Mittwoch, 25. Dezember 2024

KW 52, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikipedia.org
(Sb/ms) Es ist Weihnachten - wie wunderbar! Diese Ausgabe des kleinen musikalischen Updates sollte schon längst erschienen sein. Doch bei allem Glanz, das das Weihnachtsfest mit sich bringt, gab es vorher so viele andere Dinge zu tun, dass es einfach nicht möglich war. Aber egal. Das Krippenspiel war großartig, das Raclette in übertriebenem Maße sättigend, Geschenke wunderbar und überraschend, die Menschen gut drauf, der Glühwein mit der richtigen Temperatur versehen. Klar, weiß ist es nicht, aber darum geht es ja an Weihnachten auch nicht. Vielen Dank an einige treue Lesende, dass ein Blog im Jahr 2024 noch gelesen wird, wobei das unglaublich anachronistisch ist. Egal, hier wird immer weitergeschrieben. Aus Liebe zur Musik!

Houndshark
(Ms) Als ob die Realität manchmal nicht schon anstrengend genug ist, kommt dann noch solche Musik um die Ecke. Mein erster Impuls, als ich Pilotfish zum ersten Mal hörte: Ich mache direkt wieder aus. Aber dieses Stück ist so rasant und vielschichtig, dass ich dran blieb. Zum Glück wurde es dann auch weniger anstrengend, nimmt an Zugänglichkeit und sogar an Schönheit massiv zu. Verantwortlich dafür ist Paul Schacht, der sich für sein neues Projekt den Namen Houndshark gegeben hat. Für diese Single hat er sich gesangliche Unterstützung von Rubee Fegan hinzugeholt, die bei Dumbo Tracks‘ letztem Album schon so brilliert hat! Pilotfish also. Es fällt mir gar keine Referenz ein, wilde Gitarren, sehr variables Schlagzeug, markante Stimme, Saxophon oben drauf. Krawallig, schwer zu bändigen, mit einem tollen Kern in der Mitte. Wuchtig! Im neuen Jahr soll mehr davon kommen. Ich bin äußerst gespannt, da diese eine Single schon viel Potential mit sich bringt!



You, Infinite
(Ms) Diese Zeilen schreibe ich am Mittag des 25. Dezember. Gestern war abwechslungsreich, wuselig aber auch mit Zauber versehen. Heute ist Ruhe. Doch die nächsten Tage werden es nochmal in sich haben mit Begegnungen und Austausch. Alle wunderbar, alles ganz großartige Menschen, aber ich merke, wie ich immer mehr Zeit für mich brauche. Auszeiten. Einkehr. Zu oft nehme ich Idiot dann doch das Handy in die Hand, wo eh meist nicht so viel passiert. Und dann ist mir die Musik von You, Infinite über den Weg gelaufen. Zum Glück. Das ist nämlich genau das, was ich brauche, ohne es vorher gewusst zu haben. Die Band, die im Wesentlichen aus Mitgliedern von This Will Destroy You besteht, hat erst einen Track veröffentlicht. Doch Throughlines bestricht durch absolute Schönheit. Das Lied ist instrumental, getragen von wuchtigen, aber oft auch leisen Gitarren und erhebt sich im zweiten Teil wie ein Phönix aus der Asche und strahlt über alles Dunkle. Der Song ist sehr breit aufgestellt, strahlt viel Ruhe aus und bezeugt, dass hier, nach dem Ende der Vorgängerband, Ideen zusammenkommen, die ganz groß werden können. Das der Band gleichnamige Album erscheint am 28. Februar und könnte sehr wirkmächtig werden!


Chris Imler
(Ms) Die Kreise, die die Musik zieht - ich liebe sie! Heute am Beispiel von Chris Imler. Mitte des Monats sah ich Oum Shatt live in Bremen und es war großartig! So genau kenne ich die Band gar nicht, aber live war es überragend. M., mit dem ich unter anderem da war, fragte zwischendurch: Kennst du den Drummer, Chris Imler? Ich: Nö. Er: Das ist ne richtige Legende im Berliner Musikzirkus. Ich: Okay!
Tatsächlich war sein Schlagzeugspiel zu großem Maße verantwortlich dafür, dass Oum Shatts Musik live so funktioniert. Zu Hause wurde ich dann schnell darauf aufmerksam, dass er am 28. Februar sein neues Album The Internet Will Break My Heart veröffentlichen wird, zu dessen Titeltrack es bereits ein Video gibt (s.u.). Musikalisch ist er in einem experimentellen Feld des Post-Krautrock angesiedelt, so würde ich das jetzt einfach mal labeln. Insbesondere die elektronischen Elemente sind bestechend, tragend oder zum Tanzen animierend. Und vor allem: Unberechenbar und unvorhersehbar! Diese Platte könnte also ein ziemliches Feuerwerk an Überraschungen, Rhythmen und wahren Aussagen sein. Dieser Track ist textlich genau das, was wir derzeit brauchen:


Robert Scott Thompson
(Ms) Die gruseligsten Vorweihnachtsmomente waren letztens beim Einkaufen im Supermarkt und auf dem Weihnachtsmarkt. Dieses Gedränge und diese Fülle an Menschen… das muss doch nicht sein. Ansonsten ist diese Zeit gerade privat recht entspannt. Ein paar schöne Ausflüge, ein paar Abmachungen, sich nichts zu schenken, ausreichend leckere Sachen, um sich tagelang den Bauch voll zu stopfen. Mir gefällt das. Doch ich kann die ganze Hektik sehr gut verstehen. Die ganzen Tage sind voll, viele ganz liebe Menschen wollen getroffen werden. Die Vorfreude auf die Entspannung nach den ganzen gesellschaftlichen Events danach ist fast noch größer als das Beisammensein.
Woher Ruhe bekommen? Ein Gang durch den Wald. Ein gutes Buch. Das doofe Handy weg legen. Und die richtige Musik. Die bietet unter anderem Robert Scott Thompson mit seiner neuen Platte Hiraeth, die er im November veröffentlichte und damit auch für den deutschen Elektronik-Preis Schallwelle nominiert ist. Es ist ganz breitflächige Ambient-Musik, Field-Aufnahmen, klassische Elemente, elektronische und akustische Instrumente wechseln sich ab, legen sich übereinander. Es ist super ruhig, der Puls sinkt schnell in angenehme Tiefen, die zehn Tracks spannen sich über gut 80 Minuten. Was für eine wunderschöne Auszeit!


Shirley Holmes
(Ms) Wut steht auf der Stelle und bekommt Schaum vorm Mund. Der Zorn ist die treibende Kraft. So oder ähnlich hat es Georg Schramm einmal geäußert. Die Attitüde ist ziemlich Punk, muss ich sagen. Schaut man sich ein bezahlbares Leben an, kann der Zorn schnell anschwellen. Die schönen, attraktiven Straßenzüge in den größeren Innenstädten werden erneuert, aufpoliert und teuer verscherbelt. Die, die immer schon dort wohnten, können es sich nicht mehr leisten. Aber wohin?! In die Peripherie oder gar aufs Land?! Ein scheinheiliges Angebot. Man möchte doch dort leben, wo alles erreichbar ist: Job, Freunde, Einkaufsmöglichkeiten, Wohlgefühl. Dieses Thema ist nicht neu aber es birgt ungemein viel Sprengkraft. Das Berliner Trio Shirley Holmes hat genau darüber ihre neue Single geschrieben. Koks Oder Käse ist die Frage, wenn die Bagger anrollen. Der Zorn ist in ihrem Punk deutlich spürbar und angebracht. Mehr davon gibt es auf ihrer neuen Platte Mein Bestes Selbst, das am 14. Februar erscheint!

 
Casper
(sb) Heimspiel: Live in Bielefeld! Casper versammelt auf seinem Live-Album zahlreiche namhafte Kolleginnen und Kollegen um sich, um sein Best Of auf die Bühne zu bringen. Drangsal, Provinz, Lena, Lea und Thees Uhlmann bringen zusammen mit Benjamin Griffey himself die Bielefelder Alm zum Beben und beweisen eindrucksvoll, wieso Casper sich in den vergangenen Jahren an der Spitze der deutschen Musikszene festgesetzt hat. Jedes einzelne Album bietet Höhepunkte, versteckte Schätze und textliche Perlen, kaum einem Künstler gelingt es, durch seine persönlichen Texte einen ähnlich warmen Mantel über seine Zuhörer auszubreiten. Auch live gelingt dem 42-Jährigen dieses Kunststück bestens, die Aufnahme ist zudem klanglich top und transportiert die Atmosphäre authentisch aus dem Fußballstadion in den heimischen Gehörgang. So nah als wär man da quasi. Bei der Songauswahl trifft Casper größtenteils auch ins Schwarze, wobei ich es wirklich schade finde, dass er im Wohnzimmer ausgerechnet auf die Arminia-Hymne "Eines Tages" verzichtete. Klagen auf hohem Niveau. Kaufen. Es ist Weihnachten.


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