Puh, spannende Fragen, oder?
Ja, finde ich schon. In meiner kleinen Welt hat Musik immer etwas mit klanglichen Ideen zu tun. Länge oder Lautstärke spielen keine Rolle. Vielleicht hat auch Intention etwas damit zu tun. Oder gibt es Musik, die keine Bedeutung aus Interpretensicht hat?! Ich kann es mir kaum vorstellen.
Warum die ganzen Fragen ohne Antworten?! Am 28. Juni (heute!!!) erscheint das neue Album von Conny Frischauf. Es heißt Kenne Keine Töne und der Titel ist zu einem kleinen Teil der Platte auch Programm. Nein, hier wird Musik nicht an seine Grenzen gebracht. Aber es gibt ein paar Stellen, die diese Thematik streifen. Die Wiener Musikerin hat vor drei Jahren auf Bureau B Die Drift veröffentlicht und mich zumindest ganz schön in Ekstase versetzt. Meine Anknüpfungspunkte mit elektronischer Musik waren bis dato rar gesät. Doch diese Platte hat an meiner Hörgewohnheit viel geändert. Im Laufe der Zeit öffnete ich mich älterer und neuer Spielart von Krautrock und der ganzen elektronischen Spielart, die damit zusammenhängt. Sehr tanzbar, manchmal ein bisschen schräg, aber im Grunde griffig und immer wieder auch sehr, sehr schön!
Drei Jahre sind nun vergangen, bis der Nachfolger zu haben ist. 16 Stücke sind auf 40 Minuten Spielzeit verteilt. Daraus lässt sich ja schon ablesen, dass zumindest einige Stücke sehr kurz sind. Insbesondere diese kurzen Stücke sind spannend, wenn es um die Grenzen oder das Wesen von Musik geht. Das krasseste Beispiel ist wohl Zwei Minuten. Zwischen vielen elektronischen, herrlich schwingenden Stücken herrscht hier Stille. 120 Sekunden lang. Ist das Musik? Schwer zu sagen. Clever ist es alle Male. Als Pause muss es nicht gedacht sein, denn Kenne Keine Töne ist nicht anstrengend. Aber an vielen Stellen komplex. Denn Conny Frischauf nutzt nicht nur Sythies und allerhand elektronisches Gerät. Sondern auch Querflöte, Klatschgeräusche, Naturaufnahmen und immer wieder sehr gekonnt ihre eigene Stimme. Auf M zum Beispiel. 54 Sekunden lang summt, spricht, dreht, dehnt sie das Wort müssen so stark, dass es aberwitzig erscheint. Ist das Musik?! Gute Frage. Auch auf der Interlude wird nur ein wenig getrommelt. Dididi Dadada hat - wenig verwunderlich bei dem Titel - auch keinen wirklichen Text. Aber den braucht die Musik ja auch nicht. Es gibt also zahlreiche Takte, Töne, Melodien, die zumindest kurz innehalten lassen. Und vielleicht ist genau das der Plan dahinter. Je weiter weg ein Stück von den normalen Hörgewohnheiten ist, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt es ja. Clever ist es alle Male.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele andere Stücke, die etwas normaler (?) sind. Nordwestwind ist eine wunderbare Momentaufnahme aus dem Wiener Sommer. Bisschen Träumen ist genau das, was der Titel verspricht. Töne spielen langsam und sehr entspannt hin und her, bleiben kurz hängen und lüften auf ganz angenehme Weise kurz das Hirn. Auch hier lässt es sich wieder wunderbar innehalten, ganz ohne Worte. Auch Röte braucht kein gesprochenes oder gesungenes Wort. Das übernimmt an dieser Stelle die Querflöte. Selten war dieses Instrument so tanzbar! Richtig viel Groove steckt auch in Aller Wege (Zwölf), das mag ich immer lauter und lauter drehen und ich stelle mir die Frage, ob sie ernsthaft immer wieder fuck singt oder es nur danach klingt.
„Der Mund bewegt die Worte nur“, singt sie am Ende auf Test. Vielleicht der Schlüssel zum Album?! Wer weiß… Selten hat mich eine Platte sowohl zum Nachdenken über Musik an sich angeregt und gleichzeitig so gut unterhalten. Es gibt auch noch einige Instrumentalstücke, die herrlich durchs Weltall wabern und einfach nur gut tun. Kenne Keine Töne ist faszinierend. Wunderschön und aneckend zugleich. In jedem Fall ist es Kunst und sehr clevere Musik!
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