(Ms) Entschuldigung, kleiner Vogel. Es tut mir richtig doll leid. Ich hab es einfach nicht gesehen. Dein Nest, das da unter den ganzen anderen Ästen lag. So fein und detailliert gewebt. So dicht und doch so ungeheuer leicht. Das habe ich gar nicht vermutet, dass dein Nest so leicht ist. Aber du bist sicher auch ein kleiner Spatz oder eine Meise oder ein Zaunkönig. Einer der vielen flinken Vögel, die hier durch den Garten fliegen, sich etwas zu essen holen und dann weitersausen. Oder halt kleine Äste für das Nest suchen, um es für den Nachwuchs zu bauen. Drei Eier lagen darin. Oval und wunderschön blau. Sie waren so groß wie meine Daumenkuppe. Ganz zart und fein. Die Äste, die über deinem Nest waren, wollte ich häckseln, da sie da eigentlich nicht am richtigen Ort liegen, aber sie lagen da so lang, dass du es dir heimisch gemacht hast. Jetzt sind zwei Eier kaputt gegangen und es tut mir so leid. Das letzte habe ich zurück in dein Nest gelegt. Du hast es sicherlich schon gesehen. Schaffst du es noch, dich darum zu kümmern oder ist der Schaden zu groß?! Immerhin habe ich dir ja dein Dach kaputt gemacht. Ach, Mensch. Ach, Vogel. Beim nächsten Mal passe ich besser auf, ich verspreche es dir.
(Ms) Recht hatte ich. Erst Anfang des Jahres hat Alex Donat mit seinem Projekt Vlimmer die Single Mauerkipp veröffentlicht. Da meinte ich, dass er griffiger geworden sei. Vlimmer war (in meinen Ohren) lange ein recht brutales Projekt, das derbe und fast überbordend war. Nun wird die Musik langsam nahbarer ohne ihren Kern zu verlieren. Nun ist das Lied Lichtbruch zu hören (nebenbei muss ich mich als absoluten Fan der Titelgebungen seiner Tracks outen, ich mag dieses Konkrete und doch Verzerrte). Lichtbruch ist noch mehr 80er als fast alles, was Alex vorher gemacht hat. Die Stimme ist viel klarer zu hören und der Track hat wahnsinnig viel Ohrwurmcharakter - auch ein Faktor, den ich so bei Vlimmer vorher nicht unbedingt sah, weil zu komplex. Ich behaupte sogar, dass Donat noch nie so tanzbar war wie auf diesem Stück. Der Beweis folgt direkt mit der dazugehörigen B-Seite. Mal wieder ist es ein Cover, an das er sich heranwagt. Was könnte tanzbarer als Under Pressure sein?! Eben! Und das sogar auf Deutsch! Ist Alex Donat gerade auf dem Höhepunkt seines Schaffens?! Wenn ja, dann soll er möglichst lang dort bleiben!
Michèl von Wussow
(Ms) Klingt mega nach Schauspieler, oder? Oder Politiker. Aber dass Michèl von Wussow die Gitarre schweißtreibend bearbeitet und sich dabei singend vollkommen verausgabt, darauf gibt der Name keinen Hinweis. Und das ist zum Glück ja auch gut so. Der Hamburger ist gerade mal 28 Jahre alt und veröffentlicht bald sein zweites Album! Am 23. August erscheint Traum B und graphisch finde ich den Titel auf dem Cover richtig gut dargestellt, denn dort steht Trauma, das a durchgestrichen und das B daneben gesetzt. Clever! Es gibt ja richtig viel neue Indierockmusik auf Deutsch, aber da ist auch viel krasser Schrott dabei, der ein paar Hirnwindungen zu viel genommen hat. Die Musik von Michèl von Wussow ist geradeaus. Direkt aus dem Herz ins Mirko auf die Platte. Die aktuelle Single trägt den gleichen Titel wie die Platte und zeugt vom menschlichen Urinstinkt, nicht aufzugeben, einen guten Plan in der Hinterhand zu haben, und halt den durchzuziehen, wenn der erste nichts war. Das kling mal wieder so lapidar, aber ich finde es wahnsinnig wichtig, so zu denken. Ein großes Glück, dass er es so eindringlich singt, insbesondere bei diesem Livemitschnitt:
26.10. Rostock, Helgas Stadtpalast
27.10. Berlin, Frannz Club
29.10. Leipzig, Neues Schauspiel
30.10. München, Milla
01.11. Dortmund, Junkyard
02.11. Köln, Gebäude 9
03.11. Trier, Mergener Hof
04.11. Frankfurt am Main, Nachtleben
06.11. Münster, Sputnik Café
07.11. Hannover, Musikzentrum
08.11. Bremen, Tower
09.11. Braunschweig, Eule XO
10.11. Hamburg, Bahnhof Pauli
DIIV
(Ms) Erst vor ein oder zwei Jahren wurde mir klar, dass ich Fan des Genres Shoegaze bin. Aber nur, weil ich zu dem Zeitpunkt endlich mal durchgelesen habe, was das eigentlich bedeuten soll in diesem wilden Wirrwarr an Genrebegrifflichkeiten. Den Begriff als solchen finde ich auch total bescheuert, aber das, was sich dahinter verbirgt, spricht mich sehr an. Diese großflächigen Gitarrensounds, die dicht, aber manchmal auch ganz schön langsam sind und dennoch viel Energie erzeugen. Solch Musik spielen auch DIIV und seit letzter Woche ist ihr neues Album Frog In Boiling Water erschienen. Brutaler Name, aber sehr guter Hintergedanke: Schmeißt man das Tier in kochendes Wasser, wird es zappelnd raus wollen. Legt man den Frosch jedoch in lauwarmes und erhitzt das ganze, erstarrt das Tier und ergibt sich dem Hitzetod. Eine Metapher auf unsere Gesellschaft: finanziell, wirtschaftlich, sozial und vor allem vom Zusammengehörigkeitsgefühl. Denn daran schrauben ja einige rechte Parteien. Sind wir schon der Frosch und es wird langsam wärmer?! Möglich, oder? Lange Rede, kurzer Sinn: DIIVs neues Album ist eine Sammlung an Zuständen. Und dadurch, dass die Musik so schwelgerisch ist, saugt sie einen sofort ein. Mich zumindest. Starke Platte!
AB Syndrom
(Ms) Den hab ich gar nicht wiedererkannt. Bennet hat keine kurzen knallorangenen Haare mehr?! Was soll das denn, das sah so unglaublich gut aus. Doch die Optik steht natürlich nicht im Fokus, wenn es um AB Syndrom geht. Da geht es um die wahnsinnig guten Lieder und die schwer zu beschreibende Musik. Ja, es ist Pop. Ja, es ist irgendwie Avantgarde. Ja, es ist irgendwie Elekctro. Ja, es ist ganz schön gut! Kennengelernt habe ich das Duo, als sie mit Mine Spiegelbild gedichtet haben. Durch einen herrlichen Zufall sah ich die Band vor ein, zwei Jahren in Oldenburg und es war richtig, richtig gut! Sehr minimalistisch, sehr dicht, sehr nah. Denn die absolute Aufgeschlossenheit und Offenheit in den Texten sind seit jeher ein Markenzeichen des Duos. Blindflug heißt die neue Single, die sie zusammen mit Trille geschrieben haben. Darin beschreiben sie die Angst, mit der Musik nicht genug zu sein, sich selbst und anderen gegenüber - das tolle Video macht das sehr eindrücklich. Es soll auch ein neues Album geben. Haltet diese Band auf dem Radar!!!
Joep Beving & Maarten Vos
(Ms) Ein Schnuppen im Wald. Ein Klavier. Ein Cello. Zwei Typen. Ein paar Effekt- und Aufnahmegeräte. Ruhe und Abgeschiedenheit. Zeit für Konzentration und Arbeit. Stille, um dem Kopf das zu entlocken, was er eventuell im Rausch des Alltags nicht konkretisieren kann. Genau an diesen Ort, im Wald, haben sich Joep Beving und Maarten Vos zurück gezogen, um gemeinsam zu musizieren. Das hatten sie schon länger vor, nun haben sie es endlich geschafft und am 19. Juli erscheint Vision Of Cotentment auf Nils Frahms Label LEITER. Joep Beving ist ja eh ein Vertreter der ganz reduzierten Klaviermusik, durchaus melancholisch aber mit ganz viel Liebe im Kern. So soll auch sein erstes Album klingen, das er mit einem anderen Musiker aufnimmt. Maarten Vos, seines Zeichens Cellist, hat schon viel kooperiert und so bringen beide das Beste mit, um eine wohl ganz phantastische Platte zu veröffentlichen. Eine Single ist schon zu hören. 02:07 ist leise und weich. Bei den ersten Malen, als ich das Stück hörte, schob sich ein Gefühl der Melancholie in den Vordergrund. Doch dann habe ich versucht, beim Hören an etwas Wachsendes zu denken. Einen kleinen Baum, ein Sprössling, eine der Pflanzen im Garten. Und schon strahlte das Lied ganz anders - ein toller Effekt. Mehr davon dann auf der ganzen Platte, ich freue mich sehr!
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