Donnerstag, 3. März 2022

Roedelius & Story - 4 Hands

Story und Roedelius. Foto: Emily Ramharter
(ms) Eine Liebe zur Musik, eine Liebe zu den Tönen. Der Zauber von Klang wirkt stark. Mal ist er hypnotisierend, mal berauschend derb, melancholisch oder so, dass man das Gefühl hat, den eigenen Körper zu verlassen. Wenn vor einer Bühne oder in einem Club stehend, plötzlich alles eins ist. Mensch, Klang, Bewegung, Wärme, Intensität. Das schafft in meinen Augen nur die Musik. Rhythmus, Melodie. Eintauchen. Das ist immer ein Austausch zwischen den Liedern und der eigenen Person. Hörend, wahrnehmend, spielend. Letzteres habe ich lange selbst praktiziert. Musikunterricht genommen, in Orchestern und kleinen Ensembles gespielt. Lang ist es her. Schade eigentlich. Ob ich je so gut werde am Saxophon, wie ich es einst war, bezweifle ich. Sehnsucht. Auch nach dem Beherrschen, eine Stimmung zu kreieren. Spielen und hören sind da zwei Paar Schuhe. Ich höre kaum Saxophonmusik. Es spricht mich wenig an. Anderes würde ich lieber beherrschen, um Atmosphäre zu generieren, die ich selbst gern wahrnehmen will. Cello zum Beispiel. Oder halt Klavier. Damals in der Musikschule war das schlimm, die anderen Lernenden zu hören. Aber so ist das nunmal. Das Klavier ist bestechend vielseitig (Wortspiele hier bitte unterlassen). Es ist in jedem Genre zu Hause und erfährt seit einigen Jahren einen enormen Schwung durch die sogenannte Neo-Klassik.

Das Klavier ist nicht nur aufgrund seines Einsatzes in verschiedenen Stilen so geschickt. Sondern auch aufgrund der wundersamen Art, wie dieses enorme Instrument gespielt werden kann. Oft hat es mich schlichtweg sprachlos gemacht. Hauschka und Martin Kohlstedt haben ihren eigenen Stil. Wenn Martin Bechler von Fortuna Ehrenfeld am Klavier seine Lieder singt, bin ich komplett mit drin. Wenn sich Tom Smith von den Editors an die Tasten setzt, funken wiederum andere Synapsen.
Vollkommen stutzig verließ ich im Herbst ein Konzert von den Grandbrothers. Das war irre. Kaum zu glauben, wie das Duo gleichzeitig am selben Instrument gespielt hat und welche Töne dabei herauskamen. Tanzbar, gefühlvoll, eindringlich.

Am selben Instrument spielten Tim Story und Hans-Joachim Roedelius auch ihr gemeinsames Album 4 Hands ein, das seit Ende Februar zu hören ist. Nur ihr Ansatz ist ein gänzlich anderer als beim Düsseldorfer Duo. Der Klang auf diesem etwas mehr als dreiviertelstündigen Album ist wesentlich reduzierter. Pur fast. Ab und an sind kleine Modifikationen wahrzunehmen. Im Grunde bleibt es bei dem Klang, wenn die kleinen Hämmer an die Saiten schlagen. Beide Musiker kennen sich seit vielen Jahren. Tim Story ist Komponist aus den Staaten und Hans-Joachim Roedelius eine lebende Legende. Der Zodiak-Club, Kluster, Harmonia. Das sollte reichen. Wem das nichts sagt, sollte kurz recherchieren. Er hat Ambient mit erfunden. Und mit Ende achtzig (!!!) ist er nicht müde zu komponieren. Also ab zu Story in die Staaten und er spielte los. Story nahm das auf aber beließ es nicht dabei. Er hat den Grundtönen eine weitere Form gegeben und darüber gespielt. Am selben Instrument, nur ein paar Wochen später. Was für ein tolles Werk, was für eine irre Idee. Klar, der Albumtitel ergibt somit viel Sinn und besticht durch seine Ungleichzeitigkeit. 
Und selbstverständlich durch seine Qualität. Hier möchte ich keine einzelnen Lieder herausstellen, da das Album für mich in seiner Ganzheit nur Sinn ergibt. Es fühlt sich an wie ein warmer, weicher, zarter, leicht nebliger Traum. Weitestgehend leichtfüßig ohne platt zu erscheinen. Ab und an ist zu erahnen, welches der Ausgangspart von Roedelius ist und was Story darüber legte. Doch häufig genug verschwimmt es im besten Sinne zu einer großen Harmonie. Das ist unglaublich unaufgeregt und unglaublich gut gelungen!

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