Dienstag, 16. September 2025

Chantal Acda - The Whale

Foto: Jurgen Augusteyns
(Ms) So langsam kann man sich auf den Herbst vorbereiten. Die Sonne geht immer früher unter, vielleicht schon mal die Jacken waschen, bevor sie bald wieder regelmäßig genutzt werden. Spaziergänge werden mehr, Draußenabende weniger. Auch wenn die vielfältigen Sommeraktivitäten immer eine Menge Spaß machen, heißt es ja nicht, dass nun mit dem Herbst plötzlich automatisch die Melancholie einzieht. Aber ja, es wird eventuell ein wenig stiller und ein klein wenig Wehmut um der Sommertage ist nicht zu leugnen.

Mitten in diese Stimmung veröffentlicht Chantal Acda mit The Whale ein unglaubliches Album! Für überschwänglich gute Laune ist die niederländische Musikerin, die mittlerweile in Belgien lebt, nicht unbedingt bekannt. Aber die Stimmungslage auf dem neuen Album ist deutlich gedämpft. Dass ihre Wurzeln im Jazz liegen, ist auf jeden Fall (wieder mehr) zu hören. Mystisch und dunkel geht es auf den acht neuen Stücken zu. Die Gitarre bekommt einen prominenteren Platz und die Arrangements sind insgesamt dichter gestrickt.

The Whale heißt auch der erste Track des Albums und es beginnt überaus jazzig, lässig, aber nicht unbedingt fröhlich. Ein andächtiger Klang bahnt sich seinen Weg, auf dem sich ihre Stimme breit macht. Je weiter das Lied voran schreitet, desto mehr Details sind zu vernehmen: Bläser und unterstützender Gesang im Hintergrund. Zusammen entfacht dies ein Sound, der warm und weich ist, eine gewisse Geborgenheit ausstrahlt. Safety dringt immer weiter vor in eine dunkle Sphäre. Ein Stück, das klar vom Rhythmus dominiert ist. Durchs Hören stelle ich es mir wahnsinnig schwer vor, das Schlagzeug zu diesem Stück zu spielen. Doch mitten in dieser Dunkelheit machen sich Melodien breit, die von großer Schönheit strotzen. Und das ist das große Geheimnis dieser herausragenden Platte. Das Nebulöse ist wunderschön und verströmt große Faszination - zumindest bei mir. Auf Heads kumuliert dies aufs Beste zusammen. Die Gesangslinien fließen durch meinen Körper und sind auf seltsame Weise erbaulich. Die vielschichtigen Gitarren halten dieses Lied zusammen, das Schlagzeug bricht immer wieder mal aus. Fast sieben Minuten erstreckt sich dieser Track und in meinen Ohren könnte er endlos weiter gehen, weil die Magie so groß ist. Das Stück hat so eine große Kraft, dass danach eine kleine Pause tatsächlich ganz gut tut. Hit The Verge ist leichtfüßiger im Arrangement und weniger mystisch. Das Klavier spielt ein paar frohgemute Töne an und der Puls fährt ein wenig runter. Ah, das tut gut. Und wenn sich zu ihren wunderbaren Gesangsmelodien noch Bläser gesellen, erfährt die Seele auch ein wenig Heilung. Richtig viel Jazz steckt in Togetherness - das ist schon fast frech, wie dieser Song aufgebaut ist. Hier gibt es ganz viele, verschachtelte Ebenen, die zusammen richtig viel Spaß machen! Der Bass, der zu Beginn recht präsent ist, schleicht sich zwischendurch immer wieder in den Hintergrund und das Klavier verbreitet wohlige Klänge. Hier sind wirklich herausragende MusikerInnen am Werk!
Im letzten Stück, Make It Work, steckt noch mal richtig viel Energie. Mehr rockige Gitarre, auch ein wenig mehr Popattitüde. In den Momenten, wenn ihre Band beim Gesang einsteigt, wird die Stimmung groß. Und am Ende dieses eher düsteren Albums findet es einen wahrlich versöhnlichen, aufbauenden Abschluss. Selbst der Bass tanzt zwischendurch in den Takten. Das ist einfach ganz große Kunst, was hier passiert!

Ja, in diesem Text geht es nicht ansatzweise um die Texte. Da mich der Sound von The Whale sofort ganz stark angesprochen hat und etwas in mir auslöst, was nur wenigen MusikerInnen gelingt, ist mir so gut wie egal, worüber sie singt. Das wird der Kunst von Chantal Acda überhaupt nicht gerecht, aber ich gehe davon aus, dass es andere Texte gibt, die sich damit stärker auseinandersetzen. Ihre beiden Deutschlandkonzerte sind mir zu weit weg, aber ich empfehle allen Menschen, diese Musikerin mit ihrer phantastischen Band mal live zu sehen!

22.11. - Stuttgart, Labratorium
25.11. - Dresden, Societätstheater


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