Mittwoch, 23. März 2022

Placebo - Never Let Me Go

Foto: Mads Perch
(ms) Fazit: Wow! Das muss direkt am Anfang stehen, dass diese Platte wirklich ordentlich reinknallt! Damit war aus meiner Warte überhaupt nicht zu rechnen. Dazu möchte ich zwei Gründe aufführen. Nummer 1: Placebo machen seit sehr, sehr vielen Jahren Musik. Da müssen sie einem nichts mehr beweisen. Überspitzt gesagt hätte dieses Album in dieser Wucht gar nicht sein müssen. Dass sie es trotzdem mit scheinbarer Leichtigkeit machen, erstaunt mich zutiefst. Andere Bands, die derart lang und erfolgreich unterwegs sind, agieren anders. Placebo zeigen einfach mit Never Let Me Go, dass sie es immer noch verdammt gut können und es allen zeigen! Bäm! Grund Nummer 2: Als vor einigen Wochen Beautiful James als erste Single raus kam, entstand Grund Nummer 1. Ich dachte mir: "Ja, ein poppiger Placebo-Song, das ist schon okay, aber halt nicht Special K!" Gut, dass auf diesem Werk ausreichend Lieder enthalten sind, die die Band von einer ganz anderen, frischen, mutigen, ihrer charakteristischsten Seite zeigen! Fazit: Wow!

14 Sekunden braucht die Platte nur, um mir den Atem zu rauben. Diese unsagbar stark verzerrten Gitarren kombiniert mit den brachialen Percussions und einer satten Portion Bass! Bäm! Forever Chemicals ist ein Start nach Maß! Und eines ist ja hoffentlich logisch: Wie klar, stark und unverkennbar Brian Molko (immer noch) singt, macht mich ganz weich! Ein Lied, das ich immer lauter stelle, je länger es läuft! Wenn er einem dann wieder Zeilen für die Ewigkeit zusingt! Gut, dass besagte erste Single direkt an zweiter Stelle kommt. Nicht, dass es dann abgehakt ist, aber dann ist schlicht mehr Zeit für die anderen Meisterwerke! Denn dann kommt Hugz! Wieder treibende typisch verstimmte Gitarren, rasch Gesag oben drauf und nach wenigen Takten hat dieses rauschhafte Lied komplett Fahrt aufgenommen! Die kleinen Pausen werden ausschließlich dazu genutzt, um dann wieder dort weiterzumachen, wo angefangen wurde: voran, voran, temporeich, voller Dynamik und nach einer Minute und fünfzig Sekunden wird alles noch wenige Töne nach unten gestimmt und mir bleibt fast das Herz stehen! Ein Track wie ein irrer, drogenummantelter Rausch durch einem beengten Tunnel!

Happy Birthday In The Sky nimmt ein wenig das Tempo raus. Das ist auch eine sehr gute Idee. Erstmal durchatmen. Diese Phase währt nicht lange, zeigt aber in heller Schönheit, dass die Band sowohl ein Händchen für die Eskalation als auch für sanfte Melodien hat. Hier zeigen sie, wie Songwriting auch funktionieren kann: Mit vielen, klug eingesetzten Elementen, die sich sachte aufeinander legen. Was mir seit jeher bei Placebo so unsagbar gut gefällt, dass sie Kitsch perfekt kontrolliert einsetzen können. Wenn bei The Prodigal zu Beginn großflächig die Streicher erklingen, ist das saugut und sauschön gemacht! Und wenn Brian Molko mit dem Zauber seiner Stimme davon erzählt, wie er die Welt verlassen wird, erlöst ist (was später aufgelöst wird), dann bin ich mir ganz unsicher, ob mir die Tränen kommen sollen oder in mir eine Woge der Berührung sich breit macht. Oder beides?!
Dann die nächste Single Surrounded By Spies. Ein Lied, das mir langsam, kräftiger werdend, mit Samtthandschuhen bestückt die Kehle zuschnürt. Gerne gebe ich mich dem hin, lass mich in die Ohnmacht fallen. Ein Song der inhaltlich ganz, ganz stark zwischen Individuum und großer Politik oszilliert. Es ist ein typisch für die Band sich entwickelnder Track, quasi mit dem Küchengeheimnis zubereitet, das seit 26 Jahren zurecht die Gehörgänge verzückt! 

Foto: Mads Perch
Auch Try Better Next Time war schon vorher zu hören, geht in eine ähnlich poppige Nummer wie der schöne James. Das geht problemlos in den Gehörgang, aber auch schnell wieder von dort hinaus. Bevor ich die Band das erste (und bislang leider einzige) Mal vor einigen Jahren auf einem Festival sah, bestand sie noch offiziell aus einem Trio. Mittlerweile sind Brian Molko und Stefan Olsdal als Duo das Gesicht der Band. Doch wie viele Leute brauchen sie, um diesen Sound auf die Bühne zu bekommen? Fünf, sechs zusätzliche Menschen müssen es schon sein. Gut zu hören ist diese Notwendigkeit auf Sad White Reggae, wo sie mal wieder schön mit elektronischen Elementen spielen! Ein Lied, das sich ganz hervorragend in dieses Album einfügt!

Zugegebenermaßen knallt die Platte zum Ende hin nicht mehr so außerweltlich wie vorher. Das ist aber nicht wild. So kann man ein wenig mehr auf den Text achten. Und ohne viel vorweg zu nehmen lohnt sich das insbesondere bei This Is What You Wanted. Irgendwo her hat Brian Molko ja ein irres Talent die düsteren Seiten des menschlichen Wesens ins sehr treffende Worte zu fassen!

Es ist kaum zu glauben, dass Loud Like Love neun Jahre her ist! Enorm! Die Zwischenzeit haben sie offensichtlich perfekt genutzt, um eine irre Scheibe rauszuhauen! Und ja, das letzte Drittel der Platte ist in meinen Ohren nicht mehr so überzeugend wie vorher. Dort liegt die Messlatte allerdings auch jenseits von Gut und Böse! Schwamm drüber, dass die Platte ein wenig austüdelt. Fazit: Wow!

Live wird das dann im Herbst knallen:

01.10. Frankfurt, Festhalle
04.10. Stuttgart, Schleyerhalle
06.10. Berlin, Mercedes Benz Arena
19.10. Leipzig, Quarterback Immobilien Arena
22.10. Hamburg, Barclaycard Arena
26.10. München, Olympiahalle
29.10. Zürich, Samsung Hall
02.11. Wien, Stadthalle
07.11. Köln, Lanxess Arena

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