Mittwoch, 10. November 2021

Krakow Loves Adana - Follow The Voice

Foto: Krakow Loves Adana
 (ms) Zu spät für die richtige Epoche geboren. Das denke ich mir häufig. Gerne wäre ich in den 70/80ern als Musikhörender aufgewachsen. Was muss das für eine irre schnelle, kuriose, komplett überdrehte, vielschichtige Zeit gewesen sein? Krautrock, Postrock, NDW, experimentelle Musik ohne Ende und die, die heute groß sind, sind es da gerade erst geworden. Nun, man kann sich das ja nicht aussuchen und so war mein erstes Konzert halt DJ Bobo. Fand ich damals super und dass ich das heute behaupten kann, finde ich heute gut. Und schweife jetzt ab.

Insbesondere der elektronische Sound der 80er war schon bestechend. Das, was heute Dark Wave genannt wird. Oder auch großer Pop. Teils ganz starr, teils unglaublich bunt und quietschig. Ein paar ProtagonistInnen waren zugleich total lethargisch und dennoch völlig tanzbar. Was für ein kruder Mix, der auf zauberhafte Weise aufgegangen ist. Magisches Medium Musik.

Wandelbares Medium Musik. Das müssen sich auch Deniz Cicek und Robert Heitmann gedacht haben. Zusammen sind sie Krakow Loves Adana. Seine Wurzeln in Polen, ihre in der Türkei, kennengelernt in Bielefeld. So ist das nun mal. Prima! Das Wahlhamburger Duo veröffentlicht am 12. November ihre neue Platte: Follow The Voice. Was für ein ungemein guter Titel, wenn man sich den Sound und den Weg dahin anschaut. Anhört. Auf diesem Album ist die Band so tanzbar, elektronisch, catchy wie noch nie zuvor. Und das in benanntem 80er-Klang! Deniz' Stimme ist so wunderbar weich, warm, kraftvoll, genau. Mit dem neuen elektronischen Sound geht sie ebenso einher, wie mit dem melancholisch-elektronischen Art Pop vorheriger Veröffentlichungen. Der Stimme gefolgt. Die muss geflüstert haben: Macht das, es wird gut!

Das ist es auch! 

Der Start gibt die Marschrichtung vor: Synthies und Drums aus der Dose. Direkt zu Beginn strahlt auf All My Life Deniz' Stimme. Und direkt ist das zu hören, was ich mit tanzbarer Lethargie anschnitt. Das Tempo ist gemäßigt und dennoch ist der Klang ganz präzise, zwar durchaus andächtig, aber auch sanft und warm. Für den folgenden Titeltrack gehören die Boxen bitte laut aufgedreht! Das Stück lag schon lange bereit, sollte eigentlich auf dem letzten Album erscheinen, doch es wollte einfach nicht so richtig klappen. Also: Neuer Sound, neues Album. Eine verzerrte Gitarre ist zwar zu hören, aber der rein elektronische Klang dominiert klar. Das war nicht immer so. Mir fällt kein anderer Begriff als Harmonie ein, der dieses Lied genau trifft. Und wie toll der Bass zum Ende hin wummert! Super!
Und wenn es möglich ist, würde ich mich gerne in die Stimmlage ganz zu Beginn von Young Again einwickeln. So kräftig und rund und auf gewisse Weise streng. Follow The Voice! 

Catchy wird es auf Dream House obendrein! Die Hook von diesem Lied ist so simpel wie genial. Ein paar Töne hoch und wieder runter. Dazu passend eingesetzter Bass, ein einfacher Rhythmus und diese herrliche Synthie-Spielerei. Das mag nach viel klingen, doch der Sound ist ganz reduziert und eben genau dadurch wuchtig und präzise. Wow!
Und: Ist Taint My Mind jetzt schon Techno? Je öfter und intensiver ich dieses Album höre, desto mehr zieht es mich in seinen Bann. Ich stelle es immer ein wenig lauter, lasse Melodie, Stimme und Rhythmus immer tiefer in mich eindringen und kann genüsslich die Augen schließen. Der gesprochene Part hier hat gar einen programmatischen Charakter. Das ist schon unglaublich gut gemacht! Hut ab! 

Mit What Will Never Be zeigen sie, dass sie auch glasklaren, grandiosen Pop können! Wobei die Formulierung hier nicht ganz stimmt. Zwar tritt die Band (insbesondere live) als Duo auf. Doch es ist Deniz' Projekt. Sie schreibt die Texte, die Musik, produziert alles. Robert kommt dann live hinzu und kümmert sich liebevoll um den Fotos, Video, Organisatorisches.
Zum Schluss nochmal das, was im neuen Klang am meisten auffällt: der Rhythmus auf Close The Blinds aus dem Drumcomputer, der noch nicht mal groß abgeändert wird, um irgendwie echt wirken zu wollen. Wozu auch? Passt ja total zum anvisierten 80er-Sound! Das letzte Stück nochmal ein toller Beweis, wie hymnisch große Synthie-Flächen klingen können!

Also: Richtig geboren, um heute eine großartige Platte zu genießen.

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