Freitag, 18. Februar 2022

KW 7, 2022: Die luserlounge selektiert

Quelle: soft-skills.com
(ms/sb) Den Kotzreiz konnte ich letztens beim Gang durch die Stadt kaum unterdrücken. Plakatwerbung ist ja eine heikle Angelegenheit. Sie kann geschickt, dämlich oder ekelhaft sein. In die letzte Kategorie stolperte ich in der jüngsten Vergangenheit öfter. Da wurde mir ein Lebensgefühl suggeriert, das ich mit dem Besuch eines Fitnessstudios erlangen könnte. Das ist an sich ja schon komplett bescheuert. Ich habe nichts gegen Sport, ich fahre gerne Rennrad (wenn es heile ist) und kann dem eine Menge abgewinnen. Doch von den großen Plakaten blickten von oben herab schöne und extrem durchtrainierte junge Menschen auf mich hinab. Sie lächelten nicht mal. Um Spaß kann es dabei also kaum gehen. Es wird noch viel perfider. Mit einer Hantel in der Hand und der zur Schau gestellten Bauchmuskulatur riefen sie mir von den Häuserwänden hinab: Be proud! Boxen würde ich sie dafür. Einem Körperkult hinterher zu eifern soll mich also stolz machen, ja? Völlig gleichförmig durch die Welt huschen? In großen Hallen mit anderen Gehirngewaschenen schwitzen soll mich stolz machen? Natürlich kann es froh machen, ein paar Kilo runter trainiert zu haben, aber so möchte ich nicht aussehen. Und stolz sein? Auf gute Freundschaften bin ich das. Ende.

Hier ist die Lebensberatung in Fragen guter Musik, die luserlounge. Wir garantieren guten Geschmack:

Bipolar Feminin
(ms) Ha! Es hat den Anschein, als ob McFit in Österreich die selbe Werbung schalten würde. Es wäre ein Indiz für den neuen Track von Bipolar Feminin. Nicht nur diese Werbung stieß mir letztens bitter auf, sondern auch ein kleiner Text von Andreas Altmann. Ich verehre ihn für seine bedingungslose Sucht nach purem Leben, auch wenn er provokant und aneckend ist. Doch seine Einstellung, den Körper mit allen Mitteln zu triezen um bloß nicht anzudicken, fand ich schändlich. Fett. So heißt das neue Lied des Quartetts. Nach Süß Lächelnd kommt der nächste aussagestarke Song daher, der eine ungeheure Lust auf ihre EP in mir generiert. Piccolo Family erscheint am 1. April und könnte super stark werden! Ich glaube, mich selten so auf eine EP gefreut zu haben. Fett also. Es geht nicht nur um Body Positivity, sondern auch darum, sich gern zu haben. So einfach kann es auch sein. Glücklich sein und sich von all den selbstoptimierenden Vollidioten gar nichts vorschreiben lassen! Basta!


Korn
(ms) Letztens fand ich mich in einem sehr guten Gespräch wieder. Es ging darum, welche Musik einen denn geprägt habe. Natürlich ist es viel Indierock, doch so richtig im Britpop war ich nie eingetaucht. Viele Bands (The Strokes, The Wombats, Oasis, Maximo Park, ...) habe ich nie gehört. Nicht aus Ablehnung, sondern aus Zeitgründen. Es gab immer viel daneben. Viel Rap, eine wilde Zeit des Mittelalterrock oder halt Hardrock und Metal. Korn zum Beispiel. Höre ich seit Jahren sehr, sehr gern. Wie Jonathan Davis singt, ist beeindruckend. Ich mag ihren Bass und den teils krank-genialen Sound der frühen Alben. Leider kann man der Band seit ein paar Jahren dabei beobachten, wie sie versucht entweder etwas ganz Neues zu schaffen oder sich wieder auf ihre Wurzeln zu besinnen. Beides geht nur so halb auf. Völlig überrascht war ich, dass sie vor Kurzem ein neues Album namens Requiem veröffentlicht haben. Nichts von mitbekommen. Aber halt auch echt nichts verpasst. Natürlich: Es gibt immer noch beeindruckende Texte aus Davis' Innenleben, aber der Sound stagniert komplett. Ich kann das Album kaum zu Ende hören, weil sie mich langweilt. Schade. Dann lieber Follow The Leader!


Juli Gilde
(ms) Wirklich gute deutschsprachige Popmusik ist ein rares Gut. Leider ist der Markt seit vielen Jahren durch fürs Radio aufgepustete SängerInnen geflutet, die Texte vorgesetzt bekommen, die sie dann trällern und damit Erfolg garantieren. Für die Perlen sind oft die Augenwinkel nicht scharf genug eingestellt. Wenn wir mit unserem kleinen Blog da einen Beitrag leisten können, ist viel gewonnen. Wenn heute die 4-Lieder-EP French Bookwood erscheint, sollten alle Ohren weit aufgehen. Und wenn die Ohren mit dem Herzen verbunden sind, sollte es Juli Gilde ganz leicht haben, dort zu bleiben. Alter sollte bei Musik ja keine Rolle spielen, aber sie ist erst 19 und schreibt irre Texte voller Weitsicht, Tiefe, Empathie mit musikalisch-spielerischem Witz und Leichtigkeit. Was hab ich denn mit 19 gemacht?! Puh, da will ich gar nicht im Gedächtnis kramen. Kein Wunder, dass sie im letzten Jahr bereits Vorprogramm von Die Höchste Eisenbahn war. Ihre wahre Stärke beruht darin Bilder zu schaffen, die sehr nahbar sind. Bei vielen KünstlerInnen ist es sperrig, Juli Gilde macht es im besten Sinne ganz leicht. Wer knapp eine Viertelstunde hörenden Urlaub buchen möchte, ist hier an genau der richtigen Adresse! Große Empfehlung! 


Yasmo & Die Klangkantine
(ms) Lesend neue Musik entdecken. Und das nicht mal in einem Musikmagazin, auf einem Blog (haha) oder in sozialen Medien. Sondern in einem Buch. Mit der Zeit merke ich erst, wie stark Awesome HipHop Humans bei mir nachhallt. Den Text, der mich darin direkt am stärksten angesprochen hat, hat Yasmo geschrieben. Über ihren bedingungslosen und harten Weg von der Schule über Poetry Slams hin zur Musik. Nicht nur ihr Beitrag war super gut geschrieben, sondern sie hält dieses enorme Niveau auch in ihrer Musik. Die augenöffnend und unterhaltsam sein kann. Kritisch und feiernd. Und nun gibt es wieder Neues zu hören, yeah! Mit ihrer Band Die Klangkantine schrieb sie viel Brass-Sound, das neue Stück Alle ist nun ziemlich feiner, schnörkelloser Rap - stark! Am meisten mag ich ihre deutliche (nicht überdeutliche) Aussprache. Nicht gewöhnlich im Rap. Dadurch wird (mir) klar: Ihr ist ihre Aussage wirklich wichtig! Wirklich! Wenn man dann genau hinhört, ist sofort klar, wie weitsichtig sie textet. Nicht umsonst ist sie eine der umtriebigsten Protagonistinnen der österreichischen Musiklandschaft. Ich drücke ihr die Daumen, dass ihre Strahlkraft weit, weit leuchtet. Dieser Song dürfte für sich stehen:


Assasun
(ms) Ein Jahr müssen Plattenfirmen und Bands derzeit darauf warten, dass ihr Auftrag in einer Vinyl-Fabrik bearbeitet und ausgeliefert werden kann. Irre Wartezeiten. Klar, es gibt kaum neue Geräte, die diesen Stau entlasten können. Auf der anderen Seite finde ich die Meldung aber auch gut: offensichtlich boomt der Vinyl-Markt! Einen viel direkteren Weg an die Hörenden eröffnet sich, wenn man Band und Label in einer Person ist. Alex Donat ist das. Und super umtriebig. Keine Ahnung, wie viele Projekte aktuell bei ihm laufen. Mit Assasun ist nun ein Neues hinzugekommen. Ich frage mich dann vorher immer: Wieso? Höre ich die Musik, weiß ich Bescheid. Es passt halt nicht zu Vlimmer, Fir Cone Children, Whole oder Distance Dealer. Hier geht es wesentlich elektronischer zur Sache. Irgendwo zwischen Gameboy-Sounds und 80er Dark Wave und experimenteller Popmusik bewegt er sich dieses Mal. Ein Element bleibt jedoch gleich: Die verzerrte Stimme ist vielleicht so etwas wie sein Leitmotiv. Vier Tracks sind auf der EP The World I Will Leave zu hören. Insbesondere The Art of Ignorance bleibt durch den Druck, das Tempo und die tanzbare Düsternis haften. Super starkes Ding! Eine musikalische Reise zurück in die Zukunft gewissermaßen! Ab geht's:

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