Freitag, 25. März 2022

KW 12, 2022: Die luserlounge selekiert

Bild: android-developers.googleblog.com
(ms/sb) Frühlingszeit ist Pollenzeit und das nervt, wenn die blöden, kleinen Dinger den Körper ärgern. Also, logisch: Ab zur Apotheke und die kleinen Helferchen für die Alltagsbewältigung in die Tasche packen. Die große Frage bei diesem irren Shoppingerlebnis ist jedoch: In welche Filiale gehe ich?! Und damit meine ich nicht, wo der Service besonders gut und umsichtig ist. Fahre ich durch die Ausläufer der Stadt oder gehe durch ihre Mitte, falle ich ja alle fünfzig Meter in eine Apotheke. Warum, zur Hölle?! Warum gibt es derart viele Apotheken? In der Stadt, in der ich arbeite, sind es innen - ohne Scherz - auf 150 Metern drei Läden! In Zahlen: 3, in Worten: DREI! Wieso?! Wenn da drei H&M, McDonalds, Douglas, Thalia, Nordsee, dm oder sonst was wäre, würden die Kommentarspalten der lokalen Presse üppig gefüllt sein. Über Apotheken habe ich das noch nicht gelesen. Reingehen, Kram kaufen, raus gehen. Mehr machen Menschen dort nicht. Wie im Buchhandel oder bei Klamotten. Plus Beratung wie überall sonst auch. Und wieso tragen die eigentlich weiß? Da bekomme ich schon wieder die Krise, rege mich auf, der Kopf läuft heiß, die Fäuste ballen sich, der Herzschlag pumpt, Gallensteine bilden sich, ich glaube ich muss zur... 
Aber jetzt mal echt: W A R U M?

Medizinische Hilfe haben wir aber auch in petto. In Form von Seelenheil durch Musik. Klingt zu pathetisch? Da gibt's sicher was von... der luserlounge!

Dödelhaie
(sb) Die Dödelhaie aus Duisburg feiern dieses Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum. Ergo: Die Herrschaften sind nicht mehr die Allerfrischesten, aber wen stört das schon? Die Pioniere des Deutschpunks sind noch immer aktiv und veröffentlichen am 22.04. ihr neues Album Linksextreme Hassmusik. Man kann nun natürlich sagen, dass das nach alten Männern klingt, die der Jugend nachhängen und sich nicht weiterentwickelt haben. Oder aber - und dazu tendiere ich ganz stark - man verweist darauf, dass sich die Band treu bleibt und ihre Stärken, die sie seit jeher auszeichnen, auch auf dem neuen Werk zelebrieren. Klar, das klingt mitunter ein wenig aus der Zeit gefallen und fast schon zu oldschool. Aber so fucking what? Die Dödelhaie brauchen nun wahrlich nichts mehr beweisen! Die Vinyl-Ausgabe kommt übrigens mit Download-Code und sehr innovativem Brettspiel daher.
 
 
Peter Doherty & Frédéric Lo
(sb) Ein zusätzliches "r" im Vorname, eine Ehe, ein Umzug nach Frankreich, keine Drogen mehr und ein gesetteltes Leben - Herr Doherty hat sich neu erfunden und das steht im verdammt gut. Musikalisch ist vom rotzigen Libertines-Sound nichts mehr übrig, der Künstler ist erwachsen geworden, seine Musik reifer. Die neuen Tracks sind voller Herzenswärme, pendeln zwischen folkig schlicht und Indie-Pop mit großen Streicherarrangements. Zusammen mit dem französischen Musiker Frédéric Lo hat Peter Doherty ein Werk geschaffen, das überrascht, wärmt und begeistert. The Fantasy Life Of Poetry And Crime (VÖ: 18.03.) ist ein großartiges Album, das sich zurecht in diversen Jahrescharts wiederfinden wird und das man unbedingt gehört haben sollte, auch wenn - und gerade dann! - man Doherty nicht mag. Songs wie Invictus oder Keeping Me On File haben das Zeug zum Klassiker. Ganz, ganz stark!
 
 
Jóhann Jóhannsson
(ms) Die Frage nach Genregrenzen lässt mich einfach nicht los. Zum Einen möchte ich sie gerne überwinden, auf der anderen Seite sind es nach wie vor hilfreiche Begriffe zur Einordnung. Beim Stöbern im Plattenladen oder dem Kennenlernen von Neuem bleibt es (für mich) unumgänglich. Für den leider viel zu früh, mi 48, verstorbenen Jóhann Jóhanssons ist Klassik oder Neo-Klassik der erste Begriff der einfallen mag. Und in dem 'Neo' steckt für mich der Hinweis zum Pop. Im wörtlichsten Sinne für populär. Erfolg hatte Jóhansson glücklicherweise noch einige Jahre zu Lebzeiten! Denn wenn klassische Musik bei Filmen verwendet wird, bekommt sie aus meiner Sicht automatisch einen popkulurellen Anstrich. Das is bei Jóhansson definitiv der Fall! Nun ist wenige Jahre nach seinem Tod erstmals das Oratorium Drone Mass zu hören. Er selbst hat es mehrere Male live dargeboten, aber nie aufgenommen, das hat Paul Hillier als Dirigent nun übernommen. Eingespielt hat er es mit dem American Contemporary Music Ensemble (ACME) und der Vokalgruppe Theatre Of Voices. Knapp 50 Minuten entführt uns diese Musik in eine gänzlich andere Welt. Eine wahnsinnig schöne Welt! Die jedoch sändig vor einer Bedrohung steht. Diese Bedrohung steckt im Namen, das Drohnen, eine beinahe permanente Vibration, die dem fast textlosen, aber im Vokalsingen breiten Gesang unterliegt. Es is mystisch, religiös, aufregend und beruhigend zugleich. In jedem Fall weich, wunderschön und trösend. Also ideal für diese verrückte Zeit!


Laut Fragen
(ms) Die oben erwähnten Apotheken sind oft in den Innenstädten zu finden. Die bilden ja ein trauriges Dasein. Ununterscheidbar reihen sie sich aneinander. Alles dasselbe, trostlos, langweilig, schwer und müde. Die vorherrschende Farbe, klar: Grau. Alles zubetoniert in Zeiten, wo PlanerInnen mal dachten, dass das fresh ist. Oder einfach schnell und billig ging. Diesem Thema hat sich nun das Wiener Duo Laut Fragen gewidmet. Grau (Viva Beton) heißt ihr neues Stück. Der Pressetext bezeichnet sie als Post Punk. Von der Einstellung her schon, klanglich passt das (für mich) nicht. Das is Avantgarde. Und bevor das hier einen pseudointellektuellen Überbau bekommt, geht es mir um die wortwörtliche Seite: Vorweg gehen. Was Maren Rahmann und Didi Disko machen geht weit voraus, befindet sich zwischen Geschichte, Lysik, Kunst, Musik und Politik. Davon zeugen nicht nur vertonte Zeilen von Ingeborg Bachmann oder fast vergessene Dichtkunst aus dem Widerstand während des Nazi-Regimes, sondern auch dieses Stück. Es oszilliert zwischen Wahn, religiösem Eifer und Sinnentleerung durch die Wiederholung, dass alles, alles, alles grau, grau, grau ist. Dazu gesellt sich ein Performance-theaterartiges Video, wo im Refrain wilde BetonanbeterInnen ihrem mystischen Eifer verfallen. Große, gelungene Kunst auf einer Orgelwalzermelodie!


Muff Potter
(ms) Es hat etwas gefehlt. Und ich bin nun richtig gemein und sage, dass es nicht zwingend diese Band ist. Dafür kenne ich mich mit der Musik, den Alben und Liedern von Muff Potter viel zu wenig aus. Auch ihre Tragweite kann ich nicht einordnen, da sie nie wirklich auf meinem Radar waren, weiß der liebe Gott wieso... Das was gefehlt hat, war ein Sound in der deuschsprachigen Gitarrenrockmusik. Ein dringlicher, satter, wenig verkopfter, energiegeladener Klang, der recht kompromisslos und kräftig ist. Dafür stand die Band immer schon mit ihrem Namen, so viel weiß ich. Als ich nun Ich Will Nicht Mehr Mein Sklave Sein hörte, riss es mich direkt ab der ersten Sekunde mit. Derartigen Klang habe ich lange, lange nicht gehört und er wusste sofort zu gefallen. Direkt, schnörkellos. Es ist nicht nur der Sound, sondern auch ein sehr kluger Text, der zwischen Individuum und seltsamem Alltagsdruck aus der Gesellschaft pendelt. Wir liefern uns gewaltig blöden Aufgaben und unbegreifbaren Konventionen aus, die uns zermürben. Schluss damit. Dabei Nagels herrlich, leicht rauchige Stimme. Und dann muss ich mich doch korrigieren: Diese Band hat offensichtlich gefehlt!
Nach den ersten Konzerten in den letzten Jahren nach der Auflösung 2009, kommt dieses Jahr, was kommen muss: Ein neues Album! Bei Aller Liebe erscheint am 22. August und könnte ziemlich gut werden. Live gibt es das dann selbstredend auch:

05.10.2022 Köln, Gloria Theater
06.10.2022 Wiesbaden, Schlachthof
07.10.2022 Jena, Kassablanca
14.10.2022 Hamburg, Uebel & Gefährlich
15.10.2022 Berlin, Festsaal Kreuzberg
02.11.2022 Leipzig, Conne Island
03.11.2022 Nürnberg, Z-Bau
04.11.2022 München, Freiheiz
05.11.2022 AT-Wien, Flex
09.11.2022 Saarbrücken, Garage
10.11.2022 Düsseldorf, Zakk
11.11.2022 Münster, Skaters Palace
12.11.2022 Bremen, Schlachthof


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