ähnlich, doch das ist für ein Konzert gänzlich egal, es ist ein Gesamterlebnis, wo das Tempo anzieht und abnimmt, die Dynamiken sich stetig ändern und hinten eine Drummerin sitzt, die wahnsinnig viel Spaß hat, ihre Band immer wieder mal nach vorne zu treiben.

Wer Bock auf musikalische Kurzweil einer höchst sympathischen Band hat, sollte sich Los Bitchos nicht entgehen lassen!

09.04. - Hannover, Café Glocksee
10.04. - Nürnberg, Z-Bau
11.04. - Heidelberg, Commissary
12.04. - Dresden, Polimagie Festival
13.04. - Wiesbaden, Schlachthof


Sonntag, 30. März 2025

Live in Bremen: Chris Imler & MPC Lafote

Foto: Galya Feiermann
(Ms) Vier Fotos habe ich gestern Abend gemacht. Sie sind alle Mist gewesen. Wer die Musiker des Abends in Aktion sehen möchte, schaut am besten auf deren Insta-Seiten vorbei.

Samstagabend also. Bremen. Horner Eck. Wenn ich richtig informiert bin, haben sich vor nicht allzu langer Zeit einige Menschen zusammen getan, um das Haus, in dem das Horner Eck - eine super Kneipe - ist, als Genossenschaft zu kaufen. Darin sind einige Wohnungen und unten die Bar. Darin finden nicht nur wechselnde Ausstellungen und Konzerte statt, sondern es gibt Getränke zu faires Preisen. Sogar alkoholfreies Bier vom Fass! Es hat gut geschmeckt!

Obwohl schon seit Ewigkeiten im Geschäft, habe ich Chris Imler letztes Jahr zum ersten Mal live erlebt. Als Drummer von Oum Shatt! Genial! Seine eigene Musik hat damit wenig zu tun, baut aber ebenso stark auf Rhythmen. Logisch als passionierter Drummer.
Doch bevor Chris Imler die etwa 40 Anwesenden zum Tanzen brachte, standen noch zwei andere im Vordergrund. MPC Lafote haben ihre Musik dargeboten. Und was war das denn bitte?! Mir wurde nur erzählt: Kommen aus Hamburg und sind gut. Dass sie so genial sind und vor Energie strotzen, hätte ich nicht vermutet. Was für ein Auftritt! Akkurat haben die beiden ihre programmatische Post-Punk-Krautrock-Whatever abgerissen. Dazu muss man sagen, dass der Sound erstklassig war. So viel Energie, wie die beiden hatten, hätten sie stundenlang weiterspielen können. Obendrein waren die auch noch so irre sympathisch! Eine Band, deren Name ich mir schnell abgespeichert habe. Das. War. Enorm!

Keyboard, Synthies, Schlagzeug verschwanden danach und Chris Imlers Repertoire wurde aufgebaut. Analoges und digitales Schlagwerk, Platz für Samples, Loops und ein Theremin. Lässig daneben stehend begann er mit Wumms seinen Part des Abends und es war klar in welche Richtung es geht: Elektronische Experimente untermauert durch analoge Beats. Man könnte, wenn man wollte, von Krautrock sprechen. Oder von soghaftem Wahn. Denn es war sehr leicht, sich in dieser Musik zu verlieren. Unterhaltsame Ansagen, die das Wirre streiften, rahmten seinen Auftritt. Mal nahm er die Trompete, um Loops einzuspielen, doch hauptsächlich ballerten die Beats und tanzen die Melodien aus den Boxen. Richtig schön war zu beobachten, wie viel Spaß er selbst dabei hatte. Ja, das war richtig gut, hat enorm Spaß gemacht und manchmal habe ich einfach nur beobachtet, worauf er gerade haut. Spannend“

Musikalische Gemeinsamkeiten hatten die beiden Auftritte wenig. Aber die Intensität, Leidenschaft und Spielfreude waren auf Augenhöhe. Diese Ergänzung war genial! Gerne wieder!


Sonntag, 16. März 2025

Live in Bremen: Shirley Holmes

Foto: luserlounge
(Ms) Keine Ahnung, ob das so eine urbane Ü-30-Sache (oder Ü-???) ist, aber ich erwische mich zunehmend bei diesem Gedanken: „Heute Abend noch Konzert? Puh, mache ich mich da wirklich auf den Weg?“ Ich gehe mal davon aus, dass ich nicht der einzige mit diesem etwas schrägen, aber vielleicht ja auch nachvollziehbaren Gedanken bin. Und genauso bin ich sicher wenig alleine damit, wenn am Ende die Gewissheit kommt: „Ja, ich bin zwar total kaputt, aber das Konzert gestern Abend war eine Wucht und ich bin einfach unfassbar glücklich darüber, dass ich da war.“ So geschehen gestern.

Seit vier Wochen und zwei Tagen ist das neue Album von Shirley Holmes Mein Bestes Selbst draußen und es ist enorm! In jeglicher Hinsicht: Von der Art zu Texten bis zu der musikalischen Umsetzung! Nun ist das Berliner Trio damit auf Tour und niemand sollte sich das entgehen lassen. Ich war völlig baff, wie viel Energie und Kraft diese Band auf die Bühne bringt. Dabei sind sie auch noch so unglaublich sympathisch!

Den Abend eröffnet haben Crash Blossoms. Die Fünferkombo hat sich quasi im Lagerhaus, also auch am Ort des Geschehens, gegründet und weiß ziemlich genau, wie Gitarrenrock heutzutage funktioniert. Richtig frech war natürlich, dass sie eine Posaune dabei hatten und die Bassistin teils dieses Blasinstrument als Bassersatz nutzte. Frech, frech, frech, geil! Das was diese Band in einer halben Stunde abgerissen hat, war enorm. Sie haben mich ganz schnell in einen Sog gezogen, in dem ich mich verlieren kann und ich bin froh, dass es danach so weiterging.

Gegen 21 Uhr standen dann Shirley Holmes auf der Bühne. In letzter Zeit habe ich ein paar Bands zum ersten Mal gesehen und dies war auch so ein Moment. Es gab keine Erwartungen und das ist der beste Moment. Ganz frei in so eine Zeit zu gehen, ist richtig schön! Gut eineinhalb Stunden haben Shirley Holmes das Lagerhaus ins Beben versetzt. Hui! Was haben die denn da für Effektgeräte für die Gitarren?! Und warum geht das so geil auf? Ganz oft bin ich erstaunt, dass Bands mit verhältnismäßig wenig Mitgliedern für eine Power auf die Bühne bringen (Bestes Beispiel: Ghostwoman!). Dieses Trio zerlegt alles. Dabei sind sie nicht nur so super sympathisch, sondern zeigen mit und zwischen ihren Liedern auf, worauf es als Gesellschaft ankommt: Wir müssen es schaffen, zusammen zu halten, Widerständen etwas entgegen zu setzen und den humanistischen Herzschlag am pulsieren zu halten. Dann erdrücken einen die aktuellen Bestrebungen nicht mehr so doll. Und dafür sind eineinhalb Stunden Auszeit mit Shirley Holmes genau das Richtige. Sie haben richtig viele neue Lieder präsentiert und auch Steff von Alarmsignal kam für zwei Songs mit auf die Bühne.

Wenn man dann mal den Blick durchs Publikum schleifen lässt, wird eines (vielleicht) klar: Ich bin sicher nicht der einzige gewesen, dem dieses Konzert so richtig gut tat. Bestärkt und innerlich total glücklich ging es dann nach Hause. Auch wenn meine Beine mich nicht mehr tragen wollten und die Bahn ausfiel und stattdessen der Bus fuhr. Alles egal. Für diesen Gig!

27.03.25 Hannover, Lux
28.03.25 Essen, Don't Panic
29.03.25 Würzburg, Don't Panic
05.04.25 Berlin, SO36
06.06.25 Beverungen, Orange Blossom Special Festival
07.06.25 Merkers, Rock am Berg Open Air
28.06.25 Hergensweiler, Woodstockenweiler Festival
05.07.25 Remchingen, Steinbruch Benefiz Open Air
09.10.25 Nürnberg, Z-Bau
10.10.25 München,
11.10.25 Graz (AT), tba
07.11.25 Bielefeld, Forum
08.11.25 Köln, Blue Shell





Sonntag, 9. Februar 2025

Live in Bremen: 100blumen

Unscharfes Foto: luserlounge
(Ms) Bremen. Die Stadt platzte gestern fast aus allen Nähten. Und es gab zahlreiche gute Gründe dafür. Preminale im Schlachthof, Konzerte im Pier2 oder im Club des Theaters. Vor allem aber kamen gestern zwischen 35.000 und 50.000 Menschen auf den Domplatz, um für Solidarität einzustehen. Das war wirklich schön, dass es so viele Menschen gibt, die für das Wir stehen, egal wer wer ist und woher jemand kommt. Mögen einzelne PolitikerInnen das ignorieren. Dann machen wir unsere Gesellschaft halt selbst. Am eindrücklichsten fand ich bei der Kundgebung den Part der Omas Gegen Rechts. Wie cool, aufrichtig, besorgt und kreativ kann man eigentlich sein?! Finde ich genial, inklusive Gänsehaut! Es war kalt, aber egal. Es gibt Wichtiges für das es sich einzustehen lohnt. Auch der Adenauer-Bus des Zentrums Für Politische Schönheit war anwesend und zugegebenermaßen sehr imposant!

Gut, dass es am Abend unter solch solidarischen Menschen, die ihrem Unmut musikalisch Ausdruck verleihen, weiterging. 100blumen aus Düsseldorf sind an die Weser geschippert, haben Es War Mord mitgebracht und die Lila Eule fast zum Einsturz gebracht. Auf das Quartett vom Rhein bin ich erst im vergangenen Oktober aufmerksam geworden, als sie beim Rookie Fest spielten. Hui, was für eine Livemacht - das hat mich sehr beeindruckt! Und was im Hamburger Knust funktioniert, kann im Bremer Kellerclub auch funktionieren.

Leider muss an dieser Stelle ein nicht unwichtiges Aber eingeschoben werden. Um kurz nach Acht haben Es War Mord begonnen, bedingungsloser Punk, der keine Pausen macht. Aber gerne hätte ich verstanden, worum es geht. Insbesondere den Gesang habe ich gestern bei beiden Bands als echt schlecht verständlich empfunden. Ein paar Mal habe ich die Positionen gewechselt, mit und ohne Gehörschutz, aber viel verstanden habe ich leider nicht. Es hätte sich bestimmt gelohnt, so kann ich ganz wenig über den Auftritt sagen, außer dass es cool wäre, wenn der Sänger nicht auf der Bühne raucht.

Was mich bei 100blumen im Herbst so begeistert hat, war die wahnsinnige Wucht, die sie auf die Bühne bringen. Das ist echt kein Punk mehr. Es ist viel intensiver, phasenweise nicht ganz so typisch schnell und in jedem Fall mir viel mehr Bass aus den Synthies, die Sänger Marcel vor sich stehen hatte. Hin und wieder ist sogar das Wort Industrial zu sehen. Falsch ist es nicht. Gut 80 Minuten haben sie gespielt und auch wenn ich nicht alle Texte verstanden habe, hat es tierisch Bock gemacht. Diese Energie, die die Band erzeugt hat, ist enorm! Enorm sind auch die Reaktionen des Publikums auf diese Musik. Einige Menschen stehen recht stoisch dabei, andere wippen punkig den Kopf, wieder andere tanzen wild und ausgelassen und noch ganz andere versorgen die Band mit Schnaps. Sehr gut!
So ging ich mit einem weinenden (wegen des Sounds) und einem lachenden Auge (wegen der Dynamik) nach Hause und freue mich auf das nächste Mal, wenn 100blumen spielen - es sei jedem und jeder ans Herz gelegt!

Freitag, 7. Februar 2025

Live in Bremen: Blush Always

Foto: luserlounge
(Ms) Dies ist ein Text über die wundervollen Effekte von guten Support-Bands.
Obwohl. Der Name ist ja irgendwie doof, oder? Support, Unterstützung. Martin Bechler von Fortuna Ehrenfeld hat auch schon mal mit dem Namen gehadert. Nein, die Gruppe, die mit einer anderen auf Tour geht und als erstes spielt, ist nicht nur schmückendes Beiwerk. Oft haben sie die Chance, ihre Musik einem größeren Publikum vorzustellen, als sie selbst erreichen würde und oft geht das richtig gut aus. So wie gestern Abend in Bremen.
Begonnen hat das alles aber gut ein Jahr vorher. Da haben My Ugly Clementine im Lagerhaus gespielt und Blush Always war als eröffnende Band dabei, damals solo mit ordentlich Wumms vom Band. Das hat mir enorm gut gefallen, war ein beeindruckender Auftritt, der zudem viel Spaß gemacht hat. Also: Direkt abgespeichert.
Im September kam dann Katja Seifferts zweites Album raus: An Ode To? Ja, genau, mit dem Fragezeichen dahinter. Sie bringt 90er-Jahre-Gitarrenrock auf die Bühne ohne nur im geringsten Maße damit nostalgisch zu wirken. Im Gegenteil! Das, was sie macht, ist sehr frisch und sehr persönlich und sehr gut!

Nun ist sie auf eigener Tour und das natürlich nicht alleine. Als sie am Donnerstag im Tower gespielt hat, hat sie Wohinn? mitgebracht. Ja, auch hier ist das Fragezeichen an der richtigen Stelle. Die junge Hamburger Band hat den Abend vor gut 70 BesucherInnen eröffnet. Und wie?! Das Quartett hatte nicht nur enorm viel Energie, sondern auch eine brillante Instrumentierung. Die eingesetzte Querflöte und allerlei Sounds aus unterschiedlichen Drumcomputern und Synthies haben einen wahnsinnigen Klang erschaffen. Es war dicht und sehr atmosphärisch. Hier wissen vier Leute ganz genau, wie man mitreißende Musik arrangiert, das war genial, hat richtig viel Spaß gemacht! Also: Direkt abgespeichert!

Eine kleine Umbaupause später betraten Blush Always dann die Bühne! Die Gitarren waren gestimmt, das Schlagzeug bereit und dann ging es los. Gut 80 Minuten hat Katja Seiffert mit ihren drei Musikern gespielt und es war ein tolles Konzert! Ja, es ist 90er-Gitarrenrock. Aber: das ist erstmal nur das musikalische Gewand. Dahinter verstecken sich Texte, auf die es zu achten gilt. Zum Glück - denn nicht alles war soo gut zu verstehen - hat die Sängerin zu einigen Tracks etwas erzählt. Katja Seiffert singt in ihren Liedern viel über ihren eigenen Weg. Vom Zweifeln und sich Trauen. Vom Dankbarsein und sich Besinnen. Wie es ist ein Girl In A Band zu sein in einem Musikbusiness, wo ganz schnell gelabelt wird und female frontet bizarrerweise zum Teil ein Genre darstellt. Und die, die früher so oft so schnell errötet ist, steht selbstbewusst auf die Bühne, singt immer wieder aus voller Kehle, hat mir ihrer Band richtig viel Spaß und sehr aufmerksame Menschen vor der Bühne, bei denen viele lächelnde, glückliche Gesichter zu sehen waren. Insbesondere für ein paar jüngere Frauen im Publikum ist Katja Seifferts Geschichte, ihre Musik und das, was sie dazu zu erzählen hat, ein tolles Beispiel von Mut, Kreativität und Zusammenhalt. Zusätzlich auch einfach richtig gute Musik, die wahnsinnig viel Spaß macht!

Zwei Gigs kommen heute und morgen noch dazu, geht da unbedingt hin, es wird toll!

07.02.25 DE - Münster, Gleis 22
08.02.25 DE - Berlin, Neue Zukunft

PS: Wann geht denn Wohinn? auf Tour?





Sonntag, 12. Januar 2025

Live in Bremen: B O D I E S

Foto: Timothy Wiehn
(Ms) Nein, an so einem Abend mache ich keine Fotos. Das gehört sich in meinen Augen nicht, passt nicht zur Atmosphäre und warum sollte ich mein Handy während so eines phantastischen Konzerts raus holen? Mit professionellem Equipment aus den ersten Reihen… ja, dann kann ich es verstehen. Es gab ja auch viel zu sehen. Und noch mehr zu hören.

Am Samstagabend zeigte sich die Bremer Innenstadt von ihrer schönsten Seite. Die sogenannten Lichter der City haben die großen, prächtigen Gebäude um den Roland aber auch an anderen Orten großartig illuminiert. Dazu klang teils klassische Musik und genau das war mein Weg zur Glocke. Mitten in der Stadt liegt dieser klassische Konzertsaal mit knapp 1400 Sitzplätzen. Nur wenige waren noch frei als dort im großen Saal um 20 Uhr das Licht ausging und Kat Frankies Projekt B O D I E S die Bühne betrat. Mit ihr standen Albertine Sarges, Barbara Greshake, Erika Emerson, Fama M'Boup, Liza Wolowicz, Tara Nome Doyle und Trinidad Doherty für gut 100 Minuten auf der Bühne und haben Unglaubliches vollbracht.

Spricht man von A Cappella Gruppen, kommen einem eventuell Bands wie die Wise Guys, Basta oder Maybepop in den Sinn. Damit haben B O D I E S wirklich nichts zu tun. Was sonst einen eher unterhaltsamen, mitunter flapsigen, aber dennoch natürlich musikalisch hohen Anspruch hat, hat bei diesen acht Frauen eine sehr sinnliche Seite. Die Künstlerinnen sind alle auch solo erfolgreich unterwegs, doch wirkten zusammen auf der Bühne sehr nach einer Einheit, nach einem Organismus. Oft standen sie nebeneinander. Doch es gab auch zwei große Holzelemente, die zusammen wie der Rumpf eines Schiffes aussahen. Zusammen haben sie sie auseinander geschoben und verschieden platziert. Sehr minimalistisch, sehr wirkungsvoll. Mal saßen die Sängerinnen darauf, mal standen sie, mal war es einfach nur der Hintergrund (s.u.).

Kein Rhythmusinstrument, keine Verstärkung, nur in Handmikrophon, das für den Bass genutzt wurde. Sonst nur die Stimmen der acht Frauen. Doch was heißt hier „nur“?! Mit ihren organischen Instrumenten - dem Instrument des Jahres übrigens - verzauberten sie schnell die aufmerksamen BesucherInnen. Was teilweise sehr leichtfüßig klingt, muss extrem genau sein und hochgradig professionell. Zudem würde jeder Fehler sofort auffallen. Es gab keinen.

Im Mittelpunkt stand Kat Frankie, die dieses Projekt initiiert hat, leitet, arrangiert. Sie erzählte ein wenig zu den Liedern, was dem aufmerksamen Zuhören eine unterhaltende Pause verlieh. Ja, es war kein normales Popkonzert in irgendeinem Club. Das war Hochkultur. Es war Kunst, die auch sehr gut choreographiert war. Es gab einstudierte Bewegungen, seichte Tänze, langsam aber wirkmächtig. Dann stampften sie mit den Füßen auf, schnipsten, klatschten einen Rhythmus. Oder standen sich so gegenüber, dass ein gesungenes Gespräch stattfand. Es war ein Abend, der aus viel Staunen und aufmerksamem Zuhören bestand. Es war auch ein Abend der Gestik und Mimik. Denn es ist gar nicht so leicht, die eigene Stimme zu steuern, wenn gleichzeitig sieben andere etwas anderes singen. Bewegungen der Hände, des Oberkörpers und des Gesichts helfen dabei. Das war spannend zu sehen, wie die acht Sängerinnen sich verschieden bewegten. 

Egal, welches Lied sie sangen. Die Arrangements für B O D I E S oder Kat Frankies Solo-Lieder. Es war ein eindrucksvolles Erlebnis, wie Pop zu klassischem Gesang überging. Es war beeindruckend, wie aus acht Stimmen eine Einheit wurde. Es war sanft und klar. Es war energisch und seicht. Dabei ließ sich beobachten, wie konzentriert die Sängerinnen waren aber auch wie sehr sie sich darüber gefreut haben, dass alles so aufging, wie sie es sich ausgedacht haben. Ich staune immer noch!

Geht da unbedingt hin, wer weiß, wann es die nächste Chance gibt:

12.01.2025 Darmstadt, Staatstheater
14.01.2025 Nürnberg, Löwensaal
15.01.2025 Hannover, Pavillon
16.01.2025 Köln, Philharmonie
20.01.2025 Berlin Philharmonie
25.01.2025 Erfurt, Theater Erfurt
15.02.2025 Dresden, Kulturpalast
21.02.2025 Hamburg, Elbphilharmonie
22.02.2025 Osnabrück, Botschaft
28.02.2025 Leipzig, Gewandhaus
15.03.2025 Gütersloh, Theater Gütersloh
02.12.2025 München, Isarphilharmonie