Donnerstag, 20. April 2023

Accidental Bird - The Old News Shrug

Foto: Timo Schwibbe
(Ms) Was ist eine gute Alternative zum Wort ‚Fan‘ oder dem ‚Fansein‘? Ich würde nie sagen, also wirklich aussprechen, dass ich ‚Fan von Kettcar‘ oder ‚Fan von St. Pauli‘ bin. Das klingt in meinen Ohren ganz seltsam und als ob ich immer noch 16 sei. Aber ich finde auch so vieles gut. In unterschiedlichen Abstufungen. Einiges finde ich super gut, vieles gut, ein paar Sachen so mittel und mit dem Rest mag ich mich gar nicht so sehr beschäftigen. Die Musik, die Stefan Honig immer gemacht hat, fand ich immer gut. Sogar auch schön. Oft auch sehr groß und im genau richtigen Maße pathetisch. Einige Male sah ich ihn live, auch die wundervolle Tour Of Tours (die ich gern nochmal erleben möchte). Doch dann war das Projekt Honig Geschichte. So richtig vermisst, dass ich nachts nicht schlafen konnte, habe ich es nicht. Aber ich habe mich enorm gefreut, als ich seine Stimme und seine typische Musik dieser Tage wieder hören konnte. Unter neuem Namen. Accidental Bird nennt er sich nun. Anfangs hab ich mich beim ersten Wort versprochen. 2018 kam das letzte Album raus. Und am 21. April folgt das Nächste. The Old News Shrug ist sehr vielseitig, vielschichtig, leise und mal laut, springt in die Luft und verkrümelt sich dann wieder.

Auf vielen der neuen Liedern fängt er ein ernüchterndes Gefühl ein, mit dem ich mich unheimlich gut identifizieren kann. Ja, es ist ein unheimliches Gefühl. Es passieren tausend Sachen auf der Welt. Viele Schlimme obendrein. Informiere ich mich zwei, drei Mal auf der Tagesschau-App über das Geschehen in der Welt, bin ich oft entsetzt, erschrocken, betroffen, ratlos, wütend. Doch das hält erschreckend kurz nur an. Spätestens am nächsten Tag ist es verschwunden. Der Schnee von gestern. Geschmolzen. Und das ist doch Mist, dass das so abstumpft, mitunter gleichgültig macht. In diesen Windungen erhebt sich The Old News Shrug.

Die 41 Minuten fangen recht sanft an. Stefans Stimme, begleitet vom Klavier, leicht verzerrten Gitarren im Hintergrund. Und erkling da nicht auch etwas trompetenmäßiges? Pools ist das erste Stück. Denn wenn der komplette Untergang kommt, dann setzen wir uns in eben jenen hinein und schauen entspannt zu. Am besten am Smatphonebildschirm. Ja, Hoffnung macht der textliche Einstieg nicht. Der Musikalisch aber umso mehr. Ich finde, in Stefan Honigs Musik liegt seit jeher ganz viel Wärme und Aufrichtigkeit drin. Das hat mich immer schon gepackt und tut es auch dieses Mal. Das spüre ich ganz deutlich bei Only Empire. Das Lied überzeugt mich gar nicht mal so stark. Aber in den Harmonien und Arrangements wohnt etwas, was mich ganz ruhig und glücklich macht. Das schöne Geheimnis der Musik.
Auf diesem neuen Album geht es nicht nur so weiter, wie er auf dem letzten aufgehört hat. Higher Goals To Shoot For beginnt ordentlich elektronisch und mit verzerrter Stimme, dann setzt eine Bassdrum ein und es entsteht ein herrlich strahlendes Lied, das größer und größer wird und ein Beweis dafür ist, was Stefan immer schon für ein gutes Händchen hatte für Lieder, zu denen man nur die Faust in die Luft recken möchte. Und auch auf YES I Kiss My Mother With That Mouth zeigt er, dass Synthie-Keyboard-Klänge genauso wirkungsvoll sind wie die gute, alte Gitarlele.
Zwischendurch achte ich gar nicht mehr auf die Texte, sondern lasse mich komplett von der Musik tragen und es tut mir sehr gut, beruhigt mich, streichelt mich sanft. Das finde ich toll, es ist ein großer Genuss. Doch große Töne müssen auch immer wieder sein. Und die kommen direkt hintereinander. Erst erklingt Save Me. Mit ganz sanften, leisen Akkorden zu Beginn. Es entwickelt sich zu einem ruhigen Folkpopsong, der erstmal gar nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Doch wenn im Hintergrund die Bläser langsam durchschallen, dann sagen sie: Gleich kommt noch was. Dann pausieren sie, kommen zurück, mehrere Stimmen legen sich übereinander und ein wirklich erbauliches, wunderschönes Ende steigt empor. Dass Musik heilbar ist, diese These stelle ich schon lange auf. Es sind genau solche Lieder, die diese Kraft haben. Kaum sind die letzten Töne verhallt, beginnt Monsters. Vielleicht ist es das mitreißende Folksonghighlight dieser Platte. Hier bitte alle Regler aufdrehen und zurücklehnen und genießen. Oder wild durch die Bude tanzen. Beide Reaktionen sind mehr als angemessen! Hier klingt die ‚alte‘ Tour Of Tours komplett durch, bekannte Stimmen sind zu hören mitsamt der völligen Eskalation! Wow! Grandios!

Ja, es gibt noch viel mehr wunderschöne Lieder auf dieser Platte. Und sie alle sind es wert, aufmerksam angehört zu werden! Bitte tut das! The Old News Shrug ist das Debut eines alten Hasen, der immer noch ganz genau weiß, wie (im allerweitesten Sinne) Rockmusik funktioniert. Ja, lyrisch ist es eher die Apokalypse. Musikalisch ist es ein großer Aufbruch! Und das sollte dringend an folgenden Daten abgefeiert werden. Denn ich bin Fan!

21.04. Karlsruhe, NUN
22.04. Trier, Melodica Festival
09.05. Münster, Pension Schmidt
19.05. Mainz, Schon Schön
20.05. München, Heppel & Ettlich
21.05. Stuttgart, ClubCANN
27.05. Hamburg, Molotow Skybar
28.05. Beverungen, Orange Blossom Special
01.07. Mastholte, Sommer Am See
02.07. Haldern, Pop Bar
04.07. Berlin, Monarch (mit Tim Neuhaus + Jim Bryson)
06.07. Köln, Weltempfänger
07.12. Gütersloh, GTown Music Acoustic Session




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