Dienstag, 17. Dezember 2024

Live in Hamburg: Tristan Brusch

Foto: luserlounge
(Ms) Ist er der letzte große Chansonnier? Oder der erste einer gänzlich neuen Generation von Musik und Text? Ist das Pop? Ist das der Rest? Ist das der Wahn?

Das, was Tristan Brusch künstlerisch darbietet, ist in jedem Fall sehr viel. Sehr umfangreich. Enorm intensiv. Mitunter auch verstörend. Aber vor allem ist das sehr, sehr gut. Allzu oft tritt er gar nicht auf. Hier und da ein paar Tourblöcke und der letzte zum aktuellen Album Am Wahn ging am Wochenende in Berlin und Hamburg zu Ende. Die Elbe ist nicht so weit weg, also ein ideales Ziel für ein Wochenendtrip!

Tristan Brusch also. Ohne ihm zu nahe treten zu wollen - er sieht ja schon etwas gruselig aus. Doch das Leopardenhemd stand ihm unglaublich gut. Doch fangen wir vorne an. Oder eher: außen. Am Samstag spielte er im Gruenspan. Ja, schon an der Großen Freiheit gelegen, aber der große Rummel liegt auf der anderen Straßenseite. Vielleicht ist der Gruenspan die schönste Konzertlocation, in der ich in den letzten Jahren war. Der geschichtsträchtige Ort ist hoch, toll gestaltet mit seinen Säulen und dem Oberrang (der an dem Abend aber geschlossen war). Berühmt war der Ort immer schon für seine Akustik. Das sollte sich auch am Samstagabend bemerkbar machen.

Recht früh, um viertel vor acht betrat Tristan Brusch ganz allein die Bühne, nahm die Akustikgitarre und versetzte die gut 500 Leute (amateurhaft geschätzt) ins Staunen. Oder in einen Schockzustand. Je nach dem… Ab diesem Zeitpunkt verströmten zwei Parameter einen ungeheuren Zauber: Seine Texte und seine Stimme. Die Texte sind enorm breit gefächert, kommen ohne viele Worte aus. Die, die da sind, sind aber extrem pointiert, erzeugen sofort eine Situation und verschiedenste Gefühle. Staunen, Schrecken, Glück. Seine Stimme, ein tiefer Bariton, weiß der Künstler genau einzusetzen! Nur wenige Male holte er die ganze Kraft aus ihr hervor. Doch in diesen Sekunden herrschte absolute Stille - das war enorm einnehmend, phantastisch! 
Sein Konzert war wirklich sehr kunstvoll. Das machte auch die Instrumentierung des Abends klar. Es fehlte: Ein Schlagzeug. Es gab kein klassisches Rhythmusinstrument, keine Percussion. Dafür zauberten seine drei Mitmusiker aus ihren Instrumenten aber die höchsten Töne. Was hat Tristan Brusch ein Glück, so eine niveauvolle Band zu haben! Sie spielen Kontrabass, Saxophon, Keyboard, Querflöte, Bassklarinette. Zu viert stellten sie ein kleines Kammerorchester dar. Der Clou: Der Rhythmus wurde reihum gegeben. Prädestiniert dazu ist in dieser Auswahl natürlich der Bass. Doch bei einem Stück hat auch das Saxophon den Takt vorgegeben. Das ist musikalisch absolut genial und sehr kenntnisreich arrangiert! Hier ließ sich große Kunst genießen und bestaunen!
Tristan Brusch ist aber auch Entertainer. Nicht alle Lieder sind schauderhaft, traurig oder tragisch. Es steckt mitunter auch Leichtigkeit, Witz und Nahbarkeit darin (Baggersee, Theo, Seifenblasen Platzen Nie). Auch ein Stück, das er zusammen mit Oehl geschrieben hat, sang er an dem Abend. Sie haben sogar ein Album aufgenommen, ich hoffe sehr, dass es irgendwann noch erscheinen wird.

Sehr gut kann ich verstehen, dass Tristan Brusch immer wieder in bestuhlten Hallen auftritt. Im Nachhinein hätte ich mir das auch gewünscht. Ja, das Publikum war schon sehr aufmerksam, aber es wurde schon etwas getuschelt. Sitzend, in einem Theater, wäre das sicher noch weniger geworden. Stille im Publikum, das hätte ich mir gewünscht. Das würde der Musik vorne noch mehr Kraft verleihen. Aber klar, wer mitsingen will, singt mit. Ist ja auch gut so,

So bleibt ein großartiger Konzertabend voller tragischer, schauriger, trauriger, toller, großartig getexteter Lieder und einem enormen musikalischen Niveau auf der Bühne!

PS: Ja, es gab auch einen Support. Das war Siggi. Sehr sympathisch, aber musikalisch wird bei mir nichts haften bleiben.

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