Freitag, 23. Februar 2024

Klez.e - Erregung

Foto: Andreas Hornoff
(Ms) An anderen Stellen wird sicher ein richtig guter und vor allem kenntnisreicher Vergleich zwischen Klez.e und The Cure gezogen, der auf jeden Fall sinnig ist, weil die Parallelen so offensichtlich und auch gewollt sind. Da ich mich mit The Cure aber wirklich gar nicht auskenne - und aus Faulheitsgründen mich nun nicht einlesen und -hören möchte - spielt dieser Punkt in diesem Text keine Rolle. Oder fast keine, denn der Sound von Robert Smith und Co. ist mir schon bekannt, aber tatsächlich auch nur ein paar bekannte Singles.
Dieser Text stellt den Versuch dar, sich mit dem neuen Album Erregung von Klez.e völlig isoliert zu beschäftigen, da ich es genauso kennengelernt habe. Und die Platte mich genau so in den Bann zog und darin auf zauberhafte Weise festhält!

Derzeit erscheint vermehrt Post-Rock oder New oder Dark Wave auf Deutsch. Ich finde, dass das eine ganz spannende Entwicklung ist. Vieles davon spricht mich gar nicht an. Aber wenn darin viel Dichte und viel Drang verpackt ist, bin ich sofort am Start. Das aktuelle Voodoo Beach-Album zum Beispiel hat mich richtig begeistert.
Die Band Klez.e habe ich bisher nur optisch wahrgenommen, mit diesem Punkt im Wort - das finde ich gut! Tobias Siebert hingegen ist mir eher ein Begriff. Länger schon. Nicht nur als Produzent unter anderem von Marcus Wiebusch und Enno Bunger lief er mir über den Weg, sondern hauptsächlich mit seinem großartigen Solo-Projekt And The Golden Choir. Wie auf Erregung taucht da ab und an das Cembalo auf - was für ein phantastischer Sound! Vor Jahren sah ich ihn mal als Vorprogramm von Anna von Hausswolff, was für eine irre Kombination der Dunkelheit! Ja, das Düstere und Verborgene ist Programm. Musikalisch und Textlich.

Genau das ist wohl der wichtigste Punkt dieser Platte - der Text. Denn die Musik gibt es ehrlicherweise gesagt auch wo anders zu hören (s.o.). Sie ist gut und auch packend, aber sticht halt nicht so sehr heraus. Das tun hingegen an so, so vielen Stellen die Verse, die Tobias Siebert hier verfasst hat. Mich persönlich begeistert dabei die schöne Verwobenheit von Persönlichem und Gesellschaftspolitischem, denn diese beiden Bereiche hängen ja massiv miteinander zusammen und leuchten oft ganz deutlich hier heraus. In den Zeilen steckt ganz viel lyrische Finesse, wie ich sie auf Deutsch selten erlebt habe. Es ist kein klassisches Storytelling und auch die Liebeslieder überzeugen durch ihren überbordenden Kitsch, anstatt direkt das Herz mit einer Geschichte zu berühren.

Erregung also. Mit dem gleichnamigen Titel beginnt dieses Werk. Und der Start hat es in sich. Das stärkste, tiefste, kräftigste Lied direkt am Anfang. Heikle Taktik. Aber sie geht auf. Ausgedruckt streckt sich der Text über eine DIN A4-Seite, nur vereinzelte Reime sind darin zu finden. Tobias Siebert singt, erzählt hier eine ganz starke Coming Of Age-Geschichte. Der Track ist ein Kampf übers Nichtdazugehören und eine Befreiung aus diesen Fesseln. Es ist düster, erschreckend, lyrisch ganz große Klasse, weil es dicht, konkret und unmissverständlich ist. Nicht nur die Zeilen strotzen vor überstandener Angst, auch Sieberts Stimme durchdringt ein Überstandenhaben in der Retrospektive. Sieben Minuten sind das, sieben enorm starke Minuten, die insbesondere im Songwriting ihresgleichen suchen!
Generell: Es sind nur acht Lieder auf dieser Platte enthalten. Doch genau das ist richtig. Wenn es auch zig mehr Demos und Ideen gab, so ist hier das Beste, das Rundeste drauf zu finden! Ja, aufbauend ist das bislang nicht, mit Verpassen geht es ebenso niederschmetternd weiter. Ein Lied über den Versuch einer Liebe mit der erschütternden Einsicht, dass selbst alle guten Versuche, dieses Puzzle zusammen zu setzen, vergebens waren und die suchenden Hände leider kein Äquivalent finden.
Und dann kommt es, das Cembalo! Auf Herbstherz ein ganz wichtiges Element, das die Musik ungemein bereichert. Denn - wie gesagt - genial ist das bislang musikalisch nicht, die Klänge untermauern die Themen, aber sie ist eben auch woanders zu hören. Einzelne Zeilen finde ich ganz faszinierend auf diesem Lied: „Und wir hatten Sex nach dem dritten GaGong, mit LED-Kerzen über uns, im goldenen Wandhalter.“ Doch verstehen tue ich kein Wort. Ich glaube, ich bin zu blöd für dieses Lied, mag aber den Sound sehr! Wie oft Siebert am Ende auf Mr Dead & Mrs Free „Ich will nur dich“ singt, perlt der Kitsch aus den Kopfhörern, aber es ist so wunderschön, so eine tolle Ballade im weitesten Sinne, die von einem herrlich treibenden Bass dominiert wird. Das ist so catchy, ich bin Fan!
Richtig packend ist der Text von Wie Schön Du Bist. Es ist der reine Rausch, die pure Begierde und die Sehnsüchte beim Spüren des Anderen mit der zwischenzeitlichen Frage „Kann ich das so sagen?“. Egal, wenn die Frage aufploppt und dringend ist, dann soll sie raus. Es ist kein rosarotes Liebeslied, aber ein Manifest auf ein kompromissloses Verlangen.

Ja, die Zeilen auf diesem Werk - diese Bezeichnung verdienen die acht Stücke alle Male - sind eine Herausforderung. Weil sie so fein, so lyrisch, so persönlich sind. Sicher hat Tobias Siebert hier auch eigene Erlebnisse verarbeitet. Einige Stücke erklingen wie der stream of consciousness, ungefilterte Erregungen, Ideen, Empfindungen. So klar wie einige Lieder sind, so schwer zu packen sind die anderen. Doch genau das finde ich sehr reizvoll. Da ich keine Lust dazu habe, mir darüber den Kopf zu zermartern, sehe ich viele Verse als lyrischen Selbstwert an, die Schönheit der Sprache, der Worte. So is Erregung ein ganz schönes Spektakel. Insgesamt ganz schön düster. Ganz schön gut!

14.03.24 Köln, Club Subway
15.03.24 Göttingen, Exil
17.03.24 Frankfurt, Ponyhof
19.03.24 Berlin, Berghain Kantine
20.03.24 Dresden, Ostpol
21.03.24 Nürnberg, Club Stereo
22.03.24 Ulm, Gold
23.03.24 München, Milla
26.03.24 Jena, Trafo
27.03.24 Hamburg, Hafenklang
28.03.24 Bremen, Lila Eule


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