(sb/ms) Die skandinavischen Länder genießen einen ausgezeichneten Ruf. Hygge, Bullerbü-Syndrom, all das. Und klar, es ist super schön im Norden, die Menschen sehen unheimlich gut aus, es ist teuer aber lebenswert. Nicht umsonst rangieren Städte wie Kopenhagen oft unter den Lebenswertesten der Welt, Genau dort war ich ein paar Tage und all das trifft zu. Nur eine Vorstellung scheint sich in meinem Hirn verschoben zu haben. Meine Annahme war, dass die Gesellschaft dort wahnsinnig nachhaltig und umweltschonend ist. Das trifft zu gewissen Teilen bestimmt auch zu, nur eines können sie nicht leugnen: Der Plastikverbrauch ist irre! Das war nicht nur im Supermarkt erkenntlich, sondern insbesondere beim Konzert von Sigur Rós. Die spielten letzten Samstag in einer großen Halle (Bericht folgt), die danach wie ein Schlachtfeld aussah. Der ganze Boden überströmt mit Plastikmüll. Und das aus einem simplen Grund: Es gibt in der Halle kein Pfandsystem, alle Getränke wurden in einfache, leichte Plastikbecher gefüllt. Die lagen dann halt am Ende über den ganzen Boden verteilt. Schlimm. Klar, das ist nun kein dänisches Problem, aber mein Kopf wollte das nicht wahrhaben. Dem ganzen wurde noch die Krone aufgesetzt: Ich bestellte ein Bier und bekam ein auf Halde abgezapftes, dessen Becher mit einem zusätzlichen Plastikdecken verschlossen war. Was für ein irrer Quatsch! Ein Deckel, der ausschließlich dafür produziert wurde, um ihn weg zu schmeißen. Einen anderen Zweck hat er nicht verfolgt. Gruselig. Also: Pro Pfand - auch bei Konzerten!
Hinterlandgang
(sb) Demmin. Von hier (Bodensee) aus ganz weit oben und drüben. Aus dem tiefsten Meck-Pomm stammt die Hinterlandgang und stellt die Lebensrealität der Menschen dort auf sehr eindrückliche Art und Weise in den Mittelpunkt ihrer Musik. Für mich, der keinerlei Berührungspunkte mit den Menschen und der Lebenssituation dort hat, eine überragende Sozialstudie. Klar, sehr subjektiv, aber halt auch realitisch und authentisch. In einem anderen Genre hat man das beispielsweise von Feine Sahne Fischfilet schon ähnlich vernommen.
Kommen wir zum Punkt: Maschendraht ist musikalisch vielleicht nicht immer eine Offenbarung, aber seit das Album bei mir aufgeschlagen ist, höre ich doch immer wieder rein, weil es mich irgendwie fasziniert. Weil es beobachtet, beschreibt, anklagt, erklärt und Perspektiven erweitert.
Live demnächst hier:
10.11.2022 Rostock, Dieter (Mau-Club)
09.12.2022 Berlin, Privatclub
Dubinski
(sb) Bei Dubinski dachte ich bislang automatisch an den TV-Moderator selben Namens, von dem man allerdings auch schon seit über 20 Jahren nichts mehr gehört hat. Wahrscheinlich auch besser so. Nun schicken sich vier Brüder aus den schottischen Highlands an, im Indie Rock durchzustarten.
Mit ihrem Album Dubinski (Soothsayer) erfinden sie das Rad zwar nicht neu, machen aber ungeheuer Spaß. Pop, Rock, eine gehörige Portion Retro und fertig ist die tanzbare Mischung, die in ihrem jugendlichen Enthusiasmus an die frühen Mando Diao erinnert.
Rong Kong Koma
(sb) Vor 2 1/2 Jahren hauten mich Rong Kong Koma mit ihrem Debütalbum komplett aus den Latschen. Jetzt sind die Berliner zurück und legen mit dem Album Delfinde der Weide nach. Klar, der Überraschungseffekt ist nicht mehr so groß, die Erwartungshaltung entsprechend höher - und doch schafft es das Quartett aus der Hauptstadt, neue Hymnen rauszuhauen, die man so nicht erwartet hatte. Wieso sind die denn eigentlich nicht größer und bekannter? Tragt es in die Welt hinaus: Die! Sind! Super!
03.02.2023 Düsseldorf, The Tube
04.02.2023 Essen, Don't Panic
09.02.2023 Braunschweig, Eulenglück
10.02.2023 Kiel, Roter Salon
11.02.2023 Osnabrück, Bastard Club
16.02.2023 Göttingen, Exil
17.02.2023 Karlsruhe, Alte Hackerei
18.02.2023 Ulm, Kradhalle
24.02.2023 Magdeburg, Gröninger Bad
25.02.2023 Dresden, Chemiefabrik
Thees Uhlmann
(Ms) Was wird aus dem Rock‘n‘Roll, wenn Thees Uhlmann nicht mehr wär? Eine Gute Frage, die wir uns hoffentlich noch lange nicht stellen müssen. Dass er sicherlich kein einfacherer Kerl ist, zeigen die wechselnden Besetzungen seiner Band. Dass er immer noch ein toller Musiker ist, zeigen die Texte, die er uns schenkt. Auch wenn es oft nicht mehr Tomte-like ist, kommen seine Zeilen von Herzen. Und genau das ist es ja, was begeistert, auch wenn ich die letzte Platte maximal mittelmäßig fand. Egal. Uhlmann ist ein Guter. Und auch eine unaufhörliche Rampenrau. Mit dem letzten Album war er lange unterwegs, gut 170 Gigs hat er mit seiner Band dazu gespielt, das ist ein irres Pensum. Zeit, um das zu würdigen. Und was wäre besser als eine Liveplatte dazu?! Gesagt - getan! 100.000 Songs Live In Hamburg heißt die Scheibe und erscheint am 2. Dezember selbstredend beim Grand Hotel Van Cleef. Satte 23 Lieder sind darauf versammelt, die natürlich nicht nur auf das letzte Album, sondern auf die ganze Solo-Zeit und sogar auf Tomte-Lieder zurück blickt. So eine Live-Platte hat immer den Charakter eines Best-Ofs. Und ganz ehrlich: Das ist es auch und allein die Titelliste hält, was sie verspricht. Das Ganze wird noch live gefeiert, allerdings schon so gut wie ausverkauft.
01.12 - Kiel, Pumpe
02.12 - Hamburg, Molotow (Ausverkauft)
03.12. - Köln, Luxor (Ausverkauft)
04.12. - Bremen, Tower (Ausverkauft)
Alin Coen
(Ms) Oft frage ich mich bei der ganzen Konzertebesucherei, wie der Reiz daran noch gesteigert werden kann. Zahlreiche Festivals habe ich besucht, da kommt selten mal noch atmosphärisch was Neues bei herum, genauso bei all den Gigs in den verschiedensten Hallen. Nein, es ist nicht ermüdend, im Gegenteil. Jeder Besuch ist immer noch ein irres Erlebnis. Aber die Besonderheiten reizen mich immer mehr. Letztens sah ich das erste Mal ein Konzert in der Elbphilharmonie. Das war beispielsweise irre. Oder Konzerte in anderen Ländern. An ungewöhnlichen Orten. Oder in einzigartiger Kombination. Das hat Alin Coen vor ein paar Jahren gemacht. Als sie ihre musikalische Ader wiedergefunden hat, spielte sie zusammen mit dem ehrenamtlichen Orchester STÜBAphilharmonie einige Konzerte miteinander, die offensichtlich Eindruck hinterlassen haben. Ihre zarten Lieder mit 80 anderen MusikerInnen. Wahnsinn, da kommt mir beim Schreiben ja schon die Gänsehaut. Verständlich, dass Menschen das nochmal hören wollen. Gesagt - getan. Also fast. Dass eine Albumproduktion Geld kostet, ist klar. Und das sammelt Alin Coen momentan noch, um das alles auf die Beine zu stellen, und um dieses Orchester-Album am 2. Dezember auch guten Gewissens veröffentlichen zu können. Schöne Finanzierungspakete bietet sie dabei auf Startnext an. Hier lohnt es sich sehr, denn das, was man zurück bekommt, ist mehr, als man gibt.
Donots
(Ms) Welches Lied spielt man zuletzt bei einem Konzert? Das ist sicher eine Frage, die irgendwie leicht als auch schwer zu beantworten ist. Es muss etwas sein, dass nochmal so richtig kickt. Vielleicht der größte Hit. Oder etwas, wo alle dabei sind. Ein Song, der nochmal so richtig kracht. Wo die Meute ausrastet, die Menschen sich in den Armen liegen, Tränen fließen, gefeiert wird. Am besten mit einem Refrain, der nachhallt, den das Publikum alleine noch weitersingen kann und wird. Das könnte bei Hey Ralph von den Donots sicher bald der Fall sein. Der Aufbautrack nach schlechten Zeiten, samt gerecktem Haupt der Zukunft gegenüber. Ein Lied, das auch für die Bandgeschichte stehen kann. Standen die Donots kurz vor dem Aus, kam das Glück um die Ecke und so erfolgreich wie seit der deutschsprachigen Lieder-Zeit waren sie vorher nie. Klar, dass das neue Album Heute Ist Ein Guter Tag (VÖ 3. Februar) heißen wird, verwundert nicht. Und eine Single reicht selbstredend nicht, so kommt dem chorischen Umarmungslied ein kurzer Punkrock-Smasher zuvor. Bei Augen Zu singt Guido und er sehnt sich nach alten Zeiten, wo das Verliebtsein so intensiv war, dass es im Gesicht blitzt. Diese Art der Singleveröffentlichung finde ich irgendwie stark. Die rotzigen und zarten Seiten der Punkrockinstitution aus Ibbenbüren kommen dabei extrem gut zur Geltung! Das wird ein guter Tag!
Fehlfarben
(Ms) Über Bands zu schreiben, die schon vor meiner Geburt aktiv waren und es immer noch sind, fällt es mir oft schwer zu schreiben. So richtig einordnen kann ich das nur aus dem, was ich über sie lese. Da fehlt mir dann immer ein bisschen der Bezug, das Gefühl. Daher mache ich es mir ein bisschen einfacher und schaue nur auf die Platte, die dieser Tage erschienen ist. Sollen andere das einordnen. Das erste Album der Fehlfarben ist vor 42 Jahren erschienen. Zehn Jahre später erst bin ich zur Welt gekommen. Dass sie nun mit ?0?? ein neues Album veröffentlicht haben, zeugt von einer großen Liebe zur Musik, langem Durchhaltevermögen und hörbarer Dringlichkeit! Nicht nur die Programmatik in Peter Heins Stimme beeindruckt mich, sondern auch die der Texte. Sie stechen heraus unter deutschsprachiger Musik, die momentan erscheint. Diese Band muss sich an nichts anpassen, muss niemandem gefallen und überzeugen so mit aufrichtiger Musik und starken Zeilen. Aufforderungen an das Selbst, Aussagen zum Zeitgeist. Alles dargelegt mit Druck und einer Notwendigkeit, wie ich sie selten zuletzt gehört habe. Das ist ein irre gutes Album geworden, hört es laut! In den kommenden Tagen spielen sie noch hier:
28.10.2022 Friedrichshafen Kulturhaus Caserne 29.10.2022 München Backstage 05.11.2022 Berlin Heimathafen 10.11.2022 Wien Arena 18.11.2022 Oelde Haus Nottbeck
(Ms) Natürlich war das gut. Aber die Reihenfolge war ein Fehler. Nun gut, schlauer ist man ja immer hinterher. Ich hätte das auch absehen könne, insbesondere beim zweiten Konzert. Ganz kurz war ich enttäuscht, dann musste ich aber einsehen, dass der Auftritt vorher so immens war, dass er ganz viel überstrahlt hat.
Okay, was fabuliere ich mir hier zusammen?! Das lässt sich schnell erklären: In den vergangenen Wochen habe ich zwei Mal Mine live gesehen. Das eine Mal war wie von einem anderen Stern, das andere Mal ließ sich damit gar nicht vergleichen. Der Grund ist einfach: Am 23. September hat Mine im Rahmen des Reeperbahn Festivals in der Elbphilharmonie gespielt. Wie genial die Kombination aus dieser ungewöhnlichen Musikerin und diesem beeindruckenden Ort ist, ließ sich erahnen. Doch das Erleben dieser gut 75 Minuten war dann doch was Anderes.
Die Elbphilharmonie ist ein starkes Gebäude. Und es ist schön zu sehen, wie sie doch Teil der Stadt geworden ist, nachdem der Bau erst sehr ambitioniert erschien und dann immer mehr Geld verschlang. Der Ausblick von oben auf den Hamburger Hafen ist einmalig. Noch mehr Eindruck macht die große Halle, die sich im Inneren auftut. Über zahlreiche Treppen gelangt man höher und höher, dort angekommen, eröffnet sich ein toller Raum. Mittendrin eine Bühne, das Publikum über 360° verteilt, ein schlichtes, edles Design und ein Klang, der seinem Ruf mehr als gerecht wird. Staunend habe ich da gesessen und teils gestanden, als Mine mit über 20 Leuten da abgefeuert hat. Streicher, Bläser, Percussion, ein DJ, ein Dudelsackspieler, Fatoni, AB Syndrom. Was sich diese Frau für diesen Abend ausgedacht hat, überstieg schnell meine Vorstellung. Das war so voller Wucht, voller Glanz und mit so ungeheuer viel Herz, es war kaum auszuhalten. Mine hat nicht nur musikalisches Talent, sondern auch etwas an sich, das nicht zu erlernen ist: Präsenz im Raum. Auch wenn ich im vierten Rang saß (die Sicht auf die Bühne war dennoch sehr gut), passierte im Saal etwas, als sie den Raum betrat. Etwas, das nicht in Worte zu fassen ist, das war nur Erlebbar. Sie nahm den Raum ein und strahlte. Mine war sichtbar beeindruckt von dieser Halle, das schüchtert natürlich auch ein. Doch mit welcher Sicherheit, Leichtigkeit und Freude sie sich auf der Bühne bewegt hat, zwischen Instrumenten wechselte, ihre Gäste ankündigte… was hatte sie Spaß an diesem Abend. Irre. Doch genauso gefasst war sie auch. Als sie allein am Keyboard ein neues Stück über ihre Mutter sang, schluchzte, weinte sie. Fünf Minuten später explodierten die wuchtigen Songs wieder. Was für eine Bandbreite. Was für eine intensive Emotion. Sie schrieb im Netz anschließend, dass das der Abend war, als sie zum ersten Mal auch nach einem Konzert weinen musste. Ich kann es so gut verstehen. Was da passiert ist, war nicht normal. Das war so dicht, so ungeheuer gut, so unterhaltsam, so dynamisch, so gut vorbereitet, so so so leidenschaftlich.
Danach hätten wir mit unserem Ticket noch andere Konzerte sehen können. Wir haben es nicht gemacht. Diesen Abend in der Elbphilharmonie mit Mine mussten wir dringend abspeichern. Selbst die Geräusche draußen waren zu viel. Das war echt eine neue Erfahrung. Großartig. Sehr bewegend.
Dass ein Clubkonzert da nicht mithalten kann, war ja irgendwie klar. Deshalb musste ich das im Nachhinein auch trennen, um nicht enttäuscht zu sein nach ihrem Auftritt zweieinhalb Wochen später im Bremer Schlachthof. Es ist halt ein Unterschied, wo man spielt. Und auch in welcher Konstellation. In Bremen bestand ihre Band aus vier exzellenten MusikerInnen. In Hamburg waren es zwanzig mehr. 20! Das ist klar, dass das anders ist. Daher rufe ich mir immer den Elphi-Abend ins Gedächtnis, wenn ich über die wahnsinnige Musikerin Mine nachdenke. Nicht alle ihre Songs kicken mich. Aber wer einen Abend wie diesen im September aufbauen und durchziehen kann, davor kann ich nur ehrfürchtig in die Knie gehen.
(sb) Der Kollege (ms) weilt im wohlverdienten Urlaub und mir lassen Familie und Job bei weitem nicht die Zeit, um die luserlounge so zu hegen und zu pflegen, wie sie (und Ihr) es eigentlich verdient hätte(t). Irgendwie bekomme ich generell derzeit viel zu wenig mit, was auf dieser Welt passiert... Die aktuelle Lage in der Ukraine, Nord Stream, Innenpolitik, irgendwelche Krisenherde auf der Welt, Preisexplosionen - läuft alles nur so nebenher. Nun stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob ich wirklich nicht dazu komme, mich damit zu beschäftigen, oder ob ich es bewusst vermeide, um a) mich nicht darüber ärgern zu müssen und b) nicht so deutlich vor Augen geführt zu bekommen, wie ohnmächtig man als Einzelperson doch ist. Ich weiß es nicht. Oder will es nicht wissen. Eigentlich will ich gerade einfach nur meine Ruhe haben. Das ist zwar extrem träge und bequem, aber ich brauch das gerade. Kennt Ihr das Gefühl?
Wie sagte Matze Rossi einst so schön: Musik ist der wärmste Mantel. Also ab dafür. Es ist Freitag, die luserlounge hat selektiert.
Phoenix
(sb) Was ist das nur mit mir und Phoenix? Auf der einen Seite freue ich mich immer sehr, wenn auf einer (mitunter auch von mir) zusammengestellten Playlist ein Track der Franzosen läuft. Auf der anderen Seite ist wird mir die Musik der Band um Sänger Thomas Mars auf Albumlänge gerne mal schnell zu viel.
Auch 25 Jahre nach der Gründung bestechen Phoenix durch ihren eingängigen Sound, so wirklich was Neues bietet Alpha Zulu jedoch nicht. Keine Frage: Tracks wie Tonight oder The Only One schließen nahtlos an Klassiker wie 1901 oder Lasso an und zeigen, dass die Herren aus Versailles noch einiges im Köcher haben.
Gipsy Kings
(sb) Apropos Frankreich: Auch wenn man die Gipsy Kings vermutlich intuitiv mit Spanien in Verbinding setzt, so stammt die Band doch aus dem Land nördlich der Pyrenäen. Fünf Mitglieder der Familie Reyes und deren drei der Familie Baliardo - fertig ist die wohl erfolgreichste Flamenco-Pop-Gruppe Europas. Bereits seit 1975 (!) sind die Gipsy Kings aktiv, ihre erfolgreichste Zeit hatten sie Anfang der 90er mit Hits wie Bamboleo, Volare und Baila Me. Von der Originalbesetzung ist zwar nur noch Leadgitarrist Tonino Baliardo dabei, der Spirit wurde jedoch erhalten.
Am 28.10. veröffentlichen die Gipsy Kings nun ihr neues Album namens Renaissance, dessen Mix aus Flamenco und Rumba, der wie es in diesen Genres so üblich ist, sehr von Gitarren dominiert wird. Schade, dass der Sommer schon vorbei ist, diese Scheibe bringt die Sonne aber zurück in die Stube und bringt die Stärken der Band auf den Punkt. Meine Favoriten: Amadeo und Abandonado.
Thomas Andreas Beck
(sb) Einst arbeitete Thomas Andreas Beck als Manager, Unternehmer und Unternehmensberater. Der Kapitalimus dürfte ihn damals angetrieben haben - das ist allerdings nur eine Vermutung meinerseits. Vor über zehn Jahren wandte sich der Österreicher jedoch auch der Kunst zu, lebte seine Liebe zur Musik aus und stellte andere Themen in den Mittelpunkt seines Seins und Tuns.
Als ich mir die Tracklist seines neuen Albums Ernst durchlas, war mein erster Gedanke: "Oha, das könnte anstrengend werden. Hoffentlich wird das nicht so ein Betroffenheitssumpf." Bei Titeln wie Aleppo, Deponie, Hass oder Demokratie befürchtete ich Schlimmstes.
Aber nein: Beck gelingt es auf eindrückliche Art und Weise, auf Missstände aufmerksam zu machen, ohne dabei in den Jammer-Modus zu verfallen. Ein bisschen mehr musikalische Abwechslung hätte ich mir zwar gewünscht, aber darüber kann ich gerne hinwegsehen, weil die Texte so fast zwangsläufig in den Vordergrund gedrängt werden - und das ist gut so.
Víkingur Ólafsson
(sb) Der isländische Pianist Víkingur Ólafsson begleitet unseren Kuschelblog ja schon seit Jahren - und das aus gutem Grund. Während meine Frau, die selber klassische Musik betreibt, gelegentlich bemängelt, ihr sei das zu akkurat und glatt, schätze und bewundere ich diese gnadenlose Perfektion, mit der der Künstler sein Werk präsentiert. From Afar heißt das gute Stück und ist laut Ólafsson eine Rückkehr zu eigenen musikalischen Wurzeln.
Er widmet sich dabei in erster Linie dem ungarischen Komponisten György Kurtág, aber auch Mozart, Schumann, Brahms und Bartók u.a. finden Berücksichtigung. Wie immer: Ganz großartig und perfekt für ruhige Stunden, in denen man mal komplett von der Welt abschalten möchte.
(Sb/ms) Zugezogen Maskulin. Kat Frankie. Woods of Birnam. Mädness. Es sind nur ein paar Beispiele. Und es sind gar nicht mal so unbekannte Namen. Sie alle sind betroffen. Von einem mir Angst machenden Trend. Dieser Trend geht ziemlich bergab. Und er erwischt erneut die gleiche Branche wie schon vor über zwei Jahren. Musikerinnen und Musiker, die auftreten wollen, auftreten müssen. Einige leben davon, andere sind nicht zwingend auf die Band-Einnahmen angewiesen, da sie eh einen „normalen“ Job haben, da das Musizieren oft nicht viel abwirft, um darauf zu bauen. Sie alle sind betroffen. Entweder ziehen ihre Shows in kleinere Clubs. Oder die Auftritte fallen gänzlich aus. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass ein schwacher Vorverkauf vor einigen Jahren noch solche Konsequenzen mit sich trug. Doch die Zeiten haben sich geändert. Alle Kosten steigen, teils ins Unermessliche. Auf Gut Glück zu arbeiten, wäre für die Veranstaltenden viel zu riskant. Oh weh. Erneut sind es die Kreativen, die leiden. Und die, die ihnen die Auftritte ermöglichen. Da kann man nur solidarisch sein und so viel besuchen, wie es nur möglich ist.
And The Golden Choir
(Ms) Kunst zu erleben, Kunst zu fühlen, kommt gar nicht mal so häufig vor. Wenn es nicht nur ein Gebilde aus Worten, Melodien, Rhythmen ist, das in Liedform gebettet ist. Wenn das Herz, das dem zugrunde liegt, hörbar wird. Wenn die Situation, aus der die Musik entsteht, so nah ist, so verständlich, es zur Identifikation damit kommt. Dann liegt viel für mich dafür auf der Hand, von Kunst zu sprechen. Dass der Name Tobias Siebert da natürlich ziemlich schnell fällt, ist klar. Nicht nur mit Klez.e und seinem Solo-Projekt And The Golden Choir hat er immer wieder auf sich aufmerksam gemacht. Sondern auch als Produzent tritt er immer wieder beeindruckend in Erscheinung. Als wachsamer Mensch, gehen an ihm die Geschehnisse in der Ukraine auch nicht spurlos vorüber, treffen ihn, machen ihn stutzig, verschlagen ihm die Sprache. Das ist mehr als nachvollziehbar, wenn Schreckensmeldung auf Schreckensmeldung trifft. Wenn Menschen Teil unserer Gesellschaft werden, deren Haus eben noch bombardiert wurde. Wenn ein Krieg auf einmal unsere Selbstverständlichkeiten im Wohnen und Konsumieren beeinflusst. So ist daraus ein wahnsinnig packendes, pur emotionales Lied geworden, auf dem zwar eine Stimme, aber kein Text zu hören ist. Worüber auch singen?! Dennoch wird der Schmerz, der Siebert durchdringt, in jedem Takt spürbar. WWW - World Wide War. Das is Kunst.
Gregor McEwan
(Ms) Es gib ja so unendlich viele Gründe, Spotify zu boykottieren. Also ich will mich hier nicht regelmäßig als Heiligenscheinträger darstellen, wenn ich wiederhole, dass ich den Dienst nicht nutze, aber…. Aber, ich drifte ab. Die Playlist-Macht ist zu groß und sicher ein Monopol, das ganze Finanzgebaren ein undurchsichtiger Dschungel. Hinzu kommt, dass Gründer Daniel Ek in unsicheren Zeiten (s.o.) nicht gerade mit Humanismus glänzt, sondern offensichtlich Militärtechnik mit künstlicher Intelligenz ganz geil findet und 100 Millionen Euro in eine solche Firma steckt. Genügend Gründe also, endlich mal aufzuräumen und ihm die Meinung zu geigen. Oder zu gitarren (als schlechtes Verb verstanden)… Gregor McEwan hat genau das getan und das Lied (To You) CEO Bitch veröffentlicht. Dieses Mal ohne ausufernde Instrumentierung, sondern ganz klar und rein, Stimme und Gesang. Oft braucht es ja gar nicht mehr, um gehört zu werden. Und dies ist hier so leicht, da der Text so herrlich unverschnörkelt im Mittelpunkt steht! Und ab dafür:
20.10.22 Mainz - Schick & Schön (Klein Aber Schick) 21.10.22 Gelsenkirchen - Wohnzimmer GE 22.10.22 Lüneburg - Spätcafé im Glockenhof 05.11.22 Karlsruhe - NUN Kulturraum 07.11.22 CH-Winterthur - Portier (Monomontag) 23.11.22 Berlin - Badehaus 24.11.22 Hamburg - Thalia Theater (Nachtasyl) 25.11.22 Osnabrück - Westfest 2022 w/ Acht Eimer Hühnerherzen 26.11.22 Schermbeck - Aula w/ Andreas Kümmert & Kati von Schwerin 23.01.23 Wesel - JZ Karo 25.01.23 Dortmund - subrosa 26.01.23 Unna - Lindenbrauerei 28.01.23 Schwerin - Speicher 07.07.23 Wolfsburg - Hallenbad
Instrument
(sb) Aus der Asche der großartigen Cosmic Casino stieg dereinst die Band Instrument empor. Googletechnisch ist der Name natürlich nahe am PR-Suizid, musikalisch aber liefert das Trio (wie immer) auf seinem neuen Album Sonic Cure wieder dermaßen ab, dass es kracht. Wo sich zu Beginn der Bandgeschichte doch sehr viele Instrumentals (wen wunderts bei dem Namen?) aneinanderreihten, werden inzwischen gezielt Lyrics eingesetzt, um der Intention Ausdruck zu verleihen. Da passt jeder Ton, die Klangbastler spielen mit Tempowechseln, ausgefuchsten Arrangements und dichten Rhythmusparts. Eine Schande, dass die nicht bekannter sind.
William Fitzsimmons
(sb) Oh, wie sehr ich die Musik von William Fitzsimmons liebe! Nicht, dass der Sound wahnsinnig abwechslungsreich wäre, aber die Art und Weise, wie der Künstler aus Pittsburgh Songs schreibt bzw. interpretiert, macht ihn einzigartig. Wer Fitzsimmons live gesehen hat, der weiß, wie sehr er seine Musik lebt. Gänsehaut ist garantiert. Auf seinem Werk Covers Vol. 1 verleiht der Amerikaner zehn Tracks einen neuen, Fitzsimmons-typischen Anstrich. Ob Elton John, Peter Gabriel, Joy Division, Sufjan Stevens oder Iron & Wine - es berührt, mit welcher Feinfühligkeit der Künstler die Originale anpackt und zu "seinen" Songs macht. Ganz, ganz großartig!
Robocop Kraus
(Ms) Warum es bestimmte Bands bis ganz nach oben schaffen oder zumindest oben anklopfen und größere Hallen füllen, einen späten Slot auf Festivals haben und eine tolle Chartplatzierung erreichen, ist oft großer Zufall. Klar, gute Verbindungen, ein großes Label mit entsprechenden Mitteln kann helfen, aber es ist bei Weitem keine Garantie dazu. Dass Robocop Kraus nicht so erfolgreich sind, ist eigentlich ein reines Rätsel. Denn sie bringen so viel mit, um große Kreise zu ziehen. Zum Einen eine ziemlich markante Stimme, einen sehr geilen Einsatz der Orgel/Synthies und ordentlich Tempo. Dazu gesellt sich ein ganz feines Gespür für geile Hooklines! Nun gut, so ist das nun mal. Seit 1998 existiert diese Band, mal mit und mal ohne Pause und aktuell in frischer, sechsköpfige Besetzung. Nach längerer Abstinenz hab es offensichtlich den Drang, altes Material zu durchforsten. Heraus kam eine stattliche Sammlung von 28 Liedern von EPs oder exklusiven Veröffentlichungen für Compilations beispielsweise. Diese geschichtsträchtige Sammlung wird am 25. November unter dem Titel Why Robocop Kraus Became The Love Of My Life via Tapete Records raus. Das bietet selbstredend nicht nur ordentlich Stoff zum Schwelgen, sondern auch zur Vorbereitung, denn neues Material ist in der Mache und kommendes Jahr geht die Band wieder auf Tour. Alle hin da!
Voodoo Jürgens
(Ms) Was könnten Parameter sein, um Qualität von Musik zu messen? Ich finde, dass das eine ungeheuer schwierige Sache ist. Und nicht nur, weil Musikhören und -bewerten und -empfinden eine äußerst subjektive Sache ist. Also hier auch nur meine eigene Perspektive: Vielseitigkeit finde ich sehr ansprechend. Klar, jede Band hat eine ganz eigene Spielweise, an der man sie wieder erkennen kann. Und dann kommen die Lieder, die das Repertoire bereichern, weil sie eben nicht soo zu dem „normalen“ Material passen. Bei Voodoo Jürgens würde ich behaupten, dass man ihn an seiner derben österreichischen Polkamusik erkennt, die fast immer zum schmunzeln oder tanzen animiert. Am 2. Dezember erscheint mit Wie Die Nocht Noch Jung Wor seine neue Platte. Ein toller Polka-Song kam schon raus und nun ist Federkleid zu hören. Ein ganz anderer Ansatz, ein ganz anderer Ton, ein ganz anderer Text, eine ganz andere Stimmung. Eine Rückschau aufs Leben mit dem, was so bleibt oder bleiben kann. Ein herrlich, traurig-romantisches Lied, das für mich Wandelbarkeit zeigt, phantastisch! Er ist bald wieder auf ausgedehnter Tour. Ich empfehle dringend den Besuch dieser, es wird sich mehr als lohnen - versprochen!
(ms/sb) Am Sonntag wird hier in Niedersachsen gewählt. Und wie schon seit Jahren, Quatsch, Jahrzehnten wird jede Wahl mit der sagenumwobenen Kraft von Wahlplakaten in den Straßen der Städte entschieden! Klar, ein billiges, aber auch irgendwie tolles Thema, um sich aufzuregen. Zwei Plakate haben es mir besonders angetan. Nummer 1 stammt von der CDU mit dem Kracher „Null Toleranz für Clans“. Finde ich drollig, dass die Union offenbar Clankriminalität als große Gefahr wahrnimmt. Oder als großes Thema im Herbst diesen Jahres. Ja, das darf man nicht unterschätzen. Die ganzen kriminellen Vereinigungen. In der katholischen Kirche. Oder am Stammtisch. Oder in der Agrarlobby. Ja, damit haben sie mich - die toleriere ich auch nicht.
Nummer 2 stammt von einer tatsächlich obskuren Partei, von der ich zuvor noch nie hörte, aber mit ihren Slogans sicher den Wahlausgang am Sonntag für sich gewinnen wird. Es handelt sich dabei um die Partei für Gesundheitsforschung. Ja, ja. Drollig. Und nein, hier geht es nicht um Menschen, die wirklich wollen, dass ich gesund bin - weit gefehlt. Sie wollen wirklich (!), dass wir unsterblich werden. Hunderte Jahre alt. Mit fulminanten Forschungsansätzen! Tausende Jahre können wir leben, wenn Alterskrankheiten bekämpft und schlussendlich besiegt werden. Ja, dann mal ran die Zweitstimmen!
Ach ja, mir war bis dato völlig fremd, dass das ein politisches Thema ist…
Ich freue mich schon, wenn Jörg Schönenborn am Sonntag auf Bildschirme drückt!
The Tallest Man On Earth
(sb) Coveralben stehen ja momentan offenbar wieder hoch im Kurs. William Fitzsimmons veröffentlicht demnächst eins (dürfte großartig werden!) und auch The Tallest Man On Earth lässt sich nicht zweimal bitten, wenn es darum geht, bekannten Songs ein neues Gewand zu verpassen. Wobei "bekannt" in diesem Fall - zumindest was mich betrifft - nicht unbedingt zutreffend ist. Von den zehn Tracks kannte ich sieben vorher nicht und just diese sieben gefallen mir besonders gut. Soll ich das nun so interpretieren, dass er die drei bekannten Songs schlechter gemacht hat? Mitnichten! Es ist nur so, dass sowohl In My Life (The Beatles), als auch Lost Highway (Hank Williams) und Blood Bank (Bon Iver) im Original schon so gut sind, dass es schwer ist, da noch was drauf zu setzen.
Um es nochmal klarzustellen: Too Late For Edelweiss ist ein hervorragendes Album ohne Schwächen, dass man sich in einem Rutsch anhören kann, ohne auch nur einmal auf den Gedanken zu kommen, die Skip-Taste zu betätigen.
Live gibts das Ganze dann 2023 zu bestaunen:
30.04. München, Freiheitshalle
01.05. Berlin, Metropol
02.05. Hamburg, Uebel & Gefährlich
Herman Dune
(sb) Es bleibt ruhig, der Protagonist ist aber ein anderer. The Portable Herman Dune Vol. 1 (VÖ: 07.10.) ist eine akustische
Anthologie und der erste von drei Teilen, in denen 22 Jahre Songwriting
offengelegt werden. Intimer gehts kaum und obwohl die Songs klanglich nackt sind, sind sie voller
Emotionen und voller Leben.
Das Album ist roh und geradlinig, die
Songs werden so natürlich gespielt, wie Herman Dune sie geschrieben hat. Seine Stimme
ist nach zwei Jahrzehnten des Singens kiesiger geworden, das verstärkt den ursprünglichen Charakter des Werkes jedoch eindrucksvoll.
Nachdem er zehn Jahre lang nicht auf Tournee war und nur
Solo-Shows in Los Angeles gespielt hatte, nahm der Künstler 39 Songs live in seinem
Studio auf - mit dem Drang, wieder vor unterschiedlichem Publikum zu spielen und
die Welt zu bereisen. Er wählte die Songs aus, die er am meisten spielen wollte
und musste, und erstellte ein Songbook, in das er während der Aufnahmen immer
wieder einsteigen konnte.
Hier gibts den Künstler demnächst zu Sehen und Hören:
19.10. Köln, Die Wohngemeinschaft 20.10. Leipzig, UT Connewitz 21.10. Berlin, Berta 22.10. Erfurt, Franz Mehlhose 23.10. Hamburg, Nachtasyl 21.11. Zürich (CH), El Local
Waving The Guns
(ms) Um auch zwischendurch ein bisschen mitzubekommen, was da draußen so los ist, habe ich mir letztens die App der Tagesschau aufs Telefon geladen, nachdem mir die von der ZEIT zu abgespaced wurde. Dabei finde ich praktisch, dass mit ein paar Schlagworten alles Wichtige mitgeteilt wird. Als letztes kommt immer das Wetter. Aber dann bleibe ich oft völlig paralysiert zurück, weil ich vorher so viel üble Nachrichten gelesen habe. Was tut man damit? Vieles macht mich wütend, zornig. Die Vergabe von Sportgroßereignissen. Der nächste ekelhafte Schachzug aus Moskau. Dass Reiche immer noch nicht zur Kasse gebeten werden. Waving The Guns stehen uns in dieser Situation bei und geben uns eine Coping-Strategie an die Hand, wie wir das alles bewältigen sollen: Schluck es runter und dann Würge Es Hoch. Der Ansatz gefällt mir sehr gut. Eingebettet in einen fetten Beat samt 80er-Synthies haut Millie Dance mal wieder einen raus. Der Track ist nicht auf dem letzten Album drauf, aber es schien ihm so wichtig zu sein, dass er außer der Reihe samt Video seit ein paar Tagen zu hören ist. Stark!
Tim Story & Roedelius aka Lunz
(ms) Dafür möchte ich jetzt schon mal um Entschuldigung bitten: Vielleicht hatte Udo Jürgens ja tatsächlich Recht. Vielleicht fängt mit 66 das Leben so richtig an. Das kann ich noch nicht bestätigen, bis dahin habe ich noch 34 Jahre abzuwarten. Doch jemand, der beispielsweise 88 ist, kann darüber ehrlich urteilen. Und bei Hans Joachim Roedelius kann das echt gut sein. Spät in seinem Leben ging es nochmal richtig ab. Und diese Hochphase hält immer noch an. Am 26. Oktober darf er dieses Schnapszahlenjubiläum feiern und das Labes Groenland Records gratuliert mit einer Wiederveröffentlichung. Bislang hat er solo oder in unterschiedlichsten Konstellationen über 100 Alben veröffentlicht! Was für ein Lebenswerk! Vor zwanzig Jahren bereits hat er mit Tim Story ein Album erstellt (dieses Jahr haben sie bereits auch gemeinsam eins veröffentlicht). Damals haben sie sich gemeinsam den Namen Lunz gegeben. Das gleichnamige Debut wird nun also wieder aufgelegt und das Label verpackt das Geschenk in wunderbares Vinyl! Darauf sind wunderbare, eindringliche, sanfte, dramatische, schöne Klaviermelodien zu hören, die immer wieder auf diverse elektronische Effekte prallen! Sich dem hinzugeben, lohnt einmal mehr. Und: Gratulation!
Clara Luzia
(Ms) Es gibt ein Missverhältnis, glaube ich. Das sieht so aus: Wer in Deutschland ein wenig erfolgreich ist, hat sehr gute Chancen, auch in Österreich einige Shows zu spielen. Anders herum sieht es nicht so aus. Nun die großen Namen aus Österreich herbeizuziehen, ergibt keinen Sinn, denn, dass es immer wieder einige schaffen, liegt in der Natur der Sache. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass natürlich jede Region auch seine eigene Szene hat. Doch einer Musikerin wie Clara Luzia würde ich es so, so, so sehr wünschen, dass sie über die Landesgrenzen Österreichs hinaus bekannt ist. Irgendwas scheint das aber zu verhindern, seltsame Welt. Nun gut. Dann pusht dieser kleine Blog sie eben ein wenig hoch. This Feeling‘s Got No Name heißt ihre neue Single. Der Beat treibt sie ordentlich vor sich her, ist unaufhörlich, pausiert nur ein wenig in der Bridge. Ein Lied, dem der ruhelose Charakter sehr gut anzuhören ist. Markant ist es obendrein, ich finde Clara Luzias Stimme unverkennbar! Das ist ein richtig gutes Stück geworden! Im Januar erscheint ihr neues Album, darauf wird dieser Track wohl als Pianoversion zu hören sein, gut, dass er jetzt schon in pulsierendem Gewandt erschienen ist!
Kobito
(Ms) Ach, Rap. Was bist du nur für ein unglaublich geiles Genre. Irgendwie lief Rap schon immer bei mir. Die meiste Zeit aber irgendwie so nebenbei, halt das, was ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekam. Irgendwann drehten sich aber zwei Spielarten des Rap bei mir immer höher und lauter. Zum Einen ist es die politische Seite wie bei Neonschwarz oder Waving The Guns. Zum Anderen der sogenannte conscious Rap, wie Mädness ihn perfektioniert hat. Er selbst nennt es auch ‚Erwachsenenrap‘, also alles was nicht Battle oder Gangster oder so ein aufgepumptes Zeug ist. Genau dahinein passt auch Kobito perfekt. Sechs Jahre ist es her, dass er sich musikalisch zu Wort gemeldet hat. Die Welt drehte sich weiter, er wurde Vater, eine Pandemie zog (oder zieht?) durch die Welt undundund. Aber Bis Hier lief es doch ganz gut, oder? Genau das ist die Essenz im Refrain und die Strophen wie eh und je einfach nur beeindruckend in Wortdichte, Wortauswahl, Wortkunst. Ein Blick auf Gesellschaft und das persönliche Sein in hörbar aufrechter Form. Wie froh ich bin, dass bald wieder mehr von ihm kommen soll!
Marker Starling
(Ms) Okay, wie also umgehen mit den ganzen Infos, Schreckensnachrichten, Krisen, Nöten? Schneckenhaus wäre eine Möglichkeit, aber die ist schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Selbst aktiv werden in Gesellschaft und Politik ginge auch. Aber da muss man ja auch irgendwie der Typ für sein, oder? Ich bin leidenschaftlicher Freund der großen Pausentaste im Leben. Auch wenn sie manchmal nur für drei, fünf oder sieben Minuten wirkt. Was würde sich da besser anbieten als ganz sanfte, entspannte, leicht unterhaltsame Musik, die nicht aufwühlt, sondern das Gemüt beruhigt?! Eben. Und damit sind wir bei Marker Starling, der neues Material raus bringt. Seit je her schwingen seine Lieder auf extrem entspannte Art und Weise. Und seine neue Single Diamond Violence - das kommende Album wird genauso heißen - macht genau damit weiter. Das schwingt und groovt und ist einfach nur beruhigend. Und unterhaltsam, eine Schweinerei, dass dieser tolle Kurzfilm zum Track bislang noch unter 200 Aufrufe bei YouTube hat. Ändert das mal!
(ms) Editors. Wanda. Björk. Kraftklub. Der Herbst diesen Jahres scheint eine Zeit der großen Bands zu sein, die neue Alben rausbringen. Die Frage ist nur, wie überzeugend sie sind. Welche Aussagen sie haben. Wie viel Drive drin steckt. Wie viel Leidenschaft. Nein, das will ich denen allen nicht absprechen, um Gottes Willen. Doch wenn ich mir den Releaseherbst anschaue, ist da eine Platte, die mich ziemlich schnell begeistert hat. Sie ist so frisch, ja, spritzig. Originell obendrein. Sie hat Drive und Dynamik. Es ist so viel Freude, Ernsthaftigkeit und Passion zu hören. Da steckt so viel hörbare Liebe zur Musik drin, dass dieses Album mich unfassbar schnell überzeugt hat und nicht nur, weil darauf zu hören ist, wie die Sängerin grinst beim Singen. Nein, es geht um so viel mehr auf Laut Und Lost, dem neuen Album von Yasmo und ihrer Band Die Klangkantine. Dass sie mit ihrer tollen Platte nicht die Charts umwerfen, wissen sie selbst. Darum geht es ja auch gar nicht. Es geht um Haltung, Liebe, Aufrichtigkeit, Freude. Hier geben sich Urban Brass, feministisches Empowerment und Poetryslam die Klinke in die Hand.
Wie bitte?! Ja! Die Wienerin Yasmo ist nicht durch Battlerap zum HipHop gekommen. Wobei… Irgendwie ist Poetryslam ja auch Battle. Nur nicht so vulgär. Viel feiner halt. Und vom feinen Wort zum fetten Bass ist es nun mal nicht so weit und so ist das bereits das dritte Album, das sie diesen Freitag (7. Oktober) veröffentlicht. 12 wunderbare Lieder stecken auf Laut Und Lost. Vielseitig im Klang, abwechslungsreich in den Themen. So, dass diese Platte ein wunderbar kurzweiliges Hörerlebnis ist, das nachwirkt. Ja, das geht.
Und das liegt vor allem in der Klarheit des Vorgetragenen. Es ist cool, eindringlich und kommt von Herzen. Beispielsweise, wenn sie auf Rich darüber singt, dass Care-Arbeit immer noch nicht anerkannt, geschweige denn entlohnt wird. Da niemand dafür dankt, es keinen gesellschaftlichen Ausgleich gibt, bleibt nichts anderes übrig, als stark, aufrecht und verbündet zu sein. Ja, gemeinsam stark sein mit erhobenem Haupt! Ja, viele Lieder sind ein fettes feministisches Manifest. Vielleicht braucht es den wummernden Bläsersound, damit in den männlichen Köpfen das Mein Nein endlich mal durchdringt. Wir Typen haben kein Recht darauf, andere einfach anzufassen. Punkt. Nein heißt Nein - hier sogar zum tanzen!
90 Kind wiederum ist die coolste Art der Nostalgie, die ich je gehört habe. Hier geht es nicht darum, dass etwas von früher vermisst wird, um es wieder zu haben. Es war halt anders. Und es war echt cool, eine super Zeit zwischen Mini Playback Show und Prince Of Bel Air. Und dieser smoothe Beat nimmt dem Thema endlich mal einen bescheuerten Samstagabend-TV-Blödel-Charakter. Auf keinen Fall möchte ich die Jahre meiner Kindheit zurück haben, toll war sie dennoch. Beides geht.
Am besten gefällt mir, wie druckvoll, mit heftig satten Beats ihre Forderungen vorgetragen werden. Block ist auf der einen Seite eine unumkehrbare Ansage ans Tanzen. Auf der anderen Seite gibt es nicht nur männliche Idioten, die weibliche Neins im analogen Leben überhören, sondern die ihren Kreuzzug im Internet fortführen. Yasmo blockt die toxischen Typen mit einem überirdischen Song. Richtig so!
Thema Musik aus Österreich: Vielen Bands ist es ja enorm anzuhören, woher sie kommen. Yasmo nicht. Sie könnte genauso aus Frankfurt oder Hamburg kommen. Doch auf Haut verrät sie sich. Auf diesem bockstarken Track nutzt sie das Wort ‚leiwand‘. Offensichtlich eine Vokabel, die gepusht wird. Oder, Voodoo Jürgens und Marco Pogo?
Sehr gut gefällt mir ihre Smartphone-Kritik auf Cheese. Dabei geht es ja noch nicht mal darum, dass wir viel zu viel an der kleinen Mattscheibe kleben, sondern dass es dabei meistens auch nur um einen selbst geht. Gefallen-wollen des Individuums auf bilderlastigen Plattforen um jeden Preis. Was für ein Quatsch…
Und dann kommt Denk An Dich. Bam! Was für ein wunderschönes Lied. Aufdrehen, aufdrehen, aufdrehen. Bitte. Wie sie hier mit lieben Worten umgeht, ist beeindruckend. Es hört sich so unglaublich leicht an. Was für eine irre Hymne auf Freundschaft. Auch auf solche, die auf Distanz aufrecht gehalten wird. Nein, es ist kein romantisches Liebeslied. Es ist viel tiefer. Und da steckt etwas in ihrer Stimme, das mir sagt, dass es ihr ungeheuer wichtig ist, diese Zeilen zu singen. Aufrichtigkeit, Eindringlichkeit, Ehrlichkeit. Wow!
Auf dieser großartigen Platte stecken noch mehr Tracks, die mich umwerfen, umhauen, begeistern, berauschen. Die Kombination aus dem poppigen Urban Brass und Rap ist musikalisch schon ungeheuer stark. Obendrauf ihre fulminanten, überzeugenden, aufrechten, starken Texte. Wie sehr wünsche ich ihr angemessenen Erfolg mit diesem wundervollen Album! Auch wenn Freiburg und München auf der kommenden Tour die nördlichsten Haltestellen sind: Hin da! Und vielleicht kommt die wunderbare Yasmo mit ihrer energiegeladenen Klangkantine kommendes Jahr noch ein wenig weiter! Ich bin sofort da!