Sonntag, 14. Januar 2024

Live in Bremen: Steam Down

Foto: luserlounge
(Ms) Was ist Jazz? Was ist Grime? Was braucht es, um sich fallen zu lassen? Und wie wichtig ist es, den Flow zu spüren? Gibt es ein Rezept, um gänzlich unbekannte Musik besser aufzunehmen? Ein paar Fragen zum Livemusikhören.

Die Club-Reihe des Kleinen Hauses vom Bremer Theater ist eine sehr gute Adresse für Musik, die sonst wenig Raum bekommt, etwas nischig ist oder ein eher spezielles Publikum anzieht. Speziell nicht im Sinne von „die sind alle verrückt“, sondern mit besonderem musikalischen Augenmerk. Dort spielen in regelmäßigen Abständen Bands, die früher mal sicher unter den seltsamen Sammelbegriff Weltmusik gefallen sind. Was das sein sollte?! Vielleicht der verzweifelte Versuch, Jazziges, Bluesiges, Experimentelles abseits des Pop zu klassifizieren.
Dabei ist das alles wesentlich freier, als man es in einen Begriff zwängen könnte. Zum Beispiel die Musik von Steam Down, die gestern dort gespielt haben. Vor ausverkaufter Kulisse! Also doch nicht so nischig?! Freunde brachten den Stein ins Rollen und dann kam logischerweise der Gedanke: Klar, kenne ich nicht, bin ich dabei! Die Beschreibung des Londoner Kollektivs las sich hervorragend nach Tanzen, Rausch und musikalischer Klasse. Das - so viel sei vorweg genommen - haben die fünf Herren an ihrem einzigen Deutschland-Gig auch über gut 100 Minuten bewiesen!
Sie spielten Jazz. Unter anderem. Das war immer in den sehr freien, verspielten Phasen zwischendurch zu hören. In all der Improvisation, in den Momenten, wo sie selbst kaum fassen konnten, wie gut ihre Kollegen eben wieder abgeliefert haben. Egal ob am Bass, am Schlagzeug, Klavier, Saxophon oder Gesang. Sie spielen (wohl) auch Grime. Ein Genre, das mir bei Sibylle Berg zum ersten Mal unterkam. Eine wütende Musikrichtung. Das wurde direkt klar, als die Energie energischer wurde, dichter, mitunter verzweifelter. Aber es war auch ein spirituelles Ereignis. Kopf der Band ist Ahnanse, der sang, Sopran- und Tenorsaxophon spielte. Er wünschte sich, dass die Dynamik von der Bühne mit dem Publikum verschmolz. Dass ein gemeinsames Erlebnis stattfindet, das aufbaut und bestärkt. 
Genau dieser Punkt fiel mir persönlich gestern Abend wahnsinnig schwer und ich bin auf Ursachenforschung. Der Funke, der zweifelsohne auf der Bühne loderte, sprang nicht auf mich über. Folgender Vermutung herrscht momentan vor: Mir fehlte eine längere Zeit des Flows, des Rausches, der mich dann elektrisiert und eintauschen lässt. Innerhalb vieler Stücke gab es ganz starke, freie Phasen zum Eintauchen. Vielleicht hätten sie länger sein müssen, damit sie bei mir ankommen und wirken. Aber das kann ich mir nicht aussuchen. So blieb ich etwas verloren an einem Abend, der auf hohem musikalischen Niveau ablieferte, an dem ein Quintett aus London, das gerade mal eine EP veröffentlicht hat, viele Menschen mitriss! Der nächste Versuch lässt sicher nicht lang auf sich warten…

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