Mittwoch, 1. Juni 2022

Everything Everything - Raw Data Feel

Quelle: Kit Monteith
(ms) Erwartungen und das, was dann passiert. Manchmal sind das zwei verschiedene Dinge. Nein, ziemlich oft sind das zwei verschiedene Dinge. Beim Schreiben über Musik verfolgen mich immer wieder gewisse Themen und Ansätze. Das eine ist der große Bereich der Genres, an dem ich mich abarbeite. Der andere sind die bereits erwähnten Erwartungen. Damit direkt zum Thema: Die britische Band Everything Everything hat mit Raw Data Feel ein neues Album herausgebracht. Es erschien bereits am 20. Mai. Doch kleine zeitliche Räume und meine eigene Erwartungshaltung eben hat eine intensive Auseinandersetzung immer weiter gedehnt. 2017 haben sie mit A Fever Dream eine schier unglaubliche Platte veröffentlicht, die ich mir immer noch sehr, sehr gerne anhöre. Wie frech sie darauf mit Rhythmen, Lautstärke und Dynamiken gearbeitet haben, hat mich ziemlich begeistert. Das ist ganz, ganz große Kunst. Kein Wunder, die vier Bandmitglieder haben Musikwissenschaft studiert, sind also vom Fach, wie das alles möglichst geschickt funktioniert. Dass sie es so beeindruckend umsetzen können, spricht für Fleiß und Talent. Ja, dieses Album hat mich umgehauen. Und meine Erwartungen an alles, was danach passiert sehr hoch geschaubt. Von der Intensität und vom Sound. Ich möchte bei Everything Everything wilde Gitarren, gegenläufige Rhythmen und verschnörkelten Gesang hören.
Dass sie nun so stark elektronisch geworden sind in ihrer Grundauslegung hat mir den Zugang zum Album nicht leicht gemacht. Nur noch selten sind die Gitarren in der vorherigen Form zu hören. Ein klarer Bruch. Klar, so können Erwartungen auch gar nicht erfüllt werden, wenn der Klang so neu, anders ist. Doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier und kann das nicht so gut. Okay, ich spreche hier für mich allein.

Raw Data Feel also. Sie machen es mir nicht leicht. Ein neuer Sound und ungeheure 54 Minuten Spielzeit! Nun: Auf High Rotation wird dieses Album bei mir nicht laufen. Dafür gibt es für meinen Geschmack zu viele Längen und zu wenig mitreißenden Wumms. Dennoch stechen einige Lieder heraus, die wirklich toll sind! Beispielsweise I Want A Love Like This. Es ist ein ziemlich poppiger Song, der aber ungeheuren Zug hat. Und das reißt mich mit. Von der Art und Weise, wie dieses Stück aufgebaut ist, lässt sich ein wenig ableiten wie sie ihre Lieder schreiben. Ein grooviger Beat und tänzelnde Melodien gepaart mit der unverwechselbaren Stimme von Jonathan Higgs und einem sehr gut geführten Crescendo in der Dynamik der Musik, nicht mal in der Lautstärke. Wenn ab Minute 2:30 tiefere Bassläufe einsetzen, haben sie durchaus einen Sinn: aufmerksam machen und in den Bann ziehen. Beinahe psychedelisch.
Erst dachte ich auch, dass die Gitarren völlig verschwunden seien. Nein, das ist zum Glück nicht der Fall. Jennifer entpuppt sich da als recht entspannter Indietrack, auf dem eigentlich gar nicht so viel passiert, doch genau diese feine Monotonie überzeugt mich irgendwie. Faszination Musik.
Ja, vielleicht ist Raw Data Feel die poppigste Platte, die die Briten je gemacht haben. Shark Week ist ein weiteres Anzeichen dafür. Satte Synthie-Hooks und leichte Allüren zum Dub gestalten dieses ziemlich gute Stück! Das macht echt Spaß und bleibt in jedem Fall hängen. Ähnlich funktioniert auch Cut Up. Es zieht schon nach vorne und der Gesang bleib definitiv im Gedächtnis haften. Doch insgesamt muss ich feststellen, dass das gewisse Etwas fehlt, damit ich wirklich ausraste. 
Ups, okay. Geduld zahlt sich mal wieder aus, wenn Hex erklingt. Ja, die brutale Stringenz eines solchen Liedes erwarte ich auf einem Everything Everyhing-Albums. Dass sich viele Elemente abwechseln, sich gegenseitig stärken, ergänzen und einfach einen saustarken Klang entfalten, der ungeheuer viel Spaß macht. 

Hach... aber so richtig über die gesamte Spielzeit zündet dieses Album leider nicht. Ja, es enthält viele wirklich gute Lieder, die viel Freude bereiten, deren Sog ich gerne aufnehme, mich ummanteln lasse, zu deren Dramatik ich gerne auch tanzen gehen würde. Doch in meinen Ohren sind so viele eingängige, ja, langweilige Lieder auf derm Album enthalten, dass es nur ganz, ganz schwer haften bleibt. Sehr schade, dass meine Erwartungen da andere waren und ich mich auch nich zu 100% auf diesen neuen Klang einlassen konnte.
Gerne würde ich mir das aber live reinziehen, da ich davon überzeugt bin, dass das Quartett da ziemlich abgehen wird!


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