(lp) Kraftklub, eine Band die ohne Frage polarisiert. Teilnehmer beim Raab’schen
Bundesvision Song Contest, Platz 1 in den Alben-Charts, Major-Debüt und
Sprechgesang gemischt mit altbekanntem Indie-Rock. Sowas kann doch nur gecastet
oder ein gnadenlos überschätztes Strohfeuer der hiesigen Musiklandschaft sein. Jedenfalls,
genügend Gründe „alternative“ Musikliebhaber ihre embryonale Abwehrstellung
einnehmen zu lassen. Zugegeben, auch ich bin des Öfteren ein Opfer dieses
Schutzmechanismus geworden, der die Arctic Monkeys von den Lady Gagas dieser
Welt wie eine unsichtbare Mauer trennt.
Eine solche Mauer, die bereits bis 1991 Chemnitz von Hamburg und dem Rest
Deutschlands trennte. Auf der einen Seite spross, gedieh und verbreitete sich
die Hamburger Schule, während sich der
Einfluss dieser in Sachsen wohl in Grenzen hielt. Zumindest die Jungs von
Kraftklub zeigen sich davon gänzlich unbeeinflusst und so wird im Album-Opener
„Eure Mädchen“ sich gar nicht mit den kredibilen Tocotronic und den Sternen gemessen.
Kraftklub funktioniert aber dennoch und das wohl eher „deswegen“ und nicht
„trotzdem“. Das konsequente Fehlen einer bedeutungsschwangeren zweiten Ebene ist
zwar ungewohnt in „Zwischen den Zeilen“-Zeiten, doch läuft Kraftklub nie Gefahr, stumpf oder eintönig zu klingen. Lyrisches
Bedeutungsfischen und das schwebende
Schwert des Dadaismus können getrost für die nächsten handgestoppten 43 Minuten
und 45 Sekunden vergessen werden. Erfrischend direkt, den Nerv der Zeit
treffend und mit einer gehörigen Portion Wortwitz. Ob die deutsche Übersetzung
des Wörtchens „Sex“ wirklich „Kraftklub“ ist, sei dahingestellt. Die
Lachgrübchen kommen durch solche und unzählige weitere Artgenossen trotz aller
Unterdrückungsversuche unweigerlich zum Vorschein. Bodenständige Überheblichkeit
oder auch abgehobene Nüchternheit ziehen sich wie ein roter Faden durch „Mit
K“. Wem das zu viel des Guten ist, will die dahintersteckende Ironie nicht
verstehen oder nimmt sich und seine Rolle in dieser Gesellschaft vielleicht ein
bisschen zu ernst. Weitere Gründe für eine kategorische Abneigung sind zu einem
die musikalische Einfallslosigkeit, welche Kraftklub auch nicht zu einer „neuen
Lieblingsband“ werden lässt und zum anderen erhebliche Unterschiede im
jahrelang gebildeten, kulturellen Gedächtnis. So lässt die Menge der gemeinsamen textlichen
Nenner die End10er und 20er-Irgendwas schnell zu einer Horde von Wackel-Dackeln
mutieren, wohingegen ältere Semester wohl Ihre Probleme haben, „Scrubs“
überhaupt zu kennen, geschweige denn deren neuen Folgen. Doch neben diesen
halbstarken und himmelhochjauchzenden Phasen geht es bei Kraftklub um klar
ausgedrückte Abneigung (Liebe, Mein Leben), disneybefreite Vorstellungen von Liebe (Songs für Liam) und
der dazwischenliegenden Melancholie (Melancholie, Wieder Winter). Nie kitschig
und gefühlsdusselig, was einen eben zu Joy Division feiern und bei den Black
Eyed Peas weinen lässt..
Kraftklub, eine Band für Jugendliche und junge Erwachsene die den
Gleichgewichtssinn des Lebens a) wie Hänschen noch nicht gefunden haben oder b)
wie Hans nimmermehr finden wird. Kraftklub skizziert den deutschen Alltag
vieler junger Deutscher, bei dem Mittelmaß nur als Mittelwert aller Höhen und
Tiefen zustande kommt. Ein Alltag, dem die harte Schule der Charakterbildung unterstellt
wird. Aber auch ein Alltag, der aufgrund glücklicher Umstände schnell ins andere
Extrem ausschlagen kann und so sogar eine Liam/Noel-Reunion wahrscheinlich
werden lässt. Letzten Endes kann auch dieses Mal keiner die Zukunft voraussagen?
Nur so viel, dass Kraftklub ein Nachfolgewerk veröffentlichen wird, auf welchem
sie entweder weiterhin musikalisch kopieren was das Zeug hält oder eben musikalische Eigenständigkeit und lyrische Tiefe finden werden.
Aber wen interessiert das wirklich? Geben sie doch im Hier und Jetzt ein
authentisches und erfrischendes Alltagszeugnis ab, welches in 1-2 Jahren zwar
bereits völlig überholt sein wird - doch bis dahin sollte man ab und an seine
Weltverbesser-Rolle anderen überlassen und mit Kraftklub im Ohr ruhig mal einen
Ausflug nach Berlin unternehmen. Soll schön da sein, liebe Hipster/Indie-Affen…
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