Sonntag, 2. Oktober 2022

Live in Frankfurt: Placebo

Foto: luserlounge
(Ms) Oh, weh! Wo soll man nach so einem Abend eigentlich anfangen? Am besten bei den äußeren Bedingungen: Nachdem diverse Konzerte von Placebo im Sommer und Herbst nicht stattfinden konnten - unterschiedliche Ursachen liegen dem zugrunde - begann am Samstag ihre Europa-Tour in Frankfurt. Der entsprechend große Veranstaltungsort, die Festhalle, liegt im Dunstkreis der Messe, also einem eher unpersönlichen Ort, der aber selbstredend viele Menschen fassen muss. Das Fassungsvermögen liegt bei über 13.000 Menschen, ganz so viele waren am Samstag nicht da, aber es war wirklich gut besucht. Was mehr als nachvollziehbar ist. Die Band, die im Kern nur noch das Duo von Brian Molko und Stefan Olsdal bildet, ist seit fast 30 Jahren aktiv, eine der großen spielenden Rockbands mit unverkennbarem Sound. Überraschend stark ist ihre aktuelle Platte Never Let Me Go, die dieses Jahr erscheinen ist. Also: Hin da!


Meine Vorfreude war sehr groß. Erst ein Mal habe ich die Band live gesehen, vor ein paar Jahren beim Deichbrand Festival. Seit unzähligen Jahren höre und verfolge ich sie. Placebo ist für mich eine Gruppe, die ich in Phasen höre. Das geht nicht immer. Der Sound ist so dicht, der Klang so unverkennbar eigen, dass es abgeschlossene Räume und Zeiten geben muss, um sich dem vollkommen hinzugeben. Stichwort Erwartungen: Was soll auch groß bei einem Konzert dieser Band schief gehen? Brian Molko kann mit seiner ganzen Person tausende Menschen in den Bann ziehen, die endlosen guten Lieder bieten zahlreiche Möglichkeiten toller Setlisten für so einen Abend und wenn dann noch der Klang in der Halle passt, steht dem Staunen nichts im Wege.

Tja. Dem war leider nicht so. Im Vorhinein war es schon schwer, an einzelne Informationen zu kommen. Überall habe ich gesucht, wer Vorband sein sollte, wusste ich erst, als ich sie gesehen habe. Echo Machine aus Schottland haben Indierock klassischer Art hingelegt. Ein netter Auftritt, der aber nicht in Erinnerung bleiben wird. Was bei der Platzsuche und dem erfolgreichen Fund klar wurde: Oberrang ist vielleicht ganz geil. Wir standen derart weit vorne, dass auch ein Blick hinter die Kulissen möglich war: Spannend! 
Die Schotten gingen, es wurde umgebaut. Olsdals und Molkos Fußpedale und Elektronik nah an den Bühnenrand, mit ein paar Metern Abstand ein kleines Podest für die unterstützenden MusikerInnen an Keyboards, Gitarre, Bass, Violine, Schlagzeug. Vielleicht waren das die einzigen vier Menschen auf der Bühne, die Spaß hatten an dem, was sie taten. 

Licht aus. Forever Chemicals an. Geil, dachte ich, der perfekte Start. Ein enorm druckvolles Lied, das den Auftakt in einen grandiosen Abend hätte versprechen können. Tat es leider nicht. Und nun kommen wir zu den Gründen. Leider war der Sound, nicht nur auf dem Oberrang, nicht fein genug. Das muss bei dieser Band schon sein, auch bei dieser Größenordnung, sonst gehen zu viele wichtige Details verloren. Der Klang war nicht nur etwas breiig, sondern auch viel zu laut. Erdrückend und nicht mehr im genüsslichen Rahmen. Der nächste Punkt ist die Liederauswahl. Klar, es mag arrogant sein, dies und das zu fordern. Aber muss eine Band nicht auch ein wenig liefern? Every You, Every Me. Special K. Black Eyed. This Picture. Special Needs. Meds. All diese Lieder haben sie nicht gespielt. Das fand ich schon enorm. Enorm schade. Dass der Fokus auf den neueren Sachen liegt, ist ja klar. Dafür ist so eine Tour ja da. Aber es fehlten in meinen Ohren einige Kracher. In die gleiche, vielleicht arrogante Interpretation geht auch: Vor ein paar Wochen haben sie Shout von Tears For Fears gecovert. Klar, ein tolles Lied. Sie spielten es auch als erste Zugabe. Aber was soll das denn?! Sie haben es einfach nur nachgespielt. Bei einer Gruppe mit dieser Geschichte und diesem eigenen Sound erwarte ich einfach mehr, als dass einfach nur nachgespielt wird. Enttäuschend unkreativ. Das war der zweite Punkt. Es ist einfach übel, wenn man auf ein paar Lieder wartet, von denen man erwarten darf, dass sie gespielt werden. Der dritte Punkt: Die Art des Auftritts. Ja, Placebo ist schon stark auf Brian Molko zugeschnitten und es ist auch bekannt, dass er oft nicht oder nur ganz wenig mit dem Publikum interagiert. So auch am Samstag. Es kam keine Ansage, kein Danke, gar nichts. Das ist okay für mich. Aber was noch viel gravierender war: Es war ihm und Stefan Olsdal auch überhaupt nicht anzumerken, in irgendeiner Art Freude an dem Abend gehabt zu haben. Eine nichtssagende Körpersprache, kaum Mimik und ebenso wenig Dynamik zwischen den Leuten auf der Bühne. Als ob sie einfach nur da waren, ihr Programm runterspielten, also ihren Part des Abend abgearbeitet haben und dann wieder fuhren. Das war der Eindruck. Keine Passion. Kein Herz. Ein nüchterner, distanzierter Auftritt, der ebenso unpersönlich war wie die Halle, in der er stattgefunden hat. Was für eine Enttäuschung. Leider.

PS: Nein, ich rede jetzt hier nichts schön, sondern schildere Dinge, die von vor der Bühne nicht zu sehen sind oder nicht zu sehen sein sollen. Vom Oberrang vorne war das aber kein Problem. So gibt es eine Person, die den ganzen Abend ausschließlich dafür zuständig ist, das Kabel von Molkos Gitarre auf leichter Spannung zu halten, so dass er sich nicht verheddert. Stefan Olsdal hat oder braucht so jemanden nicht. Außerdem gab es alleine vier Leute, die nur zum Stimmen der Gitarren engagiert sind. Einer für Molko, einer für Olsdal, zwei für die Tourband. Eine Frau saß neben der Bühne und es hatte den Anschein, dass sie den Text mitliest, wie eine Souffleuse. Bei den Abgängen (vor und nach den Zugaben) wurde Brian Molko mal direkt der Mantel angezogen, mal eine brennende Zigarette in die Hand gedrückt. Ja, er ist ein Star, ja, er ist eine Diva, ja, das ist auch ein bisschen geil.

1 Kommentar:

  1. Meine erste Placebo-Platte hatte ich mit 12 - das ist 24 Jahre her - und seitdem war ich bei ca. 20 Konzerten von ihnen. Ich versteh dich so gut. Sie haben Phasen - gute und schlechte. Und mir ist aufgefallen: Wenn mir der Rahmen und die Location nicht so gefallen hat, war das Konzert genauso, wie du beschrieben hast. In anderen Settings waren sie hingegen magisch-grandios. Gib ihnen irgendwann nochmal eine Chance, es lohnt sich.

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