Montag, 21. Juni 2021

Fortuna Ehrenfeld - Die Rückkehr zur Normalität

Normalität. Quelle: facebook.com/fortunaehrenfeld
 (ms) Sha-la-la! Jannis, Jenny und Martin haben mal wieder zugeschlagen! From Cologne to the World gibt's einen auf den Synapsendeckel. Denn auf Album Nummer vier von Fortuna Ehrenfeld reihen sich selbstredend - und nur so kennen wir sie ja halt auch - eigenartige, amüsante, blödelige und ebenso kluge Wortkombinationen aneinander. Bechlers Bild vom Tetris-mit-Worten-Spieler beweist sich ein weiteres Mal. Aber mit seltsamen Bauchgefühl - dazu später mehr.
Als Texter ist und bleibt er hierzulande eine absolute Ausnahmeerscheinung. Jemand, der keine Angst davor hat, plumpen Witz, kleine Geschichten, große Wahrheiten und die gute, alte Melancholie nacheinander auftreten zu lassen. 

Die Rückkehr Zur Normalität ist das erste Album mit Jannis am Schlagwerk und - was im Vorhinein noch wesentlich krasser kam - das erste nach dem Erstling, das nicht beim Grand Hotel van Cleef erschienen ist. Gerne wüsste ich, wie es (nicht) dazu kam; kann mir menschliche und künstlerische Differenzen kaum vorstellen. Martin Bechler wird seine Gründe haben, seine eigene Firma Tonproduktion für die Veröffentlichung zu nutzen. Begeisterte, die sich zu ihren Konzerten versammeln, gibt es landauf, landab und nicht nur am Wohnsitz des WDR inzwischen reichlich. Zurecht.

Das Trio besingt also nun die Rückkehr zur Normalität. Damit scheint es ein C.-Album zu sein (mehr dazu unten). Whatever: Sie liefern ab. Wie gewohnt unterscheiden sie nicht zwischen Volltreffern am Herzen oder am Tanzbein. Sollte es ein C.-Album sein (mehr dazu unten), ist wichtig, dass sie Recht haben: Normal ist schon seit eineinhalb Jahren nichts mehr. Und es ist wichtig, genau das zu sagen. Wir leben momentan in der absoluten Ausnahme. "Neue Normalität" - wenn ich das höre, muss ich kotzen. Daran, wie es jetzt ist und war, dürfen wir uns nicht gewöhnen. Mit Vorsicht und Disziplin hindurch und dann wieder verschwitzt und knutschend im Club tanzen.

Ich schweife ab. Pardon. Musik ab! Zehn Lieder, ein Titel bekloppter als der andere. Doch es besteht kein Grund zur Sorge: alles driftet hier in gewohnten Bescheuerkeitsbahnen.

Freundlich beginnt es mit Arschloch, Wixer, Hurensohn. Ein Trennungslied zum Start, so traurig wie unterhaltsam. Diese Pole, stets gelungen das Tragikomische zu besingen, hat Bechler perfektioniert; im Sound beginnen sie hier bluesig, zurückgenommen. Nur um danach eine erstaunlich poppige Nummer hinzulegen mit der Aufforderung: "Der Wille der Natur ist Disco, Disco" (Das Imperium Rudert Zurück). Die Paranormalische Liebe, die erste Single des Albums, ist der beste Beweis zur passionierten Hingabe zum Gaga und sich bloß nicht zu ernst zu nehmen! Doch es beschleicht mich das Gefühl, dass hier, wie im Stück davor, sehr wenig hängen bleibt. Dieses Gefühl wird leider an einigen Stellen wieder aufkommen. Nicht bei Die Durchnummerierten Im Irish, wo Bechler nur mit Klavier, Stimme und ein wenig Percussion seine Tom Waits-Seite auslebt. Und auch wenn mit auf Die Anleitung Zum Sha-La-La völlig unklar ist, worum es geht, sind Fortuna Ehrenfeld oft am schönsten, wenn Martin herrlich rauchig und Jenny so herrlich klar singt. Zusammen.
Auf dem gleichnamigen Track zum Album wird dann klar: Es ist kein C.-Album. Es ist ein bitteres Trennungslied. Den Absatz oben könnte ich nun streichen, lasse ihn aber bewusst stehen. Hier zeigen sie sich als MeisterInnen im lässigen Sound, tatsächlich sehr nah am beschwingten Reggae. Erwartungshorizont? Drauf geschissen!

Und nun kommt das angedeutete Gefühl des Ungreifbaren stark zurück. Entweder habe ich das ganze Album zu unaufmerksam gehört, bin zu blöd für die Texte oder denke: ich reihen sich Zweizeiler an Zweizeiler. Knutschigroßstadtradio scheint ein sanftes Liebeslied zu sein doch für mich ohne roten Faden. Hier wird die knallharte künstlerische Freiheit im Lied nur noch schwer nachvollziehbar. Sie müssen gar nichts, das ist klar, aber bei diesem Grad an Verschwurbeltheit (Glitzerfummel, Moonboots) wird es schwer für mich konzentriert zuzuhören und verstehen zu wollen, worum es geht.
Zum Glück zeigen sie auf Gracie De La Kotze nochmal, wie Textkunst funktioniert!

Doch es hilft alles nichts. Ja, sie machen sich von allem frei, von Erwartung und Stringenz. Das ist natürlich gut. Geht für meinen Geschmack aber total auf Kosten der Griffigkeit. Ich halte diese Platte mit dem schönen Cover in den Händen und weiß absolut nicht, was ich damit anfangen soll. Gut finden? Doof finden? Egal finden? Ich habe einfach keine Ahnung. Es lässt mich ratlos zurück und ich wittere die Gefahr, dass es im Plattenregal verstauben wird. Mir fehlen Lieder wie Matrosen, Zwei Himmel, Pizzablitz, Ruff Von Barcelona, Zuweitwegmädchen, Hundeherz, Heiliges Fernweh, Guten Morgen Ehrenfeld oder Die Umarmung Der Magneten. Ja, so sieht es (leider) aus.

Ein Glück, dass das Trio unaufhörlich auf Tour ist und sie live sicherlich nie an Bock verlieren! See you in Hamburg und Duisburg!

22.06.2021 - Dortmund, Junkyard
04.07.2021 - Köln, CBE
16.07.2021 - Rostock, Kulturhafen
17.07.2021 - Trainingsgelände '78
22.07.2021 - Hamburg, Planten und Blomen
24.07.2021 - Saarburg, Kaserne Openair
27.07.2021 - Frankfurt, Palmengarten
28.07.2021 - Karlsruhe, Tollhaus
07.08.2021 - Wuppertal, Kultursommer
14.08.2021 - Worpswede, Music Hall
22.08.2021 - Beverungen, OBS
14.09.2021 - Köln, Volksbühne (solo)
26.07.2021 - Duisburg, Traumzeit Festival
14.10.2021 - Köln, Philharmonie

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