Montag, 12. November 2018

Illuminine - #3

Kevin Imbrechts aka Illuminie
(ms) Ich wundere mich immer, wenn Menschen mir sagen, dass die Zeiten ja so hektisch geworden sind, man manche Dinge gar nicht mehr richtig mitbekommt. Hast du schon die-und-die Serie gesehen? Wie, du warst bei dieser off-Kunst-Geschichte nicht? Den neuen Hype noch gar nicht live gesehen? Kann doch nicht sein, dass du zur politischen Entwicklung in Staat XY keine Meinung hast! Noch nicht den neuen Wir-machen-alles-selbst-Laden in der Stadt ausprobiert?! Ist aber super lecker da! Du warst wirklich noch nie in Südafrika?
Nein, Nein und nochmals Nein. Und ich verstehe auch nicht, warum alles angeblich hektisch, schnell und kurzlebig geworden sein soll. Es ist doch immer die Frage, was ich selbst daraus mache. Lasse ich mich beunruhigen, mich in Panik versetzen, versetzen mich Trends und Hypes in eine bizarre Schockstarre? Und am größten ist dann die Pseudoangst irgendetwas verpasst zu haben. Wer baut denn diesen Druck auf, warum kann das alles nicht egal sein?

Dass Zeit ein wertvolles Gut ist, das ist uns ja allen klar. Die Frage ist nun also, wie sie zu nutzen ist. Innehalten, genießen und die Ohren spitzen ist da meines Erachtens ein sehr gut funktionierendes Rezept. Anzuwenden ist es seit gut eineinhalb Wochen (VÖ: 2.11.) bei dem neuen Album #3 von Illuminine. Es ist - irgendwie logisch - das dritte Werk des Belgiers Kevin Imbrechts unter seinem Künstlernamen. Es geht wunderbar ruhig zu auf den 13 Liedern, die sich über eine kurzweilige Dreiviertelstunde erstrecken. Denn trotz zum Großteil fehlendem Gesang und minimalster Instrumentierung entwickeln die Lieder eine bezaubernde Dynamik und erstaunliche Schönheit. Durchaus bemerkenswert ist, dass Imbrechts als Quelle seiner Musik und seines Handwerks nicht etwa Nils Frahm, Olafur Arnalds oder Sigur Rós angibt, in dessen Studio er das Album aufgenommen hat, sondern Buckethead. Das ist dieser mit einer Maske und einem Pappeimer verschleierte Gitarrist, der im Metal, Funk und Jazz angesiedelt ist, über den man so gut wie nichts weiß und rein technisch zu einen der Besten seiner Zunft zählt.



Das Werk beginnt mit einem Lied, das seinem Titel extrem gerecht wird: Aura. Zu hören ist ein sanftes Rauschen, Akustikgitarre und Streicher. Es hört sich an wie ein sanfter, klarer und hoffnungsvoller Sonnenaufgang. Es sind fünf Minuten, die schnell vorbei gehen. Doch bei einem insgesamt positiven Stimmungsgefüge bleibt es nicht. Dissonanzen, Schwere, leichte Melancholie und dunkle Klänge machen sich auf Alas, Orpheus breit. Es werden Klangwelten aufgebaut, in denen die Streicher sehr dominant agieren. Dass er Asperger diagnostiziert bekam und einer Angststörung ausgesetzt ist, verarbeitet er in Musik und es gelingt ihm erstaunlich genial.
Unterteilt wird das Album zudem in vier Lieder, die mit Apprehension I bis IV durchnummeriert sind. Man kann es mit Auffassungsgabe oder auch Befürchtung übersetzen. Beides passt seltsamerweise, wenn man immer wieder reinlauscht. Man muss aufmerksam sein und spürt dennoch Sorge in den Klängen.
Diese werden in zwei weiteren Stücken jedenfalls komplett weggefegt (Dying Flame und Fright). Denn dann singt Hannah Corinne. Und das so klar und dennoch zerbrechlich, dass es die Innenwelt von Imbrechts ganz gut vertont. Die Stücke sind ungemein harmonisch und passen gut ins Album hinein. An zwei weiteren Stellen wird klar, dass viel Mut dazu gehört so feine und zum Teil extrem unaufgeregte Musik zu komponieren. Zum Einen beim Orchesterstück Dear, Utopia, das mit Adam Bryanbaum Wiltzie produziert wurde, der für die Orchesterparts verantwortlich ist. Das ist einfach unglaublich gut und filigran. Zum Anderen ist Inferences ein Aushängeschild der Platte. Das Stück hat eine Spieldauer von sechseinhalb Minuten und es ist als neuntes Lied angeordnet. Erst dann wird allmählich klar, dass an keiner einzigen Stelle Percussion verwendet wird. Nie. Dies tut tatsächlich sehr gut, denn die Kraft der Ruhe, die in kein getaktetes Korsett gezwungen ist, darf sich hier richtig ausbreiten und kommt voll zur Geltung.



#3 ist ein phantastisches Album. Es ermöglicht einem nicht nur eine schöne Pause - hektischer Alltag hin oder her - sondern auch ein großartiges Hörerlebnis.
Leider ist Imbrechts mit seinen Musikern demnächst nicht in unseren Gegenden unterwegs, aber immerhin in seinem Heimatland Belgien. Ein Ausflug dahin lohnt sich ohnehin. Jetzt kommt ein weiterer Grund dazu!

Illuminine meets Bruno Vanden Broecke

24.11De Velinx - Tongeren
01.12 - Schouwburg - Mechelen
04.12 - Schouwburg - Leuven
08.12 - CC Westrand - Dilbeek
09.12 - CC Evergem - Evergem
11.12 - Arenbergschouwburg - Antwerpen
14.12 - CC Factorij - Zaventem
22.12 - De Spil - Roeselare

Illuminine Band

13.02 - CC Hasselt (full band)
29.03 - Muziekcentrum Dranouter (trio)

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