Mittwoch, 7. März 2012

Das Phänomen Kraftklub


(lp) Kraftklub, eine Band die ohne Frage polarisiert. Teilnehmer beim Raab’schen Bundesvision Song Contest, Platz 1 in den Alben-Charts, Major-Debüt und Sprechgesang gemischt mit altbekanntem Indie-Rock. Sowas kann doch nur gecastet oder ein gnadenlos überschätztes Strohfeuer der hiesigen Musiklandschaft sein. Jedenfalls, genügend Gründe „alternative“ Musikliebhaber ihre embryonale Abwehrstellung einnehmen zu lassen. Zugegeben, auch ich bin des Öfteren ein Opfer dieses Schutzmechanismus geworden, der die Arctic Monkeys von den Lady Gagas dieser Welt wie eine unsichtbare Mauer trennt.

Eine solche Mauer, die bereits bis 1991 Chemnitz von Hamburg und dem Rest Deutschlands trennte. Auf der einen Seite spross, gedieh und verbreitete sich die  Hamburger Schule, während sich der Einfluss dieser in Sachsen wohl in Grenzen hielt. Zumindest die Jungs von Kraftklub zeigen sich davon gänzlich unbeeinflusst und so wird im Album-Opener „Eure Mädchen“ sich gar nicht mit den kredibilen Tocotronic und den Sternen gemessen.

Kraftklub funktioniert aber dennoch und das wohl eher „deswegen“ und nicht „trotzdem“. Das konsequente Fehlen einer bedeutungsschwangeren zweiten Ebene ist zwar ungewohnt in „Zwischen den Zeilen“-Zeiten, doch läuft Kraftklub nie Gefahr, stumpf oder eintönig zu klingen. Lyrisches Bedeutungsfischen und das schwebende Schwert des Dadaismus können getrost für die nächsten handgestoppten 43 Minuten und 45 Sekunden vergessen werden. Erfrischend direkt, den Nerv der Zeit treffend und mit einer gehörigen Portion Wortwitz. Ob die deutsche Übersetzung des Wörtchens „Sex“ wirklich „Kraftklub“ ist, sei dahingestellt. Die Lachgrübchen kommen durch solche und unzählige weitere Artgenossen trotz aller Unterdrückungsversuche unweigerlich zum Vorschein. Bodenständige Überheblichkeit oder auch abgehobene Nüchternheit ziehen sich wie ein roter Faden durch „Mit K“. Wem das zu viel des Guten ist, will die dahintersteckende Ironie nicht verstehen oder nimmt sich und seine Rolle in dieser Gesellschaft vielleicht ein bisschen zu ernst. Weitere Gründe für eine kategorische Abneigung sind zu einem die musikalische Einfallslosigkeit, welche Kraftklub auch nicht zu einer „neuen Lieblingsband“ werden lässt und zum anderen erhebliche Unterschiede im jahrelang gebildeten, kulturellen Gedächtnis. So  lässt die Menge der gemeinsamen textlichen Nenner die End10er und 20er-Irgendwas schnell zu einer Horde von Wackel-Dackeln mutieren, wohingegen ältere Semester wohl Ihre Probleme haben, „Scrubs“ überhaupt zu kennen, geschweige denn deren neuen Folgen. Doch neben diesen halbstarken und himmelhochjauchzenden Phasen geht es bei Kraftklub um klar ausgedrückte Abneigung (Liebe, Mein Leben), disneybefreite Vorstellungen von Liebe (Songs für Liam) und der dazwischenliegenden Melancholie (Melancholie, Wieder Winter). Nie kitschig und gefühlsdusselig, was einen eben zu Joy Division feiern und bei den Black Eyed Peas weinen lässt..

Kraftklub, eine Band für Jugendliche und junge Erwachsene die den Gleichgewichtssinn des Lebens a) wie Hänschen noch nicht gefunden haben oder b) wie Hans nimmermehr finden wird. Kraftklub skizziert den deutschen Alltag vieler junger Deutscher, bei dem Mittelmaß nur als Mittelwert aller Höhen und Tiefen zustande kommt. Ein Alltag, dem die harte Schule der Charakterbildung unterstellt wird. Aber auch ein Alltag, der aufgrund glücklicher Umstände schnell ins andere Extrem ausschlagen kann und so sogar eine Liam/Noel-Reunion wahrscheinlich werden lässt. Letzten Endes kann auch dieses Mal keiner die Zukunft voraussagen? Nur so viel, dass Kraftklub ein Nachfolgewerk veröffentlichen wird, auf welchem sie entweder weiterhin musikalisch kopieren was das Zeug hält oder eben musikalische Eigenständigkeit und lyrische Tiefe finden werden. Aber wen interessiert das wirklich? Geben sie doch im Hier und Jetzt ein authentisches und erfrischendes Alltagszeugnis ab, welches in 1-2 Jahren zwar bereits völlig überholt sein wird - doch bis dahin sollte man ab und an seine Weltverbesser-Rolle anderen überlassen und mit Kraftklub im Ohr ruhig mal einen Ausflug nach Berlin unternehmen. Soll schön da sein, liebe Hipster/Indie-Affen…


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